Die Angbarer Stadtämter
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Die Angbarer Stadtämter
Von Geschäften, Räten und Helfern des Reichsvogts
Den Lesern der letzten Ausgabe unseres Journals ist es bekannt: Bosper zu Stippwitz ist als Reichsvogt zu Angbar bestätigt. Angesichts der denkbar knappen Mehrheit des Vogtes wunderte es wenig, daß bei der anstehenden Neubesetzung einiger städtischer Ämter der bei der Vogtwahl unterlegene Schmiedemeister Anghalm Eisenstrunk vom Rat in den angesehen Posten des Mauergreven gewählt wurde. Vogt Bospers ärgste Konkurrentin und Stiefmutter, Praiodane zu Stippwitz-Hirschfurten, bewies erneut ihr Talent für Überraschungen, als sie sich ins eher weniger wichtige Amt des Greven vom Neu-Markt wählen ließ. Angesichts weiterer noch anstehender Neubesetzungen stellen wir die Angbarer Stadtämter im Folgenden näher vor. – Schriftleitung.
Ein Spaten allein schaufelt keinen Stollen“ pflegen die Zwergen von Koschim zu sagen; „Wer Kuchen bäckt und feines Mehl hat, braucht dennoch Nüsse und Schmalz und Sauermilch“ lautet der Spruch des Gormeler Zuckerbäckers Buttersums; „Wen schreckt ein Hauptmann allein? Es sind seine Knechte, die für ihn kämpfen“ schwören die Söldlinge die Kaisers, und alle haben sie recht. So ist es auch in Ehern’ Angbar, wo es der freien Bürger Recht ist, nach alter Väter Sitte und verbrieft mit kaiserlichem Siegel, sich selbst einen Stadtvogt oder -meister zu wählen1.
Reichsvogt wird er geheißen, weil die Stadt und ihre Bürger niemanden anderem untertan als der Krone Rauls untertan sind (auch nicht dem guten Fürsten) und der Vogt vom Kaiser bestätigt wird. Daß aber ein Kaiser nicht den Meister bestätigen wollte, den die Bürger für den Rechten hielten, geschah in der 1600jährigen Herrschaft des Rates weniger als ein dutzend Mal, und stets waren es finstere Zeiten für das Reich und die Stadt.
Weil der Reichs-Vogt neben seinem hohen Amte für gewöhnlich weiterhin seinem gewohnten Handwerk nachzugehen hat, pflegt er eine Anzahl tüchtiger und erfahrener Männer und Frauen um sich zu scharen, die ihm bei seinen Amtsgeschäften zur Hand gehen.
Da ist zum ersten der Richtgreve, »ein in der Rechtskunde bewanderter und praiosfürchtiger Bürger guten Leumunds von wenigstens 40 Sommer«, der für den Vogt den Vorsitz des Niedergerichts übernehmen kann, wenn eine Streitsache nicht in die Gerichtsbarkeit einer Zunft oder eines Tempels fällt und von geringerer Wichtigkeit ist, eine Wirtshaushauerei etwa oder ein Schelm, der seine Nachbarn mit Unrat bewirft.
Der Oberst-Wachtmeister hat dafür zu sorgen, daß Ruhe und Ordnung herrschen in Angbars Gassen, und das tun er und seine Büttel, in dem sie Störenfriede an die Schandwaage binden und die Schuldner ins Loch stecken. Weil die Stadtwache im wesentlichen aus der Freiwillig-Bergköniglichen Garde besteht (auch dies eine Tradition aus altern Zeit), ist ihr Befehlshaber stets ein Zwerg aus dem Hügelvolk. Ihm unterstehen der Zeugmeister, der im Zeughaus die Armbrüste, Spieße und Waffenröcke des Bürger-Schützen-Batallions verwahrt, das die Stadt gleich den Landwehrregimentern der Grafschaften im Kriegsfalle zu stellen verpflichtet ist, und desweiteren der Brandmeister.
Dieser hat die öffentlichen Laternen in Schuß zu halten, die die Straßen und Plätze der Stadt erleuchten von Sonnenuntergang bis zur mittnächtlichen Praiosstunde, und des Winters nach sechsstündiger Schlafenszeit wiederum bis zur Morgendämmerung. Zugleich aber muß er auch kundig sein im Löschen von Bränden, wenngleich diese Angbar ob seiner steinernen Bauweise und mehr noch dem Segen Vater Ingerimms nur selten heimsuchen und weit weniger verheerend wüten als in anderen Städten. In seltener Einmütigkeit spenden deshalb die Geweihten Efferds dem Brandmeister Heil und jene Ingerimms Vergebung.
