Almweiden und Hexenwetter: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 13. Juni 2024, 19:32 Uhr


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 32 - 1025 BF

Almweiden und Hexenwetter

Dörfer, Berge, Baronien — Unser Kosch: die Grafschaft Wengenholm

In kurzen Worten für eilige Leser

Wahrzeichen: Wengeneiche und Ifirnsweiß.

Wappen des Lehens: Wappen: ein gevierter Schild, o. links u. u. rechts eine schwarze Wengeneiche auf Silber, entgegengesetzt jeweils eine silberne Axt auf Grün. Als Schildhalter zwei lange Berghörner.

Lehensherr: Graf Jallik von Wengenholm

Schutzgott des Grafenhauses: Firun

Einwohner: 12.500 Seelen (25% Zwerge — ohne Bergfreiheit Wengenholm)

Grafensitz: Angenburg zu Wengenholm

Weitere Städte und Orte: Angpforten-Trottweiher (490), Albumin (460), Auersbrück (440), Wengenholm (380), Zweizwiebeln (370), Rübfold (320)

Wichtige Zwölfgötter: Ingerimm, Firun, Travia

Wichtige Festen: Angenburg, Burg Albumin, Burg Zweizwiebeln

Straßen: Reichsstraße 3 über den Greifenpaß, Angenstraße nach Greifenfurt

Klöster, Wunderstätten und Heilige Orte: Greifenfelsen am Paß (PRA), Kloster zur inniglichen Einkehr am Greifenpaß (TRA), Kloster vom Orden der Hüter am Greifenpaß (PRA), Firunszapfen, Angenquell (EFF), Ordenshaus der Golgariten zu Twergentrutz (Boron), Tatzenfels in Bärenklamm (FIR), das Leuintor (RON, Ort unbekannt), Ruinen der Burg Koschwacht.

Provinzsoldaten: 15 Fstl. Hellebardiere (am Greifenpaß), rund 80. Gräfl. Wengenholmer Bergjäger (auf der Angenburg, Burg Albumin und am Greifenpaß).

Gräflicher Befehliger: Gelphardt von Stolzenburg, Vogt zu Albumin

Landschaften: Borrewald, Harschenheide, Wengenholmer Berge

Gipfel: Firunszapfen (4320 Schritt), Dotz (3700 Schritt), Räuberknecht, Gobbel und Groin

Gewässer: Ange, Auer, Lubra

Besondere Festtage: Twergentrutzer Trutzfest (1. Feuertag im ING), Wengenholmer Praioswend (1. PRA), Tag der Jagd, besonders zu Albumin mit Maskenfest (1. FIR), Ifirnsnacht (30. FIR), Tag des Aufbruchs (8. ING), Angenburger Berghornblasen (1. Praiostag im TRA)

Helden, Heilige und mysteriöse Gestalten: Der Berggeist (auch Rabbatzmann genannt), die sechs Tierherren, Heiliger Kupperus, Wilbur Sumspflog (legendärer Krambold, Arbelat Streitkolben (Kriegsherr der Freiheit Wengenholm), der Oger Goro (Wegelagerer), der tolle Andergaster, Ulfing von Jergenquell (Geächteter), Der Weise Hanghas, Algorton (düsterer Zauberer).


Ueber den Greifenpass

Um einiges anders als die übrigen Grafschaften des Kosch ist das Wengenholmsche: Die Dörfer schmiegen sich an die Hänge steiler Täler oder kauern sich in den windgeschützten Einschnitten der großen Gipfel. Was man anderswo einen Feldweg schmähen würde, gilt hier als rechte Straße, und vielerorts hat’s nur Trampelpfade oder gar keinen Weg. Die Steinböcke und Murmeltiere, die Hanghasen und Weißgemsen schert das wenig (und die kreisenden Adler am geringsten), für Mensch und Zwerg aber ist’s eine rechte Plage. Die einzigen, die Weg und Steg im Gebirge kennen, sind die verschrobenen Krambolde und die gestrengen Almgreven, die im Auftrag des Landesherren die Grenzziehungen überwachen und streng darauf achtgeben, daß nicht fremdes Vieh weidet. Wo aber die Berge schwinden, da bedecken im Norden dichte Wälder das Vorland, in denen es viele wilde Schweine und Rotwild hat, Auerhähne zuweilen urtümliche Auerochsen und hier und da gar einen streunenden Goblin.

