Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Sommer in Wichtenfels II

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


 Wappen Mittelreich.svg 
 Wappen Herzogtum Nordmarken.svg
 
Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
F25. Epilog
Autor: M.W.


Nordmarken, 1033

Nach einer Stunde in der brütenden Sommerhitze war Ochsenheim erreicht. Der Weiler lag friedlich am Ufer des Darlin, an der Ochsenbrücke waren keine Posten auszumachen – die von Erzzwergen gebaute Steinbrücke wäre auch deutlich schwieriger zu zerstören gewesen als die Holzbrücke über den Arborin. Die sechs Wichtenfelser ritten in den größten Ort des Ritterguts Maringen, die Häuser waren, wie am Darlin üblich, um den Perainetempel gruppiert. Die Bauern waren auf den Feldern am Arbeiten, als wäre nichts gewesen. Als Voltan den Vogt von Ochsenheim sah, einen alten, aber redseligen und ebenso bestechlichen Mann, der sein Amt seit fast drei Jahrzehnten ausübte, ritt er auf ihn zu. Der Vogt, einer der wenigen Freien in Ochsenheim, grüßte den Landedlen: „Euer Wohlgeboren, wie immer freue ich mich, Euch hier zu sehen.“ Voltan grüßten zurück, während er absaß und ein paar Schritte in den Schatten des Perainetempels machte: „Praios zum Gruße, Vogt.“ Er schnippte ihm einen Silbertaler zu, und dann gleich noch einen, die der Alte geschickt auffing und in seinem Wams verschwinden ließ.
Der Ochsenheimer Vogt, vom Ritter zu Maringen, einem getreuen Gefolgsmann Hagens eingesetzt, erzählte wild drauflos – und bestätigte im Prinzip alles, was der junge Alrik schon erzählt hatte: Die Horasier kamen über die Ochsenbrücke von Dohlenfelde und schienen sich für nicht allzu viel zu interessieren. Wie viele Bewaffnete gäbe es im Rittergut? Im ganzen Junkergut? Wo sei der Ritter zu Maringen? Welche Bauern wären bereit, Getreide und sonstige Vorräte für gutes Gold zu verkaufen und nach Burg Schwarzfels zu bringen? Der Vogt erwiderte darauf, dass er ohne Erlaubnis seines Herrn, des Ritters, keinem Leibeigenen erlauben würde, Handel zu treiben. Und damit gaben sich die Fremden auch zufrieden. Viele Vorräte gäbe es vor der Ernte ohnehin nicht in Maringen, die besseren Äcker befänden sich „drüben“, also in Dohlenfelde, und in Wichtenfels. Dann ritten die Horasier auch schon weiter, nachdem sie noch gefragt hatten, wie weit es zum Markt Erzweiler sei. Zurück kamen die Reiter nicht, aber um zur Schwarzfels zu gelangen, dazu müsse man ja auch nicht über die Ochsenbrücke.
Auch Voltans Lanze verließ alsbald wieder Ochsenheim und ritt auf dem Kopfsteinpflaster der Via Ferra, die für schwerste Ochsenkarren gebaut war, den Darlin entlang, bis man Burg Schwarzfels sah. Die Flagge Twergenhausens, das seit nun mehr als einem halben Jahr wie ein Schandfleck jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang über dem Bergfried der ehemaligen Dohlenfelder Baronsburg geweht hatte, war eingeholt worden. Ein anderes Zeichen war nicht zu erkennen, auch nicht für den Knecht mit den besten Augen. So ritt man weiter, wie bisher aufrecht und weithin sichtbar, jedoch vorsichtiger als bisher. Immer noch auf der Via Ferra, war die Wasserburg auf der kleinen Darlininsel nur noch einhundert Schritt entfernt. Sie wären für einen begabten Schützen ein exzellentes Ziel, doch Voltan hielt nicht inne, obwohl man Bewaffnete auf den gut geschützten Wehrgängen sehen konnte. Er bog schließlich auf den Burgpfad, der in mehreren Windungen von der Via Ferra hinunter zur Zugbrücke der Schwarzfels führte. Die Zugbrücke war herabgelassen, das Tor war offen, unter dem Fallgatter standen lässig ein halbes Dutzend Kämpfer, an ihrer Kleidung und Bewaffnung als horasische Söldlinge eindeutig zu erkennen. Auch auf dem Wehrgang über der Zugbrücke konnte man Silhouetten erahnen, wahrscheinlich Schützen. Während Voltans Gefolge sichtlich nervös war, schien der Landedle wie die Ruhe selbst. Aber in ihm brodelte es: Dies waren womöglich die Leute, die seine Brücke zerstört hatten!
