Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Tag danach

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
13. Hes 1032 BF
Der Tag danach
Sturmangriff


Kapitel 27

Sieg
Autor: Reichskammerrichter, weitere

Nordmarken, Der 13. Hesinde 1032 BF

Noch in der Nacht hatte ein Reiter Hagens die Nachricht von der Eroberung der Vorburg nach Twergenhausen getragen – und die Therbûniten, die ein Siechenhaus außerhalb der Stadt unterhielten, gebeten, sich um die Verwundeten zu kümmern. Auch nach einem Borongeweihten hatte er schicken lassen.
In den frühen Morgenstunden war Odelinde Zweyfeldt, Dienerin der Ähre und Spitalschwester des Siechenhauses, mit drei Gehilfen zum Ort des Kampfes geeilt. Ohne Furcht betraten die vier Therbûniten und fünfzehn sie begleitenden, perainegläubigen Ackerbauern aus der Vorstadt Twergenhausens mit Laternen, Verbandszeug und Kräutern den Hof der Vorburg. Die Bauern hatten Karren mitgebracht, zum Abtransport der Verletzten.
Kurz nach Ankunft der Heiler öffneten die Verteidiger das Tor zur Hauptburg, man bat einen der Therbûniten und zwei Gehilfen hinein, zu den Verletzten innerhalb der Burg. Eine des Heilens nicht unkundige Bauerstochter, die mit den Therbûniten eingetroffen war, nahm sich derweil einem schwerstverbrannten Halbtoten an, den sie am Wegesrand zwanzig Schritt vor der Burg fand. Der auf das Fürchterlichste entstellte – seine eigene Mutter würde ihn nicht wiedererkennen – und nur in einen Wollmantel gehüllte junge Bursche wurde mit kühlenden Leinen umwickelt sogleich mit anderen Verwundeten zum Spital nach Twergenhausen gebracht. Doch keiner war so übel zugerichtet wie der Junge. Wenn sein Leben noch irgendwo zu retten war, dann nur dort und mit Peraines Gnade!
Für Hagen stellte sich das Bild am Morgen des 13. Hesinde nicht viel anders da als in der vergangenen Nacht. Die Vorburg war erobert, aber die Verteidiger waren vorbereitet gewesen, hatten die Hauptburg gehalten: Der Geschützturm war zugemauert worden, um zu verhindern, dass die Angreifer diesen für ihre Zwecke nutzen könnten, die Wehrgänge in der Vorburg waren teilweise eingerissen worden. Alles, was Deckung geben könnte, hatten die Verteidiger aus dem Hof fortgeschafft, ihr Rückzug war geordnet vonstatten gegangen.
Wie auch immer: Hagen hatte seine herbeigesehnte Schlacht gehabt, aber kaum etwas erreicht. Man könnte sogar sagen, dass er die Schlacht verloren hatte. Aber das gestand der Baron sich nicht ein, obwohl so viele gute Frauen und Männer tot oder für ihr Leben gezeichnet waren.
Hagen selbst hatte noch einmal Glück im Unglück gehabt: Rondrian von und zu Maringen, sein getreuer, heilkundiger Ritter, hatte ihm den Armbrustbolzen aus der Schulter entfernt. Er würde dank der Heilkräuter aus dem Vorrat seiner Mutter Frylinde in wohl einer Woche wieder ein Schwert halten können.
Aber wo war Hagens Knappe Lucan?
Den anderen vermissten Knappen, Kunisbrand, mit dem Lucan sich während der Belagerung angefreundet hatte, hatte man im Morgengrauen tot vor der Burg gefunden. Ein Armbrustbolzen hatte ihn offenbar beim Rückzug aus der Burg einen zu frühen und ehrlosen Tod bereitet. Hagen befürchtete nun das Schlimmste und war die lange Reihe der Gefallenen, die man – er biss sich bei diesem Gedanken auf seine Lippe – wie die Strecke einer Hasenjagd nebeneinander auf den Treidelpfad gelegt hatte, zweimal abgeschritten. Er dankte den Zwölfen, dass Lucan nicht unter ihnen war!
