Dohlenfelder Thronfolgestreit - Endlich Ruhe
„Mein Herr ein Wort von euch und ich weise den Kerl in seine Schranken“, murmelte Balinor von den Silberfällen zu Erlan hinüber.
„Ruhig Blut, du kannst ihn zurecht stutzen, sobald Hagen Baron ist, aber früher nicht.“
Dann erhob er seine Stimme: „Es mag vielen nicht schmecken, aber das Angebot der Stadt ist im Grunde angemessen, allerdings sollten wir noch ein wenig nachbessern. Ich bin bereit, Hagen zinslos Geld zu leihen, damit er keinen Kredit bei den Pfeffersäcken aufnehmen muss, auch sollten wir uns überlegen, ob wir nicht auf das Angebot der Stadt verzichten sollen, unsere Söldner zu bezahlen. Im Gegenzug muss dann aber die Burg Schwarzenfels im Besitz des Barons oder des entsprechenden Adligen verbleiben, und auch die Höhe der Anteile an der Minengesellschaft, die abgetreten werden sollten, reduziert werden.“
Ritter Gorwin hob eine Augenbraue. Es war gut, dass der Patrizier des Saal verlassen hatte, die Beratungen konnten nun ungezwungener geführt werden. Der Ritter wusste
wohl, dass die Zeiten es erforderten sich mit dem Stadtbürgertum gut zu stellen, doch an den Beratungen um die Zukunft Dohlenfeldes musste dieser dennoch nicht teilnehmen.
„Euer Hochgeboren haben wohl Recht, einiges muss wohl beraten werden. Aber ist Sindelsaum derart wohlhabend, dass Ihr das Unternehmen gänzlich finanzieren wollt? Sicherlich wird ein jeder an dieser Tafel seinen Beitrag leisten, auch in Gold. Doch sollten wir die Kosten des Unterfangens nicht unterschätzen. Wenn wir die Feste wirklich einnehmen wollen und zu halten gedenken, so wird es uns einiges kosten. Wenn wir das Angebot der Stadt abschlagen,
könnten wir bereits zum Winter nicht mehr im Stande sein, die im Handstreich genommene Feste angemessen zu halten. Und sollte es zu einer Belagerung der Festen Dohlenhorst und Schwarzfels kommen, so wird das Angebot der Stadt, im Falle, dass wir eine Anleihe benötigen, kaum derart großzügig sein. Euer Angebot ehrt, doch ehe wir auf das Gold der Stadt verzichten, sollten wir die tatsächlichen Ausgaben abwarten.“
Gorwin hatte an manch einem Scharmützel und Feldzug teilgenommen und wusste um die Kosten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass eine koscher Baronie, sei sie noch so wohlhabend, diese tragen konnte. Er glaubte auch nicht, dass einer der
Anwesenden, abgesehen des Tandoschers womöglich, derart rasch das benötigte Handgeld würde zur Verfügung stellen können um die Söldlinge zu bezahlen. Das schien im unmöglich.
Er wusste noch von den Schwierigkeiten seines Herrn während des Konfliktes um das Gut Bösenau. Damals ging es nur um ein Junkergut, doch der Aufwand war bereits für die wohlhabende Baronie Eisenstein beträchtlich. Und gerade im Winter konnten die Baronsschatulle und Kornkammern schnell leer werden.
Ihm war aufgetragen worden, darauf zu achten, dass das Bündnis seinen Herrn nicht in den Ruin stürzen sollte. Würden sie die Kosten über die Wintermonde tragen müssen, könnte dies leicht geschehen. Und würden sie gar zahlungsunfähig werden, könnte es leicht geschehen, dass Angrond mit wenigen Getreuen seinen Bruder Hagen noch vor Ende des Winters wieder aus Dohlenfelde würde vertreiben konnte.
Wenn er zudem
Geduld bewies und phexisches Gebaren an den Tag legte, was er Angrond nicht zutraute, so wartete er schlicht auf bessere Monde und warb die Söldlinge, die Hagen dann kaum noch oder unter denkbar schlechten Bedingungen anwerben müsste, seinerseits kurzfristig an und vertrieb endgültig seinen Bruder aus den Nordmarken. Eine größere Blamage konnte er sich für Hagen und seine Verbündeten kaum vorstellen.
