Glaube im Kosch — Teil VI: Der listenreiche Phex

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Ausgabe Nummer 39 - Efferd 1028 BF

Auf dem Zwölfergang

Glaube im Kosch — Teil VI: Der listenreiche Phex

Meister Born von Stedtler setzt seine Wanderung auf dem Zwölfergang, dem wichtigsten Pilgerweg im Koscherlande, fort. Nach dem Hilsquell, dem Heiligtum der Ewigjungen TSA, führt die Walfahrt eigentlich weiter ins grimme Eis des Herrn FIRUN, doch sollte der fromme Pilgrim niemals seine Rechnung ohne Meister PHEX machen. Erfahrt also, geneigte Leser, wie es Meister Born von Stedtler erging:

Immer höher windet sich der schmale Pfad vom Hilsquell durch die dichter werdenden Tannforste, vorbei an düsteren Orten wie Ogertod oder Garstenfeld, in denen Waldbauern ein kärgliches Dasein am Fuß der Koschberge fristen. Das Essen in der trostlosen Wirtsstube der letzteren Ortschaft ist gerade genug, um nicht zu hungern, und das Bier ist eine Schande für den Kosch, zudem teuer wie in der Angbarer Ratsstube. Insgeheim wünsche ich dem Wirtsmann den Braugreven an den Hals, als ich über knarrende Treppen in meine gebuchte Einzelkammer steige. Ein nächtliches Gewitter offenbart, dass das Dach an Dichte zu wünschen übrig lässt — auf kratzigem Stroh liegend, starre ich durch eine handbreite Ritze auf das durch die Wolken lugende Madamal. Das Wasser tropft unerbittlich herab, der Wirt jedoch ist nicht zu finden. Nach Stunden des Wachens treibt mich die wenig verlockende Aussicht darauf, für diese grausame Nacht ein Vermögen zahlen zu sollen, zu einem ungewöhnlichen Schritt: Ich klettere vom Fenster aus am Fachwerk der Fassade hinab und verlasse dieses ungastliche Haus, ohne mehr als einen einzelnen höhnischen Kreuzer zu hinterlassen. Denn mehr war diese schändliche Unterkunft nicht wert, und jedem Pilger sei von der angeblichen Pilgerruh zu Garstenfeld abgeraten, bietet doch jeder moosumwachsene Baum mehr Behaglichkeit.

Die Götter scheinen mich auf meiner weiteren Reise für diese Tat strafen zu wollen, denn das Unwetter nimmt auch am folgenden Tag mit jeder Stunde zu. Müde wate ich über schlammige Wege durch die prasselnden Schauer immer tiefer in die Berge hinein. Zur Mittagsstund’ raste ich unter einer uralten Blautanne, stelle meinen Rucksack neben mich, nehme ein Stückchen gute Rindswurst heraus und versuche etwas Schlaf nachzuholen. Nach kurzer Ruh’ weckt mich ein Geräusch — ich sehe ein wildes Tier mit der gesamten Wurst, meinem einzig verbliebenen Proviant, davonhuschen. Zeternd schieße ich empor und nehme die Verfolgung auf, folge dem dreisten Dieb einen Hügel hinauf. Wer sonst als ein Fuchs, das Tier des Phex, hätte diese Missetat vollbringen können, denke ich noch — als im selben Moment der hinter mir liegende Hang in einem Erdrutsch ins Tal fährt — alles, selbst die stolze Tanne, unter der ich eben noch unwissend ruhte, mit sich reißend. Erst langsam dämmert mir die Einsicht, dass dieses Ereignis jene verborgene Pilgerstation des listenreichen Phex war, von der man sagt, dass sie jedem Zwölfergänger an anderem Ort und anderer Weise begegnet. Ich las von Verirrten, denen in letzter Not ein Krambold begegnete, oder von einem frommen Mütterlein, das mit List den Schatz dreister Räuber an sich bringen konnte. Da falle ich auf die Knie und danke dem Herren Phex für seine List und sein gerechtes Geschäft. Denn was ist schon eine Wurst als Lohn, wenn man dafür sein Leben gewinnt.

