Verrat auf Fürstenhort II: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 1. Juli 2023, 08:58 Uhr
◅ | Ein Zwergenwerk besonderer Art |
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Garetier Schandmaul im Kerker | ▻ |
Verrat auf Fürstenhort
Eine Mär von Mut und Verzweiflung, von Torheit, Ehre und Neid. So wie sie sich wahrhaft und in allen Dingen ereignet hat. (Cap. V - VII)
V
Die Schlacht an den Furten. Was weiter geschah. Der fremde Spielmann.
Seltsam war es, als man auf der Feste der Eberstamms hoch droben in den Koscher Bergen Kunde von den Geschehnissen erlangte. Jederman nämlich wartete auf ein Wort des Fürsten Alphak, was nun zu tun sei ob der Taten des treulosen Ferdokers, der, wie es schien, seinen Verrat allgemein machen wollte und kein Verbot mehr scheute. Den Lehnseid hatte der Graf gebrochen und sich wider alles Gesetz gewandt, was wollte ihn da noch zurückhalten, auch die Hand gegen den Fürsten zu erheben? Der aber wollte von all dem keine Kenntnis erlangen, und überließ es anderen, Rat zu halten.
Prinz Answart war voll Zorn ob der Verzagtheit Angbarer Bürger, die er Treulosigkeit hieß, und sandte seine Gemahlin Uthjane mit zwei Novizen auf geheimen Wegen gen Tobrien, wo ihre Eltern lebten, denn sie trug sein Kind unter dem Herzen. Er selbst aber wollte die Ritter des Fürsten in die Schlacht wieder den Verräter führen. Niemand zweifelte daran, daß er gewiß der tüchtigste Anführer war, wiewohl es ihm gleichermaßen daran gelegen sein mochte, sich vor seinem Herrn Vater als würdiger Thronfolger zu beweisen, nun, da sein Bruder Berndrik an Rondras Tafel saß, ohne jemals die Krone Hardubrandts zu tragen. Es war der Morgen des 27sten Praios 938, als die Reiterschar die Burg verlies, die nimmermehr wiederkehren sollte, und Ondifalors flatterte lustig voran.
Bei Kargen schließlich, in Rohalssteg, da traf des Fürsten Aufgebot auf die blutdürstigen Söldlingsscharen des Aufrührers. Als die fürstlichen Rittsleute im ersten Licht des jungen Morgens das Dorf erreichten, da sahen sie, daß die Brücke über den Hils eingehauen war, und auf der anderen Seite ein Fähnlein Söldner kampierte, ein Spähtrupp nur, wie es schien. Rasch gab Prinz Answart gab das Zeichen zum Angreif, und die Reiter setzten über den Fluß. Kaum aber hatten die ersten das jenseitige Ufer erreicht, da erscholl Marschgetön und Kriegstrommeln, in straffen Formationen schwenkten die Truppen des Ferdokers um die Ecke.
Ein ganzes Meer von Piken streckte sich den Rittern des Fürsten entgegen, denen es kaum gelang, mehr als drei Speerlängen Land am Ufer zu gewinnen. Jene waren viele, die Getreuen aber wenig in der Zahl, und auch die Himmlische Heerführerin schien an jenem schicksalshaften Morgen ihren Blick nicht hinab auf Dere zu senken. So tapfer die Ritter auch fochten, sie konnten sich am Ende nicht gegen der Gegner stemmen, und wurden Schritt um Schritt zurück gedrängt. „Wer fliehen will, mag dies tun,“ schrie Prinz Answart, „Ich kämpfe!“ – „So teuer wie möglich!“ ging da der Ruf, „Rondra will es!“, und wer schon verwundet war, der griff sein Schwert fester.
