Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Angriff beginnt

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
K118. Rückzug!
K121. Im Kosch
K122. Frieden!
K123. Epilog
27. Bor 1032 BF
Der Angriff beginnt
Der Vorabend


Kapitel 18

Eine Burg zu nehmen
Autor: Reichskammerrichter, Geron, weitere

Nordmarken, 1032

Am frühen Morgen des 27. Boron wehte ein noch stärkerer Beleman als an den Tagen zuvor, die Kapitäne der Flussschiffe waren hocherfreut, würde dies die Bergfahrt nach Twergenhausen doch deutlich erleichtern. Schnell hatten die Soldaten die Schiffe bestiegen, auch die Pferde waren rasch verladen. Die Schiffe lichteten die Anker und fuhren mit Ruder- und Segelkraft langsam den Fluss hinauf, dem Sonnenaufgang entgegen.
Etwa vier Stunden später war der Hafen Twergenhausen erreicht. Schon von weitem war die Kuppel der Sankt-Reghian-Sakrale hoch über der Herzogenstadt auf dem Burgberg zu sehen, auch die sich wie eine Muschel in die Höhe windende Sankta-Bethana-Sakrale nahe dem Großen Fluss war ein Blickfang. Die hohen Türme der Stadtmauer kündeten vom Stolz und Selbstverständnis einer wehrhaften Bürgergemeinschaft. Der Rauch, der aus zahlreichen Schornsteinen aufstieg, kündete von der wohligen Wärme in den Häusern der Stadtbürger.
Die fünf Schiffe mit ihren durchgefrorenen Besatzungen legten zwischen dem kleinen Gräflichen Zollhaus nahe der Hafenzitadelle aus der Priesterkaiserzeit und den Lastkränen des Stadthafens an. Eine Ratsdame und ein Ratsherr, in Nerzmäntel gehüllt, warteten dort, daneben standen ein Halbbanner Herzoglicher Flussgardisten, zur Hälfte beritten, sowie drei Hafenbüttel am Kai,hinter diesen war die Stadtwehr Twergenhausens aufmarschiert, knapp fünf Dutzend Spießkämpfer in Kurbulen und mit Helmen. Auf der Stadtmauer standen mit Armbrüsten bewaffnete Stadtwehrfrauen und –männer und überblickten den ganzen Hafen. Dazu kamen bestimmt dreihundert Schaulustige, nicht wenige von ihnen provisorisch bewaffnete Zunftangehörige. Offensichtlich war es dem Magistrat nicht wohl dabei, so viele Bewaffnete auf einmal an Land gehen zu lassen.
Throndwig Gliependiek schritt als erster ans Ufer, schüttelte den Magistratsmitgliedern die Hände und grüßte danach den Rittmeister der Flussgarde, Badurad Hlûthar von Harthals, rondrianisch. Anschließend wechselte er mit dem Offizier ein paar Worte, immer wieder zu den Schiffen schauend. Danach verabschiedete sich Throndwig von Hagen und verschwand in die Stadt.
Währenddessen führten die Adligen, bereits in voller Gefechtsmontur, und die Pferdeknechte die Rösser über wacklige Planken ans Ufer, danach durften endlich auch die ebenso kampfbereiten Waffenknechte und das Gesinde wieder festen Boden betreten, alles geschah unter den wachsamen Blicken der Flussgardisten und den teils grimmigen Blicken der Stadtwehrleute. Denn es war vertraglich vereinbart worden, den Streitern Hagens den Zutritt in die Stadt nicht zu gestatten.
Etwas am Rande der Menge stand Cordovan von Sturmfels, der vor Jahrzehnten wegen seiner Heirat mit einer Bürgerlichen aus der Familie Sturmfels Verstoßene Onkel Hagens, an seiner Seite dessen Gattin, Elida Platzhalter.
Der Endfünfziger schritt auf Frylinde und Hagen zu, und sprach: „Bei Rondra, Hagen! Möchtest Du tatsächlich den Zorn der Götter auf unsere Familie ziehen, indem Du Dein Schwert gegen Dein eigenes Blut erhebst? Ich bitte Dich, vergeh’ Dich nicht an unserer Familie!“
Hagen, der gerade dabei war, sein Streitross zu besteigen,funkelte seinen Onkel voller Zorn an.