Rufe waren aus der Burg zu hören, als der Edle von Wichtenfels auf das Tor zu ritt. Nach kurzen Befehlen, die zu hören waren, gesellte sich schnell ein weiteres halbes Dutzend Söldner zu denen, die bereits am Fallgitter standen und bildete zwei Reihen, die Hellebarden in Richtung der Reiter gerichtet. Das Fallgitter der Burg senke sich langsam herab. Wie es schien, wollte man die Fremden nicht in der Burg haben.
Ein zwischen vierzig und fünfzig Sommer zählender Kämpe stand neben den zwei Reihen Söldnern, die den Zugang zur Burg blockierten und hatte ihnen, seelenruhig die Befehle gegeben. Die Söldner waren diesen ohne ein Zögern nachgekommen. Schnell und fließend hatten sich die Reihen gebildet und die Hellebarden gesenkt.
Hier handelte es sich nicht um frisch geworbene Söldner, sondern wohl um Veteranen, dass wurde dem Edlen von Wichtenfels recht schnell bewusst. Die Disziplin der Hellebardiere, die durchweg schwer gerüstet waren, und auch ihr Benehmen hatte was von den alten Garderegimentern. Waren es vielleicht frühere Gardesoldaten, die Voltan jetzt gegenüberstanden? Wie war das möglich und wie kamen solche Leute ins Horasreich?
Nach einer Musterung der sechs Reiter rief er sie an: „Den Zwölfen zum Große, Rondra voraus, Hoher Herr. Ich würde euch bitten, außerhalb der Mauern zu bleiben und euch nicht weiter dem Torhaus zunähern.“
Der ältere Kämpfer hatte ruhig und höflich, aber bestimmt gesprochen. Auch hatte er keinen Horathi-Akzent, sondern klang eher wie jemand aus Darpatien oder Garetien. Er schien das Befehlen gewöhnt zu sein, seine Haltung erinnerte an die eines Offiziers der kaiserlichen Regimenter.
Trotz der höflichen Worte war klar, dass die Söldner keinen schritt weichen würden, um Voltan und seine Begleiter weiter in die Burg kommen zulassen. Über die Köpfe des Dutzends Söldner, die ihm den Weg versperrten, konnte der Landedle von Wichtenfels noch weitere Kämpfer erahnen.
„Was ist euer Begehr, Hoher Herr?“
Mit ruhiger Miene schaute der ältere Söldner zu dem Reiter, den er für den Anführer hielt und wartete auf eine Antwort.
"Mein Name ist Voltan von Sturmfels, Landedler zu Wichtenfels und Ritter zu Greyffenhorst. Ich bin ein direkter Vasall Herzog Jast Gorsams vom Großen Fluss und dessen Herzöglicher Turniermarschall. Auch ich entbiete Euch meine Grüße. Sagt an, und in Praios Namen sprecht wahr, Söldling: Wessen Soldknechte seid ihr, was geht hier vor ... und warum zerstörten eure Reiter meine Brücke über den Arborin?"
„Waffen hoch!“ Kurz war der Befehl des Kämpen und die Söldner kamen dem sofort nach. Gerion wusste, dass ihm das Wappen bekannt vor kam, hatte es doch sein Auftraggeber beschrieben.
„Mein Name ist Gerion Gerdenwald, Euer Wohlgeboren, stellvertretender Kommandeur der Schwarzen Adler.“ Damit war der Höflichkeit erstmal genüge getan, nun galt es klug zu antworten.
„Wer unser Auftraggeber ist, darf ich euch nicht beantworten, Wohlgeboren, da mich ein Eid bindet.“
Gerion war während er sprach vor die Hellebardierereihen getreten, die hinter ihm zwar ihre Waffen gehoben hatten, ihre Formation immer noch hielten.
„Warum eure Brücke zerstört wurde, kann ich leider nicht sagen, da ich nicht aus dieser Baronie komme und mich nicht auskenne. Allerdings wird mein Kommandeur dafür Gründe gehabt haben, einen solchen Befehl zu geben.“
Der alte Kommandeur machte eine kurze Pause und musterte den Landedlen erstmal bevor er weiter sprach.
