Dohlenfelder Thronfolgestreit - Zwischenspiel in Twergenhausen

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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
K118. Rückzug!
K121. Im Kosch
K122. Frieden!
K123. Epilog
9. Ron 1033 BF
Zwischenspiel in Twergenhausen
Die Botschaft


Kapitel 63

Das Schicksal zweier Gefangener


Nordmarken, 1033

Zwischenspiel in Twergenhausen
(aus einem vertraulichen Brief Haldana Engstrands an Reichsgroßgeheimrat Rondrigan Paligan, Markgraf von Perricum, Baron von Arvepass, Knoppsberg und Perrinmarsch)

Twergenhausen, 9. Ron. 1033

Nr. 4/33 P
Vertraulich!
Chryptographiert!

Betrifft:
Streit der Söhne des verblichenen Reichskammerrichters Bernhelm von Sturmfels um dessen materielles Erbe, Involvierung des nordmärkischen Herzogenhauses, Bürgermeisterwahlen und Prozess gegen drei Adlige in Twergenhausen



Hochwohlgeborene Exzellenz,

in meinem dritten Bericht des laufenden Jahres möchte ich Euch von höchst bemerkenswerten Ereignissen in der Herzogenstadt Twergenhausen unterrichten, wie sie sich vom 7. Rondra bis heute zugetragen haben. Keine zwei Wochen nach der blutigen Entführung des Bürgermeisters Perval Gliependiek und der Einnahme der von Reichskammerrichter Hagen v. Salmingen-Sturmfels an die Stadt verpachteten Burg Schwarzfels durch mutmaßlich im Interesse seines Halbbruders, Reichskammerrichter Angrond v. Sturmfels m.H., stehende horasische Söldner unter dem Isenhager Edlen Darian v. Lîfstein zu Schratzelroth (politisch unverdächtig) – ich berichtete in Nr. 3/33 P – traf ohne Vorankündigung und zur größten Überraschung aller Ratsherren am 7. Rondra Seine Liebden Gorfang Reto v. Großen Fluss u. v. Brüllenfels hier ein. Der hzgl. Flussvogt und Allwasservogt wurde bedeckt von einem Banner Flussgarde und war in Begleitung von Praiosgeweihten aus dem Umfeld des Illuminatus Jorgast.
Die Bürgermeisterwahl: Unmittelbar nach seiner Ankunft erbat Gorfang eine Vieraugenunterredung mit dem Gerichtsherr Emmeranus Wladjeff, der in der Magistratssitzung am 30. Praios zum Stellvertreter des entführten Throndwig Gliependiek ernannt wurde. Die Besprechung fand in der Villa Wladjeff statt. Emmeranus Wladjeff berief keine Stunde später eine für den Abend angesetzte Magistratssitzung ein. So fanden meine Amtskollegen und ich uns wie geladen zur Sitzung ein (vollzählig, nur Bürgermeister Gliependiek aufgrund seiner Entführung unentschuldigt abwesend), in der Emmeranus Wladjeff von seiner Unterredung mit dem Allwasservogt berichtete, der laut den Statuten der Stadt keinen Zugang zum Rathaus genießt und den Abend auf Einladung des Obersten Xalmosch Sohn des Xolromin mit den herzoglichen Offizieren auf Burg Darlinmund verbrachte. Im Ratssaal erläuterte Emmeranus Wladjeff derweil, dass der Herzog in Elenvina ebenso wie sein Sohn Frankwart gleichsam verärgert wie ungehalten über den Angriff auf die Burg Schwarzfels seien, zumal der Fall der Burg heimtückischer Magie zuzuschreiben sei. So befahl Jast Gorsam seinem Allwasservogt, mit allen nötigen Mitteln dafür zu sorgen, dass über der Burg Schwarzfels wieder das Banner der Herzogenstadt wehe. Er, Jast Gorsam, würde seiner Schutzpflicht gegenüber Twergenhausen dahingehend nachkommen, dass er ein Banner seiner Garde zu ebendiesem Zwecke dorthin beordere – er erwarte als Gegenleistung der Stadt jedoch, dass diese ihre Wehr mobilisiere und sich diese dem Marsch der Flussgarde wider die Schergen des Edlen zu Schratzelroth anschließe.
Es wurde nun im Rat heftigst debattiert, denn einerseits war man sich einig darin, dass die Burg zurückzuerobern sei und dem Wunsch des Stadtherrn folge geleistet werden müsse – andererseits sei es durch die Verfassung der Stadt ein Privileg des Bürgermeisters, die Wehr in Marsch zu setzen. Der Bürgermeister befinde sich jedoch an unbekanntem Orte, vermutlich in einem Kerker des Reichskammerrichters Angrond, und man solle auch bedenken, darauf wies ich hin, dass jede Aktion gegen die Schwarzfels das Leben des Perval Gliependiek gefährden könne. Doch der Zorn der ebenso braven wie geistig eingeschränkten Handwerksmeister im Magistrat auf die Entführer und die Besetzer der Burg war so groß, dass wir Patrizier nur die größte Wut bändigen konnten.
