Dohlenfelder Thronfolgestreit - Der Sturm bricht los
5. Hesinde 1032 BF – Morgens
„Herr, das wird schon gehen.“
Roderich betrachtete das Werkeln des Kriegers Withred und des Burgschmieds mit zunehmender Skepsis. Man machte sich daran eines der Burggeschütze abzumontieren und auf eine günstige Position zur Vorburg hin zu platzieren. Wenn es den Leuten Hagens gelingen mochte, in die Festung einzudringen, dann dort. Im Torhaus hatte man zudem einen Kessel platziert um den Ersten, die durch das Tor stürmen mochten eine warme Begrüßung zu bereiten.
Withred versuchte gerade, einen Teil des Geschützes abzumontieren. Roderich schüttelte den Kopf. Er ging davon aus, dass die beiden das komplizierte Gerät und die komplizierte Mechanik kaum wieder zusammensetzen würden können. Dennoch mochte es ein lohnender Versuch sein.
Der Wind pfiff kalt über die Burg. Roderich hatte die Moral der Burgbesatzung bis an diesem Tag hochgehalten. Man sah sich daher auch einer solchen Herausforderung gewachsen. Auch Ituberga hatte er etwas besänftigen können, nach einen längeren Gespräch am Vortag.
„Den Göttern sei es gedankt, Angrond, Isida und die ihren sind wohlauf. Was auch immer die feige Reiterschar bezweckt hatte, sie waren nicht mehr imstande, den Baron von Dohlenfelde einzuholen.“
Eine Brieftaube hatte Dohlenhorst am Abend erreicht. Sie kam aus Eisenhuett und überbrachte gute Nachrichten. Dass ihr Handeln keine Folgen hatte, wollte er ihr jedoch nicht vorhalten.
„Mit Entsatz werden wir nicht rechnen können. Mein Bruder wird zwar sein Möglichstes tun, aber ich denke nicht, dass er sich einmischen oder die Verbündeten Angrond so bald zusammen rufen wird. Und wenn erst einmal der Schnee liegt, sind alle Vorbereitungen ohnehin zunichte gemacht. Garmwart ist ein Krieger der alten Schule. Wenn er nicht persönlich mit kleinem Gefolge kommt, kommt er bis zur Schneeschmelze gar nicht. Aber das wussten wir ja.“
Ituberga nickte. Ihr war selbst ein Stein vom Herzen gefallen, als sie davon erfahren hatte, dass ihr Herr wohlauf war. Sie mochte Roderich jedoch noch immer nicht. Die gemeinsame Zeit nach der Abreise Angronds hatte zu einer Besserung des Verhältnisses auch kaum beigetragen. Aber sie hatten einen gemeinsamen Feind und eine gemeinsame Verpflichtung.
Das Feuer zu erwidern hatte indes wenig Nutzen, und das große Geschütz im Turm würde man hingegen nicht versetzen können. Die Überlegungen, es abzubauen, beinhalteten eine Erweiterung des Turmeingangs, oder die Unmöglichkeit, das Geschütz wieder zusammenzusetzen. Die Überlegung eines der anderen Geschütze für eine mögliche Einnahme der Vorburg herzurichten, machte jedoch Sinn. Wenn ein Sturm erfolgte, dann dort und Roderich war sich sicher, dass es einen solchen Versuch noch vor Wintereinbruch geben würde.
Die Rotzen Hagens würden sie jedenfalls nicht schrecken. Weder der Turm noch das Torhaus schien bisher vom Beschuss beeindruckt, davon war Roderich recht überzeugt.
„Ein erzwergischer Baumeister, da passiert schon nichts. Die Burg mag manche Ausbesserung verdienen, aber was einem Drachen stand hält, mag auch den Geschützen einer Schlange wiederstehen.“
Etwas anderes waren einige Schwachstellen, die ihm Ituberga gezeigt hatte. Das Verhältnis der beiden war noch immer getrübt, die Kompetenzen nur bedingt geklärt. Roderich und wohl auch Ituberga wussten, dass manch ein Gardist zum Schwiegervater ihres Herrn halten würde, ebenso etliche des Gesindes. Roderich verstand es jedoch, die Liepensteinerin soweit zu lenken, dass seine Wünsche erfüllt wurden und weitere Konflikte ausblieben.