Auch nach dem Abzug der Therbûniten und nach der Bergung der Toten schwiegen die Waffen. Es würde viele Tage dauern, bis man über einen erneuten Angriff auch nur würde nachdenken können. Hagen ritt am Mittag des 13. Hesinde alleine zum Rondratempel zu Twergenhausen. Der Hochgeweihte Throndwerth von Zweibruckenburg, ehemals Hofkaplan seines Vaters Bernhelm, empfing Hagen schweigend.
Der junge Baron betete für die Gefallenen – und bat die Göttin, die Burgbesatzung Dohlenhorsts zum Einlenken zu bringen, bevor es noch ein weiteres ehrloses und alles andere als rondragefälliges Massaker geben würde.
Den Segen, der er von Thronwerth auf den Knien erbat, verwehrte ihm dieser mit den Worten: „Die Göttin mag mit Dir sein, Hagen. Ich bete für Dich, dass sie es ist. Jeden Tag. Ich aber, Zeuge des irrwitzigen Niedergangs des einst so stolzen Hauses Sturmfels in den Nordmarken, des Hauses, dem ich über Jahrzehnte treu diente, werde Dir keinen Trost spenden und keine Last von Deinen Schultern nehmen. Nicht, solange nicht wieder Frieden zwischen Dir und Deinem Bruder ist.“
Hagen verließ den Rondratempel verbittert. Erst nach einem langen Gespräch mit Leuengunde vom Berg, der seinem Haus treu ergebenen Rondrahochgeweihten, war er wieder für andere zu sprechen. Leuengunde hatte ihm die Absolution erteilt. Er, Hagen, hatte sich nichts vorzuwerfen. Sein Bruder Angrond hingegen war ein erbärmlicher Feigling, er hatte die Flucht der Schlacht vorgezogen und ließ, während er wohl in Eisenhuett vor dem wohligen Kamin seines Schwiegervaters Roderich saß, hier seine Getreuen für sich leiden und sterben.

Der 20. Hesinde 1032 BF

Eine gute Woche war seit dem verlustreichen Angriff auf die Vorburg vergangen, der nicht erklärte Waffenstillstand hatte weitestgehend gehalten. Nur einmal hatte sich das Sindelsaumer Detachement, das – außerhalb der Außenmauer in Stellung gegangen – die Rückeroberung der Vorburg durch die Verteidiger verhindern sollte, ein kurzes Bolzenduell geliefert. Dessen Ursache war später nicht mehr zu eruieren, Verluste hatte es zumindest bei den Sindelsaumern nicht gegeben.
Hagen hatte mittlerweile mit der Mutter seines Knappen Lucan, Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg, über das spurlose Verschwinden gesprochen. Die Befragung mehrerer Mägde und Knechte hatte ergeben, dass Lucan zusammen mit dem tot vor der Burg gefundenen Knappen Kunisbrand irgendeine „Heldentat“ begehen wollte. Da man Lucan weder bei den Toten noch den Verwundeten gefunden hatte, war man recht sicher, dass er in Gefangenschaft der Verteidiger Dohlenhorsts geraten sein musste. Der Brauch der ritterlichen Geiselnahme verlangte es, dass der Geiselnehmer die Angehörigen der Geisel darüber unterrichtete – es konnte nur eine Frage der Zeit sein, bis Ituberga Hagen und Praiodara eine entsprechende Nachricht zukommen ließ. Während Praiodara von Tag zu Tag unruhiger wurde, verflog Hagens Zorn auf den Ungehorsam seines Knappen, während er sich ausmalte, wie dieser tapfer auf Burg Dohlenhorst seinen Namen und seine Herkunft verschwieg!