So kam es zu langen und ermüdenden Diskussionen, bis der Magistrat, getragen von den immer aggressiver vorgetragenen Meinungen der Handwerker, gegen die Stimmen der drei anwesenden Patrizierhäuser (meine eingeschlossen) schließlich darin überein kam, dass der Treuebeweis gegenüber Herzog und Allwasservogt wichtiger sei als das Schicksal Perval Gliependieks und außerdem „dem Adel“ eine Lektion erteilt werden müsse, denn, ich zitiere einen Handwerker, „gerade der Adelsstand habe kein Recht, sich über ebendieses hinwegzusetzen“. So wurde schließlich die Vertrauensfrage gestellt, und der entführte Perval Gliependiek mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung (des abwesenden Hauses Gliependiek selbst) nicht nur seines Amtes enthoben, sondern auch seines Sitzes im Magistrat für verlustig erklärt. Damit war der Weg frei für des Bürgermeisters Sohn Throndwig Gliependiek, der schon im Rathaus wartete. Den ihm an seines Vaters Statt angebotenen Sitz im Magistrat nahm der ebenso ehrgeizige wie skrupellose Patrizier (politisch gen Eilenwïd schauend, ökonomisch weitsichtig, efferdgläubig) ohne zu zögern an. Mit dem jungen Gliependiek, dem die Zuneigung, die ihm von den Handwerkern im Magistrat entgegengebracht wurde, wahrhaftig oder gut geschauspielert unangenehm war, ging die Ratssitzung weiter. Es wurde wild diskutiert, wie man dem Wunsche Seiner Hoheit entsprechen und gleichzeitig dem Interesse der Stadt dienen könne.
Es war ein Handwerksmeister, der schließlich Throndwig Gliependiek, es war schon nach Mitternacht, als neuen Bürgermeister vorschlug, denn er sei nicht nur der legitime Erbe seines Vaters, sondern auch derjenige, der der Stadt erst die Schwarzfels einbrachte. Ich wurde als Gegenkandidatin aufgestellt. Lucarda Kessler verzichtete auf ihre aussichtsreiche Kandidatur, da sie „die Stadt nicht in den Krieg führen wolle“. Gliependiek gewann schließlich – mit 8 zu 4 Stimmen. Sicherlich und zu Recht trauten die Handwerker dem für seine Unbeherrschtheit bekannten Patrizier es eher als mir zu, die Stadt in einen Krieg zu führen. Nach der Wahl verteilte der neue Bürgermeister die zehn offenen Ratsämter sowie das Amt des Markvogtes über die Herzogliche Growinsmark, wobei er keine Neubesetzungen vornahm, sondern den Entscheidungen seines Vaters treu blieb. Wohl fürchtete der Gerichtsherr Emmeranus Wladjeff um sein Amt, aber als er Throndwig Gliependiek versprach, schnelle und harte Urteile wider die drei inhaftierten Adligen – ich berichtete in Nr. 4/32 P, Nr. 18/32 P und Nr. 3/33 P – zu fällen, da waren er und der Bürgermeister, der nun keinen Hehl mehr aus seiner Wut auf die Entführer seines Vaters und die Eroberer der Schwarzfels machte, handelseinig. Nach der Vergabe der Ratsämter schworen wir alle dem neugewählten Bürgermeister, der nun den Amtsmantel aus Hermelin übergworfen hatte, die Treue.
Früh am Morgen des 8. Rondra, Throndwig Gliependiek konnte kaum mehr als vier Stunden geschlafen haben, wurde der neue Bürgermeister bei Gorfang Reto auf Burg Darlinmund vorstellig. Offensichtlich verstanden sich die beiden herzlich, denn ein wachhabender Gardist berichtete mir von lautem Lachen. Und tatsächlich haben beide ja viele Gemeinsamkeiten in ihrem bisherigen Handeln an den Tag gelegt, vom harten Vorgehen gegen ihre Feinde bis hin zur absoluten Skrupellosigkeit selbst gegen „Freunde“ und Verbündete. Dazu kommt die Nähe beider zu zweien der Zwölfen, zu Efferd und zu Praios: Dem Launigen und dem Strengen... Wie auch immer, nach dem Gespräch kehrte der Bürgermeister zusammen mit dem Allwasservogt ins Rathaus zurück, im langen Flur hatte die Stadtgarde Aufstellung genommen. Jeder einzelne der Gardisten wurde persönlich auf den neuen Bürgermeister vereidigt, wie es das Gesetz vorsieht. Nach der Zeremonie trat der gesamte Magistrat in Praiostagskleidung auf den großen Balkon des Rathauses. Auf dem Hilberiansplatz wartete der Allwasservogt in der Uniform der Flussgarde inmitten seiner Soldaten hoch zu Ross, ansonsten hatten sich viele hundert Bewohner Twergenhausens versammelt und jubelten uns zu, man hörte „Hoch dem Bürgermeister!“ und „Hurra den Nordmarken!“ und „Vivat!“, aber auch „Die Schwarzfels ist unser!“, „Lasst uns das Söldnerpack dreschen!“, „Den Zauberer ins Feuer!“ und schließlich „Heute zur Schwarzfels, morgen zur Dohlenhorst!“, „Nieder mit den Feinden des Herzogs!“, „Allen Mördern das Schwert!“ und „Rache für Perval Gliependiek“. Der Pöbel, der um die Heilig-Hilberian-spricht-zu-den-Greifen-Statue stand, beruhigte sich erst, als irgendjemand den Choral „Es fährt ein Flammenwagen“ zu singen begann und schließlich alle in diesen einstimmten.
