Die Gewänder der Hügelzwerge
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Allerlei Wissenswertes: Die Gewänder der Hügelzwerge
Aus einem Brief der selbsternannten Völkerkundlerin Aviane Ginstbeck aus dem Jahre 1023 BF:
Im Folgenden will ich deinem Wunsch, lieber Eran, folgen und die typische Kleidung der Hügelzwerge etwas genauer betrachten. Und dabei soll ein ganz besonderes Kleidungsstück ins Zentrum gestellt werden: die Weste.
Westen sind beim Kleinen Volk sehr viel weiter verbreitet als das Wams, welches wir Menschen so sehr schätzen. Wahrscheinlich bevorzugen sie deshalb Westen, weil man diese nach einem ausgiebigen Mahl noch aufzuknöpfen vermag, sodass immer genügend „Platz“ vorhanden ist. Das scheint mir zumindest am naheliegendsten.
Jedenfalls hatte ich einen mir bereits bekannten Zwerg auf einem der zahlreichen Feste nach der Ernte gebeten, mir seine Weste etwas genauer ansehen zu dürfen. Das hatte ihm offenbar sehr geschmeichelt, denn bereitwillig (und zugegeben: etwas jovial) gestattete er mir, das Gewand näher in Augenschein zu nehmen. Fangen wir an:
Er trug eine lange, weite Weste mit vielfachem Faltenwurf, die in einem warmen „Aranje“-Ton1 gehalten war, wie man ihn sonst nur bei den Gewändern der Travia-Geweihten vorfindet. Doch während bei den Dienern der guten Göttin der Stoff eher grob ist, war dieser von wirklich feiner Art. Elfenbausch, kein Zweifel, verziert mit wenigen wohl platzierten Stickereien von sonnengelbem Faden. Diese Stickereien nun waren ganz klassisch gehalten — zumindest für die Kleider eines Hügelzwerges – denn sie stellten Blätter und Dolden des Hopfens dar. Dieses Motiv findet sich immer wieder bei Verzierungen, ebenso Weinreben oder verschiedene Ähren, Nutzpflanzen und Küchenkräuter, obwohl die Zwerge da auch sehr fantasievoll sein können.
Bei Junggesellen werden die vorherrschenden Farben der Festtagskleider übrigens selten vom Träger selbst bestimmt! Nein, es ist üblich, dass die Freier vor einem Feste fragen, welche Farben die angebetete Zwergin so trägt (du weißt ja, dass es erheblich mehr männliche als weibliche Zwerge gibt). Dies scheint jedenfalls sogar dazu zu führen, dass Schneider und Stoffhändler jungen Zwerginnen kein Geld für Stoffe berechnen und dafür ordentlich beim Preise draufschlagen, wenn ihre Verehrer denselben Stoff für ihre Kleider haben möchten... Ja, aber was tut man nicht alles für die Liebe!? Nun, hier auf dem von mir besuchten Feste bedeutete dies, dass man allein schon an den Farben der Kleider sehen konnte, welcher Junggeselle um welche Dame warb. Eine Gruppe trug blau und gelb, eine andere Männerschar Grüntöne usw. Tja, und bei „meinem“ Zwerg waren eben rote und gelbe Kleidungsstücke das Maß aller Dinge.
Aber kommen wir zurück zur Weste: Nestellöcher fanden sich an den Schultern keine, und es scheint tatsächlich überaus selten zu sein, dass die Hügelzwerge Ärmel an eine Weste oder anderes Gewand nesteln. Angeblich gäbe es nichts Schlimmeres, als wenn der Wind an solchen Stellen unter die Kleidung pfiffe, wurde ich belehrt...
Höchst interessant war auch, dass die Weste sehr, sehr tief ausgeschnitten war. Man hat mir auf mein Nachfragen hin erzählt, dass gerade wohlhabendere Zwerge einen langen rechteckigen Halsausschnitt sehr schätzen, da so trotz des prächtigen Bartes immer noch genügend vom Stoff des teuren Hemdes im Ausschnitt gezeigt werden kann. [...] Dieser Zwergenweste fehlte übrigens die Unzahl applizierter Taschen, die viele der Angroschim so lieben und in denen sie allerlei Nützliches verstauen. Oft sind diese gar aus anderem Stoff gefertigt, weil ihr Träger sie erst später hinzugefügt hat, wenn er merkte, dass er mehr „Stauraum“ benötigte. Insofern ist dies vielleicht doch nicht das beste Beispiel für ein typisches Stück zwergischer Schneiderskunst, da es aber ein sonst sehr prächtiges Festgewand ist, hoffe ich, du siehst es mir nach!
Zur Weste kann ich sonst nicht mehr viel sagen; insgesamt war das sehr ansehnliche Arbeit, wenngleich einige Ausbesserungen (anscheinend war das gute Stück schon einmal ein wenig weiter gemacht worden) den hervorragenden Ersteindruck etwas schmälerten. Als mein Gönner seine Weste auszog und mir zur Anschauung überreichte, bemerkte ich etwas, das sicherlich auch für dich von Interesse ist. Nun konnte man nämlich erkennen, dass der Gute keinen Gürtel trug sondern breite Hosenträger, die an die Hose geknöpft waren. Wieder ist wohl die Bequemlichkeit der Grund für diese Sitte — kann ein Gürtel doch leicht in der Leibesmitte etwas einschränkend wirken und zwicken. Jedenfalls scheint dies der Grund zu sein, dass Zwerge ihr Hemd zumeist in den Hosenbund stecken statt es darüber fallen zu lassen, denn so kommen sich Hemd und Hosenträger nicht in die Quere. Ich habe mir gleich am nächsten Tage ein paar anfertigen lassen. Der Gewinn an Komfort macht den Verlust an Eleganz in jedem Falle wett! ________________________ 1 Grundsätzlich meine ich, zwei zwergische Geschmäcker bei der Farbwahl entdeckt zu haben. Zum einen leuchtende Farbtöne in blau, grün, rot sowie gelb und zum anderen warme, gemütliche Farben, die ich unter „Herbstlaub“ zusammenfassen möchte. Schwarz, grau und die dunkleren Brauntöne gelten hingegen als sehr miesepetrig.