Aus der Historie

Es liegt wohl in der Natur der geheimnisvollen Phexkirche, dass ihre Geschichte im Kosch im Nebel der Zeit verborgen liegt. Die frühesten Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 415 BF, als Hilborn, der Inquisitor von Trolleck, im Rahmen der Suche nach den Mördern des Priesterkaisers Kathay einen angeblich dem Namenlosen huldigenden Zirkel in Angbar aushob. Der Anführer des Zirkels, Ferrik, hatte eine Ratte auf seiner Brust tätowiert, was als Zeichen des Gottes ohne Namen gedeutet wurde. Später wurde klar, dass Ferrik ein Tulamide war, wo die Ratte als Tier des Phex gilt. Hilborn und seine Nachfolger bezichtigten den Phexkult auch in der Folgezeit, eine Grundwurzel allen Übels zu sein, die Ungehorsam, Geheimniskrämerei, Gesetzlosigkeit und Gier in die Welt bringe. Immer wieder sprechen Berichte davon, wie die Praioskirche „Licht in die Schatten“ brachte. Die Phexgeweihte von Angbar, von der die meisten Quellen als Graue Grimma sprechen, reagierte darauf, indem sie einen öffentlichen Tempel errichten ließ und neue Grundsätze predigte. Demnach sei Phex vor allem der Gott des ehrlichen Handels, die verborgenen Aspekte als Gott der Diebe und der List wurden (offiziell) als Irrlehren abgelehnt. Die einen halten diesen Wandel für ein Diktat der Praioskirche, andere für einen klugen Schachzug, um die Geweihten und Gläubigen vor Verfolgung zu retten. Jedenfalls hat diese Lehre bis heute Bestand und trug ihren Teil zum guten Ruf der Koscher Händler bei. Auch kann von einer ausgeprägten Unterwelt in Angbar nicht gesprochen werden. Anders verhält es sich in Ferdok, wo erst vor knapp einem Jahrhundert ein offizieller Tempel für die Flusshändler errichtet wurde. Zwar werden auch hier die Angbarer Thesen verbreitet, doch gilt es als recht offenes Geheimnis, dass in Ferdok ungleich häufiger verborgene Machenschaften getätigt werden als in der Reichsstadt am See.

Koscher Eigenheiten

So sehr ein wahrer Handwerker über die hohen Preise der Rohstoffe oder die kühle Kalkulation der Händler beim Zwischenkauf schimpfen mag, so eng gehören Handel und Handwerk doch häufig zusammen. Gerade in Städten wie Angbar und Ferdok hat beides gleichermaßen seit eh und je einen hohen Stellenwert. Wohl auch, weil man im Kosch letztlich doch mehr ehrliche und aufrechte Kaufleute und Krambolde als listige Diebe oder dreiste Betrüger findet, genießt Phex hier einen insgesamt recht guten Ruf — ein glücklicher Umstand, an dem die bis heute in Ehren gehaltene These der Grauen Grimma, dass er insgeheim den ehrbaren Handel belohnt und Gaunereien bestraft, ihren rühmlichen Anteil haben mag. Jedenfalls gilt Phex vor allem als Gott des gerechten Handels. In beiden Städten finden sich darob auch recht öffentliche Heiligtümer zu Ehren des Listigen.

Auch an den wichtigsten Handelswegen, allen voran den Reichsstraßen, aber auch am Grevenstieg zwischen Angbar und Koschtal oder dem Treidelweg am Großen Fluss, finden sich immer wieder mehr oder weniger verborgene Hinweise auf die Kirche des Grauen. So erkennt das geübte Auge an Schänken eingeritzte geheime Zeichen, mit denen die Krambolde ihren Kollegen über deren Qualität erstaunlich genaue Auskunft zu geben vermögen. Überhaupt sagt man den wandernden Händlern den besonderen Segen des Listenreichen nach. Das mag auch an den vielen Geschichten über den ersten Krambold Wilbur Sumspflog erzählt, die von besonderem Wohlwollen des Fuchsgottes künden.

Beim einfachen Volk spielt Phex vor allem als Glücksgott eine Rolle — und mancher schickt ein kurzes Dankgebet an den Listigen, wenn er gerade etwas Unangenehmem entronnen ist oder beim Kartenspiel im Dorfkrug einen erfolgreichen Abend hatte. Gerade Kinder stehen im Ruf besonders vom schelmischen Gott geliebt und beschützt zu werden. In so manchem Dorf mag man Koschern begegnen, die kopfschüttelnd vom kleinen „Füchschen“ aus der Nachbarschaft erzählen — Gören oder Bengel, die ihre frechen Streiche spielen und sich doch immer wieder aus allem Ärger herauswinden.

