Dohlenfelder Thronfolgestreit - Rückzug!

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
K118. Rückzug!
K121. Im Kosch
K122. Frieden!
K123. Epilog
Autor: Reichskammerrichter, Geron, weitere

Nordmarken, 1033

Regen prasselte in Wogen auf das Schlachtfeld am Darlin nieder. Immer wieder donnerte und blitze es mit solcher Gewalt, dass Baronin Alvide von Eichental glaubte, der Boden würde sich jeden Moment unter ihr auftun. Gemeinsam mit ihren Truppen hastete sie gen Süden, in Richtung ihres Feldlagers. Ansoaldas Botin, die Jungfer zu Eichhain aus Dunkelforst, hatte ihr nur berichtet, was sie bereits gewusst hatte. Die Schlacht war verloren.
Hätte das Gewitter nicht begonnen, wären Alvide und ihre linke Flanke vermutlich komplett umschlossen und aufgerieben worden. Nun aber hatte das Unwetter die verfeindeten Parteien getrennt und den Koschern den Rückzug ermöglicht.
Mühsam stapfte Alvide durch den feuchten Boden. Das Unwetter weichte den Boden zunehmend auf und die vielen Toten und Verwundeten, die auf dem Boden lagen, machten das Laufen auch nicht gerade einfacher. Mehr stolpernd, als rennend brachte Alvide Schritt um Schritt zwischen sind und Angronds Heer. Ihre eigenen Truppen hatten sich längst aufgelöst.
„Rückzug zum Feldlager“ hatte sich als Devise rasend schnell ausgebreitet, aber das bunt gewürfelte Heer Hagens hatte sich nicht, wie Alvide gehofft hatte, geordnet zurück gezogen, sondern aufgelöst. Jeder versuchte nun für sich zum Feldlager zu kommen.
Nur wenige ihrer eigenen Waffenknechte hatten sich um Alvide formiert, um die Baronin vor eventuellen Verfolgern zu bewahren. Wolfberta, ihre Bannerträgerin, hatte die Sindelsaumer Waffenknechte mir eiserner Hand zusammen gehalten, doch die vielen Söldner ihres Aufgebots hatten sich zerstreut und suchten ihr eigenes Glück. Die allermeisten Verwundeten wurden ihrem Schicksal überlassen, nur der eine oder andere Adlige wurde von seinen Leuten mitgeschleppt, um ihn nicht in die Hände des Feindes geraten zu lassen.
Endlich erreichte die kleine Gruppe den Farnbach und kurz darauf kam auch die Farnbachbrücke in Sicht. Dort drängten sich bereits zahlreiche Kämpfer über die Engstelle. Erschöpft lehnte sich Alvide auf ihr Schwert.
„Wir werden hier warten“, ordnete sie mit gefasster Stimme an. „Wenn Angronds Heer die unseren verfolgt, werden sie hier ein Blutbad anrichten und unser Heer vernichten.“
Ihre Waffenknechte wirkten erschöpft. Sie waren ebenso ausgelaugt, wie Alvide und die Aussicht sich dem Feind erneut gegenüber zu stellen behagte ihnen ebenso wenig, wie Alvide selbst, aber sie hatten geschworen, den Herren von Sindelsaum zu dienen und so nahmen sie zu beiden Seiten der Brücke Aufstellung ein.
Zwei Kämpfer aber schickte Alvide mit Anweisungen zu Ansoalda. Es musste ihnen gelingen den ungeordneten Rückzug zu stoppen und sich zu formieren. Nur dann würden sie eine Chance haben, in einem Stück aus Dohlenfelde heraus zu kommen. Auch das grollende Unwetter würde Angronds Streiter nicht ewig fern halten.
Die Flut der Flüchtlinge wollte kaum abreißen, aber Alvide tat ihr Möglichstes, um die Unordnung zu beenden. Hauptleute brüllten Befehle und brachten die Truppen wieder in halbwegs ordentliche Haufen. Insbesondere Roklan von Leihenhof und Ulfried von Orgils Heim und Streitzig behielten einen kühlen Kopf und brachten die Truppen wieder zum Stehen.
Baronin Ansoalda hatte in weiser Voraussicht das Lager abbrechen lassen und so konnte das Heer in aller Eile abrücken, sobald die Mehrzahl der Kämpfer über die Brücke entkommen war. Der Baron vom Orgils Heim formierte eine kleine berittene Vorhut, während Roklan und Ansoalda von Leihenhof das Hauptheer und den Tross befehligten.
Alvide von Eichental hielt derweil die Stellung an der Farnbachbrücke und brach erst ein halbes Stundenglas nach dem Hauptheer auf. Zwar hatten sie eine bunte Zahl an Pferden aus dem Feldlager zur Verfügung, aber an einen Reiterkampf war auf diesen ungeübten Pferden nicht zu denken. Alvide hoffte nur, dass Angronds Heerführer sich nicht zu einer entschlossenen Verfolgung aufmachten. Immerhin hatten die verräterischen herzoglichen Truppen nicht die Gunst der Stunde genutzt und Hagens Heer angegriffen – andererseits hätten sie auch Angronds Truppen angreifen können, jedoch auch darauf verzichtet. Die Twergenhäuser standen gemeinsam mit den verräterischen Vögten von Arraned und Fuchsgau und dem Baron von Eisenstein auf der rechten Seite des Darlin und beobachteten von dort aus den Abzug von Hagens Heer.