„Unsere Familie? Hast Du tatsächlich unsere Familie gesagt? Ausgestoßener Du, der Du Schande über das Haus Sturmfels gebracht hast! Tritt mir aus den Augen, oder ich vergesse mich!“
Cordovan wirkte sehr ruhig. Er sah seinem Neffen in die Augen – und ihm wurde klar, dass der junge Baron seine Drohung bitter ernst meinte. Cordovan spürte gleichzeitig die Hand seiner Ehefrau an seiner Schulter, die ihn sanft zurückzog.
Dabei sagte er mit sanfter Stimme zu Hagen: „Ich bitte Dich, überlege Dir, was Dein Vater an Deiner Statt getan hätte!“
Hagen funkelte Cordovan erneut an, dieser biss sich auf die Unterlippe – und ging wortlos an ihm vorüber. Frylinde schaute einen winzigen Augenblick fast entschuldigend zum Onkel ihres Sohnes und dessen Gattin.
Cordovan rief Hagen hinterher: „Im Zweifel für die Familie, nicht gegen sie!“
Die adligen Verbündeten Hagens ritten an den Bürgern und Streitern Twergenhausens vorbei, hinter ihren folgten die Fußtruppen des kleinen Heeres der Verbündeten und Unterstützer Hagens. Am hohen Turm der Königsbarschzunft vorbei folgten die Truppen, eskortiert von der Flussgarde und der Stadtwehr, der Stadtmauer bis zum östlichen Haupttor der Stadt, dem mächtigen Tor der Ambosszunft an der Herzogenstraße gen Weidleth und Albenhus.
Dort wartete bereits die berittene Stadtwehr Twergenhausens, über zwanzig Reiter, von Rittern kaum zu unterscheiden und doch nur bürgerlichen Stande. Die adligen Ritter würdigten diese gemeinen schwersten Reiter keines Blickes.
Die Vorstadt Twergenhausens, wo fast nur albernische Flüchtlinge in immer noch recht provisorischen Holzhäusern lebten, ließen die Truppen rechts liegen, die große Werft Klippstein – eine der wichtigsten Flussschiffwerften am Großen Fluss – zur Linken.
Erst hinter dem Immanfeld ritt der Rittmeister der Flussgarde, der sich neben Hagen an die Spitze des Heeres gesetzt hatte, nach rechts ab, hinein in die Growinsmark. Stolz thronte Burg Darlinmund mit der prächtigen, der Herrin Rondra geweihten Sankt-Reghian-Sakrale über der Stadt. Hagens Blick schweifte mehrfach dort hinauf.
Seine Hochwürden Throndwerth von Zweibruckenburg war dort oben Hochgeweihter. Der Rondrageweihte war ein halbes Leben lang der beste Freund seines Vaters Bernhelm gewesen – und Hofkaplan des Hauses Sturmfels. Throndwerth hatte die Grabrede auf Bernhelm gehalten und seinen Nachruf für die Nordmärker Nachrichten verfasst. Mit ihm verrichtete Hagen seine ersten Schwertübungen, von ihm lernte er, wie die Herrin Rondra zu lobpreisen war.
Doch nach Bernhelms Tod missbilligte Throndwerth den Zwist zwischen den Brüdern als der Herrin Rondra ungefällig und dem Hause Sturmfels unwürdig. Er versuchte vergebens, zwischen Angrond und Hagen zu vermitteln, und gab schließlich, als ihm klar wurde, wie verhärtet die Fronten zwischen den beiden waren, sein Amt als Hofkaplan auf. Anschließend bewarb sich bei der Meisterin des Bundes zu Havena zum Frontdienst in Tobrien. Doch diese lehnte aufgrund des Alters Throndwerths – der Geweihte ging bereits auf die 60 zu – dankend ab und bot dem zweifach Geweihten einen Tempel an.