Es gab ohnehin genug zu tun. Die letzten Tage hatte man nicht Müßiggang verbracht.
12. Hesinde 1032 BF
Nun war es soweit, krachend fiel das Torhaus in sich zusammen. Die Geschütze Hagens hatten das Gebäude die letzten Tage intensiv belegt, und Roderich als auch Ituberga ahnten, dass das Unterfangen doch Erfolg haben würde. Die Gebete zu Ingerimm hatten nichts genutzt, die Geschützmannschaften verstanden ihr Handwerk.
Die Vorburg war ohnehin nicht lange zu halten gewesen, das wusste Roderich, und so war die Vorbereitung bald getroffen worden.
Einige letzte Salven mit Feuertöpfen wurden auf den eingestürzten Turm abgefeuert.
„Ja glauben die denn, es handle sich dabei um eine Bestie, der ein finaler Feuerstoß verpasst werden muss, für den Fall, dass sie noch lebt? Dass jemand den Einsturz überlebt haben könnte, werden sie ja wohl nicht glauben“, sinnierte Ituberga.
Roderich wusste nicht, was Garmwart einst von Hagen derart positiv hatte denken lassen. Wohl war die Bindung zu Angrond eine größere, aber der rondrianischere von den beiden war eindeutig Hagen, zumindest in Garmwarts Augen. Roderich hatte jedoch irgendwann aufgehört die Feuertöpfe zu zählen, die man auf die Burg gefeuert hatte, und das ständige Trommelfeuer zeugte von einer geringer rondrianischen Haltung. Im selbst war es gleich, er hielt es mehr mit Praios, und da mochte eine reinigendes Feuer nicht fehl sein. Er hätte es wohl gleich gemacht.
Aber so was das mit den Prinzipien im Hause Salmingen, es gab nur das der Macht.
Roderich orientierte sich ungern an den Handlungen seiner Feinde, doch hier blieb ihm nur wenig zu auswählen. Er hatte daher die Freien unter dem Gesinde mit Waffen versehen, Bogen und Arbrüste. Auch feste Kleidung aus Leder oder wattiert war ihnen gegeben und soweit verfügbar eine angemessene Kopfbedeckung. Er hatte sie zu Burgwachen ernannt. Ohnehin verstand er sich als Kastellan der Burg und dazu berechtigt.
Eine weitere Tücke würde das Geschütz sein, dass an einer günstigen Stelle positioniert worden war. Es würde nicht viel ausrichten können und das Nachladen kostete Zeit. Es gab jedoch eine Möglichkeit das Geschütz um einiges breiter feuern zu lassen. Dafür liess Roderich einen Beutel mit Steinen, Scherben und Stahlsplittern aus der Schmiede füllen. Die Wirkung musste dadurch weniger tödlich sein, doch dafür deutlich mehr Gegner betreffen.
„Wir werden keinen Kampf auf Leben und Tod führen. Niemand muss bis zum letzten kämpfen, aber einfach sollen sie es nicht haben! Möge Praios uns beistehen!“
Ituberga nickte zustimmend. Sie trug eine leichte Plattenrüstung, darüber die Farben der Baronie und ihres Herrn.
13. Hesinde 1032 BF – früh Morgens
Roderich blickte schweigsam über die Zinnen der Mauern.
Der Anblick war entsetzlich. Verdreht waren die Leiber jener, die versucht hatten, die gut zwanzig Schritt hohen Wälle zu erklimmen, um dann Lohn einen Bolzen oder den Sturz in die Tiefen zu erhalten. Flink hatte man die Seile gekappt, niemand war es diesmal gelungen, auf die Zinnen zu gelangen. Bolzen und Pfeile hatten oft genug ihre Ziele verfehlt, doch für viele hatte es im eng gewordenen Hof der Vorburg keinen Ausweg gegeben. Die verheerende Wirkung der Rotze hatte Roderich zudem unterschätzt.
