Auf dem Grevensteig, Teil III: Von Fünfbrunnen nach Koschtal
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Auf dem Grevensteig, Teil III: Von Fünfbrunnen nach Koschtal
Und weiter geht es auf dem Grevensteig, jenem wichtigen Handels- und Reiseweg durchs Schetzenecker Land. Unser nächstes Ziel ist Koschtal, die ehemalige Grafenstadt, gelegen am malerischen Sylbriger See.
Das Drakfolder Land
Kurz hinter Fünfbrunnen liegt die Grenze zur Baronie Drakfold. Hier wendet sich der Grevensteig nordwestwärts auf die Koschberge zu. Immer öfter geht es bergan, immer seltener bergab, und eben läuft der Weg fast nirgends mehr, nicht in den ersten zwei oder drei Stunden zumindest. Ebenso wenig geradeaus, man lasse sich ja nicht von der hübschen Linie auf Landkarten täuschen! Wie eine Eidechse windet sich der Steig um Hügel, Bergflanken und Felsen, nach jeder Kehre bietet er einen tsagefällig neuen Ausblick - sofern der Wald einen solchen erlaubt.
Schon nach einer knappen Stunde verlässt man die Region, in der Waldweide, Holzsammeln und das Schneiden von Haselruten das Unterholz licht und das Kronendach offen halten. Bald mischen sich auch Fichten und Tannen unter Eiche, Buche und Ahorn, und streckenweise läuft man zwischen mächtigen Stämmen und unter dichtem Geäst wie in einem Tunnel. Sommers ist man froh um den Schatten, bis man sich wünscht, der frische Bergwind würde nicht nur durch die Baumkronen rauschen, sondern auch den müden Wanderer auf dem Weg erquicken. Winters hält der Wald freilich auch Schnee und eisige Böen ab, wie mir ein Fuhrmann sagte. So bleibe der Grevensteig das ganze Jahr über leidlich befahrbar.
Und von Drachen verschont, wie mancher im Stillen hofft. Das Schetzeneck ist Drachenland, nicht nur Drakfold, was „Drachenfeld“ oder „- falte“ heißen soll. Aus den Leibern erschlagener Drachen, so geht die Sage, habe Angrosch die Vorberge des Kosch geformt, und kaum ein Brauch, der nicht mit Drachen zu tun hätte. Selbst die hiesige Tracht kennt „Drachenschuppen“, aufgenähte Lederlappen, die vielleicht an frühere Rüstungen erinnern oder an Trophäen von Unerschrockenen, die sich in die Nähe einer Drachenschlucht wagten.
Hier und da sind auch noch steinerne Drachenbildnisse zu finden, Zwergenarbeiten, die womöglich zurückgehen auf den großen Krieg gegen Pyrdacor. Triumphzeichen? Mahnmale? Wer weiß... Eines, stark verwittert, steht am Grevensteig, hinter einer alten Eiche, gut zwei Stunden hinter Fünfbrunnen. Es sieht aus, als habe der Baum seine knorrigen Wurzeln auf den Schwanz des Ungetüms gestellt. Wenn man nicht darauf achtet, hält man es für einen Felsen, sofern man es überhaupt bemerkt. Mich machte ein Kärrner darauf aufmerksam, der mich ein Stück weit mitnahm, ehe er zu einem Einödhof abbog. Ein anderes soll auf dem Marktplatz von Hochfeld stehen.
Vor allem Greing Scharfzahn, der Lindwurm, ist jedoch durchaus kein bloßer Kinder- schreck aus sagenhafter Zeit, sondern ein realer Fluch. Zuletzt terrorisierte er das Land zwischen 1015 und 1017 BF (22 - 24 Hal). Zwei Ritter schlugen ihn damals in die Flucht (siehe KK 10), aber jeder hier weiß: Irgendwo lebt er noch und lauert, und irgendwann wird er zurückkehren.