Kurz gesagt, es ist ein Ding der Unmöglichkeit, den Leser auch nur in Gedanken auf eine gefällige und wohlstrukturierte Reise durch das Wengenholmsche zu führen. Für einmal also wollen wir vom wohlbewährten Muster der Grafschaftsbeschreibungen abweichen — doch mag es sein, daß gerade die sich stattdessen aufdrängende Erzählweise umso besser die Natur des Landes wiedergibt. Abschließend sei gesagt, daß vieles von dem über die Unbillen der Natur und deren Bewohner Gesagten auch in abgeschwächter Form für das südlich gelegene Schetzeneck Geltung hat.

»Hier quälen wir uns über rauhes Gestein, dort waten wir durch reißende Bäche, daß man naß wird bis aufs Unterste. Und doch, blickt man auf von seiner Mühsal, gibt es immer wieder Wunderbares zu erblicken im Gebirg. Die zum Himmel aufstrebenden Felsen und der dunkle Mantel der Forste auf ihren Hängen erfreuet und schrecket das Auge zum gleichen Teil…«

Bastan Munter, »Heymatland, fremdes Land«

Mit diesen Worten beschreibt der berühmte Geograph trefflich das Koschgebirge, im speziellen den Wengenholmer Teil, über den die im Volksmund Greifenpaß geheißene Paßstraße. Vom Gratenfelser Hochland aus führt sie durch dichtes Nadelgehölz und an verkarsteten Steilwänden entlang empor. Munter fährt fort:

»Drunten im Tal türmt sich das Gebirg vor dem Auge auf, als wie Alveran vor den Augen der Götter sich erhöht. Stößt man drunten noch auf Wald mit Buchen — gar manche Eiche findet sich — so weicht das Laub alsbald dem dunklen Nadelforst mit seinen Fichten, Kiefern und Tannen, denen sich auch Lärchen zugesellen. Als wie ein Gürtel, den das Gebirg sich umgelegt, liegt der dunklen Wälder finstres Band auf dem Gestein.«

Das Fürstentum von Kosch ist vom Nordmärkischen gesehen von einer himmelhohen granitenen Mauer eingeschlossen, durch die einzig der Paß einen gangbaren Weg bietet. Gewiß führen noch ein halbes Dutzend minderer Bergwege über das Gebirge, deren bekanntester vom nordmärkischen Schwertleihe in die Schwertschlucht führt. Höchstens ein Reiter jedoch kann hoffen, auf ihnen das Gebirge zu queren, für Fuhrwerke jedoch (und damit die Mehrzahl der reisenden Kaufleute) sind sie gänzlich ungeeignet. Weil sie niemand außer ihnen nutzen will, haben allein die Einheimischen von diesen Wegen Kunde.

Aber auch Reisende über den Greifenpaß müssen einiges an Mühsal auf sich nehmen. Die Paßstraße verläuft zunächst in sanften Biegungen die Hänge des Gebirges hinauf. Dann aber beginnt er steiler und steiler anzusteigen, bis auf eine Höhe von 1600 Schritt, so daß es auch hier während der drei Winderminde Hesinde, Firun und Tsa für Fuhrwerke, Kutschen und Reiter unmöglich ist, das Gebirge zu überschreiten. Wie überall in den Bergen bilden sich mannshohe Verwehungen, stellen sich häufige Schneestürme und ein eisiger Firunsatem dem Reisenden entgegen. Vielerorts sind zu dieser Zeit ganze Siedlungen von der Außenwelt abgeschlossen.