Auf seinen Wunsch wurde Throndwerth zum Tempelvorsteher der Sankt-Reghian-Sakrale ernannt und gleichzeitig zum Hochgeweihten geweiht. Der Rondratempel Twergenhausens war seit vielen Jahren vakant, die letzte Hochgeweihte war bereits im ersten Jahr der Invasion Borbarads in Tobrien gefallen. Hagen wusste, dass Throndwerth nun dort oben vor dem Altar kniete und zu seiner Göttin betete: Gleichermaßen für ihn und für seinen Bruder Angrond.
Als die Truppen einmal vollständig um den mit Wingerten bedeckten Growinssitz – wie der Burgberg Twergenhausens hieß – und damit die ganze Stadt herumgeritten waren, stießen sie auf die Via Ferra am Darlin. Sie folgten dem Fluss wieder einige hundert Schritt auf die Stadt zu. Dort, am Ende der Pervalsbrücke, die von einer mächtigen Warte geschützt war, hielt das vereinte Heer der Verbündeten Hagens und der Herzogenstadt Twergenhausen inne. Letzte Absprachen wurden getroffen.
Derweil kam der Patrizier Throndwig Perval Aurentian Gliependiek, Sohn des Bürgermeisters der Herzogenstadt Twergenhausen, in voller Rüstung auf einem mächtigen Streitross aus der Stadt geritten. Seine Rüstung, die im düsteren Licht des Boronmondes gar nicht recht zur Geltung kam, war nicht übermäßig prunkvoll, aber von höchster Güte und von einem der besten Schmiede des Bergkönigreiches Eisenwald gefertigt worden. Manch einem Adligen stand der Neid auf diese Wehr geradezu ins Gesicht geschrieben.
Throndwig ritt auf Hagen zu, grüßte ihn – ohne eine Erwiderung abzuwarten – rondrianisch, ritt dann zum Flussgardenrittmeister Badurad Hlûthar von Harthals und nickte diesem knapp zu. Die beiden verstanden sich wortlos, der Offizier gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte in die Stadt zurück. Kein Kämpfer in herzoglicher Uniform würde sich an dieser Familienfehde beteiligen, zumindest vorerst.
Dann wandte sich Throndwig erneut an Hagen, an dessen Seite seine Adligen Verbündeten standen: „Euer Hochgeboren, ich warte nur auf Euren Befehl, um Burg Schwarzfels mit den Kämpfern meiner Heimatstadt in die Gewalt des Magistrats zu bringen!“
Ihre Hochwürden Leuengunde vom Berg, Hochgeweihte der Salminger Schwerthalle, stieg nun von ihrem Ross ab, die anderen Berittenen taten ihr gleich. Sie zog ihr Schwert, kniete sich nieder und rief Rondras Macht, Stärke und Unbezwingbarkeit auf die versammelten Streiter herab, und bat die Anwesenden um Gnade für bezwungene Feinde und die Herrin um die Aufnahme tapferer Gegner in ihre alveranischen Hallen. Ein gemeinsamer Choral zur himmlischen Schlachtenlenkerin beendete den Feldgöttinnendienst, ein fernes Donnern war zu hören.
Der 27. Boron 1032 BF war ein Feuertag, der Tag des Kor. Welcher Wochentag könnte für einen Heerzug angemessener sein?
Hagen schaute nun in die Runde seiner Freunde und Alliierten, er räusperte sich und ergriff das Wort, der Text klang ein wenig eingeübt:
„Hochgeborene, Wohlgeborene! Ihr habt es gehört: Die himmlische Leuin streitet auf unserer Seite! In nur wenigen Stunden wird Dohlenfelde wieder seinem rechtmäßigen Herrn gehören, und damit wird auch Herrn Praios’ Wille Genüge getan sein. Die unverschämte Anmaßung meines Halbbruders wird ein rasches Ende und, so die Göttin will, ein unblutiges Ende finden.“
„So soll es sein!“ doch Gorwin wünschte sich selbst, dass jeder Wunsch Hagens in Erfüllung gehen mochte, bis auf der letzte. Nach dem unblutigen Ende der albernischen Empörung und des jähzornigen Heerzuges seiner Hoheit lag ihm dieser Tage anderes.
