Sippenrat zu Halmwacht

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Ausgabe Nummer 15 - Phex 1019 BF

Sippenrat zu Halmwacht

Geistmark. Zum Efferdsgnadentage — der für die Geistmärker seit Menschengedenken gleich nach dem Praioswend das wichtigste Fest im Götterlauf ist — da waren am Heiligtum des Alten Gottes am Knie der Ange nicht nur ein jeder Landsaß und jedes Köhlerweib des Landstriches versammelt. Nein, unter jenen, die am Efferdsturm das Flutorakel erwarteten, war auch der hochgeborene Vogt selbst, der Rittsmann Kordan von Blaublüten und von Sighelms Halm. Mit ihm aber waren eine Anzahl edler Damen und Herren, wie sie die Geistmark lange nicht gesehen.

Die greise Edeldame im orangefarbenen Gewand der Traviageweihten, die milde und fromme Frau Erma, die kannten und liebten die Geistmarker, denn die Muhme des Vogtes hatte viel Gutes getan während der schlimmen Zeiten, die ihr eigener Bruder, der Baron Sigward nämlich, und zuletzt die verruchten Schwarzpelze über das Land gebracht hatten. Die übrigen Herrschaften von Stande aber seien gleichfalls Verwandte des Herrn Kordan, jener junge und schmucke Edelmann im feinen Seidengewand gar des Fürsten Cantzler, der Ritter Duridan — das wußten bald die ersten Schwatzmäuler zu erzählen. Den rauhbeinigen Kämpen im abgewetzten Kettenhemd und die graugewandtete Jungfer mit silbrigen Stirnreif aber war niemand imstande mit Namen zu benennen.

Stumm und andächtig folgten die hohen Gäste der Predigt der braven Schwester Trave und schauten die Lesung des Fisches (einen mächtiger Angbarsch hatte sich in diesem Jahr im Netz gefangen), allein, nicht wenige der Versammelten vermochten sich — obzwar allgemein brave Leut’ — in solch erlauchter Gesellschaft nicht gebührlich zu benehmen, gafften und tuschelten, was es der frommen Kongregation gar abträglich war. Noch mehr Verwunderung gab es, als die Geweihte aus dem Leib des Barsches schließlich zu aller Überraschung ein kleines, goldenes Fischlein schnitt, das erst leblos schien, dann aber zappelte und von Tsas Gabe erfüllt zurück ins Wasser sprang!

Bevor sich die Menge noch wieder gefaßt hatte und mit frommen Sängen den Alten Vater pries, waren die Adelsleut’ zur Burg Halmwacht verschwunden. In der alten Feste im Angensumpf hielten sie Rat, doch wovon gesprochen wurde auf jenem ersten Familientag nach langer Zeit ist ungewiß.

Daß der wackere Vogt und sein ungleich mächtigerer (und dem letzten Baron überdies näher verwandter) Vetter in der Vergangenheit nicht oft einer Meinung waren, daß nach des Grafen Erlans Tod Ilma von Wengenholm der beiden Häuser Fehde beizulegen wünsche, daß die Baronin Erma sich um den Fortbestand des Geschlechts sorge — dies alles oder gar nichts davon mag in jenen Tagen im trophäenreichen Wappensaal von Halmwacht wohl beraten worden sein.

Hernach gingen sie ihrer Wege: der Ritter Morling von Bockenburg-Sighelms Halm sattelte eigenhändig sein Roß und ritt heim ins Tobrische, Baronin Erma bestieg des Cantzlers Kutsche und reist herinnen ins fürstliche Angbar, während Herr Duridan die Jungfer Rondrike zurück zum in der Mark Greifenfurt gelegenen Gut Pilzhain begleitete. So war auch der unlängst wiederhergerichtete Burgflügel mit den dem Cantzler nach Erbrecht zustehenden Gemächern erneut verwaist und Vogt Kordan wiederum der einzig verbliebene Sighelms Halm im einstigen Stammlehen des Geschlechts.

B.d. J.