Glücklich kann man sich schätzen, wenn zuwenigst hier und da ein Pfahl aus dem Schnee hervorragt oder eine in den Fels gemeißelte Markierung den Weg weist. Doch selbst dann liegen die zahlreichen Windungen der Bergwege verborben, und wer in törichtem Wagemut auf einen Bergführer verzichtet, wird ahnungslos in die Schluchten und Klüfte stürzen, die sich beiderseits der Pfade auftun. Allein der Greifenpaß wird nach jedem Schneefall von ganzen Bauernschaften geräumt, zu deren Lehnspflicht der Schippdienst gehört. Trotzdem empfiehlt es sich dann, Wagen und Zugtiere zu verkaufen, einheimische Führer zu dingen und die Waren auf Saumpferde oder Esel zu verladen. Doch müssen sich Reisende darauf gefaßt machen, daß sie ihre Führer nur bis zur nächsten Umladestation (zwerg. Sust) geleiten. Dort übernehmen die Säumer aus dem nächsten Dorf Kaufmann und Fracht — allerdings mit ihren eigenen Tieren, was erneutes Umladen bedeutet. Jedes Dorf wacht nämlich eifersüchtig über seine Vorrechte. Trotzdem müssen Kaufleute nur zu Beginn der Reise eine feste Summe für die gesamte Passage bezahlen und nicht mit jedem Führer einen neuen Preis aushandeln — die komplizierte Aufteilung des Saumnickels handeln die Mitglieder der Säumerzunft auf ihren alljährlichen Treffen untereinander aus.

Vom Tag des Auszugs jedoch bis zum späten Travia läßt sich die Straße jedoch ohne besondere Schwierigkeiten bereisen. Des Weges unkundige Kutscher sollten aber bedenken, daß die Straße keineswegs schnurgeradeaus verläuft, sondern Windung um Windung die Berge emporklettert.

Ein Heldenstück wie das des Prinzen und jetzigen Weidener Marschalls Geldor vom Eberstamm, der den Paß des öfteren mit dem Streitwagen in weniger als einem Tag querte, derweil er eine Liebschaft mit der Gratenfelser Rondrageweihten Duretha von Mersingen pflegte (die später seine Gemahlin und die Mutter der gefallenen Herzogin Efferdane werden sollte) ist seitdem niemandem mehr geglückt. Zuletzt stürzte 17 Hal eine junge Rondrageweihte in den Tod, die es ihm nachtun wollte, und auch während des Großen Donnersturmrennens 12 Hal mußten zwei Gespanne am Paß aufgeben.

Auf einigen Abschnitten ist die Straße so eng, daß keine zwei Fuhrwerke nebeneinander passieren können. Erfahrene Rollkutscher lassen deshalb an den Engstellen ihren Pferdeburschen vorausgehen, daß er nach entgegenkommenden Fahrzeugen Ausschau halte, damit das Fuhrwerk noch rechtzeitig in einer der in den Fels geschlagenen Buchten warten kann. Sonst nämlich müßten die Emporkommenden die Pferde ausschirren — da’s ja zu eng zum Wenden ist — und das Fuhrwerk vorsichtig zurück bergab rollen lassen.

An der höchsten Stelle des Passes liegt jener Felsen, der dem Paß bei seiner Entdeckung durch Aldiran von Wergen und seine Gefährten seinen Namen gab. Immer wieder haben seitdem Reisende hier, wo die ungebrochene Strahlung der Praiosscheibe und die klare Bergluft den Geist klären, Erscheinungen von Alveraniaren des Götterfürsten erfahren. Manch fromme Seele müht sich, an dieser heiligen Stätte den Augenblick im Gebet zu erleben, wenn der erste Sonnenschein eines neuen Morgens durch den Einschnitt im Gebirge fällt und den hockenden Greifen erstrahlen läßt. Selbst die eiligsten Reisenden versäumen es nicht, wenigstens eine zuvor erstandene „Greifenkerze“ am Fuß des Felsens zu entzünden. Dies geschieht aber nicht, wie man annehmen möchte, um eine sichere Passage zu erbitten. Solcherlei Sorgen der Menschen scheren den Götterfürsten nach allgemeinem Glauben wenig, ja, es ist selbst unter den Geweihten strittig, ob die freiwillig auf sich genommene Mühen wie die des Aufstiegs den Gott günstiger stimmen können.

Wohl nahe des Paßes, doch von den meisten Reisenden und Pilgern unbemerkt, verbirgt sich in der Schlucht ein Kloster vom praiosgefälligen Ordens der Heiligen Hüter. Die wehrhafte Anlage verbirgt — so heißt es — die Einstiege zu einem uralten Labyrinth von Höhlen und Stollen, über dessen Zweck die zwanzig Brüder und Schwestern beharrlich schweigen — wenn sie ihn kennen.