Der 20. Hesinde war ein richtiger Wintertag – es lag eine Handbreit Schnee, auf dem Großen Fluss trieben vereinzelt Eisschollen. Im Lager der Angreifer griff der Rotz um sich, immer mehr Frauen und Männer lagen schwer schniefend, hustend und fiebernd darnieder. Der 20. Hesinde war auch der Todestag des Praiosmärtyrers Meidhart von Fallenwerth, der auf den Tag genau vor 18 Jahren die Nachricht von der Erhebung des Hilberian zum Lumerian nach Gareth trug – und dafür vom Reichsgroßinquisitor an Ort und Stelle erschlagen wurde. Der Beginn des Zweiten Schismas der Praioskirche, in dem sich damals die Nordmarken fast geschlossen hinter den Lumerian und wider den falschen Heliodan stellten. Ein nicht unwichtiger Tag für jeden Praiosgläubigen!
Hagen, dessen Schulterverletzung trotz der Heilkräuter immer noch nicht ganz verheilt war, hatte für den Vormittag eine große Lagebesprechung anberaumt. Die mit ihm verbündeten Adligen, sofern sie nicht wie er im Zeltlager lebten, waren aus Twergenhausen und Altengrund herangeritten. So stand man zusammen im großen beheizten Zelt um den Tisch mit der Karte, und diskutierte darüber, was beim Angriff in der Nacht vom 12. auf den 13. Hesinde schiefgegangen war, und wie man nun die Hauptburg zu Fall bringen könnte, ohne diese Fehler zu wiederholen.
Ein Gardist, zitternd vor Kälte und hocherfreut, kurz ins Warme zu kommen, betrat mitten in der Beratung das Zelt und machte zackig Meldung: „Hochgeborene! Hohe Damen und Herren! Zwei Reiter haben mit einer Unterhändlerflagge Burg Dohlenhorst verlassen und befinden sich auf direktem dem Wege hierher.“
Wer neugierig aus dem Zelt blickte konnte auf dem Pfad von der Feste Dohlenhorst tatsächlich zwei Reiter kommend erblicken. Sie trugen eine Parlamentärsflagge, einige Streifen Stoff waren zu den Farben Tsas zusammengenäht worden. Emsig flatterte das Banner im kalten Wind. Die Reiter hatte es nicht eilig, doch dem Müßiggang schienen sie ebenso wenig zu frönen. Letztlich mussten sie auf alles gefasst sein und wenngleich den Farben der Tsa unter den Gläubigen der Zwölfe stets Respekt gezollt wurde, konnte man sie nie sicher sein.
Ebengleiches dachte man auf der Seite der Belagerer. Das Sindelsaumer Datachement hatte sie daher nicht aus den Augen gelassen und war bereit jeder Hinterlist zu begegnen. Solange dergleichen nicht geschah, hatte man sie jedoch ziehen lassen. Ituberga von Liepenstein war jedoch keiner der beiden Reiter. Entweder war sie selbst zu feige, die Verhandlungen zu führen, oder ließ hier nur eine fadenscheinige Botschaft überbringen.
Der eine der Reiter, vom Stand her sicher nicht weniger als ein Ritter, trug sein Schwert an der Seite, wie es ihm gebührte. Er mochte mittleren Alters sein und trug einen schwarzen Wappenrock mit goldener Borte und einen verzierten Kürass. Der Kälte wegen hatte er einen schweren pelzverbrämten Umhang umgelegt. Er trug zudem einen edlen Filzhut mit Schall goldener Brosche. Sein Gesicht war gut zu erkennen. Es war dann auch der Eisensteiner, der als erstes seine Verwunderung zum Ausdruck brachte.
„Das darf doch nicht …“
Den anderen erkannte Hagen gleich als seinen Onkel Cordovan von Sturmfels. Er konnte es kaum fassen, dass sich dieser die ganze Zeit auf der Feste befunden haben sollte. Cordovan, soweit Hagen wusste, war in Twergenhausen ansässig. Das erklärte einiges, aber längst nicht alles, war Twergenhausen in diesem Streit doch auf Seiten Hagens. Hatte Cordovan etwa Angrond vor dem Angriff gewarnt?