„Mich wundert es, dass ihr und die euren hier hergekommen seid, ohne ihm zu begegnen, war er doch in dem Ort nördlich von hier…. Dohlenfelde heißt er glaube ich.“ Innerlich fluchte Gerion darüber, dass Voltan und sein Gefolge es bis zur Burg geschafft hatten. Warum hatte Dartan beziehungsweise die Reiter den Edlen durchgelassen oder hatten sie ihn nicht getroffen? Aber so wie er seinen Freund und Kommandeur kannte, hatte Dartan sicherlich Späher aufgestellt, die ihn warnen würden, wenn fremde Kämpfer in das kontrollierte Gebiet eindrangen. Wo verdammt noch mal, war Dartan und warum hatte er ihm keinen Bote zu kommen lassen.
Dann viel es Gerion wie Schuppen von den Augen, irgendwas war vorgefallen, dass keinen Zeit ließ einen Boten zu schicken. Fast wäre Gerion bei dem Gedanken ein Fluch herausgerutscht, aber er besann sich noch, dass er nicht alleine war.
Wichtig war jetzt auch erstmal, wie er sich aus dieser Lage hier befreite, ihm lag es nicht so mit Adligen zu verhandeln, er war verdammt noch mal Offizier und kein Diplomat, dass war Dartans Aufgabe. Aber immerhin hatte wusste Gerion das Wappen halbwegs einzuordnen, da hatte sein Auftraggeber nicht falsch gehandelt, als er ihnen davon erzählt hatte, dass hier auch Verbündete des rechtmäßigen Barons von Dohlenfelde, waren. Wie hieß er noch gleich? Angold, Angolf, Angrond? Das war aber auch momentan unwichtig. Er schob diese Gedanken bei Seite.
„Ich kann euch das Angebot machen, euch und die Euren zu meinen Kommandeur bringen zulassen, wenn ihr dies wünscht, Wohlgeboren.“

Die Söldner auf dem Bergfried von Burg Schwarzfels hatten die sich vorsichtig über die Via Ferra aus dem Rittergut Maringen nähernde zwei Berittenen lange nicht bemerkt und erst im letzten Moment gesichtet. Auch Voltan und seine Leute vor der Zugbrücke sowie die am Tor wachenden Horasier bemerkten die Neuankömmlinge erst, als diese nur noch gut hundert Schritt entfernt waren.
Aliena von Maringen, die Tochter des Ritters zu Maringen, einer der wichtigsten Parteigänger Hagens, erkannte selbstverständlich den ihr wohlbekannten Landedlen zu Wichtenfels und seine Leute. Sie und ihr mit ihr reitender Verlobter waren sehr verwundert, diesen nun vor Burg Schwarzfels zu sehen. Was der Landmann auf dem Weg erzählt hatte, dass Söldlinge die Arborinbrücke zerstört hatten, und daher Voltan zur Schwarzfels geritten sei, schien also zu stimmen. Dass über Burg Schwarzfels nicht mehr, wie noch am Tag zuvor, die Farben Twergenhausens wehten, bestätigte auch die anderen Gerüchte, dass die Burg in der Nacht gefallen sei.
Aber was war mit der Burgbesatzung geschehen, immerhin fünf Flussgardisten unter dem Kommando der jungen Leuenantin Meingard von Schellenberg, die sich bei ihrem Dienstantritt vor mehreren Wochen höflich auf Gut Maringen vorgestellt hatte, sowie fünfzehn Spießbürger, angeführt von Praiodan Wichter, dem Sohn von Perval Wichter, Zunftmeister der Widder-Zunft der Viehleute, Ratsherr und Marktherr Twergenhausens?
Dazu kam, dass die horasischen Mietlinge offenbar im Streit mit Voltan lagen. Aber das machte alles keinen Sinn – wenn diese Söldner auf Angronds Seite stünden, was deren Angriff auf Burg Schwarzfels erklären könnte, warum sollten sie sich dann mit dem Landedlen anlegen, gar seine Brücke zerstören? Voltan war doch Parteigänger Angronds, wenn er sich bislang auch zurückgehalten hatte. Was war genau vorgefallen? Und zu welchem Zwecke?