Zur Zeit sind Wildschweine, Wölfe und Strauchdiebe allerdings die größere Gefahr, vor allem, wenn die Schatten der Berggipfel, insbesondere des mächtigen Götterfirst, länger werden, den Waldweg in Düsternis tauchen, während fern der Große Fluss noch in der Abendsonne glänzt und der Abendwind den Wanderer frösteln lässt. Fuhrleute, ohnehin selten allein unterwegs, machen es sich zur Nacht auf oder unter ihren Wagen gemütlich, Reiter mögen tatsächlich an einem einzigen Tag die nächste Ortschaft erreichen. Was aber machen Krambolde, Leute wie ich oder jene Greven, die zu Fuß unterwegs sind? – Nun, sie beten zu TRAvia oder zu PHEx. Erstere lässt einen dann vielleicht kleine Wegweiser, Letzterer eins jener heimlichen Kramboldzeichen erkennen, die einen zur nächsten Travienhütte, zu einem Bergbauernhof, einem Köhler oder einem überhängenden Felsen führen.
Unter so einem nächtigte ich selbst, zusammen mit einem Kiepenkerl, der nach Uztrutz wollte. Er mahnte mich, an solch einem Platz verbrauchtes Feuerholz stets wieder aufzufüllen, und erzählte gleich noch eine Geschichte dazu.(1)
Herrschaft, Wappen und Zölle
Für die Grafschaftszugehörigkeit Drakfolds gilt dasselbe wie für Uztrutz(2). Die Herrschaft über die Baronie hat nominell Ihre Hochgeborene Gnaden Iralda Mechtessa von Bodrin inne, verwaltet wird sie jedoch von Erbvögtin Efferdane von Neuensteinigen. Für die Stadt Koschtal indessen und die alte Grafenburg sorgt der ehemalige Truchsess, Garubald Grobhand von Koschtal. Zölle für Waren und Reisende halten sich im üblichen Rahmen.
Das Wappen der Baronie zeigt einen roten wehrenden Drachen auf silbernem Grund, darüber zwei goldene Koschammern auf Schwarz. Interessant daran ist nun, dass die Koschammern eigentlich das Wappen der Grafen von Schetzeneck sind, die es nun ja eigentlich nicht mehr gibt. Ein Wappen, in dem das See-Wappen das Drachenland beherrscht, habe ich freilich noch nirgends gesehen. Heraldisch existiert hier die Grafschaft Schetzeneck also noch, und ich glaube nicht, dass die Drakfolder so bald etwas daran ändern.
Thalhaus
Der erste Drakfold'sche Weiler, den man von Süden kommend erreicht, ist Thalhaus. Er liegt in einem sanften Tal am Fuß einiger Anhöhen, die sich, wie mein verehrter Kollege Dybald vor einigen Jahren notierte, „wohl 300 bis 500 Schritt über die fruchtbaren Täler erheben“. Was in etwa stimmen mag, mir jedoch weniger auffiel als das gewaltige Massiv der Koschberge, das im Westen majestätisch über dem Land aufragt. Ihr höchster, der Götterfirst, trägt selbst in heißesten Sommern noch eine gleißende Kappe aus Schnee.
Man baut vor allem Gerste, Roggen und robuste Kohlsorten an. An den sonnigen Westhängen des Tals gedeihen Zwetschen, Birnen und Äpfel, allerdings selten so rotbäckig und süß wie im Ferdokschen. Mitten dazwischen hat eine wandernde Jüngerin TSAs einen Kirschbaum gepflanzt oder besser: gesät. Noch im Jahr des Alagrimm, wie es heißt. Ein Hirtenjunge beschwor, Ihre Gnaden und er hätten dort Kirschkernweitspucken gemacht. Jedenfalls fand er im Jahr darauf einen Schößling, nicht weit von dem Stein, auf dem sie gesessen hatten. Entgegen aller Erwartungen ging der junge Baum nicht ein, und dies Jahr soll er schon die ersten Kirschen getragen haben.