Dennoch gibt es auch im Kosch jenseits dieses wohlwollenden Phexbildes jene Vertreter, die sich der anderen Seite des Fuchses gewidmet haben. Insbesondere in Stadt und Grafschaft Ferdok sollen listige Diebe, finstere Räuber und anderes Gesindel ihr Unwesen treiben. Gerade in den letzten Monden mehren sich die Meldungen von dreisten Überfällen — bisweilen von Wengenholmern, Garetiern oder Darpatiern verübt, die ihr Hab und Gut verloren haben. Ob und wie sie dem Herren der Nacht huldigen, ist indes nur Eingeweihten bekannt. Jedoch wird gemunkelt, dass es gar eine mysteriöse Riege gibt, die der „biederen und einseitigen“ Sichtweise der Grauen Grimma den geheimen Kampf angesagt habe und die dunklen Aspekte des Gottes unterstütze. Während diese Leute die Anhänger Grimmas, allen voran den Handelsherren Stippwitz und Markwardt, verächtlich als „Sonnenfüchse“ bezeichnen, nennen sie sich selbst fast poetisch als die „Sternfüchse“, welche die „einzig wahre Lehre“ verteidigen. Das neuerliche Aufblühen des Räubertums im Ferdokschen wird nicht zuletzt ihnen zugelastet.

Feiertage

16. Efferd — Nebelfest. Der Feiertag der Händler wird in der Regel in geheimer Sitzung durch die Handelsgilden gefeiert. Über die Zeremonien und genauen Feierlichkeiten kursieren viele Gerüchte, doch wenige Fakten. Noch weniger freilich ist von den Riten der Räuber bekannt, die diesen Tag angeblich ebenfalls begehen. Man sagt jedoch, sie zechen und singen, versteckt in den Wäldern, die ganze Nacht — so dass listige Gesetzeshüter an diesem Tag immer wieder ihr Glück dabei versuchen, ihre Kerker aufzufüllen.

16. Phex — Tag des Phex. Öffentliche Feiern der Händler in Angbar und Ferdok. Seit der spektakulären Ablösung des Angbarer Reichsvogt Thuresch Sohn des Rarx durch Anglinde Markwardt im Jahre 850 BF finden an diesem Tag keine Ratssitzungen mehr statt.

24. Phex — Glückstag. Im Kosch eher unbedeutender Festtag, an dem vor allem Kinder kleine Streiche spielen.

Wichtige regionale Heilige

Mancher mag hier Wilbur Sumspflog nennen, den legendären ersten wandernden Krambold der Koscher Berge. Ein Heiliger der Phexkirche ist er jedoch offiziell nie gewesen. Die Angbarer Händlergilde gedenkt Grimmas von Angbar am Tag des Phex mit einem Ehrenschluck guten Bieres. Unter den Sternfüchsen soll auch Ferrik von Angbar, der sein Ende durch die Inquisition der Priesterkaiser fand, als verehrenswerter Märtyrer gelten.

Heilige Artefakte und Orte

Sind im Kosch keine bekannt. Ein Wirtshaus im kleinen Ort Wilbursruh im Wengenholmschen rühmt sich jedoch unweit des Grabes von Wilbur Sumspflog errichtet worden zu sein. Die Wirtin lässt jeden Gast für eine kleine „Spende zur Erhaltung der Gedenkstätte“ Wilburs Hut, Rucksack und Wanderstab in einem Nebenraum besichtigen. Ob es sich bei den verschlissenen Utensilien um Originale oder Fälschungen handelt, sei dahingestellt. Wahr ist jedoch, dass auf einem Hügel nahe der Schänke eine tausendjährige Eiche steht, unter der Wilbur auf seinen Wanderschaften am liebsten genächtigt haben soll, und wo er ums Jahr 220 BF schließlich auch friedlich entschlafen sein soll.

Wichtige Tempel

In den beiden großen Städten stehen Handelstempel — in Ferdok offen am Hafen, in Angbar etwas verborgen hinter Häusern am Hauptmarkt. Vor allem in Ferdok will jedoch das Gerücht nicht verstummen, dass es neben dem öffentlichen „Tagestempel“ auch einen verborgenen „Tempel der Nacht“ geben soll, in dem sich vor allem Schmuggler, Diebe und andere zwielichtige Gesellen ein Stelldichein geben. In Angbar dagegen ist bestenfalls von einer Geheimloge der Handelsgilde die Rede, in der namhafte Ratsmitglieder führend sein sollen. Ob und wo es auch sonst noch geheime Orte der Verehrung für Phex geben mag, entzieht sich der Kenntnis des Schreibers.