Erst jetzt mit dem ersten Praiosschein war das blutige Ergebnis offensichtlich. Als die Vorhut Hagens in Panik verfallen waren, brach der Angriff entgültig zusammen. Die eigenen Verluste waren indes gering. Der Krieger Withred aus Turehall war gefallen. Er hatte sich heldenmütig einigen Tandoscher Piraten im Hof der Vorburg entgegengestellt. Roderich bedauerte den Verlust. Er war ihm bisher ein getreuer Begleiter gewesen. Auch ein Gardist war tödlich verwundete worden, einige aus dem Gesinde wurden betrauert. Etliche waren verletzt. Doch, wenn es die Göttern wollten, vermochten sie auch einen weiteren Angriff dieser Art zurück zuschlagen.
So durfte es jedoch nicht weiter gehen, beschloss Roderich. Er gönnte dem Eisensteiner den Tod und wünschte es womöglich manch einem der Angreifer mehr.
Es galt jedoch die Burg zu halten und Angrond und Isida Zeit zu verschaffen, nicht mehr. Mochten sie die Burg über den Winter halten, so war es eins, doch nicht um jeden Preis. Roderich wollte sich nicht den Beinamne „Schlächter von Dohlenhorst“ verdienen.
„Wir müssen dem ein Ende setzen. Ich werde die Burg in den kommenden Tagen übergeben.“
Roderich Blick war weiterhin auf den Hof gerichtet.
„Seid Ihr des Wahnsinns! Wir haben sie zurückgeschlagen, es mag uns auch ein weiteres Mal glücken. Firun ist zudem auf unserer Seite. Wer nicht durch unsere Bolzen stirbt den holt Kälte und Sieche. Wir können Dohlenhorst über den Winter halten!“
Roderich konnte nicht umhin, sich Ituberga zuzuwenden. In ihrem Blick glomm Entschlossenheit, in seinem dagegen Wut. Der Sieg der vergangenen Nacht hatte die Burghauptfrau beflügelt und die Möglichkeit eröffnet die Burg zu halten, doch seine Anweisungen waren nicht anzuzweifeln.
„Ihr seid selbst nur knapp Boron entronnen. Wäre ich nicht, Praios sei es gedankt, rechtzeitig zur Stelle gewesen, ihr würdet hier nicht stehen und derart prahlerisch Forderungen stellen. Auch wenn wir einen zweiten Angriff zurückschlagen, der Dritte wird uns allesamt über das Nirgendmeer führen. Und jede folgende Schlacht, der Kampf um Dohlenfelde wird dann so blutig wie dies hier geführt werden.“
Mit seiner rechten wies er in den Burghof. Eine Eskalation wie diese würde eine zu tiefe Wunde reißen.
Im Gegensatz zu seinen Befürchtungen, zu welchen Taten Hagen und die seinen befähigt waren, mochte Roderich keineswegs den Kopf des Barons von Dunkelforst und Baruns Pappel fordern. Mochte sich dieser mit zwei Baronien zufrieden geben, einsehen, dass er gefehlt hatte, sich zum Werkzeug Charissias gemacht hatte und einige Zeit sich in einem Kloster des Götterfürsten zurück ziehen, Buße tun und sich geißeln.
„In einer Woche ist der Todestag des Meidhart von Fallenwerth. Er widmete einst sein Leben dem Götterfürsten,und an seinem Tag wollen wir die Burg übergeben. Ich habe die Verantwortung über Burg Dohlenhorst von der Hand Angronds von Sturmfels, Eurem Herrn, und einst von seiner Hochgeboren Bernhelm von Sturmfels übernommen. In der komissarischen Funktion des Kastellans der Feste, verfüge ich, dass am 20. Hesinde die Waffen ruhen werden und wir mit Hagen von Salmingen-Sturmfels über die Übergabe verhandeln. Bereitet alles vor. Ich werde selbst die Verhandlungen führen, Ihr dagegen Euren Pflichten auf der Feste nachkommen.“
Roderich schritt an Ituberga vorbei. Er würde keinen weiteren Widerspruch mehr dulden.
Noch ehe der Tag verstricht, doch als sich schon die Praiosscheibe niedergelegt hatte, setzte Roderich eine kurze Nachricht auf und liess diese von drei Tauben ins Land tragen.