Die Urteile: Am Mittag des gestrigen Tages wurden zu meiner Überraschung im Gerichtsgebäude nicht nur die seit Tagen laufenden Verhöre des Lindos v. Lilienthal (politisch unverdächtig), eines in die Entführung des Bürgermeisters eng verstrickten Niederadligen aus der Baronie Gernebruch und Parteigängers Angronds v. Sturmfels, fortgesetzt. Nein, zwei weitere Adlige saßen auf der Anklagebank! So saß dort auch Cordovan v. Sturmfels (ebenso politisch unverdächtig), ein aus der Familie Sturmfels m. H. aufgrund seiner Hochzeit mit einer Twergenhäuser Bürgerlichen verstoßener Bruder des verblichenen Reichskammerichters Bernhelm und Vater des Landedlen und nordmärkischen Turniermarschalls Voltan v. Sturmfels. Er hatte beim Angriff Hagens auf Dohlenfelde dessen Halbbruder Angrond gewarnt und ihm damit die Flucht ermöglicht. Cordovan kehrte nach dem Fall der Burg Dohlenhorst im Hesinde letzten Jahres freiwillig in die Stadt und zu seiner geliebten Gattin zurück und stellte sich dort der Stadtwache. Er wurde gegen sein Ehrenwort unter Hausarrest gestellt und bislang nur zu zwei kurzen Verhören ins Gerichtsgebäude geholt, da sein Fall nicht als dringlich galt. Und dann noch der junge Gorwin v. Lîfstein (auch dieser politisch unverdächtig), ein junger Landadliger aus Eisenhuett, der vor zwei Monden im Rathaus festgenommen wurde, nachdem er dort zufällig vom Gerichtsherrn Wladjeff beim Einbruch gestellt worden war, diesen angriff und verletzte und seither im Kerker sitzt. Zuverlässliche Quellen aus Dohlenfelde hatten schon vor einigen Tagen gemeldet, dass Darian v. Lîfstein – Bruder Gorwins, Edler aus Eisenhuett, Parteigänger Angrond v. Sturmfels’ – der Drahtzieher hinter dem Angriff auf die Burg sei und sich zudem persönlich auf Burg Schwarzfels aufhalte. Auch die Abschrift eines Briefes, die ich im Büro des Ratsherrn Wichter fand, legt gleiches nahe.
Zur Rechten des Vorsitzenden Richters Emmeranus Wladjeff saß Seine Hochwürden Helmbrecht Angroban v. Zweifelfels, der in Twergenhausen residierende Ordentliche Inquisitionsrat der Grafschaft Isenhag. Linker Beisitzer war meine Tochter Phexiane. Gleich zu Beginn der Verhandlung, an denen auch der Allwasservogt und der neugewählte Bürgermeister als Gäste teilnahmen, verkündete der Gerichtsherr, dass er zur „Vereinfachung“ und „rascheren Urteilsfindung“ gedenke, die Beweisaufnahme in allen drei Verfahren abzuschließen. Als daraufhin der Inquisitor seine Bedenken anmeldete, kam es zu einer kurzen Disputatio zwischen ebendiesem und einer Praiosgeweihten aus dem Gefolge Gorfang Retos, in deren Verlauf sich die beiden Geweihten dahingehend einig wurden, dass eine Abkürzung eines Verfahrens gegen adlige Angeklagte auf Basis der Inquisitorischen Halsgerichtsordnung und des Nordmärkischen Landrechts auf diese Art und Weise zwar unüblich sei, aber nicht den Geboten Praios’ widerspreche und es auch entsprechende Präzedenzfälle gebe. Auch waren sich die beiden Geweihten dahingehend einig, dass alle drei Angeklagten schuldig im Sinne der Anklage seien und es nur noch um das gerechte Strafmaß ginge.
Nach diesem praiosgefälligen Intermezzo wurden nacheinander die drei Anklageschriften verlesen, danach jeweils Zeugen in den Gerichtssaal geführt und kurz befragt und schriftliche Zeugenaussagen verlesen. Den Angeklagten selbst wurde nur gestattet, auf ihnen gestellte Fragen mit Ja oder Nein zu antworten, „man sei schließlich nicht im Debattierclub“, wie der Vorsitzende anmerkte. Meine Tochter versuchte mehrfach, die Angeklagten zu verhören, bekam dies aber mit Verweis auf die Prozessordnung untersagt. Der Inquisitor schien derweil dem Geschehen vor seinen Augen kaum zu folgen, sondern gänzlich damit beschäftigt zu sein, die ihm vorliegenden Schriftstücke zu prüfen. So zog sich die Verhandlung bis in den frühen Abend hinein, der Richter zog sich mehrfach mit dem Inquisitor und meiner Tochter zu Beratungen zurück, zweimal schlossen sich ihnen der Allwasservogt und dessen Praiosgeweihte an. Schließlich setzte Emmeranus Wladjeff die Verhandlung für eine Stunde aus, um innere Einkehr und göttlichen Ratsschluss in der städtischen Praioskapelle zu finden, die er zusammen mit Gorfang Reto aufsuchte. Nur wenige Augenblicke nach Fortsetzung der Verhandlung verkündete der Gerichtsherr, dass er die Stimmen der alveranischen Greifen vernommen habe und sein Urteil nun feststehe. Er zog sich daraufhin mit seinen Beisitzern zurück. Im Schein hunderter Kerzen, die den Gerichtssaal erhellten und mit fast betäubendem Bienenwachsduft erfüllten, verlas Emmeranus Wladjeff nach der Segnung des Gerichtssaals durch die mit dem Allwasservogt angereiste Praiosgeweihte ein Urteil nach dem anderen, und alle drei lauteten gleichermaßen: „Im Namen des Magistrats der Herzogenstadt Twergenhausen und Kraft der Privilegien dieses Gerichts, die von Seiner Hoheit Jast Gorsam v. Großen Fluss bestätigt wurden, verurteile ich Euch zum Tode durch das Schwert!“ Cordovan v. Sturmfels, der einzige hochadlige Angeklagte, wurde des Hoch- und Stadtverrats für schuldig befunden; Gorwin v. Lîfstein des schweren Einbruchs in ein Amtsgebäude, des tätlichen Angriffs auf einen Ratsherrn und der Kollaboration mit Feinden der Stadt und des Herzogs; Lindos v. Lilienthal der Beteiligung an der Entführung des damaligen Bürgermeisters sowie der Beteiligung an zwei Morden (an einem Stadtbürger, der in der Entführungsnacht am Tor der Gänsezunft wachte, sowie am Leibwächter Perval Gliependieks) – bemerkenswert ist, dass der Mord an einem Flussgardisten in der Entführungsnacht nicht weiter verfolgt wurde, da dieser außerhalb der Stadtmauern geschah, was eine Involvierung des Grafengerichts in Calbrozim verlangt hätte.