Aliena überlegte, was sie nun tun sollte. Sie und ihr Verlobter waren noch weit genug entfernt, um im raschen Galopp davonzureiten. Die Horasier müssten schon exzellente Scharfschützen haben, um ihnen auf diese Distanz gefährlich zu werden. Außerdem schienen die Söldner vollauf mit Voltan beschäftigt. Oder sollte sie erst einmal versuchen, vor Ort den Nebel des Krieges ein wenig zu lichten, und dann ihrem Vater berichten?

Die Antworten des stellvertretenden Söldnerkommandeurs halfen Voltan kaum weiter. Unzufrieden schaute er den alten Haudegen von seinem Streitross herab an. "Nein, nein. Dohlenfelde finde ich schon noch selbst!" Ein Hauch von Verachtung lag in seiner Stimme. Der Landedle ließ seinen Blick durch das Fallgitter hindurch über den Hof der alten Burg wandern. Einige Male war er hier zu Gast gewesen, war stets standesgemäß und herzlich empfangen worden. Einige der besten Schwertübungen hatte er auf diesem Hof erlebt - Ritter Ardor pflegte einen äußerst eleganten Kampfstil, der ihn immer wieder an die Art erinnerte, wie viele Geweihte der Rondra das Schwert führten. Die von Schwarzfels waren eigentlich eine äußerst ehrbare, der Kriegsgöttin ergebene Familie gewesen. Was für eine Schmach, dass erst Städter und nun Söldner hier die Wacht über den Darlin und seine praioswärtigste Brücke hielten - und welche Schande, dass Ardor den Bürgersknecht Hagen unterstützte!
Voltan ließ sich Zeit und betrachtete weiter den Innenhof und die zu erkennenden Leute. Er wollte schauen, ob Spuren eines Gefechts zu erkennen waren, das hier stattgefunden haben mag. Getrocknete Blutlachen, frische Verbände an den Kriegsknechten, Ausbesserungsarbeiten an Gemäuer und Rüstzeug, irgendetwas. Freiwillig hatten die Städter die Burg sicherlich nicht übergeben. Oder doch? Mutig waren sie ja schließlich nur in großer Überzahl, diese Hellerfuchser. Ähnlich wie Goblins... Es waren, weder im Burghof, noch an den Söldnern irgendwelche Schäden oder Verletzungen zu sehen, was darauf schließen ließ, dass die Burg wohl ohne große Gegenwehr gefallen war.
Gerade als Voltan geendet hatte, kam der Warnruf von der Wehrmauer, dass sich zwei weitere Reiter näherten. Gerion stieß einen Fluch aus. Was war dass denn hier für eine Sicherung des Geländes von überall herkamen Reiter.
„Die Reste des erste und zweite Lanze zu mir“, der alte Haudegen hatte sich umgedreht und brüllte laut in den Burghof, „die anderen Lanzen besetzen die Mauern! Und bringt mir verdammt noch mal mein Pferd!
Schnell war im Burghof das Geschepper von Metal auf Metal zu hören und auch der Klang von festen Stiefeln auf Stein.
Zu den einen Dutzend Männer, die bereits bei Gerion waren, gesellten sich weitere acht Mann hinzu, so dass Voltan und seine Begleiter jetzt zwei Lanzen gegenüberstanden. Einer der Söldlinge führte ein Pferd mit
An den Landedlen gewandt fragte der Söldnerhauptmann: „Wohlgeboren, wenn ich mir die Frage erlauben darf, ist das hier euer gesamtes Gefolge oder habt ihr noch eine Nachhut, die euch folgt?“
Voltan stellte sich in die Steigbügel und schaute sich um. Ah, diese Reiter da hinten machten einer ganzen Burgbesatzung Angst? Seltsame Söldner waren das. Wohl weit näher mit den Goblins verwandt als die Twergenhäuser. "Wenn ich es richtig sehe, dann ist das die junge maringer Edeldame. Ich erkenne sie an ihrem Pferd. Ein schönes Tier! Keine Angst, sie wird Euch diese Burg nicht wegnehmen."
Gerion schnaubte bei dem Kommentar des Landedlen, allerdings nicht mit einer gewissen Portion Amüsiertheit in seinen Augen.
Der Landedle wollte bereits sein Pferd wenden und nach Norden aufbrechen, als ihm eine Idee kam. "Habt Ihr verwundete Gefangene? Ich bin neutral im Kampf um die Baronskrone und könnte sie in meine Obhut nehmen, falls Euch die Möglichkeiten fehlen, ihnen zu helfen."