Erlan war voll und ganz damit beschäftigt zu überwachen, dass das wertvolle Material ohne Schaden von den Schiffen abgeladen wurde, als er Hagens Ausspruch hörte. Ob er wirklich glaubte, dass Rondra auf ihrer Seite stand? Auf der Seite einer Partei in einem Bruderstreit, der sich gerade zu einem handfesten Krieg ausweitete. Er stand auf Hagens Seite darin bestand kein Zweifel, aber er war keineswegs davon überzeugt, dass es der Wille der Götter war, dass sie hier standen. Wie so oft behielt er seine Gedanken allerdings für sich.
Die Überquerung der Pervalsbrücke verlief gänzlich ohne Zwischenfälle, der Zöllner am freiherrlich-dohlenfeldschen Zollhäuschen am linken Darlinufer schien weit mehr am sanften Wellengang des Darlin als an der kleinen Armee interessiert zu sein, die in Armesweite an ihm vorübermarschierte. Als die letzten Streiter den kleinen Fluss überquert hatten, sah man am Twergenhäuser Ufer gerade die letzten Stadtwehrkämpfer auf der Via Ferra gen Süden trotten, die Reiterei der Stadt und die die Stadtwehr begleitenden Adligen mit ihren Truppen waren schon längst nicht mehr zu sehen.
An der Spitze der Truppen Hagens und seiner Verbündeten ritt der erst 25-jährige dreifache Baron höchstselbst, er trug Vollplatte von bester Angbarer Güte, den rot-weißen Wappenrock des Hauses Sturmfels übergeworfen, ebenso einen rot-weißen Mantel um die Schultern. Das Familienschwert Hlûtharhilf – vor fast einem Jahrhundert, im Jahre 935 BF, zum Anlasse der feierlichen Krönung des ersten Sturmfelsers zum Baron Dohlenfeldes geschmiedet, von Baron Bernhelm in seiner Sterbestunde gegürtet und seither in Hagens Besitz – trug er an seinem breiten Schwertgürtel.
Zur rechten Hagens ritt seine Mutter Frylinde, in einen dicken Nerzmantel gehüllt, zu seiner linken Ihre Hochwürden Leuengunde vom Berg.
Direkt hinter den dreien ritt Ritter Korbrandt Leuerich von Bösenbursch, der persönliche Waffenmeister Hagens. Der bullige Kämpfer trug voller Stolz das Jahrhunderte alte Kriegsbanner der Baronie, das bis zur Krönung Hagens vor nun gut zwei Jahren in der Erzweilerer Sankta-Hildrun-Kapelle aufbewahrt worden war – und damals von Hagen mit nach Dunkelforst genommen wurde.
Diese beiden Insignien der Herrschaft über Dohlenfelde kannte jeder Bewohner der Baronie – jeder wusste aber auch, dass die zwei anderen Insignien, die Krone und der Siegelring, in der Hand Angronds waren.
Keine 150 Schritt hinter der Pervalsbrücke passierte Baron Hagen die Papiermühle der Baronie, die 1016 BF auf Empfehlung und mit Unterstützung aus der Privatschatulle der damaligen Baronin Frylinde von Salmingen gegründet worden war. Die Müllersfamilie stand am Wegesrand und ließ Baron und Baronin – womit offensichtlich Hagen und seine Mutter gemeint waren – hochleben.
Frylinde stieg vom Pferd ab, ging auf den Müller zu, schüttelte ihm freundschaftlich die Hand und sprach: „Guter Mann, mich freut es mehr als Euch, zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder auf der Scholle der Baronie meines Sohnes zu stehen. Die Lande zwischen Großem Fluss und Eisenwald wurden mir in den vielen Jahren, die ich hier mit der Götter Gnade verbringen durfte, zu ebensolcher Heimat wie dies die Baronie Dunkelforst im Koscherland ist.“
Sie stieg wieder auf ihr Pferd und schloss mit einem kurzen Abschiedsgruß an die Müllersfamilie wieder zu ihrem Sohn auf.