Etwas unterhalb des Jochs, zu Füßen der alten Burg Koschwacht, liegt die wegestation, an der die Zollgreven im Namen von Fürst und Baron die Maut kassieren. Die Burg, in der zuletzt der geheimnisumwitterte Zauberer Algorton hauste, wurde in den Magierkriegen von Dämonenhand abgetragen und ist nurmehr eine Ruine. Einzig ein wiedererrichteter Turm erhebt sich noch aus den schwarzen Mauerresten, in dem heuer die Magierin Domaris von Atalente ihre Studien betreibt. Ihr Tun wird freilich mit mißtrauischen Blicken betrachtet. Doch pflegt anscheinend der Baron von Twergentrutz freundschaftlichen Umgang mit der Magierin, und auch die Wächter Rohals haben ihr trotz eingehender Untersuchung keine Schandtaten nachweisen können.

Die Wegestation selbst findet sich auf inmitten eines Sees, in dem das Wasser des Bächleins aufgestaut wurde. Auch an Mechanik oder Baukunst interessierte Reisende sollten auf keinen Fall das Wehr in Augenschein nehmen, ohne zuvor um Erlaubnis ersucht zu haben (man reagiert auf derartige Bestrebungen recht gereizt, seit im Jahr 23 ein Haufen thorwalscher Trunkenbolde den Stausee ausfließen ließ). Ansonsten aber werden Wanderer in der Wegestation freundliche Beherbergung finden, auch wenn es heißt, der Wirt sei der Gespiel der Zauberin.

Wer der verschlungenen Paßstraße weiter talwärts folgt, erreicht nach kaum zwei Wegstunden das „Kloster zur Inniglichen Einker, Ruh & Rast der Pilger, Stift der Schwester Vieska von Wengenholm, Unserer göttlichen Mutter Travia zur Ehr”. Die Anlage um typischen Stil der Bergbauernhöfe besteht aus zwei Teilen: Im eigentlichen Tempelbereich finden sich neben dem heiligen Herdfeuer und der Andachtshalle auch die Wohnquartiere des guten Dutzend Geweihter. Die Laienbrüder aber leben und arbeiten im erheblichen größeren Profanhof des Klosters, in dem sich auch ein großer Schlafsaal für die zahlreichen Gäste des Klosters befindet. Viele davon sind Reisende, die es für keinen schlechten Handel befinden, wenn sie für Abendgebet und Frühmesse ein Nachtlager und zwei Mahlzeiten tauschen und obendrein noch ihrem Seelenheil Gutes tun (gerade diese aber sind es auch, die der Bruder Nachtwächter wieder und wieder zur Ruhe mahnen muß, wenn sie durch Singen und Würfeln die Ruhe der Mönche und Schwestern stören). Lieder sind dem Kloster die frommen Wanderer, die den Greifenfelsen aufsuchen — die Ironie will es, daß jene, die dort zu Praios beten, nicht im Haus des dem Götterfürsten geweihten Hüterordens Obdach finden, sondern hier in Travias Schoß. Am willkommsten von allen sind aber jene frommen Seelen, die den Zwölfergang beschreiten wollen, einen Pilgerweg, der hier seinen Lauf nimmt und an dem sich Heiligtümer aller Zwölfgötter finden — so unübersehbare wie der Firunszapfen oder die Schwertschlucht, aber auch unscheinbare wie das der Frau Peraine (der Kosch-Kurier wird den Zwölfergang in einer seiner nächsten Ausgaben ausführlich vorstellen).

Götterfirst und Firunszapfen gehören (der Dotz und der Sturmfang) zu den höchsten Gipfeln, die noch in Weiß glänzen, wenn schon die Frühjahrssonne vom Himmel lacht, und sie sind es auch, auf denen das rare Ifirnsweiß blüht, dem die Geoden magische Kräfte nachsagen.

Wo die Menschen wohnen

Die nennenswerten menschlichen Ansiedlungen im Gebirge sind rasch aufgezählt: Die meisten Einwohner hat Trottweiher, der Wintersitz des Barons von Twergentrutz, mit seinem Vorort Anpforten, bei dem im Jahr 12 der Überfall des Landgrafen von Gratenfels von den Fürstlichen Rittern zerschlagen wurde.

