Dohlenfelder Thronfolgestreit - Burg Schwarzenfels
Das vereinte Heer der Twergenhäuser Stadtwehr, der Erzweilerer Landwehr und der wenigen Kämpfer um die Baronin zu Wolfsstein, der ranghöchsten anwesenden Adligen, setzte sich in Bewegung.
Der Zwischenfall mit dem unglücklichen Ritter von und zu Darlinstein hatte nicht viel Zeit gekostet. Der Nieselregen ließ ein wenig nach, die bleigraue Wolkendecke riss ein wenig auf, ein paar zaghafte Praiosstrahlen erreichten die ebenso kalte wie nasse Erde. Nach nicht einmal einer Viertelstunde war der Bergfried der Burg Schwarzfels bereits zu sehen:
Die mächtige Wasserburg lag nun knapp drei Meilen entfernt, auf einer Felseninsel am Zusammenfluss von Darlin und Schwarzbach – alt und trutzig wachte sie dort seit Jahrhunderten über Darlin und Via Ferra. 172 BF waren die Barone zu Dohlenfelde, die bis dann auf Burg Darlinmund in Twergenhausen residierten, auf diese Burg gezogen.
In der Priesterkaiserzeit war sie zerstört und wiederaufgebaut worden, 585 BF verließen die Barone Dohlenfeldes Schwarzfels wieder, um Burg Dohlenhorst am Großen Fluss zu ihrer Residenz zu machen.
Das Haus Rhán, getreue Vasallen der Barone zu Dohlenfelde, wurden mit Burg und Gut Schwarzfels belehnt – Ardor von und zu Schwarzfels, der jetzige, gerade einmal dreißig Jahre alte Burgherr, war ein
direkter Nachfahr des ersten Ritters zu Schwarzfels.
Die Burg war die zweitwichtigste Garnison der Baronie, dort waren üblicherweise acht
freiherrlich-dohlenfeldsche Gardisten, drei Waffenknechte des Ritters zu Schwarzfels sowie zwei Zöllner des Ritters zu Schwarzfels stationiert, dazu kam vielleicht noch eine Handvoll Landwehrleute aus dem direkten Umland sowie ein paar Bedienstete, die vielleicht einen Spieß halten konnten. Geschütze gab es auf Burg Schwarzfels keine oder zumindest keine funktionsfähigen, war Ritter Ardor von und zu Schwarzfels, ein stolzer Rondrianer, doch für seine Verachtung solchen Kriegsgerätes bekannt.
Die Bemannung der Burg war für die deutlich überlegenen Angreifer nicht furchteinflößend. Als Problem musste vielmehr Deres Leib selbst gelten: Die Burg bedeckte zur Gänze eine kleine Felsinsel, zur Rechten wie zur Linken der Insel eilte der Darlin dahin, der hier ein reißender Bergbach war:
Zwar war jeder Arm nur gut fünf Schritte breit, jedoch bis zu zwei Schritte tief. Mit hochgezogener Zugbrücke ein fast unüberwindliches Hindernis gegen eine entschlossene Burgbesatzung.
Throndwig Gliependiek befahl seinen Stadtwehrkämpfern den Vormarsch. Es war klar, dass vom Bergfried Schwarzfels’ aus das gegen die Burg marschierende Heer deutlich zu erkennen war. Es gab keine Möglichkeit, sich ungesehen zu nähern – und auch keinen Grund dazu: Ardor die Übermacht der Angreifer zu verschleiern wäre kein taktischer Vorteil.
Der 45 Jahre alte Patrizier, der immerhin in Wehrheim – Abschlussjahr 1009 BF – eine Ausbildung zum Stabsoffizier der Reichsarmee erhalten hatte und den Range eines kaiserlichen Leutnants a. D. bekleidete, fragte ungewohnt höflich in die Runde der in seiner Nähe reitenden Adligen:
„Wie gedenkt Ihr, den Hohen Herrn Ardor zu einer möglichst unblutigen Übergabe zu zwingen? Ich würde als äußerste Maßnahme vorschlagen, dass wir seine Burg im Falle gewaltsamen Widerstands mittels der zahlreichen Geschütze meiner Stadt, die Morgen Abend hier sein könnten, in einen Trümmerhaufen verwandeln – aber ich bin sicher, dass dies nicht in Eurem oder Baron Hagens Sinne ist, und ich zweifele auch daran, dass der Magistrat Twergenhausens erfreut wäre, die ihm versprochene Burg erst wieder Stein für Stein für teure Dukaten aufbauen zu müssen, von den zu erwartenden unschuldigen Opfern ganz abgesehen…“
Der Nachsatz war ernst gemeint – Twergenhausen war an einem guten Leumund in seinem Hinterland interessiert, und dazu passten vermeidbare Kriegstote einfach nicht. Alles, nur kein Massaker bei der Eroberung der Burg Schwarzfels, über der schon bald das Banner der aufstrebenden Herzogenstadt wehen würde, konnte im Interesse Throndwigs sein.
Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg hatte während des unerfreulichen Zwischenfalls mit dem Ritter von Darlinstein geschwiegen – dass auch sie recht wenig von aufstrebenden Bürgerlichen hielt, war kein großes Geheimnis. Zu schade, dass der Ritter diesem Gliependiek nicht doch eine Lektion erteilt hatte. Chance vertan, nach vorne blicken, würde da ihre Base Rhela sagen.
„Nun, Herr Gliependiek. So der Herr Ritter von Schwarzfels ein überzeugter Anhänger der Sturmleuin ist, könnte uns dies uns zum Vorteil gereichen. Zum einen müssen wir nicht mit unangenehmem Beschuss rechnen und zum anderen – vielleicht erhaltet ihr zudem bei diesem Vasallen Angronds die Möglichkeit ein Duell zu führen? Throndwig Gliependiek erschlägt den Ritter von Schwarzfels im rondragefälligen Duell und gewinnt dadurch Burg Schwarzfels für die Stadt Twergenhausen. Wie klingt dies in euren Ohren?“
Die zierliche Baronin lächelte den massigen Patrizier gewinnbringend an. Der Ehrgeiz des Patriziers war enorm, dies konnte der Mann nicht verhehlen.
„Sollte jedoch auch dieser Ritter einem ehrenhaften Zweikamp mit euch aus dem Wege gehen wollen indem er euren Stand als Mangel anführt – für diesen Fall biete ich euch gerne an, dass meine Vasallin Phelinda von Gernebruch als eure Vertretung den Ritter niederringt.“
Die Edle auf der Keilerswehr war zwar bereits auch nicht mehr die Jüngste, jedoch äußerst kampferprobt und als ehemalige Burghauptfrau Wolfssteins eine Kriegsfrau durch und durch. Als sich der Herr Gliependiek der Edlen zuwandte, nickte diese ihm höflich zu – ohne ihn ihre Meinung über das Angebot der Wolfssteiner Baronin auch nur im Geringsten in ihrem Mienenspiel ablesen zu lassen. Die hochgewachsene Rittfrau blickte den Patrizier aus eisblauen Augen direkt ins Gesicht, eine tiefe Narbe lief der Adeligen vom Jochbein über Nasenflügel bis zum Mundwinkel, so dass das herbe Gesicht der Edlen noch derber wirkte.
Throndwig Gliependiek war sehr angetan von der Baronin zu Wolfsstein, und natürlich auch ihrem interessanten Vorschlag, dem Duell! Er hoffte nur, dass Ardor von Schwarzfels seine Forderung nicht ablehnen würde. Das Heer zog also weiter, immer näher an Burg Schwarzfels heran.
Als man auf Rotzenschussreichweite war, bereitete sich eine gewisse Unruhe aus. Einige der Bürger wurden angesichts der hoch aufragenden Mauern der kompakten Burg auf der Darlininsel unruhig. Keiner von ihnen hatte echte Kriegserfahrung, die Stadtwehr
übte sich regelmäßig in der Verteidigung der Mauern Twergenhausens – aber wurde Twergenhausen wirklich hier am Fuße des Eisenwaldes verteidigt?
Throndwig Gliependiek befahl der Stadtwehr etwa 250 Schritt vor der Burg, über der das Banner Dohlenfeldes wehte, zu halten und Gefechtsbereitschaft herzustellen. Dann hielt er kurze Rücksprache mit Ihrer Hochgeboren Praiodara von Wolfsstein-Föhrenstieg und dem Hohen Herrn Rondrian von und zu Maringen.
Die beiden Adligen und der Patrizier setzten sich ohne weitere Bedeckung von ihrem Heer ab. Sie ritten geradewegs auf das rahjawärtige Burgtor mit der hochgezogenen Zugbrücke zu. Throndwig überlegte kurz, ob er das Visier herunterklappen sollte – unterließ dies jedoch, als ihm gewahr wurde, dass Ritter Rondrian sogar seinen Helm abnahm. Die drei waren bald auf 150 Schritt heran und boten nun exzellente Ziele für gute Armbruster, von denen es im Eisenwald viele hatte.
