Dohlenfelder Thronfolgestreit - Epilog: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 2. April 2022, 14:10 Uhr
[Aus einem vertraulichen Brief Haldana Engstrands an Reichsgroßgeheimrat Rondrigan Paligan, Markgraf von Perricum, Baron von Arvepass, Knoppsberg und Perrinmarsch:]
Twergenhausen, 1. Eff. 1033
Nr. 5/33 P
Vertraulich!
Chryptographiert!
Betrifft:
Streit der Söhne des verblichenen Reichskammerrichters Bernhelm von Sturmfels um dessen materielles Erbe, mutmaßliches Ende des Zwists nach Entscheidungsschlacht in Baronie Dohlenfelde
Hochwohlgeborene Exzellenz,
ich entbiete Euch Phexens Gruß! In diesem meinem fünften im laufenden Jahre an Euch gerichteten Privatschreiben möchte ich Euch ergebenst darüber unterrichten, wie der Zwist der beiden Reichskammerrichter um die Baronie Dohlenfelde zu seinem vorläufigen Ende kam. Das Aufeinandertreffen der Heere des Angrond v. Sturmfels und des Hagen v. Salmingen-Sturmfels auf dem Gelände der südlich der Burg Schwarzfels gelegenen Gemarkung Schönbunder Grün in der Baronie Dohlenfelde schilderte ich Euch bereits ausführlich in meinem Schreiben Nr. 4/33 P.
Nachzureichen wäre noch die Information, dass in dieser Schlacht, die im Großen und Ganzen auf rondrianisch-vorbildliche Art geführt wurde, mindestens vierhundert Frauen und Männer den Tod fanden, die Zahl der Verwundeten betrug annährend eintausend – die Hälfte aller kombattiv Involvierten. Unter den Toten wurde erst am Tage nach der Schlacht der Gratenfelser Baron Nerek von Schnakensee identifiziert, womit drei nordmärkische Barone in Dohlenfelde den Tod fanden (die Todesumstände des Garmwart von Quakenbrück und des Lechdan von Wolfsstein schilderte ich bereits in meinem letzten Schreiben). Ich vergaß zudem, in meinem letzten Schreiben den Tod des nordmärkischen Junkers Torgus von Albenbluth-Lichtenhofen, eines ranghohen kaiserlichen Offiziers, zu erwähnen. Er wurde bei dem Attentat unmittelbar vor der Schlacht, ich berichtete, getötet. Meine ebenso im letzten Schreiben ausgeführten Überlegungen, wer hinter diesem Anschlag mit Armbrustbolzen und Feuer gestanden haben könnte, haben sich im Übrigen bislang weder bestätigt, noch konnten sie widerlegt werden. Um noch einmal auf die Schlacht zurückzukommen: In historisch interessierten Kreisen geht man mittlerweile davon aus, dass die Schlacht auf dem Schönbunder Grün die blutigste militärische Auseinandersetzung auf nordmärkischem Boden seit der Schlacht von Albenhus im Jahre 930 war – als Randnotiz möchte ich ergänzen, dass sie für den nordmärkischen Adel fast ebenso verlustreich war wie der gesamte mehrjährige Krieg gegen die albernischen Sezessionisten.
Zu guter Letzt sei angemerkt, dass der an Hagen begangene Verrat der herzoglichen Vögte und des Barons zu Eisenstein aller Voraussicht nach zumindest kurz- und mittelfristige Folgen für die Nordmarken und womöglich auch die Nachbarprovinzen haben wird. Hagen selbst ist zwar, so ich ihn richtig einzuschätzen vermag, nicht nachtragend. Der Baron, einem nicht sehr elaborierten, sondern geradezu kindlichen Rondraglauben verhaftet, wird, aus seinem bisherigen und gegenwärtigen Verhalten zu schließen, die Niederlage auf der Walstatt als Urteil der Kriegsgöttin begreifen und nicht den Vögten oder dem Eisensteiner Baron eine naheliegende operative Schuld an der militärischen Katastrophe geben, die ihn ereilte. Dies gilt jedoch mit Sicherheit nicht für alle seine Verbündeten, und im Speziellen auch nicht für seine Mutter Frylinde v. Salmingen, in deren Familiegeschichte, man erinnere nur an Charissia v. Salmingen, Zorn und Rache durchaus ihren Platz haben. Ich empfehle, vertrauenswürdige Konfidenten aus dem Kosch und Garetien auf die Entwicklungen in der Baronie Dunkelforst anzusetzen.
