Dohlenfelder Thronfolgestreit - Ein Hinterhalt
Balinor von den Silberfällen hätte sich vor den Kopf schlagen können. Es war doch so offensichtlich gewesen, aber noch war nichts geschehen. Wenn es hart auf hart kommen würde, würde man durch die Reihen der Feinde brechen. Man gehörte schließlich nicht zu der verweichlichten Sorte Söldner aus dem Horasreich, die sich jeden Tropfen Blut extra bezahlen ließen. Äußerlich ließ er sich jedoch nichts anmerken, als er sich an den Condottiere wandte.
"Dann begebt euch in unsere Gesellschaft und wir werden euch zu der Anführerin unseres Haufens geleiten, oder wenigstens zu einem Ort, an dem ihr sie treffen könnt. Traut uns oder nicht, aber ich gebe euch mein Ehrenwort, das ihr freies Geleit erhalten sollt. Wir werden euch sogar wieder zu diesem Ort geleiten."
Abwartend blickte Balinor den Anführer des feindlichen Haufens an. Er meinte sein Angebot ernst und hoffte, dass sein Gegenüber keine faulen Tricks auf Lager hatte. Sollten Balinor und seine Leute jetzt gefangen genommen werden, wäre das auf jeden Fall ein schlechter Start in dieses Jahr. Ein Massaker befürchtete er hingegen nicht. Dafür waren die feindlichen Söldner sicher zu professionell. Zumal es unklug wäre so früh brutale Gegenreaktionen herauszufordern. Mit Gruseln dachte er an manche der Hauptleute aus dem eigenen Lager. Wenn der Befehl dazu gegeben würde, dann würden diese auch Wehrlose abschlachten.
Dartan traute seinen Ohren kaum und schaute zu dem in schwarzen Kapuzenumhang gewandten Mann, der wie er keine Armbrust trug. Das Gesicht des Mannes war durch die Kapuze verdeckt.
Die restlichen Söldner verhielten sich vollkommen ruhig und Balinor fiel auf, dass sich diese ziemlich diszipliniert, fast schon zu diszipliniert für Söldner verhielten. Hatte er es hier vielleicht doch nicht mit Söldnern zu tun? Was wenn die Reiter sich nur als solche ausgaben?
Sie waren gerüstet Leichte Platten, Plattenzeug und mit Helmen, die Balinor noch nie gesehen hatte. Neben der Armbrust, die jeder Söldner trug, waren an ihren Seiten Reitersäbel zusehen und auf ihren Rücken Holzschilde. Finster musterten sie die gegnerischen Söldner unter Balinor, ohne dass sich aber einer von ihnen von seiner Stelle rührte.
Nach dem kurzen Blick wandte sich Dartan an den gegnerischen Söldnerführer.
„Zu erst einmal solltet ihr der Höflichkeit genüge tun und auch euren Namen nennen, schließlich habe ich euch auch meinen Namen genannt!“ Das Verhalten und die Wortwahl des Condottiere zeugten davon, dass das Befehlen gewohnt war. Sein Auftreten war nicht das eines normalen Söldnerführers, eher das eines Ritters. War er dies vielleicht auch und warum war die Einheit so diszipliniert?
Wieder schaute er zu dem Mann in Umhang hinüber, aber dieser rührte sich nicht und sagte auch kein Wort.
„Wie soll ich dem Ehrenwort eines Mannes glauben, der noch nicht einmal seinen Namen nennt?“
Dartan musterte sein Gegenüber ausgiebig, bevor er weiter sprach. „Ich sehe bei euch auch keine Banner, das euch als Parlamentäre ausweist.“
Wieder wurde Balinor einer Musterung, durch den wohl an die 30 Sommerzählenden Condottiere, unterzogen.
Der Mann im Kapuzenumhang bewegte sich. Was war das für eine Spitze, die an seiner rechten Schulter herausragte?
War das womöglich ein Zauberstab oder nur ein profanes Schwert?
An dem Mann konnte man nichts erkennen, weder die Kleidung, die er unter dem Umhang trug, noch sein Gesicht. Nur schwere Reiterstiefel und ein feste Wildlederhandschuh, an der Hand mit der er die Zügel hielt, waren zusehen. Ein Pferdekenner konnte allerdings das Pferd des Mannes sofort als Streitross erkennen. Ein edler Rappe wie ihn sich nur begüterte Personen leisten konnten.
Verbarg der Umhang etwas, das nicht sofort erkannt werden sollte? Mit Sicherheit - aber was?
„Ganz davon ab, verkennt ihr die Lage, in der ihr und euer Haufen sich befindet.“ Dartan hatte wieder zu sprechen begonnen. Die Stimme des Condottiere klang ruhig, aber bestimmt. Sein Rücken straffte sich und sein Gesicht wurde noch ernster und auch kälter. Die Augen des Condottiere zeugten davon, dass er mehr gesehen hatte, als die Schlachten im Horasreich, bei denen Menschen gegen Menschen kämpften. Balinor hatte hier wohl keinen verweichlichten Söldnerführer vor sich, der vor einem Massaker zurückschrecken würde, wenn dies nötig sei. Davon zeugte auch die Narbe, die von der Schläfe bis zum Kinn Dartans verlief.
„Ich werde euch dieses Angebot nur einmal machen!“
Der Condottiere machte eine rhetorische Pause um das Gesagte wirken zulassen.
„Legt eure Waffen nieder und übergebt sie uns, eben so wie eure Pferde und kehrt dann zu eurer Anführerin zurück oder begebt euch in unsere Gefangenschaft und gebt dann eure Waffen und Pferde ab!“
Dartan schaute die gegnerischen Reiter einem nach dem anderen ins Gesicht. Seine Miene deutete darauf hin, dass er sich keinen Scherz erlaubte.
„Ich vermute ihr wisst, was passiert, solltet ihr es nicht annehmen. Wurdet ihr von eurem Soldgeber für ein Alveranskommando bezahlt?“
Wieder schaute Dartan in die Runde und beantwortete die Frage selbst.
„Ich denke nicht! Was bringt euch alles Gold Aventuriens, wenn ihr es nicht ausgeben könnt?“
Ein weiterer Blick in die Runde, wobei sein Blick zum Schluss bei Balinor hängen blieb, als er auch diese Frage beantwortet.
„Nichts…. Tote brauchen kein Gold! Entscheidet euch, jeder für sich! Was ist euch lieber eure Waffen und euer Pferd zu verlieren und am Leben zu bleiben oder zu sterben und so dennoch eure Ausrüstung zu verlieren, nur dass ihr euren Sold nicht mehr genießen könnt.“
Abermals folgte eine Pause des Söldnerführers aus dem Horasreich.
„Dies ist mein Angebot! Nehmt es an und lebt oder verweigert es und….“
Mehr sagte er nicht - mehr brauchte er nicht zu sagen, zeigten doch seine gut gerüsteten Reiter deutlich, was dann passieren würde.