Doch die beiden Adligen ritten mit der kalten Gelassenheit ihres Standes langsam weiter – wohlwissend, dass jeder Augenblick ihr letzter sein könnte. Throndwig Gliependiek hingegen war einerseits ein bürgerlicher, andererseits aber auch ein ausgebildeter Offizier der Reichsarmee, und beides brachte ihn dazu, sich ein wenig zurückfallen zu lassen. Sollten doch die Baronin und der Ritter ihren Standesdünkel mit ihrem Leben bezahlen, er, Throndwig Gliependiek, Alleinerbe des Vermögens seines Hauses, musste an das Weiterbestehen seiner Patrizierdynastie denken. Außerdem schätzte er taktisch dummes Verhalten ganz und gar nicht.
Auf einer Entfernung von 100 Schritt zur Burg Schwarzfels ärgerte sich der Sohn des Bürgermeisters zu Twergenhausen bereits über seine eigene Feigheit und vor allem das offensichtliche Vergnügen, dass es Rondrian und Praiodara bereitete, ihn mittlerweile fast zwei Pferdelängen zurückliegen zu sehen. Er gab seinem Ross die Sporen und schloss rasch auf.
Tief in seinem Herzen bewunderte er die Adligen für ihre Kaltblütigkeit: Im Turnier war er ebenso furchtlos wie ein „echter“ Ritter, aber ihm war schon als Kadett an der Kaiserlich Wehrheimer Akademie für Strategie und Taktik aufgefallen, dass es da einen Unterschied gab:
1003 BF – er war im vorletzten Ausbildungsjahr – kämpfte sein ganzer Jahrgang in der Schlacht der Tausend Oger an der Trollpforte. Die meisten Bürgerlichen, darunter auch er, hatten Angst vor den menschenfressenden Ungeheuern, die meisten Adligen mochten auch Angst haben – zeigten diese jedoch mit keinem Wimpernzucken.
Niemals würde Throndwig das Bild der jungen Kadettin gräflichen Standes vergessen, der ein Oger den rechten Arm aus dem Leib gerissen hatte und deren Leben davonströmte. Throndwig war zu ihr geeilt, stützte die Verblutende. Das Mädchen sprach ein Gebet zu Rondra, um nach Alveran aufgenommen zu werden.
Aber danach grämte sie sich über die ungeheure Schande, die ihr widerfahren wahr: Sie würde in einer Schlacht fallen, ohne auch nur einen Feind erschlagen zu haben – dies sei noch keinem ihrer Vorfahren geschehen. Und dann sprach sie nur:
„Throndwig, ich bedaure es so, dass Du das nie verstehen wirst. Aber dafür kannst Du ja nichts!“
Dann hauchte seine Kameradin ihr Leben aus. Die Bitterkeit, die er in diesem Moment verspürte, kroch aus dem tiefsten seiner Seele wieder hinauf.
Throndwig war für einige Augenblicke nicht bei der Sache gewesen, und als sein Pferd auf dem leicht rutschigen Untergrund einen Schritt verstolperte, war er um seine Steigbügel dankbar, ansonsten wäre er wohl aus dem Sattel geglitten. Er schüttelte die finsteren Gedanken ab.
Das Burgtor und die hochgezogene Zugbrücke waren nur noch 25 Schritt entfernt. Hinter den Zinnen des Torhauses waren Bewegungen auszumachen. Zielten dort feige Schützen auf ihre
Köpfe?
Der Instinkt sagte Throndwig, Deckung zu suchen. Aber es gab keine. Sein Herz schlug so laut, dass er hoffte, dass es die Baronin und der Ritter nicht hören konnten, seine Nervosität übertrug sich auf sein Pferd, das unruhig auf der Stelle trampelte. Bevor die drei besprechen
konnte, wie man nun weiter vorgehen solle, krachte und knarrte es im Torhaus. Es folgte ein Augenblick der Stille.
Dann senkte sich zu aller Überraschung die Zugbrücke. Gleichzeitig sahen die drei Reiter, wie das Banner Dohlenfeldes auf dem Bergfried eingeholt wurde. Als die Zugbrücke bebend zum Liegen kam, wurde auch noch das Fallgatter hochgezogen, danach das schwere zweiflüglige, eisenbeschlagene Steineichentor geöffnet. Nur ein Huschen war auszumachen, ansonsten war niemand zu sehen, auch nicht auf den Zinnen des Torhauses. Throndwig schaute die Baronin und den Ritter irritiert an.