Allein, aller Mut vermochte es nicht, den bitteren Ausgang der Schlacht noch abzuwenden: Noch standen die Reihen, noch begann eine weitere Stunde tödlichen Ringens, doch bald schon bald waren mehr Erschlagene die staubige Böschung hinabgerollt, als noch Krieger am Ufer standen. Unerbitterlich drangen die Söldner nach vorn. Rot färbte sich das Wasser der Hils und braun der Ufergrund, genährt von der Lebenskraft so vieler guter Recken, von denen nicht einer mit einer Wunde im Rücken starb. Schließlich standen noch zwei außer dem Prinzen, der seine Linke eingebüßt hatte und auf den Tod verwundet war, und als die Feinde sie nicht töten wollten, da erschlug einer die anderen und stürzte sich selbst in sein Schwert. Nur die alte Baronin von Drakfold, die vom Pferd fiel und für tot gehalten wurde, bis ein Bauer sie fand, überlebte das Gemetzel; und drei Knappen, die der Sieger nach Fürstenhort schickte, dem verratenen Fürsten Zeitung zu bestellen. Er solle sich bereitmachen, Krone und Herrschaft zu übergeben, daß sollten sie Herrn Alphak bestellen, und so forderte es der grausame Sang der Söldner, die bald nach ihrem Sieg weiter gen Fürstenhort zogen.
Der Fürst vom Eberstamm nun fand sich von allen verlassen: Wiewohl er von seiner Sippe umgeben war, waren doch die erschlagen, die ihm am teuersten waren, und so viele der Getreuen mit ihnen. Aus dem Wengenholmschen kam keine Nachricht mehr, allein die Gräfin Vieska von Schetzeneck war ihm treu geblieben. Sie führte die letzten Edlen an, die noch zum Fürsten standen, und eilte von Koschtal mit 250 Rittern, Knappen, Knechten und Landjägern heran. Manch einer dachte bei sich, nun möge sich alles zum Guten fügen, denn schon einmal, in längst vergangenen Praiosläufen, war ein Schetzenecker Graf seinem Herrn, dem Fürsten Angfold vom Eberstamm, gegen Aufrührer zur Hilfe geeilt. Als jedoch schließlich die Krieger unter dem Zeichen der Koschammer den schmalen Weg zur Burg hinaufmarschierten, da zählten sie nicht einmal zehn Dutzend Schwerter, so viele waren auf dem Weg entsprungen oder hatten sich gar dem Feinde angeschlossen.
Die Zwerge aber, zu denen der Profoß Nordog Herolde schickte, mochten sich nicht in die Angelegenheiten der Menschen mischen, oder scherten sich nicht darum, da sie eigene Zwiste austrugen. Der hohe König unter dem Berg war es nicht mehr, gefällt von böser Zaubermacht, und es herrschte Streit zwischen denen, die vor viel hundert Götterläufen in den Hügeln ein Heim gefunden hatte (doch das ist eine kurze Zeit für das Kleine Volk, obzwar ewiglich für einen Menschen), und jenen, denen die Berge und die Bingen und Stollen darunter der einzig rechte Platz für einen Zwergen schienen. Später aber bereute so mancher Angroschim, daß sie dem Herrn Alphak nicht beigestanden hat, der von den Großlingen doch einer der erträglichsten gewesen war.
Einzig die Männer aus Drubols Sippe, die von jeher mit dem Haus Eberstamm freundschaftlich verbunden gewesen waren und vielfach in ihrer Jugend einige Jahre im Dienst des Fürsten gestanden hatten, rüsteten sich zum Kampfe. Nicht wenige von ihnen verstanden sich zudem auf die Baukunst, so daß ihre Verstärkung um so willkommener war. Sie waren die letzten, die die Burg erreichten, denn am Abend des selben Tages noch war das Heer des Ferdokers heran. Einem Lindwurm gleich schlängelten sich die Scharen der Söldner die schmale Paßstraße hinauf. Die letzten Sonnenstrahlen des zuendegehenden Tages ließen die Waffen und Rüstungen in der Abenddämmerung blitzen, während Praios’ Sonnenscheibe langsam hinter den Koscher Bergen verschwand. Blutrot verfärbte sich das Antlitz des Götterfürsten, und bei aller Schönheit des Augenblicks gab es niemanden in der Feste, der dies für ein gutes Zeichen hielt.
VI
Von List und Verrat. Das Ende des Fürsten. Wie Porquid herrschte.
