Auf dem Weg nach Norden

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Ausgabe Nummer 81 - Hesinde 1047 BF

1. Teil: Auf dem Weg nach Norden

AUF DEM GROSSEN FLUSS BEI METENAR, Efferd 1047 BF. Der Streiter Beliseus Bienenbrodt aus dem Drifter Haufen berichtet:

Noch bei unserem Aufbruch waren wir gewiss, dass die Götter auf unserer Seite sind. Rigund, unsere neue Anführerin, hatte im Efferdtempel für eine gute Fahrt gebetet, und tatsächlich schickte uns der Unergründliche bald darauf gute Winde, die es uns erlaubten, mit einem schnellen Flusssegler stromaufwärts unsere Fahrt anzutreten. So wollten wir bis Ferdok, vielleicht sogar bis Steinbrücken kommen, ehe wir auf jeden Fall gezwungen wären, unseren Weg nach Wengenholm zu Fuß fortzusetzen.

Die Abreise war ein Fest. Das ganze Volk strömte in den Drifter Hafen, um uns zu verabschieden, und der Baron schickte Spielleute, die uns mit Pauken und Trompeten das Geleit gaben. Nie war ich so stolz, ein Teil des Drifter Haufens zu sein.

Wir kamen schnell voran. Am dritten Tag hatten wir die zerklüftete Blutfelsenküste auf der Uztrutzer Seite bereits weit hinter uns gelassen. Der Fluss war hier wesentlich breiter und ruhiger als in Drift. Auch die Nebelschwaden, die in dünnen Schleiern aus Moorbrück auf den Fluss zogen und die Sicht deutlich einschränkten, verzogen sich allmählich. Doch hinter einer der letzten Nebelbänke, es muss bereits an den Ufern Nadorets gewesen sein, lauerte der Feind uns auf und überraschte uns unvorbereitet.

Die Nadoreter mussten von unserer Reise Bescheid gewusst haben, denn ihr Kriegsschiff, die Nadora, kam wie der Blitz aus dem Nebel direkt auf uns zu und ohne einen Augenblick des Zögerns ließen sie Armbrustsalven auf uns niederprasseln, während wir im Chaos versanken und die ersten Kämpfer in die Fluten stürzten, vom Fluss mitgerissen und nie wieder gesehen wurden. Nur Rigund ist es zu verdanken, dass wir nicht allesamt in Flussvaters Reich eingingen, denn sie behielt einen kühlen Kopf, wusste, was zu tun war, und brachte mit einigen Faustschlägen auch jene Hitzköpfe zur Vernunft, die schon alles verloren glaubten – ganz wie es ihre Art ist.

Sie ließ unser Schiff abdrehen und so energisch gegen die Gestade laufen, dass wir alle durcheinander purzelten, als der Rumpf auf Grund lief.

Wenig später fing das Segel Feuer, denn die Nadoreter belegten uns nun mit Brandpfeilen. Das war aber nicht nur zu ihrem Vorteil, denn im dichten Rauch verborgen, konnten wir uns ungeschoren aufs Trockene flüchten und sogar einen guten Teil unserer Ausrüstung bergen – zumindest jene von uns, die noch am Leben waren.

An Land – wir waren wohl irgendwo in der Baronie Metenar gestrandet – und außerhalb der Reichweite ihrer Bögen, behelligten sie uns nicht weiter, sondern grölten nur ihre dummen Spottgesänge. Sie trauten sich wohl nicht, uns gegenüberzutreten, denn wir waren trotz unserer Verluste noch immer in der Überzahl. Es waren eben doch nur feige Nadoreter!

Nachdem wir so jäh Schiffbruch erlitten hatten, irrten wir tagelang durch die Baronie Metenar Richtung Nordwesten, auf der Suche nach dem Rittersteig. Wir hatten jede Hoffnung fahren lassen, Wengenholm noch vor den Nadoretern zu erreichen, als wir auf ein Dorf Namens Belmach stießen. Wir konnten unser Glück kaum fassen, als wir von den Bauern erfuhren, dass es hier ein Gestüt mit vielen Pferden gibt. Vielleicht würden wir beritten unser Ziel doch noch vor dem alttreuen Gesocks erreichen? Es war bereits spät am Abend und dämmrig, als wir in das Gestüt namens Grünberg einkehrten. Unsere Anführer, allen voran Rigund die Faust, nahmen sofort mit dem Herrn namens Menzel von Blauendorn, der sich als Vetter des Barons ausgab, Verhandlungen auf. Aber die Hoffnung, dass wir tatsächlich Pferde kaufen konnten, war gering. Wir hatten kaum Geld und überhaupt mussten wir einen merkwürdigen, gar gefährlichen Eindruck auf den Gutsherrn machen – ein Haufen fahrender, bewaffneter Bauern, der wir waren.