Die Angeklagten nahmen die Urteile voller Würde entgegen, Lindos und Gorwin schauten geradezu herablassend zu dem Patrizier, der den Stab über ihnen brach. Letzte Worte verwehrte der Gerichtsherr der Stadt den drei Adligen mit Verweis auf die Inquisitorische Halsgerichtsordnung: Keiner der Angeklagten hätte sich kooperativ gezeigt oder gar seine Taten eingestanden, weshalb ein Entgegenkommen des Gerichts unangemessen sei. Aus Respekt vor dem Stand der drei Angeklagten und aufgrund der ohnehin erdrückenden Beweislast habe man im Übrigen auf das Erzwingen eines Geständnisses durch die hochnotpeinliche Befragung verzichtet. Die Hinrichtung setzte der Richter auf den nächsten Tag bei höchstem Sonnenstand an, dies sei am Vormittag in der Stadt entsprechend kundzutun. Meine Tochter Phexiane berichtete mir im Nachhinein, dass sie bei den Beratungen zu allen drei Urteilen unterschiedliche Bedenken äußerte, der Inquisitor hingegen wenig Interesse zeigte und einzig beim Todesurteil für den jungen Lîfsteiner anmerkte, dass es hier dem Gericht durchaus möglich wäre, von dieser harten Strafe abzusehen. Er stimmte jedoch zu, dass diese Strafe sich durchaus im Rahmen des Üblichen bewege. Der Allwasservogt, der bei den Beratungen auf Wunsch des Gerichtsherrn dabei war, bestätigte zudem, dass harte Urteile dem Wunsche des Herzogenhauses, das schließlich als Stadtherr der Hauptgeschädigte sei, entsprechen würden.
Nach der Verlesung der Urteile fragte der Gerichtsherr beim Inquisitor an, ob er als Vertreter der Praioskirche bei diesem Prozess Einwände erhebe. Der Inquisitionsrat merkte an, dass die Urteile des Stadt- und Marktgericht zu Twergenhausen, das die Privilegien eines Herzoglichen Herrengerichts genieße, ohne Frage einer formaljuristischen Prüfung durch kirchliche Stellen standhielten. Eine inhaltliche Prüfung sei jedoch auf die Schnelle nicht machbar. Als ein Raunen durch den Gerichtssaal ging, wiederholte der Inquisitor, dass er keine Bedenken anmelde. Emmeranus Wladjeff schien jedoch durch die Wortwahl des eloquenten Inquisitors verunsichert und verlangte eine Eilsitzung des Magistrats, um die Urteile zu bestätigen. Throndwig Gliependiek schien darüber fast erbost, stimmte jedoch zu und beorderte alle Ratsherren und -damen umgehend ins Rathaus. Dort wurden die Urteile nochmals vom Gerichtsherrn verlesen und kurz mit den wichtigsten Zeugenaussagen und Beweisen begründet, es folgte eine ungewöhnlich scharfe Debatte, in der unter anderem vorgebracht wurde, dass der Praiosgeweihte sich reserviert geäußert hätte – aber auch, dass man mit dem Urteil den Adel gegen sich aufbringen würde, dieser jedoch ein wichtiger Geschäftspartner sei. Der Bürgermeister sagte schließlich zu, die Hinrichtungen aufschieben zu lassen, sollte nicht der Allwasservogt als Mitglied der herzoglichen Familie die drei Urteile mit seiner Unterschrift gegenzeichnen. Es erfolgte die Abstimmung. Trotz der großen Eingeständnisses Throndwig Gliependieks stimmten nur sechs Magistratsmitglieder dafür, vier dagegen und zwei enthielten sich. Daraufhin fällte der Bürgermeister, wie von der Stadtverfassung vorgesehen, die Entscheidung. Danach suchte er den in der „Rohalskappe“, dem Ratskeller, speisenden Allwasservogt auf, der die drei Urteile zwischen dem vierten und fünften Gang gegenzeichnete und dabei mit almadanischem Rotwein und Gänsefett besudelte. Der Allwasservogt bat den Bürgermeister, den Todgeweihten ihre Henkersmahlzeiten in der „Rohalskappe“ mit den besten Zutaten zubereiten zu lassen, was auch geschah. Dann ließ er den drei Adligen noch auf seine Kosten jeweils eine Flasche vom sündhaft teuren „Mescher Heiligmacher“ aus Almada schicken und kündigte an, in seinem Morgengebet zu Praios für ihre Seelen zu beten. Dies hätten sie verdient, schließlich seien sie alle drei Standespersonen und tapfere Nordmärker.