„Von Weibern auf dem Thron“

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Ausgabe Nummer 32 - 1025 BF

„Von Weibern auf dem Thron“

Koscher Ansichten über die Zustände im Reich

ANGBAR. Von turbulenten Szenen in der Angbarer Altstadt, die sich zu Jahresbeginn abgespielt haben, muß ich berichten. Zwar ist die Schänke „Galoschs Steinerweicher“ schon lange für ihre heftigen Wortgefechte, Respektlosigkeiten und zünftigen Raufereien bekannt, daß jedoch mehrere hochrangige Mitglieder des Rates der Stadt beteiligt gewesen seien, hört man doch eher selten. Ursache des Tumultes waren die Ereignisse im nachbarlichen Garetien, zumal im Herzen des Reiches selbst.

Es began recht gewöhnlich, gehört es doch häufig zum guten Ton, daß man sich nach getaner Ratsarbeit bei einem guten Trunke zusammenfindet, im „Ratskeller“ oder der erwähnten Lokalität des Galosch. Nicht selten sitzen dann streitbarste Gegner gemeinsam am Tisch und einigen sich bei gutem Gerstensaft weitaus schneller über die Politik als noch kurz zuvor im ehrwürdigen Ratssaal.

So schien es auch im Fall der alten Sattlermeisterin Travine Brumsrüb und der Zunftherrin Gidiane Caramos, beide seit langen Götterläufen als scharfzüngige Ratsdamen bekannt. Man war sich einig, daß aufrührerische Zustände wie im Garethischen in unserm Koscherland undenkbar seien, da man hier noch Ehre im Leib habe und gutes Korn statt verschimmelte Ähre verteilen würde, so daß es gar nicht erst zum Aufruhr käme. Rasch pflichtete man sich bei, daß der Streit zwischen den Kaiserzwillingen dem angeschlagenen Reiche gar nicht wohl täte und die Zeiten früher, zu Kaiser Hals Regentschaft (und erst recht noch zu Herrn Retos Zeiten oder Väterchen Ambros’ überhaupt noch sehr viel besser gewesen seien.

Ehrbare Bürgerin im Karzer

Als Meisterin Brumsrüb jedoch behauptete, es sei ein dicker Fehler gewesen, den fast eintausendjährigen Brauch nur Männer die Erbfolge antreten zu lassen aufzuheben, weil man damit diesen Streit zwischen Königin Rohaja und Prinzessin Yppolita erst heraufbeschworen habe und dies nur die gerechte Strafe für den Traditionsbruch sei, kam es zu heftigem Disput.

Frau Caramos bezeichnete sie als Verräterin schon bald darauf lagen die beiden hohen Bürgerinnen raufend am Boden, was wiederum deren Anhängerschaft im vollbesetzten Lokal dazu veranlaßte es ihnen gleich zu tun. Erst als die Meute von Gidiane Caramos zu verlieren drohte, sah sich diese bemüßigt die Keilerei zu beenden und ihre Gegnerin wegen Reichsverrat anzuzeigen. So sah sich die knapp siebzigjährige Ratsherrin Travine Brumsrüb noch in dieser Nacht von Bütteln in den Angbarer Kerker gezerrt.

Kein mildes Urteil

Schon am Tag darauf sollte kein geringerer als unser guter Fürst selbst über die Angeklagte richten, denn so ist es bei diesem Vergehen üblich in der Reichsstadt. Mit Ruhe hörte er die aufgebrachte Rede von Frau Travine und ihrer Zeugen — darunter auch der wohlbekannte Odoardo Markwardt — an, sie hätte nichts anderes getan als die weit verbreitete Meinung vieler aufrechter Koscher wiederzugeben, denen ein Selindian Hal nach altem Recht auf dem garether Thron lieber wäre als zwei zänkische Weiber.

Nach kurzem Grübeln verkündete seine Durchlaucht daraufhin sein gerechtes Urteil. Er ließ ein Faß hinterkoscher Jolpenbier, daß kürzlich vom Braugreven am Greifenpaß sichergestellt wurde heranbringen und legte der Ratsherrin folgendes auf: „Ihr seid mir als ehrbare Ratsdame bekannt, so sind Kerker und Pranger keine gute Strafe für Euch. Doch sollt Ihr erst dann wieder gutes koscher Bier genießen zu dürfen, wenn Ihr alleine zuvor diesen Bottich falschen Gerstensaftes leer getrunken habt. Damit es Euch eine Lehre sei, daß man manchmal gut daran tut nicht alles, und erscheine es einem noch so wahr, in den Mund zu nehmen was einem in den Sinn kommt, wenn man den guten Frieden bewahren will.“

Nur ein Außerkoscher mag nun auf den Gedanken kommen, dies wäre ein mildes Urteil gewesen oder gar, daß der Fürst, der ja die Auseinandersetzung der kaiserlichen Schwestern zu Gareth mit eigenen Augen sah, insgeheim die Meinung der Meisterin Brumsrüb teile… denn wer den entsetzten Blick der Verurteilten sah weiß, welch hartes Brot ihr bevorstehen würde.

Losiane Misthügel