Das bange Warten endete erst kurz vor Morgengrauen, als das Tor des Gutshofes aufging und zwei wankende Gestalten heraustraten: Rigund und Menzel von Blauendorn. Beide sahen einigermaßen zerstört aus und waren augenscheinlich vollkommen besoffen. Rigund grölte und Menzel kicherte, während Knechte und Mägde ein Pferd nach dem anderen zu uns herausführten. Sehr schöne Tiere! Dick und mit kurzen, kräftigen Läufen. So wie sie einem Bauern gefallen. Zudem waren es allesamt herrliche Apfelschimmel.

Sie hatte es tatsächlich geschafft! Rigund hatte dem Gutsherrn solange eingeschenkt, bis dieser uns ausreichend Pferde verkaufte. Auf einen Schuldschein noch dazu, wie sich herausstellte: Wir hatten die Pferde und er ein Stück Papier, obwohl wir einander vollkommen fremd waren.

Phex höchstselbst hat uns in dieser Nacht mit Glück beschenkt – das war zumindest mein Eindruck, als wir uns eilig vom Hof machten, ehe es sich der Gutsherr und seine Leute doch wieder anders überlegten. Aber schon am Nachmittag desselben Tages verkehrte sich dieser Gedanke ins Gegenteil: Die Gäule waren schrecklich faul. Andauernd musste man ihnen Stockschläge androhen, damit ihre Hufe nicht Wurzeln schlugen – so langsam war ihr Schritt. Dazu schmerzte uns allen schon der Arsch, weil sie so unruhig und ohne Takt gingen. Und dann wurden sie auch noch schneller müde als der alte Ackergaul meiner Tante, daheim in Drift.

Phex lacht sich wohl derweil da droben in Alveran den Buckel krumm und schief, weil er uns so hinters Licht geführt hat! Aber wir geben nicht auf. Schließlich warten unsere Freunde in Auersbrück auf unsere Hilfe, und ich fürchte, sie werden sie bitter nötig haben gegen das Heer der Alttreuen.

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ANGENFURTEN, 10. Travia 1047 BF. Der Krambold Brunhold Eichinger berichtet:

Ich war mal wieder in Angenfurten, und hier war die Stimmung äußerst angespannt. Der Wehrturm wurde befestigt und mit Vorräten und Ausrüstung versorgt, denn man war sich sicher, dass der Schlag Auersbrücks hier erfolgen würde. „Wir müssen durchhalten, bis Verstärkung aus dem Süden kommt“, war eine häufig zu hörende Einschätzung. Die benachbarten Ritter Ardan von Bärenstieg und Angrich von Zweizwiebeln kamen und gingen. Von ihnen war im Moment scheinbar keine Hilfe für die Angenfurter zu erwarten, mussten sie doch ihre eigenen Burgen wehrhaft machen. Auch Graf Jallik war dieser Tage auf der Burg, wie er wohl auch Auersbrück besuchte, aber sein Vermittlungsversuch scheiterte.

Die Auersbrücker ließen wirklich nicht lange auf sich warten. Während sich die Angenfurter Dörfler entweder in den Wehrturm zurückzogen oder sich aus dem Staub machten, ging ich hinüber nach Angenbrück, um von dort aus das weitere Geschehen zu beobachten.

Der Heerhaufen, der sich hier eingefunden hatte, war beachtlich. Südlich der Ange waren die Rondrasdanker herangezogen und nördlich des Flusses die Auersbrücker, die scheinbar neben den Munteren Breitäxten auch etliche Söldner des Basteybundes angeworben hatten. Alles in allem lagen da sicher über hundert Leute vor dem Wehrturm der Dania von Angenfurten.

Die Sendschaftler bauten ihr Lager zügig und systematisch auf. Sie warfen Erdwälle und Gräben gegen den Wehrturm auf und brachten zwei schwere Rotzen in Stellung; dann begannen sie, den Turm unter Beschuss zu nehmen. Mehr als zweihundert Schritt wagte sich aber niemand an den Turm heran, denn die Angenfurter schossen ihrerseits mit ihren Bögen und Armbrüsten auf jeden, der in Reichweite kam.

Nachdem der Turm eingeschlossen war, begannen die Auersbrücker damit, die Furt über die Ange zu befestigen, würde hier doch die Verstärkung vonseiten der Alttreuen aus dem Süden durchkommen müssen.