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Rondra gelang es mir als Mauerherrin Twergenhausens, ein längeres privates Gespräch mit dem Allwasservogt zu führen. Es wurde mir klar, wie eigenmächtig und selbstbewusst der Vetter des Herzogs, den man nach seiner feigen Flucht aus Feenquell und dem daraus folgenden Tod des jüngsten Sohnes des Herzogs bereits für einen toten Mann gehalten hatte, tatsächlich handelte. Denn die Flussgarde schien treuer hinter Gorfang Reto zu stehen als hinter dem Herzog, und der Herzog schien das zu wissen. Jast Gorsam hatte seinem Vetter den Befehl erteilt, Burg Schwarzfels für Twergenhausen zurückzuerobern. Gorfang Reto weiß durch seine Zuträger vom Aufmarsch der Truppen Angronds und deren bevorstehendem Angriff auf Hagen. Er betrachtet einen denkbaren Sieg Angronds als Gefahr für die herzoglichen Interessen im Eisenwald, sieht er die Sicherheit der Schwarzfels doch nur von einem Baron Hagen gewährleistet. Da nun ein direktes Engagement regulärer Flussgardisten oder Kaiserlich-Nordmärkischer gegen Reichskammerrichter Angrond den Konflikt leicht eskalieren lassen könnte, versucht Gorfang Reto dies geschickt dadurch zu umgehen, dass er – ich vermute eigenmächtig – die zahlreichen herzoglichen Vögte vom Wunsch des Herzogs und seiner Auslegung desselben untererrichtete. Die Truppen zumindest des Vogts von Fuchsgau, wenn nicht weiterer herzoglicher Vögte, befinden sich nun auf dem Marsch, um die Schwarzfels zu erobern und, sollte dies nötig werden, Angronds Heer zu vernichten. Und kein direkt unter dem Befehl Jast Gorsams stehender Streiter wird dafür ein Schwert ziehen müssen. Eine politisch ebenso einfache wie bestechende Lösung, erdacht von Gorfang Reto v. Großen Fluss u. v. Brüllenfels! Ich bin sicher, dass der Allwasservogt der Flussgarde nicht den Befehl geben wird, in die Auseinandersetzung zwischen Hagen und Angrond direkt einzugreifen, denn er ist sich der Probleme, die aus einer solchen Eskalation folgen könnten, wohl bewusst. Der Allwasservogt wird daher für Hagens Sieg beten, am Rande des Schlachtfeldes stehen und dem Sieger lächelnd gratulieren – mit einem verbissenen Lächeln einem Sieger Angrond, mit einem ehrlichen Lächeln einem Sieger Hagen. Aber wehe dem Baron Dohlenfeldes, der es wagen sollte, den herzoglichen Status der Burg Schwarzfels in Frage zu stellen oder gar Twergenhausen direkt anzugreifen!
Die Hinrichtungen: Genug des Exkurses zu Gorfang Reto, am heutigen Tage, den 9. Rondra, strömten die Städter und auch die Bauern aus dem Umland – gar den Unfreien der Growinsmark wurde gestattet, für das Schauspiel die Stadt zu betreten – in Scharen auf den Richtplatz, wo seit Sonnenaufgang an einem Gerüst gezimmert wurde, auf dem die Enthauptungen stattfinden sollten. Bald drängten sich so viele Leute auf dem Richtplatz, dass ein Kind, das seine Eltern verloren hatte, totgetrampelt wurde, wie sich später herausstellen sollte. Aus allen Fenstern um den Richtplatz starrten die Schaulustigen an diesem wieder einmal wunderschönen Sommertag, junge Stadtbewohner waren sogar auf die Dächer geklettert. Berittene Flussgardisten mussten die Gerichtsbüttel und Stadtgardisten darin unterstützen, wenigstens eine Gasse für die Herrschaften freizuhalten. Der Henker der Stadt trat mit seinen zwei Knechten unter Jubelrufen auf das Podest, führte einige ebenso elegante wie kraftvolle Streiche mit dem zweihändigen Richtschwert aus, um sein Können zu beweisen.
Schließlich wurden die drei zum Tode Verurteilten aus der Hauptwache gebracht. Cordovan v. Sturmfels hatte man gestattet, sich von seiner Ehefrau, der anständigen Twergenhäuser Stadtbürgerin Elida Platzhalter zu verabschieden, den anderen beiden nur Abschiedsbriefe zugestanden. Für die letzte Beichte baten alle drei Adligen um ein Treffen mit dem Rondrahochgeweihten der Stadt, Throndwerth v. Zweibruckenburg, dem Freund und Beichtvater Bernhelms v. Sturmfels, was ihnen auch gewährt wurde. Der Rondrageweihte war es auch, der Cordovan, Lindos und Gorwin aus der Hauptwache hinausgeleitete, die Büttel hielten sich im Hintergrund. Die drei kamen ohne Fesseln und Ketten, stolz und aufrecht, aus dem Wachhaus, stiegen danach auf das Podest, wo der Henker mit seinen Knechten und zwei Gerichtsbütteln warteten. Seine Hochwürden Throndwerth v. Zweibruckenburg folgte ihnen. Auf dem Podest wartete bereits der Geweihte des Twergenhäuser Borontempels und der Hochgeweihte des Traviatempels, Traviadan Kessler, dessen Haus das Twergenhäuser Herdfeuer seit Urzeiten hütete, auf die Verurteilten. Als Lindos v. Lilienthal das Podest, auf dem er sein Ende finden sollte, betrat, hörte man zwischen Buhrufen auch Jubel – denn nicht wenige Stadtbürger waren bei Angronds Krönungsturnei im Jahre 1030 Zuschauer gewesen und erkannten nun den tapferen Ritter wieder, der nach einem überragenden Turnier erst im Tjostfinale dem Baron Traviadan von Schwertleihe unterlag, weil dieser ihm das Weiterkämpfen auf dem Boden verweigerte. Auch genoss Cordovan v. Sturmfels, der seit fast vier Jahrzehnten in der Stadt lebte, einiges Ansehen.
