Ein erfülltes Leben im Dienste Ingerimms

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Ausgabe Nummer 39 - Efferd 1028 BF

Ein erfülltes Leben im Dienste Ingerimms

Angbar nimmt Abschied von Meister Hilperton

ANGBAR. „Die Kraft hat seinen Arm verlassen und das Feuer sein Herz.“ — Hilperton Asgareol, das Oberhaupt der Flammenden und Erz-Kirche, ist tot. Allein mit der Kraft des Glaubens und keiner anderen Waffe als dem heiligen Wort stellte er sich in der Schlacht von Angbar dem Alagrimm entgegen, bändigte das Wesen — und sank nach vollbrachter Rettungstat entseelt zu Boden.

Wir nehmen Abschied von dem großen Mann, der über drei Jahrzehnte die Heilige Esse gehütet und den Willen Ingerimms auf Deren verkündet hatte. Es war ein langes und erfülltes Leben, das Meister Hilperton schon früh in den Dienst seines Gottes stellte.

Im Jahre 957 BF kam er in Angbar als Sohn des Schustermeisters Geldrich Draschrüb zur Welt; der Junge fühlte sich jedoch schon früh zum Schmiedewerk hingezogen, und so gab der verständige Vater ihn bei dem zwergischen Meister Ubarosch Sohn des Ugrin in die Lehre, von dem er nicht nur die Kunst des Waffenschmiedens, sondern auch das Rogolan und viele Gebräuche der Angroschim erlernte. Von Anfang an tat sich der Knabe durch Fleiß, Tüchtigkeit, Kunstverstand und Frömmigkeit hervor, so dass sein Meister beschloss, ihn nach vollendeter Lehre zur Abtei der Heiligen Ilpetta im Hohenamboss zu entsenden, wo er selbst einst einige Jahre verbracht hatte. Dort, in der Halle des Erzes, soll der junge Hilperton beim Anblick der gewaltigen Statue, die Vater Angrosch als den alles erschaffenden Weltenschmied darstellt, seine Berufung erfahren haben. Sieben Jahre weilte er in den Hallen der Abtei, vervollkommnete seine Kunst und wurde zum Priester Ingerimms geweiht. Die ersten Jahre seines Dienstes verbrachte er in Gratenfels, wo er bald zum Hüter der Esse aufstieg. In dieser Zeit ging er daran, den erzzwergischen Ritus zu studieren und viele der Gebets- und Segensformeln ins Garethi zu übertragen. Dieses fromme und gut gemeinte Werk der Verständigung wurde ihm jedoch von vielen altgesinnten Geistern übel ausgelegt, weshalb der Bewahrer der Kraft es ihm bei einer Pilgerfahrt versagte, ins Heiligtum von Xorlosch einzutreten. Sein Wirken blieb aber auch weiterhin der Verständigung zwischen dem menschlichen und zwergischen Ritus gewidmet — ein Vorhaben, das im Angbarer Hügelland auf weitaus fruchtbareren Boden fallen sollte.

Im Jahre der Inthronisierung des guten Kaisers Hal, als ein neuer Hüter der Flamme gesucht wurde, legte auch Meister Hilperton sein Werkstück vor und fand Gefallen vor den Augen des Herrn. So kehrte er im Alter von 36 Jahren in seine Heimatstadt zurück, die ihm über alles lieb und teuer war, sodass er sie in seiner Amtszeit nur selten verließ. In den ersten Jahren jedoch besuchte er verschiedene Tempel und Heiligtümer, so etwa im Götterlaufe 997 BF den Schlund, von wo aus er bis ins entfernte Fasar und gar nach Khunchom weiterreiste, wo man die Glasmacherei zu großer Kunst gebracht hat, dem Herrn Ingerimm wohlgefällig. Als er zwei Jahre darauf eine Reise zu den Meisterschmieden der Zyklopen unternehmen wollte, kamen ihm angesichts des großen Wassers böse Ahnungen. Dennoch betrat er die Planken eines Schiffes — aber der Fahrt sollte kein gutes Ende beschieden sein: Das Schiff geriet in einen Sturm, in dem eine Rahe herabstürzte und das Bein des Erhabenen zerschmetterte, sodass er fortan hinkte und oftmals unter Schmerzen litt. Seither verzichtete er auf weite Reisen und verbrachte viel Zeit in der Abgeschiedenheit seiner Werkstatt, wo er im Anblick der heiligen Glut über theologischen Fragen brütete oder aber, von alter Schaffenskraft getrieben, einige meisterliche Werke schuf, deren Krönung der (vor der Schlacht von Angbar verschwundene) Flammenkranz darstellt.