Wohl war innert der Festungsmauern das Haus Eberstamm versammelt, doch allzu klein erschien ihre Zahl nach jüngsten Ereignissen. Auch fehlte es dem stolzen, alten Haus an einem Anführer, denn Berndrik war erschlagen und Answart und auch der alte Fürst selbst war in seiner Trauer gefangen, ohne daß er seinen Kriegern befehlen konnte. Nordog, der Haushofmeister war und ein Zwerg, war in Kriegsdingen nicht bewandert, so daß die verbliebenen Ritter den Herrn Wengel von Erlenschloß zum Obersten kürten, weil dieser von ihnen der älteste war. Die Söhne Drubols jedoch wollten keinem anderen folgen als dem Fürsten oder ihrem Väterchen Wullidur, der auch Stollenfreund hieß. Keiner von diesen wollte einen Ausfall befehlen ohne den Willen des Fürsten zu kennen, doch wären’s wohl ohnedies nicht genug Krieger gewesen, die man hätte entbehren können. So gab es niemanden, der den Eingeschlossenen Mut und Zuversicht zusprach und ihre Kräfte bündelte, nun, da es am nötigsten war. Allein, der Feind draußen vor den Toren schien gleichsam keine Eile zu kennen, und anstatt seiner Armee den Sturm zu befehlen, hieß Porquid sie, ein Lager aufzuschlagen.
Der Herrscher des Landes war in seiner eigenen Feste gefangen. Praioslauf um Praioslauf verging, ohne das sich auf einer der beiden Seiten eine Regung tat. Wohl schreckte der Treulose noch zurück, wahrhaftig gegen seinen Herrn die Waffen zu erheben, oder war schon so in seinem Wahn gefangen, das er zu stolz war, seine Herausforderung zu überbringen. Nachdem aber zwei Wochen vergangen waren, erschienen doch Herolde vor den Toren, die die Trommeln schlugen und von Porquid in seinem Hochmut geschickt waren. Den Herrn der Feste verlangten sie nicht zu sprechen, sondern verlasen allein eine Botschaft, die ihnen aufgetragen worden war. Ein jedes Weib und alle Mannen der Festung sollten sich dem Herrn Porquid ergeben bis zur Praiosstunde des dritten Tages, dann wolle dieser in seiner Gnade all diejenigen schonen, die unschuldig seien. Allein wer den Namen Eberstamm trage, solle büßen für das Unrecht, das sein Haus begonnen. Nachdem sie solchermaßen gesprochen hatten, trat einer der Abgesandten vor, der ein kleines, hölzernes Kästlein trug.
„Seht, ihr dort drinnen: dies war einst eine vom Eberstamm, und Ihr sollt wohl sehen, was für ein lustiges Saustechen, gehalten wird, wenn erst der Befehl kommt, die Mauern zu stürmen.“ Mit diesen Worten schlug er den Deckel zurück, den Inhalt des Kästleins enthüllend. Ein Aufschrei erhob sich auf den Zinnen, als die getreuen Burgsleute einen menschlichen Kopf schauten, den man vom Rumpfe grausam abgehackt hatte. Und obgleich die Züge von Tode grausam entstellt waren, erkannten sie gleich erkannten die Base Rondralieb vom Eberstamm, die zu Ferdok Reiterin war, und mit ihrem Schwadron hatte zur Hilfe eilen wollen.
Allein die Würde ihres Amtes bewahrte die Herolde vor einem schrecklichen Hagel von Speeren und Bolzen, und sie kehrten unbeschadet in ihr Lager zurück. Ans Aufgeben aber dachte niemand mehr, und so bekamen die Truppen des Ferdokers die Wut der Belagerten zu spüren, als sie tags darauf den Angriff begannen. Stunde um Stunde berannten sie die Wälle, mühten sich ab, Leitern in Stellung zu bringen, und mit einem großen Baumstamm das Tor zu sprengen – vergebens. Noch dreimal schickten sich die Feinde an, die Burg im Sturm zu nehmen, doch sollte es ihnen kaum gelingen, den Graben zu überwinden.
Es war der vierzig und zweite Tag der Belagerung, als ein Fremder den Weg zur Feste hinauf fand. Er selbst hieß sich Shavla-Teril, der Eibensang, doch die Zwerge nannten ihn Olrodum, denn sein Vater er war aus dem Volk der Elben. Schön war er von Gestalt, bartlos wie ein Jüngling, doch seine Stimme vermochte es, den Kämpen Mut einzuflößen, schon als er sich den Wächtern am Tor zu erkennen gab. So gewährte man ihm gastfrei Quartier, denn wenn der Fremde auch nicht auf den Mauern auf Posten stand, so half seine Kunst doch, die Eingeschlossen zu überzeugen, daß Rondra mit ihnen war.
