Greifen die Grötzer auch nach dem Kosch?
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Greifen die Grötzer auch nach dem Kosch?
Südländischer Besuch im Wengenholmer Wald
WENGENHOLM. Ein warmer Rondramittag wars, als eine aufgeregte Waldbauersfrau den staubigen Weg zur Angenburg hochstieg. Schwer schnaufend durchschritt sie das Tor, blickte sich im Hof um und steuerte, als sie ihn erblickt hatte, stracks auf den Gräflichen Jagdmeister Alrich Panlapp zu.
„Herr Jäger“, keuchte sie, „ich weiß ja nu nit, ob Ihr da wirklich der Reechte seid für, aber Euch keennen wir nu ja im Waald, und wo doch der Herr Voogt gefallen ist un’ dot – drum saag ichs Euch: Die Liebfelder sin da!“
Diese eigenartige Rede verwirrte den Jagdmann nicht wenig. „Der Reihe nach, Balbine! Bei mir bist du schon recht. Was sind das für Liebfelder und wo?“
Nun erzählte Balbine Strunkbach, wie am späteren Morgen zwei geckig gekleidete Fremde, ein Mann und eine Frau, am Rand der Lichtung auftauchten, wo ihr Hof stand. Die Fremden hätten ein Maultier dabei und allerhand seltsame Gerätschaften: Werkzeug, wie es wohl auch Angroschim verwenden mochten. „Ich hab sie ja nu gefraagt, was sie hier treiben, weil was woollen so nooble Leut ausm Süden in unserm Waald. Da sagten sie, ihr Kommerzo habe sie hergeführt, um den Waald zu indizieren! Weiß der Hanghaas, was diese Liebfelder Woorte bedeuten!“
Das wußte auch Meister Panlapp nicht so genau – aber ihm kam ein Verdacht. Hieß es nicht, im Hinterkosch trieben sich überall Schergen der Liebfelder Familie Grötz herum, um dem Reichsadel seine besten Güter und Besitzungen wegzunehmen? Streckten die gierigen Schurken etwa ihre Finger auch nach koscher Boden aus?
Dem mußte auf den Grund gegangen werden. Die Gräfin wollte der Jagdmeister damit vorderhand nicht belästigen — noch war’s nur eine Vermutung, und sie trug schon genug Sorgen, wo ihr Sohn in Trallop am Turnier weilte. Stattdessen nahm er den Schmied der Angenburg mit, Bugin, den Sohn des Bolgin, und machte sich sogleich auf den Weg zum Strunkbachhof.
Wohl zwei Meilen waren die beiden noch vom Hof entfernt, als sie Axtschläge im Wald vernahmen. Sie hielten darauf zu und erspähten bald die gesuchten Fremden. Die Frau hatte eben von einer Eiche ein Ästchen abgehauen und schnüffelte ausgiebig daran. Der Mann hatte die Hände auf die Wunde im Stamm gelegt und schien in tiefste Gedanken versunken. Nahebei graste das Maultier des Paares. Aus den Taschen des Packsattels ragten Meßgeräte, Bohrer, Hobel und anderes Werkzeug. Obenauf waren zahlreiche frische Eichenäste gebunden – jeder mit einem beschrifteten Zettelchen etikettiert.
Die beiden Wengenholmer schauten dem Treiben ein wenig zu. Als der Mann sich endlich vom Baum abwandte — nun waren zahlreiche Schmucksteine und Amulette an seinem Gewand zu erkennen —, trat Alrich Panlapp aus dem Gebüsch, das ihn bisher verborgen hatte. Der Wald war sein Revier, und auf der Grafenburg und seinerzeit beim Fürstenturniere hatte der Jagdmeister schon zu wahrhaft hochgestellten Persönlichkeiten gesprochen, so daß es ihm keine Schwierigkeiten bereite, die Außerkoscher in der schnellen Zunge des Flachlandes anzurufen.
„Alle Zwölfe zum Gruße, Fremde! Darf man fragen, was Ihr hier mit dem gräflichen Holz anstellt?“ Etwas erschrocken drehten sich die beiden zu ihm um. „Selbstverständlich!“ entgegnete die Frau. „Doch gestattet, daß wir uns zunächst introducieren: Mein Name ist Yasinda Bagatello, und das ist Dom Alonso Jassafheimer. Wir kommen aus Almada.“
Also keine Liebfelder, dachte Meister Panlapp und nannte seinen Namen und den des Schmieds. „Was unsere Intention mit dem gräflichen Holz betrifft —“ fuhr Domna Yasinda fort, „wir sondieren, ob die Qualität der Wengenholmer Eiche sich eigne für den commerciellen Transport als Küferholz nach Almada.“
Über diesem Satz sinnierten die zwei Dienstmänner der Gräfin eine Weile, bis sich die Augen Bugins, des Sohnes Bolgins, im Verstehen weiteten: „Ihr wollt sagen, Ihr möchtet Fässer aus unseren Eichen machen, Frau Meisterin?“
Domna Yasinda nickte bejahend. „Da hättet Ihr Euch den weiten Weg sparen können!“ belehrte sie Bugin. „Wo doch jederzwerg und auch Menschenbrauer weiß, daß man die Fässchen aus Rotbuche machen muß. Die Eiche ist viel zu kraft- und saftvoll: Da wird euch der Trunk in Kürze nur noch nach Holz schmecken, und ihr könntet ebensogut ein Elfengebräu trinken!“
Da lachten die Almadaner sehr, und Bugin stimmte herzhaft mit ein, denn er dachte, sie lachten über ihre eigene Dummheit, für wertloses Holz so viel gereist zu sein. Doch wie staunte er, als Dom Alonso ihm eröffnete: „Mein lieber Herr Zwerg, dies mag ich wohl für euer excellentes Bier glauben, daß es vom Eichenholze verdorben wird. Doch ganz anders verhält sich’s beim Wein: Die guten Herrinnen Rahja und Peraine haben es so wunderbar gerichtet, daß das Holz dieses Baumes dem Rebensaft erst jene besonderen Aromen verleiht, die der Connässeur zu schätzen versteht. Es sind in diesem Holz Geschmäcker verborgen, die keiner darin ahnen würde: Pflaumen, Kirschen, gar Vanille schenken die Göttinnen dem Wein durch ein vorzügliches Eichenfäßchen!“
Darauf erklärten die almadanischen Eichenkenner den staunenden Wengenholmern, wie sich mit Wissenschaft und Zauberei — welche Dom Alonso beherrschte — aus Struktur, Saft und Aura des Baumes vieles über seine Eigenschaften als Faßholz vorhersagen ließe. Im Auftrag von Kellermeistern und Feinschmeckern des südlichen Königreichs, die immer nach neuen Aromen und Nuancen verlangten, bereisten sie die Provinzen und analysierten deren Gewächse.
Und offenbar waren die Experten mit den Geschmäckern der Wengenholmer Eiche auch recht zufrieden, den sie ließen im Gräflichen, in Auersbrück und auch in der mittäglich gelegenen Geistmark einige Bäumchen fällen (nachdem die Lehnsherren dies bewilligt hatten) und unzersägt auf der Ange verschiffen. In ihrer Heimat wollten sie daraus Fässer fertigen und probehalber mit Wein füllen. Wenn das Ergebnis zufriedenstellend sei, so versprachen sie, wollten sie im nächsten Jahr wiederkommen und ein kleines Kontor einrichten.
Schmied und Jagdmeister aber versicherten sich abends beim Biere, daß diesem niemals ein Wein gleichkäme, soviel sei gewiß.