„Ich danke euch für das Angebot, aber unsere Feldschere verstehen was von ihrem Handwerk, sollten wir Verwundete haben.“ Gerion sagte es in einem freundlichen Tonfall, der aber aussagte, dass er zu Gefangenen oder ähnlichem keine weiteren Angaben machen würde. Dann schaute er an Voltan vor bei und beobachtete die beiden Reiter. „Soso“, Maringen, dass war doch das Rittergut hier in der Nähe. Der Ritter war doch ein Verbündeter Hagens, wenn sich Gerion recht erinnerte. Gerion schwang sich auf sein Pferd, „Wohlgeboren, ich möchte nicht unfreundlich sein, aber könntet ihr und eure Männer bitte ein Stück zur Seite treten? Ihr seid, wie ihr gerade sagtet, neutral was die Angelegenheit zwischen den beiden Baronen angeht. Ich möchte nicht, dass ihr zwischen die Fronten geratet und so eure Neutralität verletzt wird.“
Die erste Lanze hatte sich hinter Gerion bereit gemacht, diesem zu folgen und die beiden Neuankömmlinge gebührend zu begrüßen.
Was Voltan auf viel war, dass ein Teil der Leute jetzt ihre Hellebarden gegen Armbrüste getauscht hatten. Auf der Mauer hatten sich ebenfalls Armbrustschützen versammelt, die fast alle in Richtung der beiden Neuankömmlinge schauten.
Gerion wartete auf die Reaktion des Landedlen, bevor er weitere Befehle gab.
Dieser Hauptmann wusste, wie man Andere im Unklaren ließ. Nunja, vielleicht erfuhr er ja von dessen Vorgesetztem mehr. Für einen Kampf war dies jedenfalls nicht die Zeit, die Zerstörung der Brücke würde nicht von diesem Haufen wieder gutgemacht werden. Soviel war klar. Aber Voltan fuchste es immer noch, nicht zu wissen, was genau hier vorging. Er fragte sich, was wohl die Maringerin wusste und wie sie auf die Söldlinge reagieren würde. Ebenso interessant war es zu sehen, wie die Kriegshandwerker mit der offensichtlich verfeindeten Edeldame umspringen würden. Er beschloss, die Zeit zu investieren und die Situation weiter zu beobachten. Der Weg nach Dohlenfelde konnte auch noch in einer halben Stunde geritten werden, zumal hier im Darlintal direkt am und über dem Fluss ein angenehmer leichter Wind von den Bergen herab wehte und den geschwitzten Reitern Kühlung brachte. Ohne weitere Umschweife ließ er sein Pferd gekonnt rückwärts von der Zugbrücke treten. Während die Söldner aufbrachen, führte er seine Begleiter parallel zu dem schwer gerüsteten Haufen, aber in einem gebührlichen Abstand von gut zwanzig Schritt parallel in Richtung der Maringerin. Er wollte nicht so erscheinen, als unterstütze er die Soldknechte und ritt daher in entspannter Haltung und mit geringem Tempo. Nur besonders misstrauische Beobachter hätten befürchten können, dass Reiter und Söldner die Maringer einzukesseln versuchten.
Die Söldner marschierten schnell über die Zugbrücke und bildeten sobald sie die enge Stelle verlassen hatten, flüssig zwei Reihen, Hellebardiere vorne, Armbrustiere dahinter. Als sich die Marninger bis auf fünfzig Schritt genähert hatten, ließ Gerion, der sein Schwert schon in der Scheide gelockert hatte, seine Männer, die ebenfalls ihre Hellebarden und Armbrüste mit Bolzen einsatzbereit hielten, halten und rief die beiden Reiter an.
Der alte Haudegen ließ dabei den Landedlen und seine Reiter nicht aus den Augen, aber diese beließen es, ihrer Haltung nach zu urteilen, erstmal beim Zuschauen. „Den Zwölfen zum Gruße, Wohlgeboren. Ich würde euch bitten zu halten und möglichst keine hektischen Bewegungen zu euren Waffen zu machen.“
Der Söldnerhauptmann musterte die beiden Reiter genau. Was trugen sie an Rüstung und Waffen, wie verhielten sie sich, diese Fragen schossen ihm durch den Kopf, während er sie beobachtete.
„Was ist euer Name und was ist euer Begehr?“
Äußerlich wirkte er ruhig und recht neutral, innerlich aber wusste er schon, zu welcher Fraktion die Maringer gehörten und was es mit ihnen zu tun galt. Dartan und seinen Auftraggeber würde es freuen….