Als der Magistrat inklusive Bürgermeister sowie der Allwasservogtes, einige Offiziere und Geweihten sowie andere Honoratioren auf den Balkon des Gerichtshauses traten, wo nun ein nicht minderes Gedränge herrschte als auf dem Richtplatz, kehrte Ruhe ein (durchaus auch, weil die Flussgardisten nun gewohnt rabiat gegen einige Schreihälse und Unruhestifter vorgingen). Gerichtsherr Emmeranus Wladjeff verlas für alle Anwesenden gut vernehmlich ein letztes Mal die Urteilsschriften, der Praiosschild hatte gerade seinen höchsten Punkt erreicht, gnadenlos brannte die Sommersonne auf den Richtplatz nieder. Der Ratsherr fragte, ob einer der drei Todgeweihten um Travias Gnade flehen wolle, um sein Leben zu retten. Doch keiner der Adligen nahm diese letzte Gnade in Anspruch, woraufhin der Hochgeweihte Traviadan Kessler das Podest verließ. Danach sprachen die drei Adligen mit dem Rondra- und dem Borongeweihten ihr letztes, stilles Gebet.
Throndwig Gliependiek verkündete nun, dass Cordovan v. Sturmfels in Anerkennung seiner Verdienste für die Stadt – der Bürgermeister mochte sich auch daran erinnern, wie ihm der Sturmfelser dereinst Lektionen im Tjosten erteilte – die Würde zuteil werden solle, nicht öffentlich, sondern im Praioswinkel hinter dem Gerichtsgebäude vom Leben zum Tode gerichtet zu werden. Buhrufe waren vereinzelt zu vernehmen, doch verstummten sie rasch wieder. Cordovan schien kurz zu überlegen, ob er diese „Auszeichnung“ ablehnen solle, sah dann jedoch seine Ehefrau in der Menschenmenge. Er bedankte sich beim Bürgermeister, und stieg zusammen mit dem Henker, einem Henkersknecht, dem Boron- und dem Rondrageweihten vom Podest. Der Rondrageweihte, der das Haus Sturmfels so sehr schätzte, verabschiedete sich kameradschaftlich bei Cordovan und ging danach zu dessen verzweifelter Gattin, um ihr Trost zu spenden. Aus dem Praioswinkel, den man auch vom Balkon des Gerichtsgebäudes nicht einsehen kann, hörte man nicht viel, aber nach nur wenigen Augenblicken kletterte der Henker mit seinem Knecht wieder auf das Podest, die beiden präsentierten bei eher zurückhaltendem Applaus der Menge den in ein blutiges Tuch gehüllten abgeschlagenen Kopf des Cordovan v. Sturmfels sowie das blutige Richtschwert. Der Borongeweihte folgte.
Daraufhin wechselte der Henker, dessen Klinge gleichzeitig von einem Henkersknecht gereinigt wurde, ein paar knappe Worte mit Gorwin v. Lîfstein. Der Ritter nahm ein Amulett von seinem Hals und warf es gezielt einer jungen Twergenhäuserin zu, die in der ersten Reihe der Zuschauer stand. Dann kniete er würdevoll vor einem Weidenkorb nieder, als wolle er nicht einen Schwertstreich, sondern eine Krone empfangen. Ein Henkersknecht band ihm eine schwarze Augenbinde um. Es wurde still. Der Henker holte gekonnt mit seinem Zweihänder aus und trennte Gorwin sein Haupt mit einem Streich vom Rumpf. Als der Henkersknecht den blutverschmierten Kopf aus dem Korb hob und herumzeigte, brandete Jubel auf und Rufe waren zu hören wie „Für den Herzog, auf zur Schwarzfels!“. Der Henker wartete, bis sich die Menge beruhigt hatte und wechselte dann ein paar nicht zu vernehmende Worte mit dem Ritter Lindos v. Lilienthal. Die Menge rief „Mörder!“, „Rädern und Vierteilen, nicht das Schwert!“ und gar „In die Niederhöllen mit ihm!“. Lindos hatte der Enthauptung Gorwins regungslos zugesehen und rief nun, aufgrund des großen Geschreis kaum hörbar, auf den Balkon des Gerichtsgebäudes zeigend: „Mein Kopf wird nicht der letzte sein!“. Dann kniete auch er nieder, riss dem erschreckten Henkersknecht die Augenbinde aus den Händen und band sie sich seelenruhig selbst um. Wieder mit einem gekonnten Streich tat der städtische Henker sein Handwerk. Als Lindos’ Kopf präsentiert wurde, war der Jubel und Applaus fast ohrenbetäubend, die Menge rief zum Allwasservogt und zum Bürgermeister gewandt „Rache für Perval Gliependiek!“ und „Auf zur Schwarzfels!“.