Nach nur weiteren gut einhundert Schritt passierten die Truppen die Abdeckerei und Gerberei, die vor allem von der Stadt Twergenhausen genutzt wurde (was im übrigen auch auf die Papiermühle zutraf). Vom Baron bis zum einfachen Waffenknecht war man über das kühle,windige Herbstwetter sehr dankbar, wusste man doch nur zu gut vom Gestank, den solche Gewerbe üblicherweise verbreiteten. Zwei Gerberknechte mit Mundtüchern rührten im Hof der Gerberei in großen Bottichen eine dampfende Brühe und nahmen keine Kenntnis von der kleinen Armee.
Eine Windhauch, geschwängert vom Duft der Abdeckerei, erreichte die Kämpfer. Ein überraschtes Keuchen, eine Armbrust wurde aus der Sattelhalterung gerissen, dabei gespannt und ein Bolzen war eingelegt. Die Armbrust folgte kalten Augen auf der Suche nach dem Ziel, als sich die Hand des Korgeweihten auf Fionas Schulter legte.
„Ruhig, Kleine. Wir sind nicht in Tobrien.“
Einen Moment blinzelte Fiona, dann entspannte sie die Armbrust und befestigte sie wieder am Sattel. Ein aufmerksamer Beobachter konnte sehen, dass sie einen Moment an der Sehne nestelte, bis sie an einer Halterung fixiert war. So kostete es ein wenig Kraft, die Armbrust aus der Halterung zu ziehen, doch war sie dann bereits gespannt.
Ein altes Mütterchen, schwer beladen mit einem Bündel Klaubholz, kam dem Zug entgegen. Sie blieb am Wegesrand stehen, schaute zu Frylinde hinauf. Dann zu Hagen, der sie huldvoll anschaute. Doch die alte Frau sagte, bevor sie ihren Weg gemächlich fortsetzte, nur:
„Bei den Zwölfen, unter Baron Bernhelm hätte es das nicht gegeben! Wenn das der gute Baron Bernhelm an Rondras Tafel wüsste, er würde den beiden frechen Buben die Ohren langziehen!“
Hagen wollte sein Pferd herumreißen und der Alten eine Lektion erteilen, doch da sah er die Hand der Rondrageweihten an seinem Zügel und ritt, der unverschämten Alten nur einen verächtlichen Blick hinterherwerfend, weiter.
Der Zug folgte weiter dem Großen Fluss, über dem träge dahinströmenden Wasser hingen vereinzelte Nebelfetzen. Ein einsames Floß war zu sehen, das Rufen der Flößer war dumpf am Ufer zu hören. Vier Meilen hinter Twergenhausen zweigte links der Pfad ab, der zum Burgtor Dohlenhorsts führte, und fast eine Meile lang war. Dieser Pfad war ziemlich schmal und wand sich erst sehr gemächlich, schließlich recht steil nach oben. Von hier aus war die mächtige Burg der Barone zu Dohlenfelde noch nicht einzusehen, dies war erst auf den letzten 200 Schritt des Burgwegs der Fall.
Burg Dohlenhorst war bald in Sicht, und auf dem Bergfried hoch über dem Großen Fluss war das grün-gelbe Banner der Barone Dohlenfeldes zu sehen. Ob auf den Wehrgängen Kämpfer standen, war nicht zu erkennen, und Hagen ritt furchtlos den Pfad weiter, gerade auf das Burgtor zu.
Als er etwa 60 Schritt vor den Mauern stand, sah man auf einmal Feuerschein hinter den Zinnen der Burg, fünf Brandpfeile wurden abgeschossen und zogen jeweils einen Feuerschweif hinter sich her, bis sie direkt vor Hagen und seinen Begleitern auf dem Burgpfad und im direkt daneben liegenden Unterholz einschlugen. Hagens Ross scheute, und nur mit größter Mühe konnte der junge Baron sein Pferd unter Kontrolle halten, was einem Ritter aus seinem Gefolge weniger gut gelang: Der Adlige stürzte aus dem Sattel, als sein Pferd stieg, und nur eine blitzartige Reaktion, die ihn nach einer Wurzel greifen ließ, bewahrte ihn davor, die Böschung dutzende Schritt in die Tiefe zu stürzen.
