Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Große Rat: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 3. Juli 2019, 12:46 Uhr
Einen Moment war Schweigen in der Halle. Nicht verwunderlich: der eilige und rücksichtslose Vormarsch des Barons Hagen hatte teils auch jene überrascht, die Parteiung für Baron Angrond nahmen, und manchem wohl insgeheim Respekt abgenötigt. Dann erhob sich, ohne weiteres Zögern, wie ein finsterer Schatten der Ritter auf der Hirschenau, blickte zuerst Angronds Schwester Derya an, wegen seiner langjährigen Verbundenheit mit jener er eigentlich in dieser Runde weilte, dann den aus seinem Lehen vertriebenen Mit-Koradiner.
"Hochgeboren, den Mühlstein um Euren Hals habt Ihr benannt: Weder Euer direkter Lehnsgeber noch der Herzog will im Dohlenfelder Zwist entscheiden. Ich bin kein Staatskundler wie der Vogt von Trappenfurten, um erkennen zu können, ob Ghambir und Jast den Dingen ihren Lauf lassen, um hernach den durchsetzungsfähigsten Mann auf dem Baronsthron zu haben.
Dies könnte in ihrem Sinn sein, oder diesem auch gänzlich widersprechen. Ich weiß es nicht. Was ich weiß: Da kein richtender Befehl zu erwarten steht, habt Ihr zwei Wege, um das Lehen Dohlenfelde wieder in Eure Hand zu bekommen.
Der eine ist der des Kampfs mit jeglichen verfügbaren Kräften und Methoden. Während des Abfalls von Albernia haben diesen nicht nur die reichsverräterischen Freischärler beschritten, sondern auf Reichsseite auch der Rittmeister von Leihenhof. Ich darf und will keine moralische Wertung darüber abgeben, zumal beide Seiten wechselseitig so manche Maßnahme in Gräuelgeschichten maßlos übertrieben darstellten. Unbestritten ist, dass beide Gruppen durchaus Erfolge im Feld hatten. Doch weder Freischärler noch Ritter Meinhardt sind letztendlich zu den Siegern des Konflikts zu zählen.
Auch der Dohlenfelder Zwist kann meiner Einschätzung nach von Euch nicht gewonnen werden, wenn Ihr jegliche verfügbaren Kräfte und Methoden verwendet. Von den Schäden, die dies an Land, Leben und Loyalität in diesem Lehen anrichtet, will ich gar nicht anfangen. Entscheidender erscheint mir, dass maßlose Gewalt - so wirkungsvoll sie kurzfristig auch sein kann - nicht das offene Wohlwollen der Lehnsgeber finden wird. Anders gesagt: Graf und Herzog werden keinen Baron stützen, der erkennbar gegen zwölfgöttliche Gebote handelt, um seine Ziele zu erreichen. Auch dazu verweise ich auf das Beispiel des Freikorps "Meinhardts Mannen".
Der andere Weg ist jener der Ehre. In unserer modernen Zeit scheint rondrianisches Vorgehen zwar ein Hemmschuh zu sein, wenn man rasche, kämpferische Erfolge erzielen will. Armbrust, Gift und Magie zwingen den Feind viel schneller und mit geringeren eigenen Verlusten in die Knie als ein ehrenvoller Kampf mit Schwert und Schild. Doch als Spitze der praiosgewollten Weltordnung müssen wir Adeligen Vorbilder sein und aus religiöser wie auch aus weltlicher Verpflichtung gegenüber den niedereren Ständen nach Ehre, Sinn und Recht kämpfen.
Für Euch, Hochgeboren, bedeutet dies, dass Ihr Euren Bruder nicht nur mit Eurem Schwert, sondern auch mit Eurem Wesen besiegen müsst. Jeder Räuberhauptmann mit seiner Bande kann einen rechtmäßigen Baron vertreiben. Doch die Loyalität der Untertanen und die Anerkennung des Lehnsgebers erhält man nur mit angemessenem, ehrenhaftem Vorgehen.
Welcher Gestalt dieses sein mag, dazu können Euch andere der heute Versammelten fraglos besser raten als ein Landritter aus Nordgratenfels. Ich bitte Euch nur, meine Überlegungen bei allen weiteren Beratungen als Leitgedanken im Herzen zu halten."
Bei diesen Worten fasste er unwillkürlich an ein herzförmiges Amulett, das er an einer Kette um den Hals trug. Dies schien ihm für den letzten Rat Mut zu geben:
"Schon vor geraumer Zeit habe ich euch im Kreise der Nordmärkischen Tafelrunde nahegelegt, Hagen zu einem rondrianischen Zweikampf zu fordern, um den Zwist beizulegen. Ich fürchte, darauf wird er sich, da er nun fast alle seiner Ziele erreicht zu haben scheint, nicht mehr einlassen. Ihn in aller Öffentlichkeit zu fordern erscheint mir dennoch als ein richtiger Schritt, und dabei zu verdeutlichen, dass auf diese Weise dem Volk von Dohlenfelde Schaden und Leid vermieden werden würde."