Auf einigen Weiden blökten Schetzenecker Langohrschafe, auf anderen malmten Milchrinder geruhsam vor sich hin. Schafe und Rinder, heißt es, passen nicht zusammen. Und richtig: Seit langem entzweit eine Fehde das Dorf, in der die Einen die Anderen als „Wollköppe“, die Letzteren aber Erstere als „Hornochsen“ beschimpfen, und dann fliegen oft die Fäuste. In einem sind sich die Thalhauser freilich einig: dass Reisende auf dem Grevensteig gemolken gehören. – Nein, ich muss gerecht sein: Thalhaus macht auch TRAvia keine Schande, wiewohl PHEx wohl ein klein wenig höher steht. Jedenfalls scheint das gesamte Dorf aus Rast- und Gasthäusern zu bestehen, deren ältestes – wer hätte es gedacht – das »Thalhaus« ist, das dem wachsenden Weiler seinen jetzigen Namen gab.
Das größte Haus am Platz dürfte die »Gelbe Ente« sein. Von allen wird es so genannt, obwohl sein Schild wohl eine goldene Gans darstellen soll. Ich selber kehrte im »Suppenkessel« ein (mit einem echten Kessel über der Tür). Dort hatte ich für annehmbaren Preis eine kräftige Brotzeit, bevor ich am frühen Mittag weiterzog.
Die „Koschtaler Ebene“...
In einem 15 Jahre alten Bericht über den Koschgau (KK 14) stieß ich auf diese Bezeichnung, habe eine solche Landschaft hier freilich noch nirgends entdecken können. Auch jeder, den ich fragte, zuckte nur die Schultern. Daher bin ich geneigt, sie für eine Kunstschöpfung zu halten.
Oder für eine Sache des Standpunkts. Schaut man vom Grevensteig oder den schroffen Hängen des Kosch hinab und hinüber zum Großen Fluss, kommt einem das Land tatsächlich recht plan und niedrig vor. Einer, der es nicht besser kennt, mag also von einer „Ebene“ sprechen. Sofern er sich nicht ohnehin von Karten oder unvollständigen Berichten irreführen ließ.
Etwas, das man wohl „Koschtaler Ebene“ nennen könnte, breitet sich vor einem aus, wenn der Wald vor Koschtal lichter wird und man etwas abseits der Straße von einem der Felsen ins Tal hinab schaut. (Man sehe sich nur vor, nicht zu nah an die Felskante heran zu treten, dass man nicht abstürzt!) Da liegt vor einem der Sylbrige See, am nordwestlichen Ufer die Stadt Koschtal mit ihrem markanten Burgfelsen, während nach Osten hin, wo die Bodrin den See wieder verlässt, die Ufer flacher werden. Dort und am Oberlauf der Bodrin liegen Äcker und Weiden, auf etlichen Feldern rankt sich auch Hopfen über hohe Spaliere.
... und das Sternental
So richtig eben ist aber auch da nur – bei gutem Wetter – der Spiegel des Sylbrigen Sees. In diesem „fangen sich“, schrieb Herr Born von Stedtler, des Nachts „die Sterne und scheinen wie auf einer Blumenwiese aus dem Boden zu leuchten“, weshalb „man die Umgebung von Koschtal auch als Sternental kennt“ (KK 35).
Diesen Namen hörte ich in der Tat ein paar Mal. Immer war dann der See selbst mit seinen unmittelbar angrenzenden Ufern gemeint. Ob das Tal dem PHEx besonders lieb ist und warum, konnte ich nicht herausfinden.
Der Sylbrige See...
So lautet sein Name in Koschtal, Drakfold und dem ganzen Schetzeneck. Gelegentlich schleicht sich einmal ein „Sylberner See“, „Sylbersee“ oder eine ähnliche Schreib- oder Redeweise ein. Woher er seinen Namen hat, wird niemand mehr fragen, der ihn an einem hellen, klaren Praiostag (oder in einer Vollmondnacht, wie man mir sagte) gesehen hat. Ein geputzter Silberteller könnte nicht heller blinken!