Des Säckelmeisters hauptsächliche Aufgabe ist es, die Kassen stets gut gefüllt zu halten, in dem er peinlich genau Acht gibt, daß all’ die Abgaben, Entgelte und Zölle zur rechten Zeit gezahlt werden. Was die Ausgaben angeht, so kümmert sich der Reichsvogt für gewöhnlich selbst darum, wie er es auch tut, wenn ihm er irgendetwas aus den Beritten von Oberst-Wachtmeister, Richtgreve und Säckemeister für besonders bedeutsam erachtet.
Zu den bisher noch nicht genannten Aufgaben des Reichsvogtes gehören ferner die Sorge für die städtischen Kornspeicher und die Vertretung Angbars gegenüber Kaiser, Fürst und allen anderen.
In einigen anderen Dingen hat der Vogt jedoch zwar ein gewichtiges Wort mitzureden, doch ist dafür nicht er, sondern ein dafür eigens gewählter Ratsherr gegenüber dem Rat der Zünfte verantwortlich. Das Vorschlagsrecht für diese Posten liegt beim Vogt, doch muß der Kandidat auch eine Mehrheit im Rat finden. Kaiser Eslam II. reagierte recht ungehalten, als er zum dritten Mal angerufen wurde, weil sich Stadtvogt Barthalm Markwardt und der Rat wieder einmal nicht auf einen Mauergreven einigen wollten. Er besetzte den strittigen Posten mit einem verdienten Zwergen und verfügte, daß die Ämter künftig nur alle sieben Jahr vergeben werden sollten.
Das Gesagte gilt für die folgenden Ämter: Der bereits erwähnte Mauergreve ist für Stadtmauern, Torbefestigungen und die gepflasterten Straßen verantwortlich. Angesehener ist nur noch das Amt des Schankwartes, der — ganz wie die fürstlichen Braugreven — die Einhaltung der Brau- und Schankgebote in Angbars zahllosen Bierstuben, Gaststätten, Brauereien und Herbergen überwacht. Ihm zur Seite stehen zwei Biergeordnete, die jedoch von der Zunft der Wirte und Brauer gestellt werden.
Vier Marktgreven gibt es – jeweils einen für Peraine-Markt, Fischmarkt, Neumarkt und Alten Markt. Sie weisen den Krämern ihre Plätze an, prüfen die Maße und schlichten Streitereien.
Der Stadtschreiber schließlich führt den Schriftverkehr und das Archiv das Rates wie auch des Stadtvogtes, so dieser keinen eigenen Schreiber in Dienst nimmt, was zuweilen geschieht.
Eine merkwürdige Zweiteilung der Ämter gibt es auch, was die Besoldung angeht. Der Stadtschreiber ist der einzige untern den Gewählten, der wie die vom Vogt ernannten Beamten — Oberst-Wachtmeister, Zeugmeister, Brandmeister, Richtgreve und Säckelmeister — soviel Silber aus dem Stadtsäckel erhält, daß er davon, ohne andere Einnahmen zu haben, einen anständigen Bürgerhaushalt zu führen vermag. Mauergreve, Marktgreven, Schankwart und Biergeordnete sind reine Ehrenämter, obschon sie ihre Inhaber gewiß auf Trab halten, wollen sie sie nach Recht und Gewissen erfüllten. Ansehen und Einfluß bringen aber auch sie gewiß, und so wundert’s wenig, daß im Rate der Vogt oder ein Herausforderer schon manches Mal einen zögerlichen Ratsherren für sich gewann, in dem er diesem eines der städtischen Ämter zusicherte.
In der Stadt Ferdok gibt es wohl einen Stadtrat, der aber ob der geringeren Größe weniger einzelne Ämter und auch weniger Aufgaben hat, denn ihm sitzt der Vogt Ernbrecht von Plötzbogen im Namen des gräflichen Stadtherren vor. In Koschtal, der schläfrigen Stadt im Schetzeneckschen, gibt es einen eigenen Bürgermeister, und ebenso in den meisten Städten von mehr als einem halben tausend Einwohnern, doch stehen diese meist unter der strengen Fuchtel der Barone, in Trallik etwa, Nadoret oder Rhôndur.
1 – Und in Angbar ist dieses Recht älter als in den übrigen Reichsstädten, denn lange Zeit noch stand die Seestadt, die den Namen des Ehrwürdigen Väterchens Angbarosch im Namen trägt, unter dem besonderen Schutz der Könige unter dem Berg, lebten doch in ihren Mauern zum ersten Male Menschen und Kleines Volk in Frieden bei- und miteinander.