Die Versammelten schwiegen einen Moment erstaunt, als Koromar Leuenhardt von Liobas Zell sich wieder setzte. Noch nie hatte einer von Ihnen den landlosen Turnierritter so ausführlich und über ein derart komplexes Thema reden hören.
Garmwart nickte nur knapp. Er kannte den Koradinerbruder lange und schätzte seine treffenden Einschätzungen. Es war ein wenig forsch, dass er das Wort noch vor den anwesenden Baronen ergriffen hatte, doch Angrond hatte es so gewünscht und es würde manchen vor voreiligen Entscheidungen vewahren. Garwart selbst, der meist lange für weitreichende Entscheidungen brauchte, hatte seit dem Winter bereits ausgiebig Zeit gehabt, sich mit der neuen Situation und seinen Gästen zu befassen.
Odrud von und zum Gernebruch war ebenfalls angereist und hatte auch gleich einige ihrer Vasallen mitgebracht. Darunter insbesondere ihre verdienten Streiter Albin von Aarberg und Lindos von Lilienthal. Die junge Baronin lies ihren Blick über die Anwesenden schweifen, es waren einige Personen anwesend und nicht wenige davon waren mächtige und einflussreiche Personen. Und was angesichts des drohenden militärischen Konfliktes noch wichtiger war, es gab auch viele kampferfahrene darunter. Dennoch Sie hätte sich mehr Unterstützung erhofft gehabt.
Odrud selbst war - wie Sie sehr zu ihrem Leidwesen in den letzten Monaten erfahren musste - noch nicht erfahren genug auf dem politischen Parkett. Ihre Versuche, Verbündete für die Sache Angronds zu gewinnen, war nicht so erfolgreich gewesen, wie Sie sich erhofft hatte. Insbesondere außerhalb der Nordmarken hatten sich die Dinge nicht so entwickelt wie erhofft. Aber wenigstens hatten ihre Bemühungen dort auch keinen Schaden angerichtet.
Mit einem Lächeln mischte sich Odrud in die Diskussion ein.
„Niemand wird wohl ernsthaft bestreiten, Euer Wohlgeboren, dass uns nicht jedwedes Mittel recht sein kann“, meinte Sie, an ihren Vorredner gewandt.
„Und das uns das Haus Leihenhof stets gute Beispiele für moralischen Verfall liefert, verwundert auch nicht“, fügte Sie mit einem süffisanten Lächeln hinzu.
„Doch mit Ehrenhaftigkeit und Tugend allein mag in dieser Sache wenig bis nichts erreicht werden. Auch Phexens List und Hesindes Verstand sollten wir gebrauchen“, wobei Sie nun an alle sprach.
„Den Vorschlag, Hagen von Sturmfels öffentlich zu fordern, halte ich für begrüßenswert. Zumal ich auch nicht glaube, dass er wirklich darauf eingehen mag. Jedoch sollten wir dies so gestalten, dass wir nicht zuviel Zeit verlieren. Aber die Entscheidung diesbezüglich können wir Euch nicht abnehmen. Dennoch steht für mich außer Frage, dass es einen bewaffneten Konflikt geben wird, wobei ihr Euch auf meine Unterstützung verlassen könnt“, sprach Odrud an Angrond gerichtet.
“Was ich für wichtig halte ist, das die Verbündeten von Hagen sich nicht wirklich grün sind. Glaubt Ihr wirklich der Tandoscher Flusspirat, der mit jedem verfeindete Herr von Eisenstein und der dunkle und stille Baron von Rabenstein werden auf Dauer zusammenhalten? Wir sollten uns überlegen, ob es nicht gelingen mag, einen Keil zwischen diese zu treiben?
Daneben möchte ich auch zu bedenken geben, dass es auch unter den Pfeffersäcken Twergenhausens solche geben mag, die mit der Besetzung Hagens mehr als unglücklich sind. Vielleicht können Sie uns nützlich sein?“
Die Baronin lies es dabei einstweilen bewenden, später würde Sie weitere Vorschläge einbringen.