Da sind Twergental und Twergenbinge, die auf den entgegengesetzten Seiten eines Talkessels liegen, durch den das Bächlein Rogalla fließt, Groinhag, Adlergang, Firntrutz und Kammhütten. Auf vielen Almen hausen hingegen nur während der sommerlichen Weidezeit Menschen. Doch ist das Gebirge mitnichten unbewohnt: Im Wengenholmschen liegen die Pforten des Zwergenreiches, zu dem die höchsten Gipfel ebenso wie die tiefsten Stollen des Gebirges zählen. Aber auch wenn in den Dörfern im Gebirge Großes und Kleines Volk Tür an Tür leben und reisende Zwerge ein alltäglicher Anblick sind, so bleiben doch die Tore der Bergfreiheit den Menschen für gewöhnlich verschlossen (und deshalb soll ein anderes Kapitel von dem Königreich unter dem Berg erzählen).

Der Herrscher der Menschen, der Graf von Wengenholm, residiert in der Angenburg, einer trutzigen Feste, wiewohl seit mehr denn huntert Jahren kein Feind mehr seine Stärke an ihr erprobt hat. Die Burg liegt auf einem Hügel oberhalb des Dorfes Wengenholöm an einer ausladend geschwungenen Biegung der Ange, an der der Fluß sein enges Bett für einmal weitet und gemächlich dahinfließt, als erweise er dem hochwohlgeborenen Grafen seine Reverenz. Gewöhnlich aber eilen die roten Waser eisig und schnell von ihrer Quelle im Hochgebirge dem Zusammenfluß mit der Breite zu. Nur zwei Brücken spannen sich über die Ange: Die eine, nach der Zerstörung durch die Schergen des Jergenquells wiederaufgebaut, nahe der gräflichen Burg am Weg nach Zweizwiebeln, die größere der beiden an der Angenstraße zwischen Rondrasdank und Hensels Hof.

Jenseits der Ange, bis nahe an Albumin, Rübfold und die Steineichenstraße ins Andergastsche, breitet sich der Borrewald aus, eingerahmt von Dorf Zweizwiebeln gen Efferd und dem Lauf der Auer rahjawärts. Einzig südlich von Auersbrück liegt fruchtbares Ackerland, vom dem Ortsnamen wie Storchsklausen und Bauersglück stolz künden — doch ist bereits das Lehnsland des Grafen vom Angbarer See und der Beginn der Harschenheide, die sich von hier über die Breite und gen Angbar erstreckt.

Dorthin soll sich auch der Geächtete Ulfing von Jergenquell zurückgezogen. Immer wieder wird allerdings Jergenquells Bande auch im Borrewald vermutet. Den dickichten Forst durchstreifen aber auch Vogt Gelphart von Stolzenburg und die gräflichen Söldlinge nur gewappnet und in großer Zahl, soll hier doch Oger Goro sein Unwesen treiben, um sie dabei auf angespitzte Baumstämme aufzuspießen.

Daß es im Albuminschen manch einer immer noch mit „dem Baron“ hält, ist kein Geheimnis, obzwar beim letzten großen Streich des Geächteten mehr denn drei Dutzend unbeteiligter Landleute ihr Leben lassen mußten. Damals hatte Ulfing das berühmte Maskenfest am Tag der Jagd, zu dem alljährlich viel Volk — darunter auch solches aus Andergast und Greifenfurt — nach Albumin strömt, ausgenutzt, um den Vogt und Söldlinge zu vertreiben und die Burg einen Winter lang besetzt zu halten.

Von Goetterlaunen und Geisterstreichen

Nicht zur grimmigen Firunszeit hört man die rauhen Wengenholmer über das Wetter fluchen (ganz im Gegensatz zum Schetzenecker — obwohl letztendlich doch einer wie der andere die Launen des Himmels hinnehmen muß. Im Vorland des Gebirges tauchen im Frühjahr und Herbst undurchdringliche Nebelschwaden das Land tagelang in einen grauen, feuchten Dunst.

Schwere Regenwolken, die die Gipfel an der Weiterreise hindern, entleeren sich zu jeder Jahreszeit plötzlich über den Bergtälern, und was des Sommers noch die Almen ergrünen läßt, kann genauso gut dort, wo Rodungen den Boden gelockert haben oder der anschwellende Bäche ihn untergraben haben, Erdrutsche herbeiführen, die gefürchteten „Sommerlawinen“. Noch im Jahre 12 Hal wurden das Dorf Goldklamm vollständig verschüttet und bald 300 Seelen mit ihm. Schon sind Geistergeschichten darüber im Umlauf, die in vielem freilich der Jahrhunderte alten Sage des Hungertales gleichen (Dessen Bewohner mauerrten sich angeblich aus Furcht vor den Pocken ein — und verhungerten jämmerlich).

