Dohlenfelder Thronfolgestreit - Ein blutiges Phexensspiel II: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Herzogliche Growinsmark, in der Nacht vom 28. auf den 29. Praios  
Die Herzogliche Growinsmark, in der Nacht vom 28. auf den 29. Praios  

Aktuelle Version vom 2. April 2022, 14:10 Uhr


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Texte der Hauptreihe:
K28. Sieg
K95. Kajax
K118. Rückzug!
K121. Im Kosch
K122. Frieden!
K123. Epilog
28. Pra 1033 BF
Ein blutiges Phexensspiel II
Ein blutiges Phexensspiel I


Kapitel 46

Chaostage in Twergenhausen I
Autor: Reichskammerrichter, weitere

Nordmarken, 1033

Die Herzogliche Growinsmark, in der Nacht vom 28. auf den 29. Praios
Odrud hatte mit dem anderen Entführer in den Wingerten am Growinssitz erst einmal verschnauft. Sie bekamen nicht viel davon mit, was da am Flussufer des Darlin geschah. Sie sahen nur zahlreiche Reiter mit Fackeln ausschwärmen, während die Alarmglocken der Stadt immer noch läuteten. Auf Burg Darlinmund wurden Alarmfeuer entzündet. Die Aufregung dort unten, zusammen damit, dass der Baronin niemand gefolgt war, ließ nur einen Schluss zu: Lindos Plan war erfolgreich gewesen. Was jedoch aus dem mutigen Ritter geworden war, dass wussten nur die Zwölfe. Die Baronin entschied sich, als man sehen konnte, dass die ersten Reiter mit Fackeln über die Pervalsbrücke ritten, ihren Weg nach Kaiserlich Weidleth fortzusetzen: Lindos war, so hoffte sie, durch den Darlin entkommen. Warum sonst sollten die Reiter der Stadt ebendort suchen?
Da merkte die Baronin, dass der Bürgermeister am Aufwachen war – und war dankbar dafür. Sie überprüfte, dass sein Knebel richtig saß und zog ihm eine enge Kapuze über den Kopf, setzte einen Schnitt, damit die Nase des alten Mannes zum Atmen frei war. Nach wenigen Minuten schien der Bürgermeister wieder richtig bei Sinnen zu sein, er versuchte sich, von seinen Fesseln zu befreien und die Kapuze abzustreifen. Da zischte ihm Odrud – mit verfälschter Stimme und so vulgär, wie es ihr möglich war – ins Ohr: „Keinen Mucks, Schurke, oder Du bist tot! Ich schneide Dir jetzt die Fußfesseln durch, alter Pfeffersack. Dann stehst Du auf und gehst langsam, Schritt für Schritt. Ein Versuch, Dich zu befreien oder abzuhauen, und ich stech' Dich ab wie eine waidwunde Sau, das schwöre ich, bei den ewigen und unteilbaren Zwölfen!“ Der andere Entführer konnte sich kurzes Grinsen nicht verkneifen. Zumindest, dass Odrud nicht zum einfachen Volk gehörte, sollte Perval Gliependiek aufgrund der Wortwahl der jungen Baronin nicht entgangen sein.
Dann ging es weiter. Man schlich sich von Deckung zu Deckung, kam nur sehr langsam voran. Außerdem waren schon bald kleinere Reitertrupps mit Fackeln und Laternen unterwegs, man schien die Suche ausgeweitet zu haben. Odrud mied das Frondorf Growingen, umging jedes Haus, jeden Weg. Doch nach vielen Stunden sah man endlich die Grüngischtwarte, den Wachturm, der die Grenze zwischen Twergenhausen und Weidleth markierte. Dort lagen die drei fast eine Stunde auf Lauer liegen, bis Odrud entschied, lieber die rauschende Grüngischt zu überqueren und dei Grenze im Wolkenfolder Wald zu passieren.
Das Unterholz des Forstes war enorm dicht, das Vorankommen mühselig. Auch schlug die Müdigkeit immer häufiger zu, der Bürgermeister stürzte einmal so schwer über eine Wurzel, dass er danach ein gutes Stück sogar weder getragen werden musste. Dazu kamen noch die unheimlichen Lichterscheinungen: Waren es Glühwürmchen? Oder vielleicht Feen? War das nicht eben unheimlicher Gesang? Oder doch nur Blätterrauschen? War man auf dem Weg in die Anderwelt? Oder bereits dort angelangt? Die Baronin, ihr Mitentführer und der gefangene Bürgermeister hielten sich so dicht an der Grüngischt, wie es möglich war, ohne die Deckung des Wolkenfolder Waldes aufzugeben. Als der Wartturm der Stadt und auch das Zollhäuschen Weidleths etwa vierhundert Meter hinter ihnen lag, überquerten sie das Flüsschen wieder. Man war nun auf kaiserlichem Land! Von hier aus würde es sicher gelingen, Gliependiek fortzuschaffen. Als der Praiosschild hinter am Horizont emporstieg, war Odrud vor allem froh, mit dem Leben davongekommen zu sein. Und hoffte, dass es auch Lindos wohlerging.