Rondrian stemmte sich im Sattel auf und versuchte einen genaueren Blick durch den Torbogen zu erhaschen, konnte jedoch nichts genaues erblicken. Er wandte sich darauf an seine beiden Mitstreiter:
„Hat es irgendein Angebot an den Herren auf Burg Schwarzfels gegeben, er möge unversehrt abziehen, sofern er bereit sei aufzugeben?“
Seine beiden Begleiter schüttelten die Köpfe.
„Dann wird uns nur übrig bleiben als auf Rufweite heran zu reiten und zu sehen, was auf unseren Ruf passiert. Haltet eure Schilde bereit, denn es könnte auch eine List bedeuten um uns bei unserem näher kommen vom Pferd zu schießen. Ich bin zwar von der Tugend des Ritters Ardor überzeugt, aber nur ein Dummkopf baut nicht vor für Eventualitäten. Seid ihr einverstanden?“
Er wunderte sich, so eine eigenartige Sache hatte er noch nicht erlebt. Es konnte sich sowohl um eine Falle, als auch um die Bekundung einer friedlichen Übergabe sein. Nun, sie würden es bald erfahren.
Der Patrizier war nicht unbedingt von der Tugend Ardors überzeugt, und konnte sich zugleich sehr gut vorstellen, von einem heimtückisch abgeschossenen Bolzen niedergestreckt zu werden.
Aber er sprach dennoch: „Meinerseits keine Einwände, lasst uns näher reiten!“
Denn wenn Ardor Übles im Schilde führte, hätte er auch schon auf diese Distanz schießen können. Ein wenig hoffte Throndwig jedoch, dass die Baronin zu Wolfsstein einen besseren Vorschlag machen würde – er selbst hatte keinen. Im Torhaus war immer noch niemand zu sehen, das Banner Dohlenfeldes auf dem Bergfried war nun vollständig eingeholt.
Als die Baronin zu Wolfsstein weder widersprach, noch einen anderen Vorschlag machte, ritten die drei Adligen näher auf das geöffnete Burgtor zu. Auf einer Distanz von nur mehr zehn Schritt rief der Ritter zu Maringen:
„Rondra zum Gruße! Ich wünsche mit dem Hohen Herrn Ardor von Schwarzfels zu sprechen!“
Man hörte Pferdegetrappel im Burghof, dann kam der Burgherr in voller Rüstung und hoch zu Ross langsam durch das Tor geritten, den Schild in der Linken, die gesenkte Lanze locker unter dem rechten Arm, das Visier gesenkt. Als er mitten auf der Zugbrücke war, ließ er sein Pferd halten und klappte sein Visier nach oben.
Ardor von und zu Schwarzfels, ein Ritter von 30 Jahren, schaute den Hochadligen, den Niederadligen und den Patrizier ihm gegenüber an. Er blickte auf eigenartige Weise gleichermaßen erfreut und verbittert – als hätte er diese Situation herbeigesehnt, würde sie nun aber, wo sie eingetreten war, dennoch verfluchen. Dann sprach er zur Baronin zu Wolfsstein und
zum Ritter zu Maringen:
„Eure Hochgeboren, Hoher Herr! Im Namen Rondras, der himmlischen Leuin: Ich, Ardor von Schwarzfels, Ritter zu Schwarzfels, biete meinen Schild und mein Schwert meinem rechtmäßigen Lehensherrn, Seiner Hochgeboren Hagen von Salmingen-Sturmfels, dem einzigen Baron zu Dohlenfelde, an. Ich möchte ihm den Vasalleneid leisten und ihm bis zu meinem letzten Atemzug mit der Göttin Hilfe treu dienen, wie mein Vater seinem Vater diente und mein Großvater seinem Großvater! Bei Rondra, das schwöre ich!“
Die drei Berittenen vor der Zugbrücke schauten sich etwas irritiert an: Ardor wirkte nicht, als wäre er von der Armee, die vor seiner Burg stand, überrascht worden. Eben fixierte Ardor aber den Patrizier Throndwig Gliependiek. Der Ritter schien sich zu fragen, was der Sohn des Bürgermeisters von Twergenhausen dort verloren hatte. Ardor schien offenbar nichts vom auf Burg Salmingen ausgehandelten Vertrag zwischen Hagen und der Herzogenstadt Twergenhausen zu wissen – nach der die Burg an der Via Ferra an die Stadt fallen sollte.