Auf einen solch günstigen Zins zudem zu verzichten hielt er für töricht, vor allem da die Menge des Goldes frei von Hagen bestimmbar war. Und selbst der Herzog liess sich Geld geben, wenn ein Feldzug anstand.
„Auch den Vorschlag, die Feste Schwarzklamm einzunehmen, sollten wir nicht ablehnen. Dies böte uns die Möglichkeit, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es sind wohl zwei schwer einzunehmende Festen. Wenn wir unser Aufgebot trennen und auf das Geld der Stadt verzichten, wird es uns umso schwerer gelingen, beide zu nehmen. Sie müssten gleichzeitig berannt werden, wenn wir nicht langen Widerstand oder eine Fluchtmöglichkeit für Angrond befürchten wollen. Wohingegen Ihr Recht habt, die Verhandlungen mit den Söldlingen sollten wir nicht der Stadt überlassen, das sollte wohl in unserer Hand bleiben.
Was nun Burg Schwarzklamm
anbetrifft: Was gibt es an diesem Vorschlag auszusetzen? Die Stadt stellt die Wehr, der Ritter erhält eine beträchtliche Rente. Heeresfolge und Treuepflicht obliegt dann diesem, seine Hochgeboren Hagen von Salmingen-Sturmfels erfährt keinen Nachteil daraus. Es scheint mir angemessen. Ohnehin steht die Frage im Raum, wer denn Herr über Schwarzklamm sein soll. Sind nicht die derzeitigen Ritter zu Schwarzfels eher dem Herrn Angrond zugetan?
Und die letzte Sache, jene Bedenken in Bezug auf die Bergköniglichen Eisenwaldschen Minencompagnie, die mag ich gerne Teilen. Allerdings mag es sein, dass die Stadt hier nur alte Rechte einfordert, die ihnen einst verwehrt und weiterhin von Herrn Angrond verweigert werden. Ich bin darin nicht kundig, doch sollte dem so sein, dann wäre es ein Passus, den wir reiflich bedenken sollten, ehe wir in ablehnen, sichert es doch die Verbundenheit der Stadt gegenüber dem zukünftigen Baron.“
Womit er kurz fragend zu Frylinde blickte.
Gorwin hatte letztlich in fast jedem Punkt dem Baron von Sindelsaum widersprochen, wenngleich er diesem gegenüber zustimmend klingen wollte. Doch sah er eine Gefahr darin, wenn die Barone, die zumeist wohlhabend waren, aber nicht ständig das nötige Gold zur Verfügung hatten, die Kosten der Söldlinge über zu lange Zeit ungedeckt tragen wollten. Wollte man sich auf Söldner einlassen, musste man zuverlässig zahlen können.
Das Angebot der Stadt durfte demnach nicht abgeschlagen werden und konnte über den Erfolg des Vorhabens entscheidend sein. Verfügte der Sindelsaumer jedoch über einen Drachenhort, so mochte sich die Sachlage auf andere Art ergeben.
In Bezug auf die Forderungen der Stadt, teilte er indes die Ansichten des Barons. Die Stadt forderte viel. Allerdings musste man ihnen entgegenkommen, vor allem in einigen entscheidenden Punkten, die der Stadt wichtig waren.
Erlan nickte leicht. Die Bedenken des Ritters waren natürlich berechtigt.
“Nun ja, ich kann schon eine nicht unerhebliche Summe aufbringen, aber falls Hagen wirklich auf einen Kredit angewiesen sein sollte, dann kann ich sicherlich günstige Konditionen beim Haus Stippwitz aushandeln, denn wie es der Zufall will kommt dieses erlauchte Geschlecht aus meinen Landen und zählt bis heute zu meinen Vasallen.“
Bei diesen Worten musste Erlan leicht schmunzeln. Das hörte sich fast an, als wäre er in der Lage, die Stippwitzens herumzuschubsen.
„Dadurch, dass die Stadt nicht den Kredit aufbringen muss, sollten wir die Zeit, in der ihr die Burg Schwarzenfels zufällt, auf drei Jahre reduzieren und die Menge der Anteile an der Minengesellschaft, welche an die Stadt übergehen werden, reduzieren. Ich denke, das ist ein guter Kompromiss, mit dem sowohl die Stadt als auch die Baronie leben können.“
Ritter Gorwin nickte, aus seiner Sicht klang der Vorschlag des Barons von Sindelsaum nun recht vernünftig. Es würde dann zudem Hagens Sache sein sich in Bezug auf die Minenrechte und Burg Schwarzfels im Späteren erneut zu einigen. Mit dem Kompromiss sollte auch der Twergenhausener zunächst umgehen können, hoffte der Ritter.