"Rondra zum Gruße, mein Name ist Aliena von Maringen und dies ist mein Gemahl, Malachias vom Rosenbogen. Wir sind auf der Durchreise zu einer Jagdgesellschaft, was ist das hier und mit welchem Rechte steht ihr hier und verlangt von uns Rechtfertigung?" Sie richtete sich im Sattel auf und blickte über die Gruppe von Söldlingen. Es waren so viele, das sie kaum damit zu rechnen hatte, aus einer Konfrontation gut hervor zu gehen. Sie selbst trug ihren Reiterharnisch und hatte den Schaller gegen einen Jägerhut aus Leder getauscht. Der Helm hing am Sattelhorn. Malachias trug einen Harnisch aus grün gefärbtem Iryanleder und hatte den geviertelten grün-weißen Wappenrock mit dem Langbogen und der Rose als Wappenbild darüber geworfen. An den Sätteln hingen die unbesehnten Jagdbögen, jeder von Ihnen hatte seine Waffe gegürtet, sie den schweren Reitersäbel, er das Bastardschwert.
Jagdgesellschaft, so nannte man Spähen also in den Nordmarken. Gerion musste kurz lächeln, bevor er zu sprechen begann. „Mit welchem Recht ich von euch Rechtfertigung verlange?“ Er drehte sich kurz demonstrativ zu seinen Männern um. „Wohlgeboren, ist das nicht offensichtlich? Mein Auftraggeber, mein Auftrag und meine Männer geben mir das Recht dazu.“
Der alte Hauptmann machte eine kurze Pause um das Gesagte wirken zulassen.
„Wohlgeboren, auch ich hätte eine Frage an euch, seit wann reitet man in metallener Rüstung zu einer Jagdgesellschaft?“
Er zog die Augenbraue nach oben und beantwortete sich die Frage selbst.
„Einem kleinen Jungen, der noch grün hinter den Ohren ist, könnt ihr eine solche Erklärung auftischen und er wird euch glauben, jedoch nicht mir. Harnische sind denkbar ungeeignet für die Jagd, da sie bei einer solchen hinderlich als nutzbringend sind. Selbiges gilt für die Waffe an eurer Seite. Solche Ausrüstung zieht man für Dinge an, die ich nicht als Jagd bezeichnen würde, da täuscht auch ein Jägerhut nicht drüber hinweg.“
Er musterte demonstrativ noch einmal die Ausrüstung der beiden Reiter.
„Dennoch werde ich mich vorstellen, wie es die gute Sitte verlangt. Mein Name lautet Gerion Gerdenwald, Hauptmann dieser Männer, soviel dazu….“
Abermals eine Pause des Hauptmanns in der er sich aus dem Sattel hob, um sich danach wieder bequemer darauf zu setzen.
„Ich bin kein Mann vieler Worte, dennoch werde ich euch sagen, was ich von der Sache halte. Ich glaube, dass ihr für den Herrn des Guts Maringen herausbekommen wollt, was hier geschehen ist und wie es um Burg Schwarzfels steht….“ Er schaute der Ritterin ins Gesicht um ihre Reaktion zu sehen. „Aber das kann und werde ich nicht zulassen, Wohlgeboren, da mein Auftrag mir dies verbietet.“
In Gedanken fügte er noch hin zu: ‚Und der Herr Praios es nicht gerne sieht, wenn gelogen wird, insbesondere bei einer solch offensichtlichen Lüge.’ Aber er sagte, schluckte den Satz lieber herunter.
Der Haudegen machte eine kurze Handbewegung, auf die die Söldner mit den Armbrüsten sofort, in der Form reagierten, dass sie ihre Waffen auf die Reiter richteten und in den Anschlag nahmen.
„Eurem Gemahl steht es frei zu gehen, wohin ihn sein Weg führt, allerdings nicht weiter in Richtung der Burg. Euch aber, Wohlgeboren, würde ich bitten, mich auf die Burg zu begleiten und dort zu weilen, bis mein Auftraggeber entschieden hat, was mit euch geschieht. Natürlich werdet ihr eurem Rang entsprechen behandelt.“
Wie würde die Ritterin auf diese Aussage, die wenig Spielraum für Interpretationen ließ, reagieren? Wie würde ihr Gemahl reagieren? Was würde sein Auftraggeber dazu sagen, dass ein ‚Gast’ auf Burg Schwarzfels ist?