Erinnern möchte ich in diesem Zusammenhang daran, dass es nach wie vor keinerlei Beweis gegen die naheliegende These gibt, dass Charissia ihre Zwillingsschwester Frylinde bereits vor Jahren ermordete und deren Platz einnahm, um Unheil über den Kosch und die Nordmarken zu bringen. Persönlich betrachte ich diese Überlegung als nicht zwingend, lassen sich die bisherigen Handlungen der Frylinde v. Salmingen doch auch aus deren Biographie erklären. Des Weiteren weise ich gerne auf meine Ausführungen in meinem zweiten an Euch gerichteten Privatschreiben (Nr. 11/28 P) hin, dass die unheilige Invocatio des daimonischen Flammenden Aar im Kosch die Reichseinheit auf zynischste Art und Weise beförderte, indem noch bestehende Wunden aus der Zeit des Kaisers Answin geheilt werden konnten. Gewisse Umstände der Reichsregentschaft Jast Gorsams v. Großen Fluss hingegen wirkten der Förderung der Reichseinheit leider entgegen – und ohne die wenig zielführende Politik des nordmärkischen Herzogs hätten die prioritären Kriege gegen Borbarads Diadochen schon vor Jahren zu einem guten Ende gebracht werden können.
Aber zurück zum eigentlichen Gegenstand dieses Briefes: Wie Euer Hochwohlgeborener Exzellenz bereits mit Schreiben Nr. 4/33 P getreulich mitgeteilt, geriet Hagen v. Salmingen-Sturmfels zum Ende der Schlacht im Lazarett in Gefangenschaft des Edlen Darian v. Lîfstein zu Schratzelroth – ich berichtete über ihn bereits in Nr. 3/33 P. Während Angronds triumphales Heer in der Nähe der Wallstatt ein Lager errichtete, um sich um die Verletzten zu kümmern und die Gefallenen zu bergen, gelang Hagens Truppen der Rückzug über die Via Ferra gen Rahja, von wo aus sie sich gen Kosch absetzten. Eine knappe Woche nach der Schlacht erschienen unter der Parlamentärsflagge der Baron Roklan v. Leihenhof zu Galebquell – Schwager Hagens – und die Koschbaronin Alvide v. Eichental zu Sindelsaum – Freundin der Familie Salmingen und Heerführerin Hagens. Diese beiden erkundigten sich nach dem Schicksal mehrerer Vermisster und boten anschließend Verhandlungen über den Austausch Gefangener und vor allem Hagens Freilassung an. Die Verhandlungen wurden auf dem praioswärts gelegenen Schönbundhof, einem Freibauernhof, geführt.
Die Gespräche dauerten mehrere Tage an und fanden im engsten Kreise statt. Neben den beiden Reichskammerrichtern Angrond und Hagen und den genannten Baronen zu Galebquell und Sindelsaum nahmen, auf Angronds Seite, noch die Baronin Derya v. Sturmfels zu Tommelsbeuge – Angronds Schwester – und Baron Roderich v. Quakenbrück zu Eisenhuett – Angronds Schwiegervater, Baron zu Eisenhuett wurde er durch den Tod seines Bruders Garmwart, ich berichtete ausführlich in Nr. 4/33 P – teil. Keiner außer den sechs hochgeborenen Genannten war an den Verhandlungen beteiligt – nicht einmal Lakaien wurden in die schlichte bäuerliche Wohnstube, wo um allerlei Details ausgiebig gestritten wurde, eingelassen. Die Protokollführung vertraute Angrond seinem Burgvogt und Verwalter Muragosch Sohn des Murgrim an, einem alten, unfreundlichen Erzzwerg und Mitglied der Bruderschaft der Grundsteinbrüder. Gleich zu Beginn der Verhandlungen wurden einige Brieftauben mit unbekanntem Ziel vom Schönbundhof fliegen gelassen; Tauben mit Antwortschreiben erreichten einige Tage später Burg Dohlenhorst und wurden von dort eilends zum Schönbundhof gebracht.