Die beiden Reiter waren rasch heran und wurden gemäß den guten Sitten behandelt und empfangen. Sie waren gewandt abgesessen und ihre Rosse von zwei Knechten an den Zügeln genommen. Für die Zeit der Verhandlungen sollten die Feindschaften wohl ruhen. Auf den Zinnen der Feste waren derweil einige Gestalten zu erblicken, doch schienen sie den Erfolg der beiden Reiter abzuwarten, denn Vorbereitung für einen Gefecht zu treffen.
„Seid gegrüßt Euer Hochgeboren Hagen von Salmingen-Sturmfels, Baron von Dunkelforst und Baruns Pappel, Praios mit Euch. Ich bin Roderich von Quakenbrück und komme, um in meiner Funktion als Kastellan von Burg Dohlenhorst mit Euch über die Übergabe der Feste zu verhandeln. Genug Blut wurde vergossen, wir wollen an diesem Tag zum Götterfürsten die Waffen ruhen lassen und die Streitigkeiten um die Burg hier beenden. Wenn wir uns einig werden, soll es keinen weiteren Waffengang geben“, sprach Roderich selbstsicher und bestimmt, als fordere er selbst die Übergabe der Burg von einem unterlegenen Hagen.
Letztlich war es unnötig sich vorzustellen, denn Hagen kannte den Bruder des Barons von Eisenhuett und den Schwiegervater seines Halbbruders Angrond, doch die Höflichkeit gebot dies. Er hatte sich mit Roderich nie besonders verstanden, geschweige denn unterhalten. Roderich galt im Gegensatz zu Hagen als Anhänger des Götterfürsten und pflegte einige gute Kontakte zur Kirche des Praios. In jüngster Zeit hatte dieser jedoch mehr die Nähe zum Wahrer der Ordnung gesucht, denn zum Illuminaten zu Elenvina. Wer konnte es ihm verdenken? Zudem hatte sich Roderich mit dem Erhalt der Nachricht des Todes Bernhelms von Sturmfels vor gut zwei Götterläufen gleich für die Sache seines Schwiegersohnes eingesetzt. Zwischen Hagen und Roderich hatte es damit nie etwas zu bereden gegeben.
Roderich grüßte auch in die Runde der anwesenden Adligen. Sein Blick blieb etwas länger bei der Baronin von Wolfstein hängen, die für einen Moment ihre eigene Überraschung kaum zu verbergen vermochte.
„Praios mit Euch Euer Hochgeboren. Es freut mich Euch zu erblicken, wenngleich ich wünschte, es geschehe an einem anderen Ort und unter anderen Vorzeichen. Ich hoffe es Ist Euch gut ergangen seid unserer letzten Begegnung“, war Roderichs Entgegnung auf ihren wieder beherrschten Blick.
„Euer Hochgeboren. Ihr mögt entscheiden, wer sich von Eurer Seite an den Verhandlungen anschließen möchte. Ich selbst wünsche die Anwesenheit des Herrn Cordovan von Sturmfels, eines Geweihten des Praios und eines Geweihten der Rondra als unparteiische und unbeteiligte Zeugen“, wandte sich Roderich ebenso bestimmt wie seine Begrüßung erneut an Hagen.
Es war Hagens Mutter Frylindes, die auf Roderichs Antrag nach den Verhandlern antwortete.
"Hesinde zum Gruße, Euer Hochgeboren von Quakenbrück! Eure Anwesenheit überrascht mich durchaus. Aber dies soll mehr Eure Sorge als diejenige meines Sohnes sein. Alle hier Versammelten sind die Verbündeten des Hauses Salmingen-Sturmfels und mögen, sofern sie dies wünschen, an den Verhandlungen über Eure Waffenstreckung teilnehmen."
Hagen nickte bei dieser Forderung seiner Mutter. Kurz fiel der Blick Roderichs auf den Baron von Eisenstein und dessen getreuen Ritter Gorwin. Sein Antlitz blieb dabei unbewegt, doch Abscheu lag für einen kurzen Moment in seinem Blick. Roderich nickte jedoch ebenso zustimmend.