Diese Fragen schossen Gerion durch den Kopf, während er auf eine Antwort wartete.
"Nun denn, es scheint euch wohl gar so drauf aus zu sein, meine Gemahlin einer Schurkerei zu beschuldigen, das sieht man euch, trotz eurer doch recht verschlossenen Miene sehr deutlich an." sprach Malachias "Ihr seid hier nicht zu Hause aber auch euch sei doch sicher gewahr, das es jedem Manne und jeder Frau von Stand frei steht eine Klinge zu führen. Sei es im Kampf oder im täglichen Leben, eine Klinge ist ebenso Waffe, wie Standessymbol. Daher steht es jedem Nordmärker und auch jeder Nordmärkerin gut zu Gesicht gewappnet zu sein." "Brause nicht auf, Liebster, wenn dieser Mann es darauf anlegt mich gefangen zu setzen, so wird er es sicher mit seinen Armbrustern durchzusetzen wissen. Und wenn er in seiner Borniertheit sieht, was er sehen will, so sei ihm auch das gegönnt." Sie wandte sich wieder Gerion zu "Wenn ihr jedoch glaubt, ich würde mich einfach so gefangen nehmen lassen, so irrt ihr? Ebenso wenig werde ich gegen euch kämpfen. Ich habe hier nichts zu schaffen, solltet ihr dies vermuten, so tut es mir leid." Mit diesem Wort wendete sie ihr Pferd. "Wenn ihr uns aufhalten wollt, so werdet ihr uns erschießen müssen. Ich bin mir jedoch sicher, das Bolzen im Rücken einer Reisenden sich nicht all zu gut darstellen, sollte es ruchbar werden. Selbst verständlich könnt ihr uns überwältigen, aber dann solltet ihr euch gewahr sein, das es nicht ohne Blutvergießen geschieht, und an diesem werde ich nicht den ersten Streich führen." Mit diesen Worten brachten die beiden ihrer Pferde dazu auszuschreiten und sich langsam von den Reitern zu entfernen. Nun war es am alten Kämpen zu reagieren.
Gerion reagierte überhaupt nicht über diesen Versuch einer Belehrung durch den Herrn von Rosenbogen, sollte er doch reden, wenn er daran Freude fand.
„Wohlgeboren, ihr verkennt die Lage…. Ihr habt keine andere Möglichkeit als euch zu ergeben und mir in die Burg zu folgen, werdet ihr euren Rückweg nach Maringen doch von Reitern versperrt sehen.“
Langsam setzten sich die Söldner in Bewegung und folgten den beiden Reitern, um sich vor sich her zu treiben. Gerion hoffte nur, dass die Ritterin genug über Kriegskunst gelernt hatte, um zu wissen, wann es besser war aufzugeben und nicht die Dummheit besaß gegen eine Übermacht das Schwert zu ziehen. Mut war eine Eigenschaft, die Rondra schätzte, aber von Mut zur Dummheit war der Weg manchmal nicht weit und letzteres schätze Rondra wohl weniger.
„Ihr habt uns gezeigt, dass ihr Mut besitzt. Aber manchmal ist der Schritt von Mut zur Torheit nicht weit entfernt. Durch Torheit, die mit Mut verwechselt wurde, wurde schon mehr als eine Schlacht verloren und Kämpfer wurde sinnlos in den Tod geschickt.“
Der alte Kämpe hoffte, dass sie ein Einsehen hatte und sich ehrenvoll in Gefangenschaft begab. Selbst wenn sie es schaffte zum Gut Maringen zurückkehren, was unwahrscheinlich war, lange würde es nicht dauern, bis auch dieses Rittergut eingenommen worden war.
Der Söldnerhauptmann setzte sein Horn an die Lippen und blies drei kräftige Stöße hinein, die weit über das Land zuhören waren. Darauf herrschte Stille, in der Gerion auf eine Reaktion wartete. Ein kurzer, dumpfer Ton durchbrach die Stille und er lauschte auf. War das gerade ein Hornsignal, das dem seinem antwortete oder spielten ihm seine Ohren einen Streich?