Die Feste indes ward von einem Feind bestürmt, der mit Schwertern und Speeren kämpfte — nicht durch Hunger die Tapferen bezwang. Die Speicher nämlich waren gut gefüllt gewesen, die Zisterne voll Wasser, und die Bauern des Dorfes hatten sich gar schon daran gemacht, die kargen Äcker innerhalb des Festungsringes zu bestellen, so daß kein Mangel herrschte. Nein, eine schreckliche Sieche war es, die wie ein untoter Ghul ihre Klauen nach den Lebenden ausstreckte und sie zu sich ins Grab zog. Kaum einer der Kriegsleute ward von ihr bezwungen, doch fielen ihr die anheim, die von schwächerer Natur waren: die Jungfer Irmingund und das Printzlein Sigisward wie die kluge Peradne, die Gemahlin Berndriks und Gidiane, sein Töchterlein. Mit ihnen starb die Hoffnung der Belagerten, daß nur die allerwenigsten noch auf ein glückliches Ende der Geschehnisse glauben mochten.
Einzig der Fürst gewann an Mut, und er hieß seine Leibritterin, die Frau Huldagut Wardent von Fürstenhort, ihm seine Rüstung zu richten. So legte er den herrlichen Panzer an, den der Zwergenkönig Thorbadrum einst in sieben Wochen aus Zwergensilber und reinstem Gold gefertigt hatte und dann seinem liebsten Freund, dem Menschenheld Freilian vom See vermachte. Jener nun war im Kampf mit dem Lindwurme Greing Scharfzahn gefallen, und als dessen Hort an Fürst Halmdahl den Keiler fiel, da nahm dieser die wunderbare Rüstung an sich, die von da an Fürstenbrünne geheißen wurde.
Als Fürst Alphak so angetan zum ersten Mal seit langem wieder seine Gemächer verließ, fühlten die Kriegsleute der Burg noch einmal ein Glühen der Kraft und des edlen Willens, der einst im Herzen des Herrschers gelodert hatte. Ja, seine ungebeugte Gestalt auf den Zinnen erschien selbst den Feinden vor den Mauern stolz und ehrfurchtgebietend.
Porquid selbst soll den Fürsten geschaut haben, und es heißt, daß er mit seinen Hauptleuten beim Mahle saß und lauthals prahlte, nun werde der alte Mann sich ihm unterwerfen, auf Gnade oder Ungnade. Wie muß er geflucht und getobt haben, als er die volle, und weithin tönende Stimme Alphaks vernahm: „Höre, Treuloser!; und höret, alle die mit ihm sind! Der Keiler von Kosch ließ diese Wälle errichten an der Stelle seines größten Sieges; und in seinem Angedenken wär jeder andere ehrlos und feige, der nicht kämpfte bis zum Äußersten. So sei’s Euch gesagt, Herr Porquid: Wer einen Eber erlegen will, der muß in den Wald gehen, und sich ihm stellen, bei Rondra!“
Das sei die Stunde gewesen, in der Porquid allen Eberstamms den Tode schwur, so wird es berichtet.
Alles im Lager des Verräters harrte des Zeichens zum Angriff, doch es kam nicht, bis nächtens die Hörner und Trompeten der Wachen, die Trommeln und die Schlachtrufe der Söldlinge die Burg aus unruhigen Träumen. „Drauf und dran! Spieß voran!“ grölten die wilden Gesellen; „Zu den Waffen! Zu den Waffen!“ geboten die Rufe der Türmer, da standen die großen Flügel des Tores schon weit offen ohne daß ein Rammstoß von außen erklungen war, und die Angreifer stürmten hindurch in den Hof, dutzende und aberdutzende.
„Verrat!“ schrien die Torwächter, die die Riegel nicht geöffnet hatte, und „Verrat!“ hallte es aus dem Pallas am Rand des Tales.