Garmwart lauschte aufmerksam den Worten der jungen Baronin. Weniger galt es der eigentlichen Aussage, als vielmehr dem Mut, denn die noch recht junge Herrin zu Gernebruch an den Tag legte und die Weitsicht hinsichtlich der Konstellationen der Verbündeten Hagens. Der Baron hatte die Albenhuserin, die ihrem Vater mit Erreichen der Volljährigkeit nachgefolgt war, zwar auf mancher Festlichkeit gesehen, doch erst hier nahm er ihre ersten Schritte auf dem politischen Parkett tatsächlich wahr. Und es waren recht entschlossene Schritte, die die junge Albenhuserin hier tätigte, und eine klare Position, die sie einnahm. Garmwart selbst hielt nicht viel vom Hause Leienhof, pflegte abgesehen des bereits genannten Meinhardt und dessen für Verrat hingerichteten Vaters keine Feindschaft mit diesen.
Doch die Nennung durch Odrud von Gernebruch war bezeichnend. Eine lange Feindschaft verband beide Häuser. Das Haus Leihenhof war zudem ein entscheidender Verbündeter Hagens. Allerdings hatte Garmwarts Bruder Roderich zu berichten gewusst, dass deren Engagement bei der Einnahme Dohlenfeldes eher ein mäßiges gewesen war. Welche Fehden nun ein jeder im Einzelnen mit den Gefolgsleuten Hagens verband, mochte einerlei sein, Hagen auf den phexischen und hesindianischen Pfaden zu folgen, auf denen seine Mutter ihn gebracht hatte, wollte Garmwart dagegen nicht.
Einst war ihm Hagen seinem Vater Bernhelm noch am ähnlichsten erschienen, sowohl in Tugend als auch Verehrung Rondras. Doch seit seine Mutter ihn unter seine Fittiche genommen hatte, schien von alledem nur wenig übrig. Das Streben nach Macht der Salminger hatte ihn gänzlich eingefangen. Der Baron hielt sich jedoch zurück, er war sehr daran interessiert, weitere Ansichten zu vernehmen.
Eigentlich hatte Welfert von Mersingen das Gerangel um Dohlenfelde nur mit mäßigem Interesse verfolgt. Lediglich die Bitte seines Schwiegervaters, dem Wahrer der Ordnung, hatte der Angelegenheit seine Aufmerksamkeit zugetragen. Doch erst der Angriff auf Roderich von Quakenbrück, der ihm immer respektvoll begegnet war und dem er freundschaftlich zugetan war, bewog den Mersinger, sich persönlich zu engagieren und mit einem Teil der Mersinger Ritterschaft nach Eisenhuett zu eilen.
Welfert, der gerüstet und mit seinen Schwertern angetan zu den Beratungen erschienen war, stellte seinen silbernen Weinkelch geräuschvoll auf den hölzernen Beistelltisch, ehe er das Wort erhob.
„Auch in mir regen sich Zweifel, ob Hagen einem Duell zustimmen würde, er hat sich in der Vergangenheit nicht gerade durch Ehrbarkeit ausgezeichnet. Zudem befindet er sich in der besseren Ausgangsposition. Bevor Ihr, Hochgeboren, jedoch zu einem Kriegszug ruft, und sofern Ihr nicht die Pfade Rondras verlassen wollt, ist es mehr als ratsam, Erkundigungen einholen. Das Wissen um die Stärke der Burgbesatzung und die Versorgungswege sind der Schlüssel zum Erfolg einer Belagerung. Entsendet hierfür einen Parlamentär, am besten einen Geweihten, der Eure Duellforderung öffentlich verkündet. Sollte Hagen sich erdreisten, ihm Gewalt anzutun, werden die Kirchen wohl offen Partei für Euch ergreifen. Und sollte er sich wirklich einem Götterurteil verweigern, schadet dies seinem Ansehen weiter. Dem Vorschlag Ihrer Hochgeboren zu Gernebruch mag durchaus Erfolg beschieden sein. Brüchig erscheint auch mir die Allianz von Opportunisten und Gierfinger, die Hagen größtenteils um sich geschart hat.“
Darian hatte sich zu seinem Onkel, der bei der Baronin von Ambelmund, stand gesellt. Nachdem Welfert von Mersingen geendet hatte, raunte Darian seinem Onkel etwas zu, was vielleicht die Nebenstehenden hören konnten.
„Der Heermeister der Rabenmark ist öfters fern seiner Heimat, als dort zu sein und seinen Aufgaben nachzugehen. Kein Wunder, dass die Rabenmark noch nicht frei ist, wenn der Heermeister ständig irgendwo anders im Reich weilt und den Banketten frönt.“
Bernhelm drehte sich zu seinem Neffen um und warf ihm einen viel sagenden Blick zu, der aber auch andeutete, dass er doch besser ruhig sei. Wunnemine von Fadersberg hatte sich ebenfalls kurz umgedreht, da sie die Worte ebenfalls gehört hatte. Aber anders als Bernhelm zeigte die junge Baronin deutlich ihre Missgunst über den Inhalt der Worte und warf dem Baron von Baronie Aschenfeld einen kurzen, kalten Blick zu.