Eine letzte, bedeutende Reise unternahm der Hüter der Flamme im Jahre 1021 BF, als die Bergfreiheit Koschim von einem schweren Beben erschüttert wurde. Damals hielt er lange Zwiesprache mit dem Hochgeweihten Esbadosch, obwohl dieser den Erhabenen erst nach langem Warten überhaupt eingelassen hatte. Bis heute ist nicht bekannt, was die beiden in der Halle unter dem Berge miteinander sprachen — doch wurde damals wohl ein Band geknüpft, das sich nun im Kampf gegen den Alagrimm als segensvoll erweisen sollte: Denn erst die Kräfte der beiden hohen Geweihten vereint vermochten es, das Flammenwesen so weit zu schwächen, dass es gefangen werden konnte. So ward denn Meister Hilperton zuletzt ein großer, heldenhafter Tod beschieden, der ihm die Liebe und Verehrung aller Koscher sichert. Schon heute sind vielerorts Stimmen zu hören, die ihn neben Rhÿs den Schnitter und Ilpetta Ingrasim in die Schar der Hochheiligen der Ingerimmkirche einreihen — was der bescheidene Mann sicher zurückgewiesen hätte.

Am 26. Tag des Feuermondes 1027 BF, drei Tage nach der Schlacht um Angbar, nahm die Gemeinschaft der Gläubigen Abschied von dem Patriarchen. Den Leichnam trugen keine Geringeren als Albrax, der Hochkönig der Zwerge, und Gilemon, der Rogmarok von Koschim, obgleich er blind und leidend war; Esbadosch, der Hochgeweihte Koschims, der Schürer der Flamme Ibralosch und Lothrax, der Träger Des Steins; zudem Vogt Nirwulf und sein Bruder Nirdamon; der achte aber war der greise Ubarosch Silberhaar, bei dem der Erhabene das Schmiedewerk erlernt hatte. Dem Zuge folgten unzählige Menschen und Zwerge — man spricht von vier-, wenn nicht gar fünftausend! Welchem Fürsten, welchem König war ein solches Geleit gegeben worden wie ihm, dem Retter der Stadt und des Landes? Und wie mächtig erklang aus den vielen tausend Mündern das „Angrosch Vater“ — jener höchste aller Psalmen, mit dessen Heilskraft Meister Hilperton das böse Flammenwesen unterworfen hatte! Und wie bewegend lag das Schweigen schließlich auf dem Platze, als die Choräle verklungen, die Reden beendet waren und der feierliche Zug den Tempelbau betrat, um die sterbliche Hülle den heiligen Flammen zu übergeben; denn eine Bestattung nach zwergischem Ritus, in den Gluten des Feuerschachtes, hatte der Erhabene in seinem Letzten Willen verfügt — als erster Hüter der Flamme, der auf so solche Art zu Ingerimm heimgehen sollte. So wirkte er im Tode noch an seinem großen Werk, die beiden Kulte zu verbinden.

Verwaist ist nun die Ragroscha, der Erzene Sitz des Patriarchen, erloschen steht die Esse in seiner Werkstatt. Doch schon sind Boten in alle Richtungen entsandt, die den Tempeln die traurige Kunde überbringen und die Geweihten zum Konvent nach Angbar rufen sollen. Es wird allerdings noch viele Monde dauern, bis ein Nachfolger gefunden werden kann — bis zum Tag der Meisterschmiede (21. ING) nämlich, an dem nach altem Brauch die Anwärter auf das Amt ein gottgefälliges Werkstück vorlegen müssen — wie es vor vierundreißig Jahren Hilperton Asgareol getan hat.

Karolus Linneger