Allerdings war er gespannt, ob alle Anwesenden mit den bisherigen Anmerkungen übereinstimmten.
Zufrieden hörte Frylinde der Diskussion des Barons zu Sindelsaum und des Ritters aus dem Eisensteinschen zu. Ihr schwirrten immer noch die unbotmäßigen Forderungen im Kopfe herum, die Throndwig Gliependiek beim Aushandeln des
Vertragsentwurfes am Nachmittag gestellt hatte. Sie wollte gar nicht wissen, wie die Anwesenden auf die ursprünglichen Ideen Gliependieks reagiert hätten. Sie musste mehrfach mit dem Abbruch der Gespräche drohen, um den jungen Gliependiek dazu zu bringen, um wenigstens eine entsprechende Diskussionsgrundlage zu Papier zu bekommen.
Nicht auszudenken, wie Hagen reagiert hätte, hätte er von den Forderungen erfahren. Er hätte sicherlich sein ungestümes Temperament nicht im Zaume halten können.
Sie sprach nun zum Sindelsaumer: „Euer Hochgeboren, es freut mich zu hören, dass Ihr durch Eure Kontakte zu Euren Vasallen aus dem Hause Stippwitz in der Lage wäret, meinem Sohn einen günstigen Kredit anzubieten. Das ist sicherlich eine gute Basis, um die Forderungen der Stadt ein wenig abzumildern. Ich würde vorschlagen, dass wir uns noch einmal im Detail die Abschnitte...“, sie führte einige Gedanken hesindianisch umständlich aus, erwähnte dabei in einem leicht zu überhörenden Nebensatz, dass
Ritter Ardor von und zu Schwarzfels sicherlich auf Seiten ihres Stiefsohnes Angrond stand, und übergab dann ihrer Freundin und Vertrauen, der Hohe Lehrmeisterin des Hesindetempels zu Salmingen, Sephira Birninger, das Wort:
„Habt dank, Frylinde. Ich möchte darauf aufmerksam machen, das der Passus sextum, die Zusage der ‚strikten Geheimhaltung’, von den Gliependieks nicht einzuhalten sein wird. Hier haben wir also einen Vertragspunkt, der fast zwangsläufig zum Vertragsbruch führt. Solange keine Salvatorische Klausel, also eine Bestimmung, welche Rechtsfolgen eintreten sollen, wenn einzelne Vertragsteile sich als unwirksam oder undurchführbar erweisen sollten, eingebunden wird, können wir hiermit jederzeit den Vertrag für nichtig erklären!“
Frylinde unterdrückte ein Grinsen. Auf diesen Passus hatte sie in den Verhandlungen um den Vorvertrag bestanden. Und sie hatte geahnt, dass Sephira diesen Einwurf bringen würde.
Sie kannte das klare und strukturierte Denken ihrer Freundin sehr genau. Während der vorherigen Unterhaltungen hatte Hagen sich den Vorvertrag reichen lassen, den die Sekretärin Gliependieks auf dem Tisch hatte liegen lassen. Fast unhörbar vor sich hin
murmelnd las er den Vertrag noch einmal durch.
Für fast alle Anwesenden überraschend unterbrach er nun lautstark die Rede der Geweihten:
„Dieser Passus duodecimum! Eine Unverschämtheit! Niemals werde ich das Erbe meines Vaters schmähen, indem ich seine Worte widerrufen werde! Niemals! Lieber verzichte ich auf Dohlenfelde, als dass ich mich vor diesen aufgeblasenen Pfeffersäcken im Stadtrat Twergenhausens zum Goblin machen lasse! Nie und nimmer werde ich mich für die Worte meines geliebten Vaters Bernhelm entschuldigen, und schon gar nicht vor Bürgern! Bei Rondra und ihren elf Geschwistern! Nie und nimmer!“
Der dreifache Baron atmete tief durch.