Mehrere Schilde waren reflexartig in die Höhe gerissen worden, und die weiter hinten stehenden Streiter wussten nicht, was die Ursache für das Durcheinander an der Spitze war, doch auch sie sahen die brennende Rotzenkugel, die aus dem dem Großen Fluss zugewandten Rundturm der Burg Dohlenhorst abgeschossen worden war und – einer viele Meter langen Feuerlanze gleich – in den Großen Fluss nahe dem Treidelpfad unterhalb des Burgpfades einschlug. Wäre das Geschoss auf dem schmalen Pfad zwischen den Streitern gelandet, die Verluste wären hoch gewesen.
Eilige Befehle wurden gebrüllt und unmittelbar danach wieder widerrufen, als klar wurde, dass Baron Angrond gar nicht beabsichtigt hatte, seinen Bruder oder dessen Verbündete ernstlich zu attackieren oder gar zu töten. Man wusste jetzt voneinander, und man war bereit, zu kämpfen. Auf Leben und Tod, sollte es dazu kommen.
Stunden später war der eigentliche Heerzug schon längst aufgebrochen, aber Erlan war mit seinen Leuten noch immer keine Meile marschiert. Mühsam hatten sie Vieh und Material von den Schiffen abgeladen und auf den Kutschen verstaut. Neben Geschützen, Werkzeugen, Munition, Vorräten, Ersatzwaffen, Lagerbedarf und Zelten war ein Wagen auch mit mächtigen Bierfässern beladen worden. Erlan war keineswegs bereit, den Winter, den er nun in den Nordmarken verbringen würde ohne gutes Angbarer Bier zuzubringen, und er wusste auch, dass gutes Bier stets wichtig für ein Koscher Aufgebot war.
Auf einem anderen Wagen wurden große leere Weidenkörbe aufgeladen. Diese würden bei der Belagerung mit Erde gefüllt und als Schutz für die Geschützmannschaften dienen.
Endlich waren alle Vorbereitungen getroffen und der Wagenzug war abmarschbereit. Die Städter waren längst in die Stadt zurückgekehrt und nur wenige hatten sich für ihre langwierige Arbeit interessiert.
Erlan nickte nun Balinor von den Silberfällen zu. Dieser griff an seinen Gürtel und gab ein kurzes Hornsignal. Langsam setzten sich die von Ochsen gezogenen Karren in Bewegung.
Erlan ritt mit seiner Frau und einigen anderen Berittenen an der Spitze des Zuges, während sich die übrigen Reiter und Fußknechte an dem Wagenzug verteilt hatten. Quälend langsam zog sich der Marsch dahin. Mit den schweren Troßwagen kam man bei dem eisigen Wetter nur äußerst langsam voran.
Der Weg führte entlang irgendwelcher Außenbezirke der Stadt, bis sie sich einer Brücke näherten. Ein Zollhäuschen stand an der Brücke, doch der Zöllner schien er damit beschäftigt zu sein, möglichst unwichtig auszusehen und kam gar nicht auf die Idee, den Zug nach Zoll zu fragen. Erlan ritt gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Gerwulf voraus auf die Hütte zu. Der Zöllner machte den Eindruck, als würde er sich am liebsten in den Bach stürzen, um vor den fremden Kriegern zu entkommen. Erlan nickte ihm jedoch freundlich zu.
„Sagt guter Mann wie sind hier die Zolltarife?“
Der Zöllner war erst nach mehrmaligem gutem Zureden in der Lage, eine klare Aussage zu treffen, woraufhin Erlan ihm die Summe für die Kutschen und Nicht-Adligen zahlte. Als sie bereits lange an dem Mann vorbeigezogen waren konnte dieser es noch immer nicht fassen.
Erlan schmunzelte jedoch über die Situation. Letztlich war es eine freundliche Geste gewesen, die ihn einige wenige Silbertaler gekostet hatte. Ihm war nicht daran gelegen die Bevölkerung zu verschrecken und eine solche Geste mochte zeigen, dass auch mit Hagen Recht und Ordnung aufrecht erhalten würden.