Aliena und Malachias ließen ihre Rösser innehalten und dann in Richtung der Söldner wenden. Die Tochter des Ritters zu Maringen schaute Gerion direkt an. Dieser Bürgerliche nahm sich zu viel heraus, Praios würde ihn dafür strafen! Aber sie und ihr Gatte hatten hier nichts mehr zu gewinnen. Sie war bereit, ihr Leben für Baron Hagen ehrenvoll in der Schlacht zu lassen – aber hier, das wäre keine Schlacht, das wäre ein ebenso sinn- wie ehrloser Tod. Von Armbrustbolzen durchbohrt, bevor man auch nur die Gelegenheit gehabt hätte, sein Schwert zu ziehen.
Aliena sprach zum Söldnerhauptmann mit lauter Stimme: „Ich bin Eure Gefangene, mein Ehegatte ist Euer Gefangener. Wir werden keinen Widerstand leisten. Euer ehrloses Tun lässt uns keine andere Wahl. Nicht zögern würdet Ihr, uns von Euren Schergen niederschießen zu lassen wie gemeine Strauchdiebe. Wir beugen uns diesem anmaßenden Zwang, der Euch noch teuer zu stehen kommen wird. Ich und Malachias schwören trotz allem hier und jetzt bei unserer Ritterehre, uns Euch nicht zu widersetzen.“ Sie schaute zu Voltan von Sturmfels: „Seine Wohlgeboren von Sturmfels ist unser ritterlicher Zeuge.“
Nach einer nur einen Wimpernschlag währenden Pause ergänzte Aliena in scharfem Ton, wieder an Gerion gewandt: „Wagt es jedoch nicht, uns entwaffnen zu wollen. Wir werden auf den Rücken unserer Rösser in die Mauern der Burg Schwarzfels reiten und dort von Euch ein unserem Stande angemessenes Quartier erhalten, ebenso wie unsere Rösser angemessen zu versorgen sind. Ich hoffe Ihr wisst, wie mit Personen unseres Standes und stolzen Streitrössern umzugehen ist, Hauptmann. Weiterhin erwarten wir, umgehend mit Eurem Dienstherrn zu sprechen.“
Aliena war es nicht gewohnt, auf Antworten von Gemeinen zu warten. Auch in dieser Situation nicht. Nach nur leichtem Schenkeldruck der Ritterin schritt ihr Pferd langsam auf die Zugbrücke der Wasserburg zu. Malachias ließ sein Ross folgen. Die Tochter des Ritters zu Maringen warf dem Landedlen zu Wichtenfels noch einen kurzen Blick zu. Sie kannte den für seinen Stolz und Praiosglauben bekannten Adligen gut genug, um zu wissen, was er von diesem Schauspiel hier hielt.

„Wohlgeboren, ihr verdreht die Tatsachen. Meine Männer hätten euch nicht ‚heruntergeschossen’, ihr wärt, wie ich schon sagte, von Reitern abgefangen worden. Das ist in meinen Augen, ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.“

Nach einer kurzen Pause fügte er noch hinzu. „Ich mag nicht adlig sein oder eine Ausbildung als Ritter genossen haben, wie ihr. Dennoch werde ich nicht Rondra freveln, in dem ich euch von meinen Armbrustschützen niedermachen lasse.“ Gerion musterte die Rittern und ihrem Ehemann noch einmal und schaute auch zum Sturmfelser hinüber. „Ich werde eurem Ehrenwort als Ritter vertrauen. Ihr dürft euer Schwert behalten, genauso wie euer Gemahl. Was eure Unterkunft angeht, ist es selbstredend, dass sie eurem Stand angemessen ist, ebenso dass eure Pferde ordentlich versorgt werden.“
Er machte eine kurze Pause um wieder einen kurzen Blick in Richtung Voltan zu werfen.
„Was meinen Dienstherrn angeht, so werde ich es ihm mitteilen, das ihr nach ihm verlangt habt.“
Nach den gesprochenen Sätzen geleitete er die beiden Ritter mit seinen Männern in die Burg. Im Burghof angekommen, wurden ihnen ihre Pferde von zwei Pferdeknechten abgenommen und in den Stall geführt, wo sie abgesattelt, trocken gerieben und ordentlich versorgt wurden.
Aliena und Malachias hingegen wurden in eines der vielen Zimmer der Burg gebracht, in denen sich zwei Betten befanden und dass ihrem Stand angemessen war.
Nach ungefähr einem Viertel Stundenmaß brachte ein Knecht ihnen Getränke aus den Gewölben der Burg und etwas zu Essen. Vor der Tür hatten sich zwei Söldner als Wachposten aufgestellt.