Ritter Korbrandt lächelte: Er liebte dieses Feuer, das im Herzen seines Freundes brannte! Hagen war ein Ehrenmann, wie er Rondra gefiel. Er war stolz darauf, in Hagens Diensten zu stehen.
Und ergriff nach seinem Baron das Wort, polternd wie immer: „Bei Rondra, ich stimme meinem Herrn zu: Die Ehre darf man sich niemals abschneiden lassen, das ist unter der Würde eines Ritters. Nehmen wir das Gold der Pfeffersäcke, und lassen wir sie die Burg Schwarzfels für uns erobern. Dann erklären wir, wenn die ganze Baronie unter unserer Kontrolle ist und wann immer es uns in den Kram passt, den ganzen Vertrag einfach für null und nichtig – ich habe Euch doch richtig verstanden, Hochwürden Sephira? Und dann jagen wir die Städter aus Burg Schwarzfels einfach wieder hinaus! Jawoll, so sollten wir mit dem Pack umgehen! Sie erst mit ihren eigenen Waffen schlagen, ihrer Spitzfindigkeit und Prinzipienreiterei! Und ihnen dann ihre
dummen Pöbelschädel zertrümmern!“
Hagen nahm seinen Krug und stieß scheppernd mit Korbrandt an. Sein Freund war ein Mann, wie es nur wenige gab – er war stolz, ihn in seinem Gefolge zu haben.
Der sonst redegewandte Ritter Gorwin wirkte nun, als wisse nun nicht so recht, was er auf den Ausbruch Hagens Antworten sollte.
Er wusste wohl, welche Stellung der einstmalige Baron von Dohlenfelde gegenüber der Stadtoberen und mit diesen verbündeten Händlerbund eingenommen hatte. Vor den Verhandlungen zu Salmingen hatte es jedoch keine Absprache mit Vertretern des Bundes gegeben, doch kannte der Ritter die Ansichten seines Herrn: was auch immer ausgehandelt wurde, es musste dem Bund genügen, damit letztlich auch dem Herrn von Gliependiek und durfte keineswegs den Zorn der Herzogenstadt und noch weniger des Herzogs auf sich ziehen.
Der Baron von Eisenstein war bestrebt mit Händler Bund und Hoheit ein besonders gutes Verhältnis zu wahren. Worin sich Hagen nun jedoch ereiferte, war bereits auf kurze Sicht eine Gefahr für das Bündnis und eine Gefahr für die Zukunft Dohlenfeldes, wie es im Sinne der meisten Anwesenden sein musste. Davon war der Ritter überzeugt.
Zum ersten Mal schien der Blick des Ritters unsicher, hilfesuchend. Kurz blieb er am Baron von Tandosch hängen und schien zu hoffen, dass dieser dem Geschehen Einhalt gebieten konnte.
Gorwin wusste, dass der Tandoscher mehr noch auf den Händlerbund und kaum weniger auf seine Hoheit hielt. Ein solches Vorhaben Hagens konnte kaum in dessen Interesse sein, vor allem wenn es um die Rechtmäßigkeit der gesamten Sache ging. Einen solchen Vertag zu schließen und vor einem Vertreter der Zwölfe zu bezeugen, gänzlich mit dem Bewußtsein, ihn bei der ersten Gelegenheit zu brechen, derart für nichtig erklären, würde kein gutes Licht auf den zukünftigen Baron von Dohlenfelde werfen und kein gutes auf seine Verbündeten.
Gorwin hatte Hagen unterschätzt. Seine Mutter jedoch nicht.
Die Baronin zu Wolfsstein hatte der Sekretärin des Twergenhausener Bürgermeisters aufmerksam zugehört, schließlich war Praiodara als Abgängerin des Elenviner Rechtsseminars sehr daran interessiert, was sich der Magistrat der Herzogenstadt an
Gemeinheiten und Unbotmäßigkeiten ausgedacht hatte.
Sie fühlte sich bestätigt, als die Sekretärin geendet hatte. Unter Adeligen wäre dieser Vertrag vielleicht noch annehmbar gewesen, aber dieser Gliependiek hatte anscheinend wirklich vergessen, wo seine Rolle in der praiosgefälligen Ordnung war. Geradezu ketzerisch, könnte man meinen.
Jedoch ließ es die zierliche Baronin wie so oft nicht zu, dass man ihre Gedanken oder Gefühlsregungen von ihrem Antlitz ablesen konnte. Ihre eisblauen Augen musterten den Patrizier und jeden der bisherigen Redner aufmerksam.