Als breiter Bergbach von Nordwesten her kommend, durchfließt die Bodrin den See auf seiner ganzen Länge von rund 20 Meilen. Als Flüsschen verlässt sie ihn an seinem östlichen Ende, um nach weiteren 30 bis 40 Meilen in den Großen Fluss zu münden. An seiner größten Breite dürfte der See an die 10 Meilen messen, jedenfalls wenn man den breiten Auensaum hinzuzählt, der nach langen Regenfällen oder zur Schneeschmelze oft wochenlang unter Wasser steht. Der See ist fischreich und „für seine Klarheit gerühmt“, wie Frau Losiane Misthügel schrieb (KK 25). An den meisten Stellen ist er nur zwischen 1 und 10 Schritt tief, an einigen, vor allem vor der Grafenburg, geht es jedoch deutlich tiefer hinunter. Es soll sogar Lotungen gegeben haben, bei denen das Senkblei den Grund erst mit vielen aneinander geknoteten Schnüren oder gar nicht fand.
... und seine Inseln
Ist der See ein Silberteller, so könnte man seine zwei Eilande als Kuchenstücke sehen. Birn, die größere Insel, liegt etwas näher zum südwestlichen Ufer hin, nicht weit von Hohenbirn, dem Gut der Ritter Grobhand zu Koschtal. Ob Erstere von Letzterem ihren Namen hat oder umgekehrt, oder ob die Götter zusammengerückt haben, was menschlicher Kenntnis nach nie etwas miteinander zu tun hatte, mag einmal an anderer Stelle erörtert werden. Die Insel ist bewohnt, wenn auch höchstens von ein oder zwei Fischerfamilien; ich selbst konnte nur eine einzige Kate erspähen.
Weiter in der Mitte des Sees liegt die kleine Roseninsel, heilige Stätte RAHjas und Liebenden, Verlobten und frisch Vermählten der Region seit jeher ein Begriff. Durch die Beschreibung Herrn von Stedtlers (KK 35) und ihre mehrfache Erwähnung im Zusammenhang mit Prinzessin Iralda von Bodrins Hochzeit erhielt sie neuerdings größere Bekanntheit.
Die Stadt Koschtal
„Koschtal? Das ist doch diese Burg Götterzahn auf dem Fels hoch über dem See!“ Das weiß schon fast jedes Kind, das Bild stand oft genug im KOSCH- KURIER. Ungefähr stimmt das auch, aber eben nur ungefähr.
Fangen wir mit dem Felsen an, auf dem alles gründet. In Zeiten des Kampfes gegen Pyrdacor schleuderte Angrosch einen Amboss gegen die Drachenbrut, und ganz sicher begrub dieser mehrere Geschuppte unter sich! „Ingerimms Amboss“ heißt daher der steil abfallende Felsen bis heute, und es ist das Ambosshorn, das so weit über den Sylbrigen See aufragt und die Schetzenecker Grafenburg trägt. Bei manchen Koschtalern, vor allem den älteren Angroschim, heißt der Felsdorn bis heute so, alle anderen nennen ihn „Götterzahn“.
Die Stadt Koschtal ist fast gänzlich auf dem Rücken des Ambosses gebaut, jedenfalls die beiden eigentlichen, von Stadtmauern umgebenen Vier-tel „Talstadt“, in der vor allem Bauern wohnen, und „Hangstadt“ mit den Häusern der Zwerge, der zünftigen Handwerker und Kaufleute, mit Markt und Tempelbauten. Natürlich gehören auch die Katen der Fischer und Fährleute am See- und am Bachufer zur Stadt, und auch der jenseits der Bodrin gelegene Weiler Feldhain wird noch dazugezählt.
Steil windet sich der Weg von der Hangstadt das Ambosshorn hinauf bis zur „Burg Götterzahn“. Diese heißt zwar „seit mehr denn 200 Götterläufen offiziell Bodrinstein“ (KK 24), aber es ist selten, dass sie jemand so nennt, kein Koschtaler jedenfalls.
Nicht nur hinterm „Schandplatz“ mit (selten besetzem) Pranger gibt es einen Perainegarten, sondern auch vor und an den Häusern blühen Blumen und sprießen Kräuter, und sei es ein Petrosinellenbusch in einem alten Eimer. Die Spitzgiebel und Erker der Koschtaler Häuser sind sprichwörtlich, sogar als Vergleich für die Nase des Rabbatzmannes mussten sie schon herhalten (KK 22). Gedeckt sind sie meist mit braunroten Ziegeln oder mit silbrigen Holzschindeln, die schon fälschlich für Schiefer gehalten wurden, den es hier aber gar nicht gibt.