Meist aber gehen solche Erdrutsche für Mensch und Zwerg glimpflich aus und bescheren lediglich plötzlich Grenzveränderungen im Gebirge. Seit nämlich mit dem Vertragsabschluß zwischen dem Kaiserreich und dem zwergischen Hochkönig Greifax das Land in Baronien und Edlengüter unterteilt wurde, mühen sich die zahlreichen Greven im Auftrag des jeweiligen Landesherrn die Einhaltung der Grenzen überwachen — in den entlegenen Gegenden des Hochgebirges bestehen die Grenzen nur auf dem Papier, aber wo das Land bewirtschaftet wird, kommt es oft genug zu Streitigkeiten: Nicht selten kommt es vor, daß jemand sein Vieh heimlich die Wiese des Nachbarn abgrasen läßt, und hin und wieder kommt es vor, daß Grenzsteine aus reiner Niedertracht umgesetzt hätten.

Wo in Almada selbst die einfache Bäuerin längst das Winzermesser genommen und die Sache auf ihre Art geregelt hätte, warten die Koscher mit zwergischem Langmut die Entscheidung des zuständigen Greven ab — auch wenn das womöglich Monate dauert. Daß sich ein zwergischer Richter 40 Jahre Zeit ließ, um über einen mittelschweren Fall von Viehdiebstahl zu befinden, ist allerdings eine Ausnahme. Fast scheint es, als fänden sie Vergnügen in den Einzelheiten eines langwierigen Verfahrens — so wie sie auch stets darüber klagen, wie schlecht es doch um sie bestellt sei (was nicht um zum geringen Teil die Redensart vom „armen Koschbaron aufgebracht hat).

Doch liegt dies vor allem daran, daß im Gebirge die nutzbaren Flächen selten sind: Da die Abbaurechte für die unterirdischen Schätze zum größten Teil fest in zwergischer Hand liegen — dies hatte Kaiser Perval nicht bedacht, als er den Sohn Gilims „zum König uner dem Berg in allen Rechten und Pflichten des Bunds auf Ewig“ anerkannte — sind die saftigen Weidegründe um so begehrter: Wengenholm lebt von der Vieh- und Milchwirtschaft, insbesondere der Käserei mit zahllosen Sorten. Reichweit bekannt ist der Twergentrutzer Trottler, der in seiner Verbreitung endlich den Sembelquast überrunden konnte, welcher nach dem bedauerlichen Fall der Ostprovinzen nurmehr eine schwer erhältliche Delikatesse ist.

Sobald Firuns Grimm nachläßt, wird das Buntvieh von jungen Burschen und Maiden auf die höher gelegenen Almweiden getrieben, deren saftigem Gras die fette und würzige Milche zu danken ist. Dort bleiben sie bis zum festlichen Almabtrieb im Herbst, den man auch Läutzug nennt: Denn jede Kuh trägt eine Glocke am Halse, damit verirrte Tiere von den Hirten leichter gefunden werden können.

Daneben versteht man sich im Wengenholmschen vor allem auf die Metzenkunst: Fast jeder Hof ist mit einer kleinen Statue des Heiligen Kupperus geschürzt, der Kobolde, Elfen und Berggeister fern halten soll. Derer gibt es viele, schenkt man den Erzählungen des Volkes Glauben: Weit verbreitet sind die tückischen Windspiele, die sich zwar zumeist damit begnügen, Wanderer mit Pfeiftönen zu erschrecken und ihnen die Kapuze vom Haupt blasen. aber auch Steinschläge und Lawinen auszulösen vermögen. „Meister Rabbatz“ ist hingegen ein wilder Geselle mit rotem Zottelhaar. der mit den Steinböcken um die Wette läuft, Reisende mit Runkelrüben bewirft oder gar den jungen Mägden nachstellt, abe, so wird berichtet, auch verirrten Wanderern den rechten Weg gewiesen oder sie vor plötzlichen Unwetter in Schutz gebracht hat. Neben diesen kennt man die sechs Tierherren, Alveraniare Firuns, die zwar die Menschen nicht lieben, aber zuweilen hilfreich eingreifen, wenn ein frommer Anhänger des Weißen Jägers unverschuldet in Not gerät.