Burg Dohlenhorst, am Morgen des 29. Praios
Lindos erwachte. Er lag in einem Turmzimmer auf einem Lager aus Fellen, seine Verletzungen waren verbunden. Die Schmerzen waren nicht sehr stark, aber Lindos fühlte sich zu schwach, aufzustehen. Er musste viel Blut verloren haben. Als er sich umschaute, sah er Hagen von Salmingen-Sturmfels' Ehefrau, Baronin Ansoalda von Leihenhof, vor sich stehen. Neben der anmutigen jungen Frau stand aber nicht ihr Gatte, sondern Baron Roklan von Leihenhof, ihr Bruder. Die drei weiteren Personen, die sich ansonsten im Raum befanden, waren ihm nicht bekannt. Einerseits dankte der Ritter den Zwölfen, dass er am Leben und nicht seinen Häschern aus Twergenhausen in die Hände gefallen war. Er musste es irgendwie bis zum anderen Darlinufer geschafft haben, und dort von wem auch immer gefunden und nach Burg Dohlenhorst gebracht worden sein, die nur wenige Meilen von Twergenhausen entfernt lag. Andererseits war ihm klar, dass er sich nun in der Höhle des Löwen befand. Und ob Baronin Odrud die Flucht gelungen war, wusste er auch noch nicht.

Feldlager der Verbündeten Angronds in Weidleth, am 30. Praios
Die Gernebrucher Baronin hatte die Nacht über mehr als unruhig verbracht. Dies lag weniger an der Sorge um die Geisel, Gliependiek war wohlauf und auch in sicherem Gewahrsam- zumindest vorerst. Auch der viel zu neugierge Mersinger war zumindest gegenwärtig nicht der Grund. Noch heute würde man Gliependiek weiter von hier fort schaffen. Durch Kaldenberger Gebiet würde man sicherlich schnell die Baronie Gernebruch ereichen und dann erst wäre die Geisel wirklich sicher.
Stattdessen haderte die Baronin mit ihrem waghalsigen und unvorsichtigen Unterfangen, welches Sie losgetreten hatte. Wieviele Menschenleben hatte ihr Plan gekostet? Angefangen bei der Leibwache des Patriziers über die braven Stadtwachen Twergenhausens und nicht zuletzt aller Vorausicht nach einen Ihrer Ritter um nur einige zu nennen. Die Baronin glaubte nicht ernsthaft daran, dass Lindos überlebt haben könnte. Und all diese Toten waren in gewisser Weise allein ihr Werk. Und genaugenommen hatte Sie schweres Unrecht begangen. Ob ihr die Zwölfe – allen voran Praios- diese Tat vergeben würden? Aber es half alles nichts, sie hatte die Sache begonnen, also mußte Sie diese jetzt auch zu Ende führen. Alles in allem war Odrud- ganz entgegen ihrer sonstigen Art- in ein tiefes Grübeln verfallen.
Zudem hatte sie noch keinerlei Nachrichten oder Information erhalten, was nun in Twergenhausen passiert war.