Kaum tausend Leute leben in der Stadt, darunter 198 Zwerge, vornehmlich vom Schetzenecker Hügelvolk. Erstaunlich, wenn man bedenkt, wie selten die Angroschim im südlichen Kosch sonst sind.
Wege von und nach Koschtal
Kommt man von Süden und will auf dem Grevensteig bleiben, statt durch Wald, Feld und Hügelland einen weiten Bogen ums Westende des Sees zu schlagen, bleibt einem nichts anderes übrig, als sich an der „Fährstatt“ der gräflichen Fähre anzuvertrauen. Was kein großes Abenteuer ist, denn der große Kahn ist in gutem Zustand, und der See wohl höchstens bei Unwetter eine Gefahr. Es kann allerdings sein, dass man warten muss, bis der Ferge mit seinen Helfern einen Karren oder einen Trupp Reiter übergesetzt hat. Ein ehemaliges Bootshaus bietet aber Schutz vor jeder Witterung.
Eine findige Jungbäuerin hat Erlaubnis zum Verkauf von Schmalzbroten, Milch, sowie einem gewissen Kontingent Bier oder Apfelmost in dem Schuppen, so dass man weder hungern noch dursten muss. Ähnliches gibt es am „Ferthag“, der Anlegestelle unterhalb der Stadt. Von der Fährstatt aus geht südwestwärts ein Weg nach Neuensteinigen, Sitz der nunmehrigen Erbvögtin Efferdane. Der Flecken soll vor allem Umschlagplatz für Holz aus den umliegenden Wäldern sein, und ab und an wird dort ein Pferdemarkt abgehalten, mit Pferden auch aus Neuensteiniger Zucht. Das Neuenstein'ger Bitter, ein helles Praiosbräu, soll – „die rechte Menge genommen“ (KK 28) – allerlei Zipperlein kurieren. (Ich frage mich nur, was die rechte Menge ist!)
Westwärts geht es in zerklüftetes Waldland, wo der Holzfällerort Beilheim liegt und irgendwo „Wurzelzwerge“ wohnen sollen, eine unter Baumwurzeln heimische Zwergensippe, die nicht gern mit Menschen verkehrt – sagte man mir.
Von Beilheim aus kann man dann wiederum, über die Vorstadt „Traviahügel“, Koschtal erreichen. Nordwärts geht es auf dem Grevensteig weiter gen Angbar. Ostwärts geht es über den Sylbrigen See, die untere Bodrin soll allerdings nur noch für Holzfällerflöße befahrbar sein. Am Südufer des Sees liegt das Rittergut Hohenbirn, über das der Weg weiter zum Marktort Hochfeld führt.
Herrschaft über die Stadt
Auch ohne Graf Helkor oder Baron Beregon – für deren Seelen man häufig und innig betet – geht in der Stadt alles seinen gewohnten Gang, denn ihren Alltag lenken Zünfte, Magistrat und Bürgermeister.
Drei goldene Flammen – zwei über einer – auf schwarzem Grund sind das Wappen der Stadt, wobei das Schwarz natürlich Ingerimms Amboss symbolisiert. Die Flammen stellen die Essen der drei Bingen dar, aus denen Koschtal erwuchs, drei erschlagene Drachen, die drei Hauptzünfte Koschtals, die zwergischen und die menschlichen Handwerker in Hangstadt sowie die Bauern in Thalstadt – oder, oder, oder ...
Einstellungen zu Reisenden
Die Koschtaler sind zumeist friedliebend, geduldig, dem Althergebrachten und den gütigen Göttinnen TRAvia und PERaine zugetan, wo nicht INGerimm als solider Handwerker das Sagen hat. Was geschehen mag, wenn man ihren grafenstädtischen Handwerker- und Bürgerstolz verletzt oder sonst auf unkoschere Art ihren Geduldsfaden überspannt... musste ich zum Glück nie erfahren.
