Dohlenfelder Thronfolgestreit - Im Kosch
Jetzt aber hatte man Drift erreicht. Das Fürstentum Kosch erschien gerade den Nordmärkern das verheißene Paradies zu sein. Hier konnten sie ruhen, hier konnten sie sich erst einmal von den Strapazen erholen.
Für Ansoalda von Leihenhof, Alvide und Roklan indes begannen die Strapazen nun erneut. Sie hatten die Schlacht verloren, sie hatten Dohlenfelde verloren, der letzte Wille Bernhelms von Dohlenfeldes war nicht geachtet worden. Roklan erzählte erneut von den Ereignissen rund um Bernhelms Tod, von der Testamentsänderung und vom Segen des Herzogs der Nordmarken. Doch was auch immer Bernhelms Wunsch gewesen war – jetzt war Angrond der Herrscher Dohlenfeldes, er war der Baron von Dohlenfelde. Hagen blieben immerhin noch die Baronie Dunkelforst im Kosch und Baruns Pappel in Tobrien.
Man kam überein, nun mit den Verhandlungen zu beginnen. Immer noch wusste man nicht, was war mit Hagen?
„Wir werden aufbrechen…“
Roklan und Ansoalda hatten sich in ein Zelt in privatim zurückgezogen. Die beiden hatten sich die Zeit füreinander genommen, Zeit, die sie all die Jahre über nicht wirklich hatten. Sie hatten über einiges gesprochen, Erinnerungen ausgetauscht und vor allem ihren verschollenen Vater geehrt. Beide, sowohl der ältere als auch die jüngere, waren jung und ohne Erfahrungen in ihre jetzigen Rollen gedrängt worden.
Roklan wurde Baron eines Lehens, dessen Ruf ebenso am Boden lag, wie dessen Wirtschaft. Er wurde Patriarch einer zahlenmäßig großen, aber nicht angesehenen Familie, die es nun zu ordnen galt. Er übernahm eine Verantwortung, die ihm zu groß erschien. Doch der junge Hirsch wuchs in diese Aufgabe hinein und vertraute mit sicherem Instinkt auf seine Ratgeber. Mochte er politisch auch sich in die Ecke gedrängt sehen, mochten sich auch alle Welt gegen ihn stellen, weil man ihm immer noch die Taten seines Großvaters vor vielen Jahren ankreidete, so stemmte er sich allem entgegen und straffte Galebquell und sanierte seine Finanzen.
Auch Ansoalda sah sich großen Aufgaben gegenüber. Schon während der ersten Unruhen ehelichte sie Hagen und übernahm während dessen Abwesenheit die Aufgaben als Baronin gleich dreier Lehen, mochte auch eines besetzt sein. Mitten in Kriegszeiten musste sie gleich ihrem Gemahl, frisch angetraut, eine moralische und organisatorische Stütze sein. Sie war der kühle Kopf an seiner Seite – und das bei ihrem Temperament! Und sie musste auch noch den Ehevertrag erfüllen und dem Haus Salmingen einen Erben oder eine Erbin schenken.
Es schien das Los der Kinder des Hauses Leihenhof zu sein, in unruhigen Zeiten schwierige Aufgaben übernehmen zu müssen. So gedachten sie auch ihrer jüngeren Schwester Dorcas in Tiefhusen, welche erst vor wenigen Jahren den Kronprinzen des von Orks besetzten Königreiches hatte ehelichen müssen. Die seltenen Briefe der Kronprinzessin sprachen Bände über die immensen Aufgaben, die auf ihren Schultern ruhten.
„… und die schweren Verhandlungen beginnen?“ entgegnete Ansoalda.
Roklan nickte und nahm die Hände seiner Schwestern.
„Alvide von Eichental und ich werden die Verhandlungen mit Angrond leiten. Wir haben verloren, das haben wir uns ja eingestanden.“
Ansoalda senkte den Blick.
„Schau voran, kleine Schwester.“
Roklan zwang sich zu Optimismus. „Du hast etwas, jemanden, für den du weiter machen kannst.“
Ansoalda lächelte und legte die Hand auf ihren Bauch.
„Und du bist die Baronin von Dunkelforst und Baruns Pappel. Hilf Hagen, sei ihm eine gute Gattin, Ratgeberin und Freundin, so wie es Jileia für mich ist.“
Der Baron von Galebquell erhob sich und streifte seinen Wappenrock glatt. Ohne große Worte verließ er das Zelt, der Blick seiner Schwester drückte all den Segen aus, den sie ihm mit auf den Weg gab. Und die flehentliche Bitte, ihren Gemahl zurück zu bringen.
Nur eine kleine Eskorte würde den Weg zurück nach Dohlenfelde wagen. Und der regenbogenfarbenen Parlamentärflagge würden sie Angrond gegenüber treten. Roklans Eskorte bestand aus Koradin von Rothammer, dem Nandusgeweihten, und Ivetta von Storchengarten, seiner perainegeweihten Tante, nebst nur wenigen Bewaffneten. Möglichst Zuversicht ausstrahlend trat er auf dem offenen Feld neben Alvide und ließ sich von einem Knecht die Zügel seiner teshkaler Stute Sternenfeuer.