Die Ritterin aus Kyndoch hielt sich respektvoll zurück. Ihrem Stand nach wollte sie sich nicht wie der Ritter auf der Hirschau vordrängen. Die Barone sollten sich zu erst äußern. Praimira hatte sich schon eine Meinung zum Thronfolgestreit gebildet, vor allem durch ihre familiäre Bindung zum Hause Quakenbrück, den Stellungnahmen des Wahrers der Ordnung Pagol Greifax und der Verbindungen des Barons von Kyndoch. Aber sie wollte sich die Ansichten weiter anhören, bevor sie selbst etwas vorschlug.
Praimira hatte in der letzten Zeit an manchem Ereignis, wie dem Ende des albernischen Krieges, teilgenommen, aber vor einer solchen Adelversammlung hatte sie noch nicht gesprochen. Sie wollte in kein Fettnäpfchen treten. Über Hagens Verbündete wusste sie recht wenig. Das interessierte sie aber.
„Mit Stumpf und Stiel sollte man dieses Gelichter ausrotten, wer sich derart um Ehre, Ritterlichkeit und Göttergefälligkeit schert wie euer verehrter Halbbruder und seine verbündeten Wegelagerer, darf auch keine Gnade erwarten. Ob mit phexgefälliger List oder rondragefälliger Kampfeswut – mir ist es gleich, solange diese Schurken ihr Schicksal ereilt.“
Baron Lechdan von Wolfsstein hatte mit gepresster Stimme gesprochen, die Wut offensichtlich nur schwer im Zaume haltend. Hatte doch der Baron aus Südgratenfels allen Grund dazu. Seine Gemahlin hatte sich, unterstützt durch einige Vasallen aus Wolfsstein, auf die Seite Hagens gestellt und aktiv an der Invasion Dohlenfeldes teilgenommen. Dass das Baronspaar zu Wolfsstein häufig gegensätzlicher Meinung ist, war kein Geheimnis. Auch dass Baronin Praiodara häufig ihre eigenen, deutlich politisch gefärbten Interessen verfolgte, war bekannt. Doch nun schien das Maß selbst für den als in politischen Dingen als unkompliziert bekannten Baron zu Wolfsstein voll zu sein. Lucan von Wolfsstein – Drittgeborener Sohn des Baronspaars – war noch nicht lange Knappe von Bernhelm von Sturmfels, als diesen der plötzliche Tod ereilte. Durch Praiodaras Intervention verblieb Lucan in der Koscher Baronie Dunkelforst und setzte seine Knappschaft nahtlos bei Bernhelms Sohn Hagen fort. Doch nun war aus dem stolzen Burschen ein bedauernswerter Krüppel geworden. Hagens Unzulänglichkeiten als Schwertvater und Praiodaras Kriegstreiberei hatten dazu geführt, dass der Junge während der Belagerung von Burg Dohlenhorst zu einem Brandopfer wurde.
Doch noch weitere Untaten seiner Gemahlin stellten die Geduld Lechdans auf die Probe. Staunte er doch nicht schlecht, als ihm in seinem eigenen Stadthaus in Elenvina den Zugang zu einem Gästezimmer verwehrt wurde, und zwar von einem Lakaien seiner Gemahlin. Es war die Zeit nach dem Reichskongreß auf der Pfalz Weißenstein, und auf dem Rückweg über Elenvina machte der Wolfssteiner Zug Station in der Herzogenstadt. In seinem heiligen Zorn erschlug der Wolfssteiner den ungehörigen Diener und brach die Türe mit Gewalt auf. Er staunte nicht schlecht, als er dort Roderich von Quakenbrück vorfand, der dort als Geisel von Lechdans Gemahlin Praiodara verweilte.
Als Lechdan diese Geschehnisse noch einmal Revue passieren ließ, ruhte sein Blick nun auf Angronds Schwiegervater Roderich.
Auch Albin von Aarberg hielt sich noch zurück, sollte zuerst der Hochadel seine Ansichten vorbringen. Vielleicht würde er so bis zu seiner Wortmeldung noch mehr über das in Dohlenfelde geschehene erfahren, wie Hagen und seine Getreuen vorgingen, und dergleichen interessierte ihn dabei am meisten. Der von Hochgeboren Odrud von Gernebruch vorgebrachte Einwand über die Brüchigkeit der Bündnisse unter Hagens Getreuen war ebenfalls von großem Interesse, hoffentlich erweisen sich unsere Bündnisse als stabiler, dachte Albin dabei.