Die beiden weiteren blonden Frauen in ihrem Gefolge konnten da ihre Verachtung bereits deutlich weniger verhehlen. Es hatte schon etwas bildhaftes, die kleine Baronin zwischen den beiden – offensichtlich kampferprobten – Edlen zu sehen, die zu ihrem persönlichen Gefolge gehörten.
Dem eher plumpen Aktionismus Hagens und Korbrandts gönnte Praiodara nicht einmal ein Schmunzeln.
„Einen rechtskräftigen Vertrag zu brechen, wäre allerdings eine große Schuld – gerade für ein herrschendes Adelshaus, dass seine Verpflichtungen im Sinne Praios´ damit verletzen würde. Meint ihr nicht, Hochgeboren?“
Nicht Hagen sprach sie an, das war offensichtlich. Dessen Mutter Frylinde schien ihr wohl die passende Ansprechpartnerin zu sein. Wie üblich sprach die Wolfssteiner Baronin recht leise, so dass die Anwesenden konzentriert zuhören mussten, so sie denn der Baronin folgen mochten.
„So erlaubt mir denn einige weitere Anmerkungen – respective Fragen. Diese Burg, ich glaube Schwarzfels war der Name, wie wichtig ist sie? Hinsichtlich Einnahmen, Kosten und natürlich ihrer militärischen Bedeutung? Des Weiteren, das Angebot des Magistrats die Kosten
für die Mietlinge zu übernehmen, sollte genauer beleuchtet werden. Welcher Art diese Mietlinge sein dürfen, wurde nicht festgelegt. So ist es doch nur rechtens, wenn sich das Haus Salmingen-Sturmfels der besten Mietlinge bedient, die derzeit zu bekommen sind für gutes Gold, oder nicht? Keine dahergelaufenen Andergaster Plänkler, sondern enorm teure und effektive Einheiten wie beispielsweise die Almadaner Hakenspieße oder die Yaquirtaler Pikeniere… Über den letzten Passus vermag ich nicht zu entscheiden, jedoch sollten hier Ehre, Wahrheit und Nutzen wohl gegeneinander aufgewogen werden.“
Erlan seufzte innerlich auf.
Das Hagen mit dem Widerruf der Worte seines Vaters Probleme hatte verstand er ja, aber seine Ambitionen, den Vertrag zu brechen, sobald sich eine Gelegenheit bot, passte Erlan überhaupt nicht.
Schnell warf er Frylinde einen Blick zu. Er unterstütze Hagen nur, weil er dieser ein Spross des Hauses Salmingen war. Hoffentlich würde sich sein mütterliches Erbe durchsetzen, ansonsten sah Erlan für den Jungen auf lange Sicht schwarz.
Ruhig wartete er ab, aber einen gezielten Vertragsbruch würde er nicht tolerieren.
Roklan von Galebquell hatte den Ausführungen Sephira Birningers und Baronin Praiodaras gelauscht. An einigen Stellen von Praiodaras Rede hatte er kaum merklich genickt.
Jetzt, da die wolfssteiner Baronin geendet hatte, brachte sich der junge galebqueller Baron ein.
„Ich stimme Ihrer Hochgeboren Praiodara zu“, erklärte er mit Blick erst auf Hagen, dann auf Frylinde, dann auf seine Schwester Ansoalda gerichtet.
„Einen einmal geschlossenen Vertrag zu brechen, ist nicht gerade ein ritterliches Verhalten. Ob“, er betonte dieses eine kleine Wort laut, „nein, vielmehr dass der Vertrag an sich ehrlich und ehrenhaft geschlossen wird, dafür sitzen wir ja hier. Was ist denn mit der Burg Schwarzenfels?“ hakte er noch einmal gezielt die Anmerkung Baronin Praiodaras nach.