„Mein Panzer, mein Schwert“, hatte Herr Alphak verlangt, der aus seiner Kammer im Palast den Fackelschein erblickte und den Kampfeslärm hörte. Die Leibritterin Huldagut aber war verschwunden und die Fürstenbrünne mit ihr. „Verrat“ schrie er, als er nach draußen eilte, und aber stand am warf sich selbst ins Gefecht bar jeder Wappnung, nur mit seinem Bidenhänder Erzenmacht gerüstet, und er war nicht der einzige, der ohne rechte Rüstung oder gar im Nachtgewand sich dem Feind entgegenstellte. So plötzlich kam der Ansturm, daß ein Großteil der Recken gerade Zeit fand, das Schwert zu gürten oder nach der Axt zu greifen, bevor der Gegner heran war.
Noch einmal faßten sich die Verteidiger ein Herz, und mit dem Mut der Verzweiflung drangen sie auf ihre Feinde ein. Diese aber waren vom Rausch auf Blut und Beute beseelt, und kannten kein Halten auch wenn die Kameraden links wie rechts fielen und der eigne Tod nicht mehr fern war. Der alte Fürst selbst kämpfte in vorderster Linie, bis sich zuletzt ein Armbrustbolzen sich in seine bare Brust bohrte. Der Eber war gefallen.
Die Söldlinge des Feindes aber hatten nun ein leichtes Spiel mit den Getreuen, die ohne einen Führer und eine Hoffnung auf den Sieg waren. Rondras Gebote galten ihnen nichts, und sie scheuten sich nicht, zu metzeln und zu morden, wen immer sie erblickten. Vergeblich flehte so manche Magd um Gnade, wandte sich ein Stallbursche zur Flucht — den Helmbarten und Glefen der Söldlinge fielen sie zum Opfer, und starben, wie die Ähren von der Sense abgemäht werden. Kaum einer der Burgsassen entkam dem schrecklichen Schicksal, die Edlen schonten sie nicht und die Leibeigenen nicht, und nur den allerwenigsten glückte die Flucht (wenn auch unter ihnen ein Knabe war, von dem man später noch hören sollte).
Als schließlich keiner mehr da war, der sich zu wehren vermochte, und stieg Porquid mit einigen seines Gefolges zum Wehrgang hinauf, um das Schlachtfeld zu schauen. Dann ließ er die Fanfaren des Sieges blasen, und die Söldlinge hielten inne in ihrem Wüten. Der Ferdoker Praiosdiener Wengel ergriff nun das Wort und wandte sich an die Menge: „Seht, ihr Gläubigen, schaut dies und danket! Der Sieg ist unser, wie‘s Praios und Rondra gefügt.“ Da jubelten die Söldlingsscharen, vom Siege trunken wie vom Bier. „Denn wer im gerechten Namen wieder einen falschen Fürsten streitet, der wird nach Götterwunsch auch mit dem Sieg belohnt; grad so ist’s heuer hier gewesen“, fuhr er fort, und verkündete, daß Graf Porquid ihm offenbart sei als der künftige Kaiser und Herr des Reiches!
Sie hoben ihren siegreichen Anführer auf seinen Schild, und der ließ sich die Huldigungen wohl gefallen. „Heut’ des Fürsten Hort, und morgen das ganze Land!“ rief er ihnen zu, als sie die Feste verließen, die geplündert war und hier und dort in Flammen. Von Marschgetön und Trommelklang begleitet stieg das Heer hinab aus den Bergen, um die Dörfer und Städte des Kosch in Besitz zu nehmen. Nur kurze Zeit — und doch viel zu viel schreckliche Tage – dauerte es, bis sich das Land vor Porquid beugte.
Dieser aber war nach seinem Sieg vollendens vom Wahn besessen, niemand anders als er sei zum Herr der zwölfgöttlichen Lande bestimmt. Einzig die Wengenholmer blieben von seiner Herrschaft verschont, denn obschon ihr Graf dem Herrn Porquid nicht widersprach, mochte er doch nichts tun, was dem mächtigen Ferdoker mißfallen hätte. Furchtbare Götterläufe waren dies für den Kosch, Hunger und Tod quälten Land und Leute wie Dämonenbrut, denn Porquid war ein grausamer Herrscher, der nicht Güte noch Gnade kannte. Allein, sein Ende sollte früher kommen, als er selbst erwartet, und von einer Hand, die niemand erraten hätte.
