Dohlenfelder Thronfolgestreit - Auf Burg Turehall

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
K118. Rückzug!
K121. Im Kosch
K122. Frieden!
K123. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, weitere

Nordmarken

15. Praios 1033 BF, auf Burg Turehall

Die großen Feierlichkeiten zum Beginn des Jahres 1033 nach Bosparans Fall lagen bereits zwei Wochen zurück, nicht wenige der Gäste, die auf Einladung des Barons und Reichskammerrichters Angrond von Sturmfels und seiner Gattin Isida von Quakenbrück nach Eisenhuett gekommen waren, waren aber direkt von den Praiosfeierlichkeiten in Elenvina dorthin gereist. Auch Angrond selbst war zur Sommersonnenwende in der Herzogenstadt gewesen und hatte dort am großen, von Seiner Eminenz Pagol von Greifax zelebrierten Praiosdienst teilgenommen, nicht ohne sich im Anschluss im Rahmen einer Privataudienz vom Wahrer der Ordnung Mittellande erneut dessen Unterstützung zu versichern: Niemals würde Pagol von Greifax die Ansprüche Hagens von Salmingen-Sturmfels gutheißen, war doch eine Involvierung von Hagens Tante – der finsteren Koscher Erzschurkin, der Borbaradianerin Charissia – in die mysteriösen Geschehnisse um seines Vaters Bernhelms Tod und die anschließenden Ereignisse nicht auszuschließen.
Die Eroberung Dohlenfeldes Ende Boron 1032 BF durch Hagen und seine Verbündeten, mittlerweile in Eisenhuett nur noch „Gelichter“ genannt, hatte Angrond zur Flucht aus seiner Baronie gezwungen. Er fand freundliche Aufnahme auf Burg Quakenbrück in der Baronie Eisenhuett des Barons Garmwart von Quakenbrück, dem Onkel seiner Gattin.
Angrond hatte bald nach seiner Flucht aus Dohlenfelde entschieden, seinem Halbbruder einen halben Götterlauf einzuräumen, um die Baronie am Großen Fluss ihrem rechtmäßigen Herrn zurückzugeben und damit auch den Hoftag auf der Pfalz Weißenstein abzuwarten. Doch Hagen, der es, obwohl Reichskammerrichter, nicht einmal für nötig hielt, auf dem Hoftag zu erscheinen, hatte die Frist, auf Burg Dohlenhorst weilend, ohne jedwede Reaktion verstreichen lassen. Auch von Frylinde von Salmingen, Angronds sonst so redseliger Stiefmutter, die den Winter und Frühling 1032 BF auf der mächtigen Stammburg ihres Hauses in der Baronie Dunkelforst verbracht hatte, war nichts als Schweigen zu vernehmen.
Zum Gram Angronds hatten sich die Adligen der Baronie Dohlenfeldes mit einer Ausnahme der jungen Ritterin zu Perainshof, die mit ihm nach Eisenhuett geflohen war, mittlerweile aus Angst um Leben und Lehen ausnahmslos Hagen unterworfen. Auch von der Geweihtenschaft und den Gemeinen war kein Widerspruch zu vernehmen. Die Herzogenstadt Twergenhausen, ohne deren Unterstützung Hagen die Eroberung Dohlenfeldes niemals möglich gewesen wäre, hatte Angrond, da er die von Hagen geschaffenen Tatsachen nicht anerkennen wollte, mittlerweile als „Feind des Magistrats“ sogar zur Fahndung ausgeschrieben. Auch dazu hatte sich Hagen nicht geäußert.
Dies alles nahm Angrond zum Anlass, am 27. Ingerimm 1032 BF Hagen formell die Fehde zu erklären – er würde sich das Seinige holen, und sei es mit Gewalt. Gleichzeitig hatte er alle Adligen – mit Bürgerlichen würde er, anders als Hagen, kein Bündnis eingehen –, die seiner Sache nahe standen, Schreiben überbringen lassen, um sie am 15. Praios 1033 BF auf die Burg Turehall zu laden. Diese mächtige Feste, ehemals Sitz der Barone zu Eisenhuett, nun jedoch Eigentum der isenhagschen Grafenstadt Turehall, und vom Rat der Stadt den Baronen nur noch zu besonderen Anlässen zur Verfügung gestellt, bot dem Rat, den er geladen hatte, einen angemessenen Rahmen. Aufgrund des Umstandes, mit dem der Stadt einst in den Rang einer Grafenstadt erhoben wurde, gaben die Barone von Eisenhuett ihren Anspruch auf diese bis an den heutigen Tag nicht auf. Der Stadtrat Turehalls hatte explizit Wert auf die förmliche Feststellung gelegt, dass durch das Treffen der Verbündeten Angronds auf Burg Turehall die strikte Neutralität der Grafenstadt und erst recht des Grafen Ghambir zu Isenhag im Dohlenfelder Thronfolgestreit nicht berührt sei. Gräflich Turehall würde keineswegs die Fehler wiederholen, die Herzoglich Twergenhausen gemacht hätte.