„So soll es sein, damit bin ich einverstanden, Euer Hochgeboren. Sobald die Vertreter der Kirchen zugegen sind, wollen wir mit den Verhandlungen beginnen.“
Roderich war die Wahl des Praiosgeweihten gleich, diesen mochten Hagen und seine Vertrauten bestimmen. Doch obgleich Anhänger des Götterfürsten hatte er eine genaue Vorstellung wer Seitens der Rondrakirche zugegen sein sollte. Er bestand darauf den Hochgeweihten von Twergenhausen kommen zu lassen. Eine besondere Beziehung zwischen dem Edlen aus Eisenhuett, der auch Erbe des Barons dort war und dem Hochgeweihten war jedoch nicht bekannt, eine sonderliche Verzögerung ergab sich daraus zudem nicht, sodass dem Wunsch leicht entsprochen werden konnte. Die Verhandlungen konnten beginnen.
„Wie ich bereits versicherte, bin ich nicht gewillt weiteres Blut für die Verteidigung der Feste zu opfern. Genug hat Euer Sturm am dreizehnten Tage der Hesinde gefordert. Dies soll sich nicht wiederholen. Gleichwohl hier nicht über Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit Eurer Ansprüche verhandelt werden soll, wünsche Ich, so Ihr davon absehen wollt die Belagerung aufzuheben, Euch Burg Dohlenhorst zu übergeben. Ich versah bis zum heutigen Tage die Funktion des Kastellans auf der Feste und somit vermag ich für alle Bewohner der Burg einschließlich der Bewaffneten und der Burghauptfrau Ituberga von Liepenstein zu sprechen.“
Roderich machte sich keine Ilusionen darüber, dass Hagen die Belagerung aufheben würde. Er mochte dies vielleicht fordern, doch würde es nun nur unnötig weitere Zeit kosten. Roderich war nicht gekommen, um Spiele zu spielen, er wollte ein Ergebnis erreichen. Die verwunderten Blicke der Anwesenden, denn Roderich war bisher nicht bemerkt worden, entgingen ihm jedoch nicht.
„Die Nachricht bei Eurem Eintreffen stammte von mir, ich hatte meine Gründe. Der folgende Empfang seiner Hochgeboren Erlan von Sindelsaum am gleichen Tage Ende des Boronmondes war indes von mir nicht erwünscht. Ich war nicht geneigt, Gespräche zu führen. Ihr müsst dies verzeihen, doch Eure Ankunft konnte gelinde gesagt, als Raubüberfall bewertet werden. Doch dies und was die Burghauptfrau an jenem Tage bewegte soll nun keine anzusprechende Angelegenheit sein.“
Es erschien ihm schlicht müßig, die Zusammenhänge zu erklären, und tatsächlich würden sie wenig an den Verhandlungen ändern. Den Anwesenden war klar, dass Roderich damit argumentieren würde, dass Hagen wie ein Raubritter in Dohlenfelde eingefallen war und Hagen mochte anführen, dass er der rechtmäßige Baron wäre. Die bereits bekannten Argumente.
Roderich wollte sich auf diese Diskussion nicht einlassen, es galt heute um Burg Dohlenhorst zu verhandeln, und so fuhr er fort.
„Die Vorratskammern der Feste sind indes reich gefüllt, die Hauptburg kann lange gehalten werden, der Burgfried wohl bis zur Schneeschmelze. Wir sollten uns also einig werden, wenn es nicht zu einer verlängerten Belagerung kommen soll oder einem erneuten verlustreichen Sturm. Ich will Euch daher die Feste und alles was zu dieser gehört freien Stückes überlassen. Ich fordere dafür nicht mehr als freien Abzug und freies Geleit für jeden Adligen und jeden Gemeinen in der Feste, einschließlich des Herrn Cordovan von Sturmfels, der sich als unbeteiligter Gast auf Burg Dohlenhorst befand. Ich kann Euch versichern, weder Angrond von Sturmfels noch seine Gemahlin, seine Nachkommen oder sein Knappe befinden sich auf der Feste. Diese befinden sich an einem anderen Ort um die Wintertage zu verbringen. Mein Wort darauf, und Ihr mögt diese Vereinbarung für nichtig erachten, wenn Ihr etwas anderes feststellen mögt.“
Die Baronin zu Wolfsstein hatte mittlerweile die Überraschung überwunden und ihr wie so oft hochmütig-starres Antlitz aufgesetzt, während sie den Worten Roderichs lauschte. Dass bis zu diesem Konflikt der Kontakt zwischen ihr und dem Edlen zu Quakenbrück durchaus als gut zu bezeichnen waren, mochte dem ein oder anderen bekannt sein, war man doch in frommen Praiosglauben und Interesse an der Politik vereint.