Der Weg in den Krieg: Noch unter dem Eindruck der Hinrichtungen und des Zornes des Pöbels stehend, berief Throndwig Gliependiek eine Nachmittagssitzung des Magistrats ein. Wir speisten zu Mittag gemeinsam mit dem Allwasservogt im Ratskeller. Gorfang Reto machte deutlich, dass er mit seinen Flussgardisten – und den Truppen des Vogtes zu Fuchsgau, die schon auf dem Marsch seien – notfalls auch alleine gegen die Burg ziehen würde, jedoch sehr darauf hoffe, dass die Stadt sich ihm anschlösse. Danach setzte sich der Magistrat zusammen und beriet, was nun zu tun sei. Die acht Handwerker forderten lautstark, dass die Stadt sich zurückholen müsse, was ihr und des Herzogs sei, einige forderten gar die militärische Unterstützung des Hagen v. Salmingen-Sturmfels, denn es sei ja offensichtlich, dass Angrond v. Sturmfels sowohl hinter der Eroberung der Schwarzfels als auch hinter der Entführung und vermutlich Ermordung Perval Gliependieks stünde. Man müsse jetzt, nachdem die Adligen hingerichtet seien, Nägel mit Köpfen machen. Das Patrizierhaus Kessler und ich versuchten, diese angeblichen Gewissheiten zu hinterfragen und auf die denkbaren unangenehmen Konsequenzen eines übereilten Feldzuges oder gar einer massiven Unterstützung des Reichskammerrichters Hagen hinzuweisen, scheiterten aber an der Engstirnigkeit und der Wut der Handwerker. Throndwig Gliependiek schien im Laufe der Sitzung immer mehr auf die Linie der Handwerker einzuschwenken, und als schließlich darüber abgestimmt wurde, ob zu den Waffen gegriffen werden solle, um Burg Schwarzfels zu befreien, fanden sich 9 Stimmen dafür, 2 Stimmen dagegen (Kessler und ich) und nur 1 Enthaltung (Wlafdjeff). Throndwig Gliependiek zitierte nach der Abstimmung aus einer Sitzungsakte aus dem Jahre 490, in der schon die damalige Bürgermeisterin feststellte: „Das erste Ziel unserer Politik muss das Sichern der Lebensadern der Stadt sein. Das verlangt, Dohlenhorst und Schwarzfels (sic!) unter unsere Kontrolle zu bringen – oder aber zu schleifen! Das zweite Ziel unser Politik muss sein, den Herzog dazu zu veranlassen, die Kontrolle über die beiden Burgen zu erringen.“
In einer zweiten Abstimmung gelang es mir aber immerhin, die Neutralität der Stadt im eigentlichen Streit um die Krone Dohlenfeldes sicherzustellen – im Übrigen bin ich immer wieder amüsiert darüber, wenn ich Leute über den „Dohlenfelder Thronfolgestreit“ sprechen höre, da es doch gar keinen Thron gibt, der mit der Herrschaft über die Baronie am Darlin assoziiert wird. Wie auch immer, mir gelang es in einer überraschend kurzen Debatte die Handwerker davon zu überzeugen, dass eine Involvierung in dohlenfeldsche Angelegenheit, die über die Eroberung und Sicherung der Burg Schwarzfels hinausgeht, nicht in ihrem Interesse sein kann. Da stachen selbst Throndwig Gliependieks Argumente, die er wohl vom Allwasservogt eingeflüstert bekam, nicht, dass die dauerhafte Sicherheit der Burg Schwarzfels nur unter einem Baron Hagen v. Salmingen-Sturmfels garantiert sei. Insbesondere nahm man Throndwig seinen Gesinnungswandel nicht ab: Denn als er im vergangenen Herbst in aller Eile und ohne vorherige Debatte in seines Vaters Namen den Geheimvertrag mit Reichskammerrichter Hagen schloss, der uns schließlich die Schwarzfels einbrachte, betonte er immer wieder und überzeugend, dass es ihm gleichgültig sei, wer auf Burg Dohlenhorst herrsche. Er habe nur Hagens Machtgier und Schwäche im Interesse der Stadt und des Herzogs ausgenutzt. Die Abstimmung ging entsprechend mit 8 zu 4 Stimmen gegen ein weiteres Engagement in der Baronie aus, sollte Burg Schwarzfels wieder in unseren Händen sein. Es wurde von Seiten des Bürgermeisters ganz klar gemacht – und hier hat er sicherlich die große Mehrheit aller Magistratsmitglieder hinter sich – dass man allen Provokationen und Einmischungen seitens des Barons zu Dohlenfelde, heiße er nun Hagen oder Angrond, angemessen begegnen werde.
Nachdem diese wichtigen Entscheidungen gefällt worden war, wurde die Stadtbevölkerung durch Büttel auf den Hilberiansplatz gerufen. Am frühen Abend war dort eine große Menge versammelt, die jedoch kleiner war als diejenige, die den Hinrichtungen beiwohnte, trat der Bürgermeister mit den übrigen Mitgliedern des Magistrats auf den Balkon des Rathauses und tat der Menge kund, dass die Stadtwehr gerüstet werde. Dann werde man mit dem Allwasservogt zur Schwarzfels marschieren und diese den horasischen Söldnern und den sich dort befindlichen Schergen Angronds entreißen, koste es, was es wolle, denn dies geschehe „nicht nur für Twergenhausen, sondern für auch für den Herzog und den Herrn Praios!“ Zum zweiten Mal binnen zweier Tage hörte man nun auf dem Hilberiansplatz ein großes Hurra, während die Kämpferinnen und Kämpfer der Stadtwehr von der Menge hochleben gelassen wurden.