Wie auch immer, der Tag der Zusammenkunft war gekommen, und viele Hoch- und Niederadlige aus den ganzen Nordmarken und auch anderen Provinzen hatten sich auf Burg Turehall eingefunden, um mit Baronin Isida von Quakenbrück und Baron Angrond von Sturmfels zu beraten, was nun zu tun sei, um die Ansprüche Angronds, seiner Gattin Isida und deren gemeinsamer Kinder durchzusetzen. Nach einer gemeinsamen, hochsommerlichen Jagd in den Landen Eisenhuett saß man nun nach einem deftigen Abendmahl in der Großen Halle der Burg Turehall zusammen. Wenig zeugte noch von den einstiegen Tagen, als hier die Barone von Eisenhuett residierten. Für diesen Anlass jedoch wurde die Halle reich in den Farben der angereisten Adelsleute geschmückt.
Angrond schilderte zunächst die Geschehnisse der letzten Jahre und erläuterte die aktuelle Lage. Dann wandte er sich direkt an seine Gäste:
„Meine Freunde, meine Verbündeten, wie würdet Ihr nun an meiner Statt handeln? Die rechtlichen Mittel sind ausgeschöpft, Kaiserin, Herzog und Graf halten sich – zumindest offiziell – aus der Sache heraus, ebenso die Kirchen der Zwölfe. Wenn ich den Status quo nicht einfach akzeptieren und meine Baronie Hagen und seinem Gelichter überlassen will – und das werde ich niemals tun – dann bin ich gezwungen, selbst zu handeln. Ich bitte Euch: Welche Ideen habt Ihr, um Dohlenfelde zu befreien? Und welche tatkräftige Unterstützung könntet und würdet Ihr mir leisten? “
Garmwart von Quakenbrück, Baron von Eisenhuett hatte formell als Gastgeber auf der ehemaligen Baronsburg die Anwesenden kurz vor Angronds Ansprache willkommen geheißen. Angehörige, Lehnsleute und Freunde des Hauses Quakenbrück waren in großer Zahl erschienen. Auch der Ritter von Rickenbach, ein verstoßener Getreuer des Barons von Eisenstein befand sich unter diesen. So wollte der Baron von Eisenhuett auch als erstes das Wort ergreifen. Der Baron galt als enger Vertrauter des verstorbenen Barons Bernhelm von Stumfels zu Dohlenfelde. Die letzten Wochen vor der Reise nach Salmingen und in die Arme seiner Mörder, hatten Garmwart und Bernhelm, der nach dem Umzug des Reichsgerichtes nach Elenvina ein gern gesehener Gast in Eisenhuett war, manche Zeit miteinander verbracht. Etliche Themen gab es, die zwischen den beiden Baronen damals zu beraten waren. Nach dem Tod seines Schwertbruders Bernhelm hatte sich Garmwart zudem reichlich darum bemüht, beiden Brüder beizustehen und einen Weg, der Bernhelm gerecht werden sollte, sowohl dessen Wünschen zu seinen Lebtagen respektierte als auch dessen Nachlass entsprach, gesucht. Ein Unterfangen, das jedoch nicht zu erreichen war, wie der Baron erkennen musste, denn mehr konnte die letzten Worte Bernhelms seinen Ansichten zu Lebtagen nicht widersprechen.
Schwere Zweifel waren dem Baron daher bald gekommen, dass mit dem Nachlass Bernhelms nicht alles im Rechten sein konnte. Garmwarts Bruder Roderich, Schwiegervater des Angrond von Sturmfels, hatte ihn indes darin zu bestärken versucht, sich eindeutig hinter Angrond zu stellen. Lange Zeit hatte sich Garmwart jedoch zurückgehalten und bekundet, dass seine Treue Bernhelm von Sturmfels und den Seinen gesamt gelte, wie er es einst seinem Schwertbruder versichert hatte. Kälte war ihm jedoch in den letzten Jahren aus Dunkelforst und vom Hause Salmingen entgegen geschlagen. Der mehr als ein Mal geäußerte Wunsch nach einer rondrianischen Lösung, viele seiner Schreiben nach Salmingen blieben unbeachtet. Doch der Widerstand des Hauses Salmingen, zunächst der Erzschurkin des Kosch nachzusetzen, und das hinterhältige Vorgehen Hagens hatten Garmwart hinter Angrond gestellt.