Währenddessen benahmen sich die Belagerer im Dorf Angenfurten recht anständig. Die Auersbrücker Anführerin Daria Hangklos führte mich persönlich durch den Ort, und ich konnte mir auch von so manchem verbliebenen Dörfler bestätigen lassen, dass es nicht zu Übergriffen oder Plünderungen gekommen war.

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BURG ENTENSTEG, 11. Travia 1047 BF. Der Nadoreter Landreiter Eichbart von Vardock berichtet:

Das Heer der Alttreuen hatte sich in Entensteg versammelt. Wir waren in aller Eile zusammengerufen worden. Der Marsch nach Wengenholm war weit und unsere Bundesbrüder und -schwestern brauchten dringend unsere Hilfe, um sich gegen die übergriffige Stadt Auersbrück zu wehren.

Unter dem Kommando von Hakan und Wilbur von Nadoret waren wir mit etwa hundert Kämpfern zu Fuß und zu Pferde aus Nadoret angerückt. Viele andere Adelige mit ihren Gefolgen schlossen sich uns an, darunter etliche Junker und Edle – etwa Emer von Bodrin und Gurnhild von Entensteg, Gisbrun von Treublatt, Polter von Pirkensee und Metzel vom Grauen Schild. Alles in allem war unsere Streitmacht sicher über 150 Köpfe stark, davon etwa die Hälfte zu Pferde. Unsere Zuversicht war hoch, als wir gen Norden zogen. Wir waren vermutlich zahlreicher als der Feind, dazu besser ausgerüstet und ausgebildet. Den Auersbrückern und ihrem Pack würden wir schon zeigen, wo der Hammer hängt.

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NÖRDLICH VON TRALLIK, 14. Travia BF. Der Nadoreter Landreiter Eichbart von Vardock berichtet:

Wir waren wie geplant in Entensteg aufgebrochen und kamen durchweg gut voran. Es war schon ein beeindruckender Anblick, das Aufgebot der Bundestruppen zu sehen. Neben uns Nadoretern und den Entenstegern waren etliche andere gekommen, so z. B. aus Uztrutz ein buntes Aufgebot, bestehend aus einem Dienstritter des neuen Landvogtes samt einem Haufen Soldknechte, die dieser angeworben hatte. Auf dem Weg sahen uns die guten Koscher mit großen und beeindruckten Augen an. So ein prächtiger Zug Reisiger passierte ja nicht oft die Gegend. Beim Siebensprung und in Trallik stießen dann noch weitere Bundesbrüder und -schwestern dazu, und spätestens jetzt waren wir uns sicher, dass wir die Aufständischen einfach hinwegfegen würden. Was die Stimmung auch hochhielt, war die Tatsache, das unser Bundesaufgebot gut mit Vorräten und dergleichen ausgestattet war. Doch gerade dies wurde uns wenig später zum Verhängnis. Die schweren und randvoll beladenen Wägen waren, nachdem wir aus Trallik aufgebrochen waren, eh schon ans Ende der Kolonne gerückt, und der Abstand zwischen ihnen und der Spitze des Zuges hatte sich im Laufe des Tages vergrößert. Wir erreichten ein Waldstück, durch das die Straße führte, und hier hatte der Regen, der in den letzten Tagen gefallen war, den Boden in einen Morast verwandelt. Es entstand also eine kleine Lücke zwischen den Bewaffneten und dem Tross …

Genau in diesem Moment ereilte uns das Unglück. Aufständische beziehungsweise Verbündete von ihnen griffen unseren Tross an. Einige meinten später, das Abzeichen des Drifter Haufens gesehen zu haben. Beim Tross entstand sehr schnell ein heilloses Durcheinander. Bis die Meldung über den Angriff bei uns vorne ankam, war bereits ein großer Schaden entstanden. Wer rechnet auch schon damit, dass mitten im schönen Koscherland Adelstruppen angegriffen werden! Durch die entstandene Unruhe brauchte es weitere Zeit, bis wir uns formiert und den Weg zum Tross zurückgelegt hatten – zu lange, wie sich zeigte. Mit Entsetzen sahen wir, wie diese Haderlumpen gewütet hatten. Zwar war nur verhältnismäßig wenig Blut geflossen, aber ein sehr großer Teil unserer Vorräte war geraubt oder zerstört worden. Etliche Wagenräder hatten sie mutwillig zerschlagen und das Geschirr der Zugtiere zerschnitten. Diese waren teilweise verjagt oder in den Wald getrieben worden. Es kostete uns etliche Stunden … am Ende bis weit in den folgenden Tag, bis wir weiterziehen konnten.