Nach einer Woche in aller Offenheit aber durchaus erbittert geführter Verhandlungen hatten die sechs Hochadligen endlich eine Einigung erzielt, die für alle Beteiligten akzeptabel erschien. Der Vertrag wurde zur Mittagstunde des 30. Rondra von Angrond v. Sturmfels im Praiostempel des Marktes Dohlenfelde vor den anwesenden Adligen und Geweihten und einigen ausgewählten gemeinen Würdenträgern, zu denen auch ich gehörte, feierlich verlesen. Anbei finden Euer Hochwohlgeborene Exzellenz keine Mitschrift dieser öffentlichen Kundmachung, sondern eine authentische Abschrift des originalen Vertrages, die mir von einem vertrauenswürdigen Konfidenten übergeben wurde.
Die einzelnen Punkte möchte ich nicht ausgiebig kommentieren, spricht der Wortlaut doch für sich selbst. Einige wenige Anmerkungen erlaube ich mir dennoch: Interessant ist, dass auf den weiteren Umgang mit den Gefangenen im Vertrag nicht weiter eingegangen wird, offensichtlich wird dies den jeweiligen beteiligten Parteien völlig zur bilateralen Klärung überlassen. In diesem Zusammenhang konnte ich auch nicht in Erfahrung bringen, ob Hagen direkte Kontributionen für seine eigene Freilassung an den Edlen Darian v. Lîfstein zahlte, oder ob Darians neuer Lehnsherr Roderich seinem Vasallen die Freilassung des Barons und Reichskammerrichters befahl. Überraschend erscheint, dass der Status der Burg Schwarzfels im Vertrag nicht erwähnt wird. Dies mag man als implizite Ablehnung Angronds verstehen, der die Verpachtung der Burg an die Herzogenstadt Twergenhausen nie anerkannte. Andererseits jedoch wurde auch Hagen von Angrond nicht gezwungen, die Nichtigkeit seines Vertrages mit Twergenhausen zu erklären. So oder so, Spannungen in der näheren Zukunft sind zu erwarten. Dass der Passus ad septam tatsächlich zur Aufklärung der Geschehnisse in Twergenhausen beitragen wird, bezweifle ich.
Insgesamt mag der Vertrag als ein Dokument des militärischen Triumphes Angronds verstanden werden, konnte dieser seine Positionen doch fast konsequent durchsetzen. Faktisch jedoch sind und bleiben die Herzogenstadt Twergenhausen und damit auch das nordmärkische Herzogenhaus sowie das Reich die wahren Gewinner des blutigen Zwists: Zum einen konnte die materielle Situation und strategische Stellung Twergenhausens im Eisenwald durch die Pachtung der Burg Schwarzfels verbessert werden, zum anderen haben nicht wenige Baronsgeschlechter der Nordmarken im Konflikt zwischen Angrond und Hagen einen hohen Blutzoll gezahlt und sich zudem hoch verschuldet, in erster Linie bei den Patrizierhäusern der nordmärkischen Herzogen- und Reichsstädte. Wie schon so oft hat der Horizont der beteiligten Barone und Niederadligen nicht über den aktuellen Hader hinausgereicht. Und dass Phexens gesegneter Zinseszins machtvoller ist als jede Burg, jeder Ritter und jeder Waffenknecht auf dem Derenrund, sich zugleich aber wenig schert um Praios‘ Gerechtigkeit, Rondras Ehre und Hesindes Weisheit, das liegt – Phex sei Dank! – ohnehin außerhalb des Verständnisses der bodenständigen nordmärkischen Adelsleut‘.
Ich prognostiziere, dass Hagen v. Salmingen nach der Schmach in der Schlacht auf dem Schönbunder Grün in Bälde von seinem Amt als Reichskammerrichter zurücktreten und zugleich um ein militärisches Kommando im Kosch oder in Tobrien bitten wird, um sich vor Rondra neu bewähren zu können. Zudem wird er sich auf seine ihm verbliebenen zwei Baronien konzentrieren. Wie schon in meinem Schreiben Nr. 3/33 P empfohlen, würde ich in diesem Falle nahelegen, den freiwerdenden Richterposten an einen der Kaiserin loyalen garetischen Hochadligen zu vergeben. Damit hätte der Sturmfelser Bruderzwist auch das Reichsgericht betreffend sein Ende gefunden.
Für Phex und das Raulsche Reich!
Mit hochachtungsvollsten Grüßen ergebenst
Haldana Uthjane Xaviera Engstrand
Ratsdame und Mauerherrin Herzoglich Twergenhausens