Garmwarts Bruder Roderich, der sich zur Zeit der Einnahme Dohelfeldes auf Brug Dohlenhorst befand, hatte seinen Bruder von den Taten Hagens berichtet. Was Hagen getan hatte, war unverzeihlich. Er hatte sich mit den Feinden seines Vaters verbündet und war heimtückisch in Dohlenfelde eingefallen, um seinem älteren Stiefbruder Angrond ein rasches Ende zu bereiten. Allein der Überfall war in Garmwarts Augen eine Schandtat, die er Hagen, den in seinen Augen einst rondrianischeren der beiden Brüder, nicht zugetraut hätte, und als Erben Dohlenfeldes, für das er ohnehin von seinem Vater, soweit es Garmwart wusste, nicht vorgesehen war, disqualifiziert hatte. Dass er sich jedoch mit den Twergenhäusern eigelassen und ihnen Privilegien in Dohlenfelde eingeräumt hatte, war Verrat an Bernhelm.
Dass sich Hagen mit dem Eisensteiner verbündet hatte, war dagegen ein Verrat an den Verbündeten Bernhelms. Schon lange standen die Barone des Isenhags in Feindschaft mit dem Herrn von Eisenstein und wenn noch keine Fehde erklärt war, so fehlte nur noch eine Tat. Für Garmwart galt dies, als Rajodan von Eisenstein in kriegerischer Absicht seinen Fuß auf das Land seines verstorbenen Schwertbruders setzte. Für manch anderen Verbündeten Hagens hatte er nicht mehr Verständnis. Nach Crumolds Auen hatte der Baron von Tandosch gelobt, dem Hause Quakenbrück und dessen Angehörigen, so auch Isida und ihrem Vater Roderich, Garmwarts Burder, keinen Schaden zuzufügen, keine Fehde gegen diese zu erklären oder die Waffen zu erheben und in Eintracht Umstimmigkeiten zu beraten, ehe man weitere Schritte vorsah. Der Baron von Tandosch war einst bestrebt seine Stellung im Isenhag zu stärken und ein Bündnis mit seinen Nachbarn zu schmieden. Nun hatte er alle Versprechen gebrochen, und mit dessen Taten den Baron von Eisenhuett tief gekränkt und das Haus Quakenbrück aufs schwerste hintergangen. Hagen hatte sich jene Opportunisten an die Tafel geladen, die einst in Bernhelms Hallen nicht willkommen gewesen wären.
„Was immer es bedarf, um in Dohlenfelde die Zustände wiederherzustellen, die einst von Bernhelm von Sturmfels gewollt waren, die Unterstützung aus Eisenhuett, des Hauses Quakenbrück und seiner Freunde sei gewiß! Im Sinne Praios und Rondra soll gehandelt werden, wie es einst Euer Vater gewollt hätte. Meine Tatkraft sei es mit der Feder oder dem Schwert soll der Sache dienen!“
Tief und ernst war die Stimme des ergrauten Barons, dem auf dem Schlachtfeld und im Adelshof von seinen Gegner stets Respekt entgegen gebracht wurde. Den diplomatischen Weg hatte Garmwart in den letzten Jahren gänzlich ausgeschöpft, bei Frylinde und Hagen, war der vertraute Freund von Gemahl und Vater auf taube Ohren gestoßen. Seit dem Traviabund zwischen Hagen und seiner Gemahlin Ansoalda von Leihenhof, hatte Frylinde den Baron nicht einmal persönlich empfangen wollen. Wenn es erforderlich war, wollte er diesen Weg jedoch erneut beschreiten. Und wenn nicht der Graf des Isenhag Hagen zur Raison bringen konnte, vermochte es womöglich dessen Lehnsherr im Kosch. Doch die Hoffnung, eine friedliche Lösung zu finden, waren durch Hagens Handeln und seine Haltung seit seinem Überfall fast zur Gänze geschwunden. Garmwart, einer der ältesten und erfahrensten Ritter des Isenhags, er war Stellvertreter Bernhelms auf Crumolds Auen und hatte zuletzt das Adelsaufgebot für den Grafen des Isenhags im Praios des vergangenen Götterlaufes nach Abilacht geführt. Er würde auch nicht zögern, sich an die Spitze eines Heeres zu stellen, dass zu Gunsten Angronds die Baronie vom Gelichter Hagens befreien mochte. Hagen würde er dann jedoch noch immer den Respekt zollen, der ihm als Baron von Dunkelforst, Baruns Pappel und Sohn des Bernhelm vom Sturmfels gebührte. Mit den Söldnern, Piraten und Raubrittern in dessen Gefolge würde er hingegen wenig zimperlich umgehen, wie auch mit jedem Pfeffersack aus Twergenhausen, den er auf den Landen seines Schwertbruders antreffen würde. Es mochte ein Weg sein, der dem traditionsbewussten, rondrianischen Baron zwar missfiel, doch mit aller Konsequenz begehen würde, wenn es erforderlich sein sollte.
Nun galt es, was die angereisten Freunde des verstorbenen Bernhelm, Verbündete Angronds und Angehörige der betroffenen Familien in dieser Sache zu sagen hatten. Der Baron nahm wieder Platz.