In letzter Zeit macht vor allem der Albenhuser Bund von sich reden, dem sich auch viele koscher Kaufleute angeschlossen haben, um den Handel am und auf dem Großen Fluss voranzutreiben. Mit ihrem ehrgeizigen Ziel, in Tagesabstand entlang des Ufers sichere Raststationen zu errichten, geht auch der Bau kleiner Schreine einher, die sowohl dem Flussvater als auch dem Herrn Phex gewidmet sind.

Bedeutende Geweihte

Madane Markwardt (geb. 972 BF in Angbar)

Die beleibte Vogtvikarin von Angbar ist gleichzeitig die Halbschwester des wohlbekannten Handelsherren Odoardo Markwardt. Seit sie sich vor knapp zwanzig Jahren mit diesem während einer Ratssitzung überworfen hat, sind die Gerüchte, dass beide insgeheim unter einer Decke stecken, verstummt. Der energischen Madane wird gar eine gewisse Nähe zum rivalisierenden Haus Stippwitz und eine Affaire mit dem einstigen Reichsvogt Eberwulf zu Stippwitz-Hirschfurten nachgesagt. Angeblich ist es diese Liaison, die insgeheim dem bis heute schwelenden Streit mit Odoardo zugrunde liegt.

Tatsache ist, dass Madane, ganz gemäß der Tradition der Grauen Grimma, Phex in ihren Predigten vor allem als Behüter ehrbaren und aufrechten Handels darstellt. Weder Arglist noch Verbrechen seien sein Wunsch, sondern alleine ehrliches Tausch- oder Kaufgeschäft, den er im Leben wie im Tod tausendfach entlohnt. Es heißt, dass Madane seit Jahren ganz oben auf der Liste derjenigen steht, welche die Sternenfüchse und ähnliche Gesetzlose gerne im Nebel verschwinden sehen würden…

Ardo von Polk (geb. 980 BF in Bragahn)

Der Spross eines Bragahner Händlers wurde erst kürzlich zum Vorsteher des Ferdoker Tempels ernannt. Ardo gilt als blass und wenig durchsetzungsfähig. In Wahrheit soll die Händlerin Ulwine Neisbeck im Hintergrund die Fäden in der Handelsstadt ziehen.

Neben diesen zwei „offiziellen“ Geweihten des Phex sind, wie es sich für den Herren der Schatten auch geziemen mag, keine weiteren nennenswerten Priester im Kosch bekannt. Vor allem, wer hinter den Sternfüchsen steht, ist ein gut gehütetes Geheimnis, ist doch selbst die Existenz dieser Gruppe möglicherweise nichts als purer Aberglaube. Auch sonst munkelt man allerorten, dass in so manchem Rat- oder Handelshaus einige verborgene Geweihte zu finden seien. Dem Schreiber dieser Zeilen ist jedoch niemand als hinreichend gesichert bekannt.

Volksglauben

Der Wandernde

Vor allem unter den einfachen Bauern in den Koschbergen will das Gerücht nicht verstummen, dass eine oder einer der zahlreichen Krambolde besonders von Phex gesegnet ist. Wilbur selbst soll die jeweils würdigste Nachfolgerin auswählen und ihre Wege und ihren Handel ein Leben lang begleiten. Auch wenn sich diese Überzeugung fast überall zwischen Wengenholm und Schetzeneck hartnäckig hält, ist man sich doch höchst uneinig darüber, auf wem dieser Segen derzeit ruht. Fast jedes Dorf nennt seinen „Stammkrambold“ als wahrscheinlichen Träger dieses Erbes, denn sie alle sind davon überzeugt, dass es bei dessen Handelsgeschick nicht mit rechten Dingen zugehe und Phex selbst seine Finger im Spiel habe.

Born von Stedtler, Ratsschreiber zu Angbar

In der nächsten Ausgabe: Gevatter FIRUN, der grimmige Herr des Winters

Irdischer Hinweis: Dieser Artikel bildete die Grundlage für den Wiki-Artikel Phex.