Jedoch war diese unangenehme Überraschung nicht dazu geeignet, Praiodaras Laune zu heben. Das seltsame Verschwinden ihres Sohnes Lucan beunruhigte sie sehr, und dass Roderich die Verhandlungen führte, konnte für Hagen und seine Verbündeten nur von Nachteil sein. Sie schätzte den klugen Geist und die Finesse des Edlen aus Eisenhuett. Eine durchaus delikate Angelegenheit, sie hoffte inständig darauf, dass diese unglückliche Belagerung schnell zu Ende war und die Verhandlungen ebenso. Roderich konnten sie jedoch nicht gehen lassen – als Schwiegervater Angronds war er kostbar und zu gefährlich dazu.
„Habt Dank für eure Grüße, Wohlgeboren. Mir geht es gut, entwickeln sich doch die Dinge in die richtige Richtung“, erwiderte die Wolfssteiner Baronin die Worte Roderich dünn lächelnd.
„Ich kann jedoch seiner Hochgeboren Hagen nur dazu raten, NICHT jedem Adeligen auf der Burg freies Geleit zu gewähren. Schließlich würden damit seine Vasallen einfach so entfleuchen, ohne den Lehenseid auf den rechtmäßigen Baron zu leisten. Das wäre eine Lästerung der praiosgefälligen Gebote des Adels, Wohlgeboren Roderich. Zumindest alle Dohlenfelder] Adeligen müssten sich zwischen Lehnseid oder Gefangenschaft entscheiden. In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant zu erfahren, ob ihr als Kastellan der Burg ebenfalls einen Lehenseid auf den Baron zu Dohlenfelde geleistet habt, Wohlgeboren.“
Sie Baronin nickte lächelnd Hagen und seiner Mutter Frylinde zu, und auch Roderich nickte.
„Es freut mich, dass Euer Hochgeboren zufrieden seid. Nichts würde mich mehr enttäuschen, wäre es anders.“
Ein Lächeln huschte auf sein Gesicht, verschwand aber bald wieder.
„Aber Eure Bedenken scheinen angemessen und sprechen für Eure Sorgen um die Gefällige Ordnung. Ich kann Euch jedoch versichern, dass keine Lehnsleute Dohlenfeldes auf der Burg zu finden sind, die Herrn Hagen von Salmingen und Sturmfels den Lehnseid schuldig wären. Solange ein Baron von Dohlenfelde nicht seinen Eid auf die Lex Zwergia geleistet und vom Grafen des Isenhags nicht bestätigt ist, erübrigt sich ohnehin diese Frage. Wie Ihr sicher wisst und Ich Euch nicht zu erläutern brauche, wären Lehnseide bis dahin ohnehin nichtig und müssten als Bruch der zuvor gegenüber seiner Hochgeboren Bernhelm von Sturmfels geleisteten Eide gewertet werden. Ein höchst Praioslästerlicher Akt, dem ein Lehnheimfall als Konsequenz folgen müsste.“
Roderich blickte Praiodora ernst an. Offensichtlich hatte sie ihn auf Glatteis führen wollen, was er wenig schätze, hatte er doch mehr Geschick von der Wolfssteinerin erwartet. Der Grund weswegen er sie einst hatte schätzen gelernt. Hier befand man sich jedoch auf dem festen Boden der Ausläufer des isenhager Eisenwaldes, ein Einbruch war nicht zu befürchten.