Soeben, es ist eine Stunde nach Sonnenuntergang, erfahre ich, dass der Allwasservogt auf Burg Dalinmund damit scheiterte, den Obersten Xalmosch Sohn des Xolromin davon zu überzeugen, den Feldzug gegen die Schwarzfels mitzutragen. Denn der Oberste verlangte dazu einen direkten Befehl des Herzogs (den Gorfang Reto nicht hatte) oder aber die Ausrufung des Kriegsrechts in Twergenhausen, womit dem Obersten das Oberkommando über alle Truppen in der Stadt, eingeschlossen der Flussgarde, zufallen würde (wozu weder Gorfang Reto noch der junge Gliependiek bereit waren). So wurden die Kämpfer des Regiments „Ingerimms Hammer“ nicht in Marsch gesetzt. Wohl aber gab der sture Oberst, als Zeichen seines guten Willens, seiner Militärkapelle die Anweisung, für die Flussgarde und die Stadtwehr fröhlich aufzuspielen. So beginnen sicherlich bald die Stadtwehrkämpfer zum Spiel der Kapelle durch die Straßen der Stadt paradieren, ihre Waffen präsentieren und sich vom Volk bejubeln lassen.
Morgen, am 10. Rondra, werden sich die aktiven Stadtwehrkämpfer gerüstet und bewaffnet vor dem Zeughaus versammeln, wo es meine Pflicht als Mauerherrin Twergenhausens sein wird, weitere Waffen auszugeben. Die Kriegsbereitschaft des einfachen Volkes ist für mich immer wieder ein Rätsel, und auch diesmal war ich mehr als erstaunt darüber, welche große Bedeutung das Bürgertum dem rondrianischen Tand, entschuldigt diese persönliche Wertung, zumisst. So ein Feldzug hat für den einzelnen braven Handwerker im besten Falle doch zu bedeuten, ein wenig Kriegsruhm zu erwerben, im schlimmsten Falle kostet er aber sein Leben. Den eigentlichen Profit im Sinne von Gewinn an Macht und Einfluss im Eisenwald hat am Ende vor allem der Herzog. Dies zu verstehen, dafür ist der schlichte Geist des Handwerkers aber offensichtlich nicht geschaffen. Aber ich schweife ab und verweise nochmals auf meine diesbezüglichen Argumente in meinem Privatbrief Nr. 5/31 P.
Zudem wird morgen ein Offizier der Flussgarde zur Burg Dohlenhorst reiten, scheint der Allwasservogt doch irritiert darüber zu sein, dass Reichskammerrichter Hagen – der von seinem Eintreffen bereits vorgestern Kunde erhalten haben muss – ihn bislang weder in Twergenhausen aufsuchte, noch ihm eine Einladung auf seine Burg zukommen ließ. Was der Offizier dem Baron mitteilen wird, wird diesen nicht erfreuen, denn der Allwasservogt macht Hagen für den Fall der Burg Schwarzfels mitverantwortlich: Der Angriff Darian v. Lîfsteins erfolgte über dohlenfeldsches Territorium und der Baron unternahm bislang keinerlei Schritte, die praiosgefällige Ordnung in seinem Lehen wiederherzustellen. Darum wird der Allwasservogt den Reichskammerrichter auffordern, sich am Marsch auf die Burg Schwarzfels angemessen zu beteiligen oder entsprechende Wiedergutmachung an die Stadt Twergenhausen zu zahlen. Ebenso wird Gorfang Reto die beiden herzogsunmittelbaren Dohlenfelder Edlen, den oben bereits genannten Wichtenfelser Landedlen Voltan v. Sturmfels sowie den Zwackelfegener Landedlen Aedin Gorm Barinion zu Naris, besser bekannt als Hüter des Raben des Boronheiligtums Sankta Boronia und Sprecher des Schweigenden Kreises der Puniner Boronkirche, darum bitten, ihn in seinen Vorhaben zu unterstützen.
Für den 11. Rondra ist das Eintreffen des Vogts Leodegram Grimbald v. Starkenrast z. Fuchsgau angekündigt, es wird damit gerechnet, dass er zahlreiche horasische Söldner in seinen Reihen haben wird. Damit werden beim Ringen um Burg Schwarzfels wohl Horasier gegen Horasier streiten. Ich vermute, dass sich am 12. oder spätestens 13. Rondra das städtische Heer (Stadtwehr plus Geschütze plus Geschützmannschaften aus den Reihen der Reserve), die Flussgardisten und die Mannen des Fuchsgauers in Marsch setzen werden.
Ergebenste politische Empfehlungen: Voller Hochachtung vor Eurem Ratsschluss rate ich auch weiterhin dem Reich davon ab, sich in den Konflikt zwischen den beiden nordmärkischen Reichskammerrichtern direkt einzumischen. Die Nordmarken insgesamt werden durch diese Auseinandersetzung geschwächt werden, was im Reichsinteresse ist. Die Herzogenstadt Twergenhausen und das Herzogenhaus werden durch die Einverleibung der Burg Schwarzfels ihre Position im Eisenwald ausbauen, aber dies soll dem Reich gleichgültig sein. Das Reich mag einen Sieger Angrond (aufgrund dessen politischer Ansichten im Reichskammergericht) bevorzugen, jedoch mag ein Verlierer Angrond anderswo eine Baronie erhalten. Im Falle des Todes Angronds würde ich empfehlen, seinen Richterposten an einen der Kaiserin unbedingt loyalen garetischen Baron zu vergeben. Selbiges sollte im Falle des Todes Hagens geschehen.

Für Phex und das Raulsche Reich!
Mit hochachtungsvollsten Grüßen ergebenst
Haldana Uthjane Xaviera Engstrand
Ratsdame und Mauerherrin Herzoglich Twergenhausens