Schon vor einiger Zeit war auch das Gewitter vorüber gegangen, es war einem beständigen Regen gewichen. Doch auf einmal lockerten die dichten Wolken auf, Praios‘ Schild war zum ersten Mal an diesem Tag im leichten Nieselregen zu sehen. Und ob die Göttin Tsa mit dem prächtigen Regenbogen, den sie nun über die Walstatt spannte, die zahllosen Toten ehren oder die Kriegslust der Sterblichen verhöhnen wollte, das wusste wohl nur sie selbst.
Alvide und ihre Nachhut hatten längst den Blickkontakt zum Hauptheer verloren. Doch die Route war ohnehin klar. Die Truppen würden sich Richtung Schwarzfels bewegen und dann über den Heiligenpfad nach Liepenstein marschieren. Die feindliche Baronie galt es dann möglichst schnell nach Albengau zu durchqueren. Dort würde man dann wohl in Sicherheit sein und das Heer konnte seine Wunden lecken und über den Großen Fluss in die Heimat zurückkehren.
Noch waren dies aber alles nur Gedankenspiele. Alvide hatte keine Ahnung, wie gut der Rückzug tatsächlich verlaufen würde. Die Straße gen Schwarzfels war jedenfalls jetzt schon mit zurückgelassenen und heruntergefallenen Gegenständen übersät. Ein Karren war gar vom Weg abgekommen und lag mit gebrochener Achse in einem Graben. Vermutlich würden auch manche Streiter versuchen, sich auf eigene Faust in verschiedene Richtungen abzusetzen. Almada war schließlich nicht weit, und die Provinzgrenze zu überqueren, war für den einen und anderen sicherlich naheliegender, als sich erst noch einige Tage durch die Nordmarken zu schlagen.
Noch aber hielt das Heer seine Geschwindigkeit. Die Müdigkeit und Erschöpfung nach der Schlacht wurde durch die Angst vor dem Rachedurst von Angronds Heer verdrängt.
Als das flüchtende Heer schließlich Schwarzfels erreichte, hatte der Regen nachgelassen und noch immer waren keine Verfolger in Sicht. Auch die Späher, die Alvide ausgesandt hatte, konnten keine Truppen Angronds entdecken. Hielt sich Angronds Leute tatsächlich an die Schlachtvereinbarung, die dem fliehenden Heer freien Abzug gewährte. So kann konnte es Alvide noch nicht glauben. Aber es sah alles danach aus.
Die Baronin war nicht gerade überrascht zu sehen, dass die Tore der Burg Schwarzfels verschlossen waren und zahllose Kämpfer auf ihren Mauern standen. Doch anhaben konnte die Twergenhäuser Garnison Hagens Heer auch nichts. Die Truppen Hagens waren außerhalb der Geschützreichweite der Burg und auch nach der Niederlage auf dem Schönbunder Grün noch immer zahlreich genug, um einen Ausfall blutig abzuschmettern.
Während Ulfried von Orgils Heim und Streitzig seine Vorhut weiterhin zur Eile trieb, hatten Roklan und Ansoalda von Leihenhof das Heer angehalten, um etwas mehr Ordnung in den Rückzug zu bringen. Doch bereits nach einem halben Stundenglas begannen sie, die Truppen wieder anzutreiben. Die Dunkelheit brach auf dem Heiligenpfad schnell herein, mit Mühe erreichte das erschöpfte Heer noch den Berggasthof Heiligenpfad. Dort wurde ein Nachtlager aufgeschlagen.
Die braven Wirtsleute standen, wie viele Bewohner des Junkerguts Erzweiler, hinter Hagen und taten alles, um den geschlagenen Streitern zu helfen. Rund um das Lager, auch an den Hängen des Sankta Coruna und Sankt Bosper wurden Posten aufgestellt.
Alvide rief, als endlich auch die Nachhut das Nachtlager erreicht hatte, Halmdahl von Sindelsaum zu sich.
„Vetter, nimm dir zwanzig Reiter und reite bis zum Fuß des Heiligenpfades zurück und sieh nach, ob uns Angronds Heer nicht doch auf den Fersen ist!“
„Wie du wünschst!“, antwortete Halmdahl kurz angebunden – ein Ritt im Hochgebirge und dann noch in die Nacht hinein war eine gefährliche Angelegenheit, für Ross und Reiter – und rief einige Reiter zusammen. Alvide blickte den Laternen der Reitern noch lange nach. Angronds Heer würde sie in der Nacht sicherlich nicht weiter verfolgen. Aber sie musste sicher gehen.
Wären Angronds Truppen ihnen auf den Fersen, müsste das Lager am Berggasthof Heiligenpfad schon beim ersten Morgengrauen wieder abgeschlagen werden, ihre Kämpfer und Trossknechte würden sie dafür verfluchen. Würde Angronds Heer sie hingegen nicht tatsächlich nicht verfolgen, dann könnte sie ihren zum Umfallen erschöpften, tapferen Überlebenden erst einmal eine längere Pause gönnen, man könnte die Wunden versorgen – und vor allem um die vielen Toten trauern. Am nächsten Morgen, dem 17. Rondra, könnte man dann in Ruhe das Lager abschlagen und den Marsch in einem angemessenen Tempo gen Liepenstein fortsetzen.