„Was macht sie so wichtig für die Bürger Twergenhausens, dass sie sie auf ewig pachten möchten? Hier komme ich zu einem weiteren Punkt: Warum auf ewig? Welcher Händler, Grundherr, Kaufmann verpachtet seine Güter auf ewig? Nein, genau das würde ich immer noch einschränken wollen und ich bin mir sicher, die Kaufherren Twergenhausens werden es verstehen.“
Roklan sah sich erwartungsvoll um. Dann stutzte er:
„Was mir gerade einfällt… Twergenhausen ist doch Herzogenstadt? Und ist nicht seine Hoheit ein Befürworter Hagens, wenn er auch nicht direkt in den Konflikt eingreifen kann? Sollten und können wir nicht Twergenhausen gerade darauf aufmerksam machen?“
Rondrian musste mehrmals kräftig husten, als er sich aus seinem Stuhl stemmte. Irgendetwas lag ihm seit der gestrigen Nach auf der Brust. Dennoch, da galt es jetzt nicht drüber zu sinnieren. Nebenbei hatte dieser Umstand zum Glück den Effekt, das ihm sich viele Augenpaare zuwandten.
Er räusperte sich erneut: „Herr,“ er verneigte sich gen Hagen „Versammelte Herrschaften, diesen Vertrag so zu belassen, wie ihn der Patrizier Gliependiek da so fein hat aufsetzen lassen, wäre töricht. Das haben die Kritiker vortrefflich erkannt. Daher halte ich es für unumstößlich notwendig, die Passi mit unwiederbringlicher, und sehr verlustreicher Endgültigkeit auf ein endliches Mass zu stutzen. Denn diese Ewigkeit könnte einer Erblichkeit der Privilegien an das Patrizierhaus gleichen. Das mag Vorteile haben, aber, wie auch bei der Erblichkeit der Lehnseide unser aller Familien, hängt die Fortdauer ja an zufriedenstellender Erfüllung unserer Pflichten. Sobald wir aber desem Mann die Ewigkeit zu gestanden haben, was hindert ihn daran, in anderen Passi Wortbrüchig zu werden und sich trotzdem auf das unendliche Privilegium zu berufen. Ich sage...“, Rondrian musste inne halten und nach Luft schnappen. Herrin Peraine, was war das nur? „...sage wir handeln weise, wenn wir diesen Passus streichen würden und die Feste an den Herzog als Mittler geben, bis die Klärung der „Angrond-frage“ erfolgte.“
Er sackte schwer in den Stuhl zurück und winkte nach einem Becher Wasser.
Der Ritter aus Eisenstein konnte den beiden Vorrednern nur zustimmen. Vor allem in Bezug auf den Vetragsbruch. Es mochte vielseitige Argumente geben, wie sich ein Abweichen vom Vetrag begründen liese, letztlich würde es das Vertrauen stören. Das Vetrauen zwischen der Herzogenstadt und deren Verbüdeten einer Seits und Hagen und dessen Verbündeten.
Mochte es noch so gut rechtlich erklärt werden, der Schaden, den solch ein Akt zur
Konsequenz hätte war nicht abzuschätzen, konnte Gorwin und sein Herr nicht wünschen. Doch genug und eindeutige Worte waren dazu bereits vorgetragen worden. Der Ritter vermochte auch nur eine knappe Ergänzung anzufügen, als er im Anschluss des Maringers das Wort ergriff.
„Der Ansichten seiner Hochgeboren“, womit er wohlwollend Roklan anblickte, „und seiner Wohlgeboren möchte ich mich anschließen. Zudem scheint es mir eine Anmaßung und Herausforderung der Zwölfe, wenn ein Vertrag auf eine Ewigkeit hin abgeschlossen wird. Steht es Sterblichen zu, über eine Ewigkeit zu entscheiden?“, womit er anwesende Geweihte fragend anblickte.
„Auf eine Einzahl oder einer bestimmten Vielzahl von Zwölf Götterläufen sollte dieser Passus beschränkt sein. Sodann mag es, wie üblich, die Möglichkeit geben dies auszudehnen. Damit sollte sich die Stadt sicher zufriedenstellen können.“
Erlan hatte sich nun doch entschlossen zu sprechen.
„Ein gezielter Vertragsbruch mag eines Phexgeweihten würdig sein, aber wenn ein Adliger sein Wort gibt, dann sollte er es auch einhalten. Ein Entschuldigung und ein Widerruf der Worte eures Vaters ist natürlich ungeheuerlich und sollte ersatzlos aus dem Vertragswerk gestrichen werden. Es reicht doch völlig aus, wenn ihr den Vertrag persönlich vor den Bürgern bestätigt, alles andere wäre eine Beleidigung.“