VII
Der junge Holdwin. Seine Rückkehr, und wie er den Fürstentitel wieder errang. Porquids Tod.
Niemand aber weiß, was wirklich in jener Nacht auf Fürstenhort geschehen ist. Einzig gewiß ist, daß der Fürst vom Eberstamm verraten ward, die Feste durch Verrat fiel, Verräter dem Feind die Tore öffneten, und daß die Leibritterin Huldagut verschwand, und mit ihr viele der Kleinodien des Hortes, dessen Hüterin sie war. Tiefe Bitternis erfüllte die Herzen aller aufrechten Koscher, als sie diese Kunde erreichte, und beinahe ebenso schwer wie der Tod so vieler schmerzte der Treuebruch, den wohl jene begang, der der Schutz des durchlauchten Leben anvertraute Aufgabe war.
Der elfische Spielmann aber, der Alphaks Gast war, fand auch am Hof des neuen Herrschers gnädig Aufnahme, und es gibt eben so viele, die ihn des Verrats bezichtigten. Er war bei Porquid lange Zeit wohl gelitten, bis er ihn verließ, als dessen Stern ins Sinken kam. Danach verliert sich auch seine Spur. Drubols Sippe, der treue Zwergenklan, ist nicht mehr. Aber Baduars Haus sollte nicht vergehen.
Denn als Alphak der Glücklose fiel und tot war, da floh sein Sohn Holdwin, der ihm Schildknappe war, und erklomm einen Turm, um sich dort zu verbergen. Furcht schüttelte den Knaben, der die Schrecken sah in seinem Versteck, bis ihn eine feste Hand an der Schulter griff und mit Schwung herumriß. Da vermeinte er, daß sein Ende gekommen sei, und brach in die Knie vor dem anderen. „Auf, eylt, meyn Printz!“, sprach der andere da, und das sollte von jenen Tag an die Losung des Haus Falkenhag sein, denn niemand anderes war es als der wackere Jörch, des Landes Jagdmeister, von Falkenhag.
Gemeinsam gelang Ritter und Knappen die Flucht, und auch wenn sie der Frau Rondra nicht gefällig sein mochte, so schämte sich später doch keiner beiden, daß sie die Namen verschwiegen und behielten das Leben auf ihrer Reise durch zerstrittenes Land. Nach Baliho im Weidenschen am Roten Wasser endlich gelangten sie, wo eine Kriegerschul’ ihren Sitz hatte. Dort traten sie ein, als Meister der eine, als Lehrling der andere, und lebten fürderhin dort, ohne daß jemand anders als Vorsteher der Schule um ihre Herkunft gewußt hätte.
Viele Götterläufe ritt der Prinz Holdwin nach Gareth, im Gepäck nichts anderes als sein Schwert und den gerade gesiegelten Kriegerbrief, an seiner Seite der getreue Falkenhager. In einer Schenke noch vor Wehrheim war es, da brachen zwei trunkene Kriegsleute einen Streit vom Zaun mit dem Jüngling, den sie für einen unerfahrenen Adelssproß hielten. Holdwin zwang sie zu Boden und trieb sie in Fesseln in ihr Lager, um sie ihrem Heerführer zu überantworten. Der war nun kein anderer als Perval von Gareth, der dereinst Kaiser sein sollte der Zwölfgöttlichen Land. Später sollte man ihn verfluchen ob seiner Grausamkeit, und seiner Mißachtung der rondrianischen Gebote, doch erkannte er wohl, daß dieser Ritter nicht der Gecke war, für den mancher ihn halten mochte ob seiner Jugend.