„Die Burghauptfrau Ituberga von Liepenstein ist aufgrund einer alten Vereinbarung Burghauptfrau von Dohlenhorst. Sie zog es vor ihren Dienst bis zum heutigen Tage weiterhin dort zu verrichten und sich an die Vereinbarung zu halten. Allerdings steht es dem zukünftigen Baron von Dohlenfelde an, diese Vereinbarung mit dem Hause Liepenstein zu erneuern. Ich denke, Herr Hagen wird Ituberga von Liepenstein gerne ein Angebot machen können, auch unabhängig dieser zu erneuernden Vereinbarung, ein solches Amt in seinen Diensten fortzusetzen. Einer Pflicht unterliegt sich derweil dadurch nicht. Der Herr Cordovan von Sturmfels unterliegt meines Wissens auch keinem Lehnseid gegenüber einem Baron von Dohlenfelde, insofern war er auch nur Gast auf der Feste. Ob seiner Adligen Herkunft vermag ich mir überdies nicht zu äußern. Darin mag er sich selbst erklären.“
Roderich blickte kurz zu Cordovan.
„Ich selbst, wie Ihr wisst, unterliege einem Lehnseid gegenüber dem Baron von Eisenhuett und vermag keine weiteren Lehnseide abzulegen ohne dessen Zustimmung. Etwas, dass, wie Ihr Euch denken könnte, nicht geschehen wird. Meine Verpflichtungen gegenüber dem Baron sind bindend. Allerdings vermag ich sehr wohl Ämter anzunehmen, die nicht im Widerspruch zu diesen Lehnspflichten stehen, wie das Amt des Rates zu Turehall oder dem gräflichen Forstmeister zum Turehaller Forst. Im gleichen Sinne habe ich mein Wort dem von seiner Hochgeboren Bernehlm von Sturmfels bestellten Verwalter und Vogt der Baronie Dohlenfelde gegeben. Da seine Hochwohlgeboren der Graf des Isenhags keinen neuen Baron von Dohlenfelde ernannte und auch selbst keinen gräflichen Vogt entsandte noch den bisherigen absetzen ließ, auch das Reichsgericht in dieser Frage nicht anders entschied, muss ich davon ausgehen, dass Praios' Ordnung gilt und damit der Vogt noch der Vogt ist, mit allen einhergehenden Rechten. Das dem Vogt gegebene Wort lautete, der Burg als Verwalter vorzustehen, bis es in meinem Ermessen liegt, dieses niederzulegen. Ich stehe damit auch in keiner Lehnsverpflichtung gegenüber einem noch zu bestimmenden Herrn von Dohlenfelde. Mein Verpflichtungen galten einzig dem von seiner Hochgeboren Bernhelm vom Sturmfels ernannten Vogt. Und diese Endet mit der Aufgabe der Feste Dohlenhorst, dessen Zeitpunkt mir in der Funktion als Kastellan zu bestimmen obliegt. Zu einem späteren Zeitpunkt mag mir dieses Amt gerne erneut angetragen werden.“
Roderich blickte kurz Hagen an.
„Welche Präferenz ich selbst in der Frage um die Baronswürde Dohlenfeldes hege, dürfte indes kein Geheimnis sein, tut aber hier nichts zur Sache. Ansonsten hoffe ich damit Eure Fragen erhellend beantwortet haben zu können. Sollte sich in den vergangenen Wochen jedoch der mir unbekannte Umstand ergeben haben, dass seine Hochwohlgeboren, der Graf des Isenhags, den Herrn Hagen von Salmingen-Sturmfels zum Herrn von Dohlenfelde ernannte, so bin ich seiner Hochgeboren selbstverständlich eine Erklärung schuldig. Andernfalls jedoch, bleibt es bei dem vorgebrachten Angebot der Kapitulation. Seid versichert einen anders geltenden Fall, wie nun ausgeführt, gibt es nicht.“