Nichts als Jägerbosparano?

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Ausgabe Nummer 27 - Travia 1023 BF

Nichts als Jägerbosparano?

Von einem, der auszog, den Wolf zu stellen

ZWEIZWIEBELN / GFT. WENGENHOLM. So manche schaurige Mär macht in den Tavernen die Runde vom Wengenholmer Wolf, den man allenthalben „den Grauen“ heißt. Aber nur wenige haben den Mut, sich auf seine Fährte zu heften. Einer von ihnen ward jüngst zu Zweizwiebeln in „Auersbrücks Keller“ gesehen.

Der Tag war heiß und trocken; wer seine Arbeit vollbracht hatte, saß längst schon im Dorfkrug und ließ sich’s schmecken. Auch die Holzleute vom nahen Borrewald war’n gekommen, so daß es recht lautstark zuging im Schankraum. Da öffnete sich die Türe, und ein weitgereister Fremder trat ein, mit einem pelzbesetzten Jagdwams in firunlichen Farben, den Köcher munter auf der Achsel; hinterdrein ein stämmiger Schlagetot und eine stille, treue Seele von Diener. Man ließ sich vom Wirt, dem hageren Bosper Semmelbrot, zu Tische führen und labte sich an Schweinsbraten in Tunke und hellem Bier. Als die Schankmaid Angunde neue Krüge brachte, fragte der Herr im Pelz mit lauter Stimme, ob’s denn noch weit bis zum Borrewald sei, wo der grimme Wolf sein Unwesen treibe. Da ward’s auf einmal still im Saal, und Dutzende Augenpaare schauten auf den Fremdling, der sich nun verwundert aufrichtete. „Ja, was schaut’s ihr alle so mich an?“ fragte er verwundert. „Tut ihr den Wolf nich’ kennen? Das wär’ aber schad’, denn ich würd’ jedem, der mir Genaures über das Viech verrät, einen Taler geben.“

Die Holzleute rückten näher, und auch die Ödhofbauern am andern Tisch spitzten die Ohren. Semmelbrot fragte erstaunt, ob der Herr denn etwa ein großer Jäger sei, der es mit dem Untier aufnehmen wolle.

„Ja, freilich!“ war die Antwort, er sei Nassin von Gundelsen und in seiner bornischen Heimat ein bekannter Waidmann. Er habe schon ganz anderes Getier gejagt und auch erlegt als nur so einen Wolf. Die Bären, ja die Bären vom Bornwald, das seien Ungetüme! Mehr denn zwei Schritt, wenn sie sich aufrichteten! Und Pranken, doppelt so groß wie die Fäuste vom Schwertkönig Raidri.

Bald hatte sich ein kleiner Kreis versammelt, und die Neugier der Wengenholmer siegte einmal mehr über ihr Mißtrauen vor Fremden. Alle waren begierig, nun auch zu hören, wie der Herr Gundelsen hoch droben am Felsen die Adlerküken aus dem Horst entwendet hatte, die ihm in den Jahren zu stattlichen Beizvögeln herangewachsen waren; und wie’s zugegangen, daß er mit einem einzigen Pfeilschuß einen Elch erlegte. Ein Elch? Das sei wie ein großer Hirsch, doch nicht mit Geweih, sondern breiten Schaufeln und einer dicken Nase wie ein Zecher am Rohalstagmorgen, erklärte er den staunenden Dörflern. Allein der tüchtige Schenke bekam wenig von all den Erzählungen mit, war er doch bemüht, die Krüge immer nachzufüllen und dabei die nußbraune Angunde zu schelten, die dem fremden Gast schöne Augen machte.

Am andern Morgen brach der Jäger auf, begleitet von den Segenswünschen der Wirtsleute. Mit einem Lied auf den Lippen zog er aus in Richtung Borrewald. Doch wie kehrte er nach nur sechs Tagen wieder! Zerschlissen das Wams, das Haar zerzaust, der rechte Arm in einer Binde. Wenig besser schauten seine Begleiter drein.

Nein, den Wolf habe man nicht erlegt, nicht einmal die Spur gefunden! Aber in eine Bärenhöhle seien sie geraten, als sie in der Nacht Unterstand suchten! Und als man vor dem Tier (das natürlich nicht alleine war) das Weite suchte, war der Gundelsen einen Abhang hinunter gestürzt, und seine Gefährten brauchten einen vollen Tag, bis sie ihn wieder aus der Klamm befreit hatten. So fügte sich eine weitere Geschichte dem Jägerbosparano hinzu; doch „Der Graue“ ist noch immer nicht gestellt, und so wird der Graf demnächst selbst auf die Pirsch gehen.