Während die Baronin und der Ritter zu Maringen noch überlegten, was sie sagen sollten, sprach Throndwig geistesgegenwärtig mit tiefer und lauter Stimme:
„Hoher Herr, ich fordere Euch – unter Berufung auf den zwischen dem Magistrat der Herzogenstadt Twergenhausen und Eurem rechtmäßigen Herrn Hagen von Salmingen-Sturmfels zu Dohlenfelde geschlossenen, gesiegelten und beeideten
Vertrag – auf, binnen eines Wassermaßes die Burg Schwarzfels zu räumen. Mit den Euren, mit Euren Streitern, mit Euren Rössern und Eurem persönlichen Besitz. Alles, was Ihr zurücklassen werdet, wird ins Eigentum des Magistrats der Herzogenstadt Twergenhausen übergehen.“
Throndwig Gliependiek schien äußerst zufrieden. Er grinste breit. Ritter Ardor von und zu Schwarzfels war bei den Worten des Patriziers zusehends nervöser geworden, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er schaute geradezu hilflos zu den beiden Adligen, die ihm gegenüber auf ihren Rössern saßen.
Rondrian nickte Ardor zu.
„Er hat recht, so sind die Casus im Vertrag nieder gelegt worden. Es ist vor dem Herrn Praios und seinen elf Geschwistern nun unumstößlich, dass ihr euer Lehen räumt und nach der rechtmäßigen Belehnung durch unseren Baron Hagen andernorts in dieser Baronie strebt. Bedenkt das dies der unblutigste Weg ist, um sowohl euer Leben als auch das all eurer Lieben und eurer Vasallen zu erhalten.“
Er blickte den Ritter eindringlich an.
„Es bleibt euch kein anderer Weg, denn die Burg zu halten würde eure Glaubwürdigkeit als Vasall beschmutzen.“
Rondrian dachte daran, was geschehen mochte, wenn der Herr Ardor nicht bereit war zu weichen. Womöglich würde Gliependiek den Vertrag als geborchen erachten und das ganze Unternehmen gefährdet werden. Ohne Twergenhausen wäre es sehr schwer, die Belagerung um Dohlenhorst aufrecht zu erhalten.
„Wenn ihr es wünscht, und wenn es die Umstände ermöglichen, so werde ich euch nach der Übergabe zu Herr Hagen begleiten und mich für eure Sache verwenden. Euch soll Gerechtigkeit widerfahren. Nutzt eure Bedenkzeit gut und teilt uns eure Entscheidung danach mit, wir werden warten.“
Auch die Baronin zu Wolfsstein schien von dieser Wendung überrascht zu sein. Den sauertöpfischen Ausdruck auf dem porzellanblassen Antlitz konnte sie jedoch recht schnell vertreiben. Dass nun ein Bürgerlicher diesen Adeligen um sein Lehen bringen würde, wurmte sie durchaus. Dies konnte nicht in des Götterfürsten Sinn sein, bei Praios!
Dieser junge Rittersmann tat ihr beinahe leid, aber dieser Vertrag war bindend. Diesen zu brechen wäre ebenso ein schändliches Vergehen. Nachdenklich musterte die Baronin den selbstverliebt grinsenden Gliependiek.
Leise sprach sie dann, so dass außer Throndwig vielleicht gerade noch der Ritter zu Maringen sie verstehen konnte.
„Geehrter Herr Gliependiek, eine überraschende Wendung, fürwahr. Ich frage mich nur, ob ihr erneut die einmalige Gelegenheit auslassen müsst, mit einem Dohlenfelder Adeligen die Klingen zu kreuzen. Es ist euer gutes Recht, euch auf den Vertrag zu berufen, das mag ich euch als Advocata des Elenviner Rechtsseminar nur zu gerne bestätigen. Aber trotz allem – es ist schon verwunderlich, dass niemand von der Vasallentreue des Ritters Ardor von Schwarzfels wusste und dieser auch nicht von dem Vertrag zwischen dem Magistrat und seiner Hochgeboren. Aber nun gut… leider werden wir dies Rätsel nicht auflösen können, nicht wahr?“
Praiodara ließ ihre leisen Worte in Throndwigs Geiste wirken, wandte sie sich nun dem Schwarzfelser Ritter zu.
„Der hohe Herr zu Maringen spricht ganz Recht, hoher Herr von Schwarzfels. Ich sehe, ihr seid ein Anhänger der Sturmleuin, jedoch wird in diesem Falle ein Vertrag von Menschenhand nach praiosgegebenem Recht über euer Lehen entscheiden.“