Nachdem er die beiden streitlüsternen Kämpen dem Henker überantwortet hatte, obschon Holdwin um Milde für sie bat, bot Perval den Gefährten die Posten ihrer Gegner an, denn diese waren Hauptleute seiner Armee gewesen. So wurde Holdwin Hauptmann in Pervals Heer. Und im Jahr 65 vor Hal da kehrte Alphaks Sohn an der Spitze eines Perricumer Regiments ins Koscher Land zurück. Porquid war‘s nicht gelungen, seine Herrschaft weiter auszudehnen, ein kümmerliches Reich regierte er, zwischen Landen der Mächtigen im Westen wie im Westen, die ihn einzig hatten walten lassen, weil’s ihnen so zupaß kam. Derweilen verstrickte sich der selbsternannte Kaiser in einen Zwist mit König Chiarissimo von Almada (einem ebenso glanzlosen, aber weniger grausamen Herrscher, als er es war). Klein war die Zahl der Ritter geworden, die Porquid noch folgten, weil die Blüte des Koscher Adels erschlagen war oder sich ihm verweigerte, bis die Almadaner Reiterscharen schon ins Lande eingedrungen waren und Ferdoker Dörfer brandschatzen. In der Schlacht von Dahrendorf scheiterte ihr Angriff an der geschlossenen Reihe der Koscher Spießgesellen und dem Mut der wenigen Ritter, die sich ihnen aus Heimatliebe, nicht aus Treue zu Porquid entgegenstellten.
Nun aber wurde die Herrschaft des Verräters hinweggefegt im Sturme, als große Heerhaufen sich im Herzen und dem Westen des Reiches sammelten, und sich trafen in der Zwergenpforte. Holdwin befahl die Vorhut von Pervals Heer, und er war es, dem die Bürger von Angbar ihre Stadtschlüssel überreichten. Über den Greifenpaß zogen die Truppen, um sich bei Albenhus mit jenen von Barduron, Pervals Vater, zu vereinen. Dort besiegten sie das Heer der Westherrscherin Rhondara.
Als nach der Schlacht Perval der mächtigste Mann im Reiche war und mit Recht Kaiser geheißen und endlich gesalbt wurde, da vergaß er den Koscher nicht und dessen treue Dienste, und belehnte ihn auf dem Felde noch mit dem Fürstentitel. So kehrte Holdwin über den Großen Fluß zurück ins Land der Ahnen, um von seinem Erbe Besitz nehmen, und das Volk jubelte ihm zu und die Edlen huldigten ihm. Schon hießen sie ihn den Erneuerer, der alles richten würde nach schlimmen Götterläufen.
Porquid aber, der Elende, fand sich von all seinen Günstlingen verlassen, denn wahrhaft getreue hatte der Verräter niemals gehabt. Voller Angst floh er und sucht er sich zu verstecken, doch der Hauptmann seines Söldlingshaufen ließ ihn ergreifen, um sich der Gunst des Siegers zu versichern. Diesen Handel aber befand nicht Fürst Holdwin für Recht noch der Greifenpriester, der mit ihm war, und so wurden der Verräter und seine Schergen allesamt an hohen Buchen aufgeknüpft, und hingen auf sieben Götterläufe, für jederman zur Warnung wohl. Jörch von Falkenhag aber lohnte er für seine Treue, und ernannte ihn und alle seine Erben zu Grafen vom Angbarer See. Dem Kaiser aber schenkte er ein Eiland im See, das fortan den Namen Pervalia tragen sollte.
Der einzige Nachfahre der Leibritterin aber brauchte beinahe einhundert Jahre, bis er im Gewand eines Golgariten aus der selbst auferlegten Verbannung in die heimatlichen Gefilde zurückkehrt. Nicht einmal seinen wahren Namen wollte er zu erkennen, bis nicht die Schande von seiner Ahnherrin war. Und tatsächlich: Die Fürstenbrünne ward gefunden und mit ihr, wie es heißt, der Beweis, daß die treue Leibritterin nichts anderes als ein Opfer elfischer Zauberränke gewesen war. In jedem Fall hieß Fürst Blasius ihren Erben, Herrn Hilderich Wardent an seinem Hof willkommen mit dem alten Titel eines Edlen zu Fürstenhort, dieser dankte und blieb doch Marschall im Orden Golgaris. Den Tod fand er an der Trollpforte.
Quendellyn Turmold Dergeldorp, Hoher Lehrmeister in HESindes Haus zu Angbar.
Irdischer Hinweis: Dieser Artikel bildete die Grundlage für den Wiki-Artikel Saustechen.