Herbergen und Schänken
Wer von Nacht, Nebel oder Unwetter überrascht wird, findet außerhalb der Mauern vor allem in Fährstatt oder Ferthag Unterschlupf. In der Stadt dagegen hat man viel Auswahl, auch wenn es manchmal nur eine Kammer über (oder eine Bank in) einer Wirtsstube ist, die einem als Nachtlager dient. Der vor der Stadt gelegene „Traviahügel“ hat seinen Namen mehr vom Monat, in dem hier das Bierfest stattfindet, als von Gasthäusern. Die eine oder andere Kneipe hat jedoch ganzjährig geöffnet, und einem müden Reisenden wird kein Wirt ein Nachtquartier versagen.
Die »Rosenstube« (auch:»Rosenhaus«, »Rahjas Fährstatt« und dergleichen), ebenfalls außerhalb der Stadt, nimmt vor allem Hochzeiter und andere auf, die zur Roseninsel wollen.
Ich selbst genoss einen guten „Schmiedetopf“ im Wirtshaus »Bagoschs Bäuchlein«, frisches Brot und würzigen Koschtaler Käse in »Barbeschas Backhaus«, gönnte mir praiostags eine gebutterte Seeforelle im »Sylberkarpfen« und schlief ganz hervorragend im Gasthof »Unser liebe Fraue Iralda« (früher: »Bodrinstein«, was schon zu sonderbaren Missverständnissen geführt haben soll). Was jedoch keineswegs die einzigen Wirtshäuser Koschtals sind.
Wer gar nirgends unterkommt, lasse sich den Weg zur »Dicken« zeigen! So heißt nämlich der Turm, in dem das zwergische Geweihtenpaar Burescha und Brogumir vor über hundert Jahren den Koschtaler TRAviatempel einrichtete. Wer dort kein Obdach findet, muss wahrlich Schuld auf sich geladen haben!
Handel und Spezialitäten
Von Frühling bis Herbst bieten die Koschtaler Bauern nicht nur am Markttag feil, was Gärten, Äcker und Wälder im Überfluss hergeben: Kräuter, Beeren, Pilze, Äpfel und Birnen, hier einen Kohlkopf, da ein Bündel Lauch. Das meiste wird gleich aus Korb oder Kiepe verkauft, oft von Kindern oder alten Leuten, die für harte Arbeit zu schwach sind. Erlaubte Plätze für solchen Kleinhandel sind die Türen und Fenster der Talstadt-Häuser, die Stadttore (sofern kein Verkehr behindert wird), natürlich der Zwergenmarkt und der Perainegarten. Am Bootsanleger verkaufen die Seefischer ihren Fang gleich aus dem Kahn heraus.
Meist nur in der Region, in kleinen Mengen aber auch auswärts gehandelt werden das Koschtaler Ambossbier, ein herbes Bräu nach Ferdoker Art, Hopfen sowie der „Koschtaler“, ein kräftiger Käse. Bekannt sind weiterhin die „Drakfolder Drachenbrocken“. Das ist ein hartes Süßgebäck, oft mit Trockenfrüchten und Nüssen, das in Drachenform gebacken und nach dem Auskühlen (und -härten) mit dem Hammer zu Brocken zerklopft wird. Dieses Gebäck bleibt lange schmackhaft und wird gern von Krambolden als kraftspendende Wegzehrung mitgenommen. Ansonsten sind es vor allem Metalle, Gesteine und Schmiedewaren, für deren Qualität Koschtal berühmt ist, denn vom Metallbarren bis zum geschliffenen Edelstein steht alles unter der strengen Aufsicht der Zünfte und des Ingerimm. Holz erhandelt man am besten in Neuensteinigen oder gleich in Beilheim. Den Pferdemarkt von Neuensteinigen habe ich bereits erwähnt.
Tempel und Heilige Orte
Wie zu erwarten, ist ANGrosch-INGerimm der am meisten verehrte Gott in Koschtal und wohl im ganzen Drakfolder Land. Sein uralter Tempel steht in Hangstadt beim Zwergenmarkt, ähnlich wie die Grafenburg auf einem Felsen hoch überm See. Die Koschtaler schwören natürlich darauf, dass ihre ganze Stadt auf „Ingerimms Amboss“ dem Zwergen- und Schmiedegott lieb und teuer ist. Eine Besonderheit ist noch die „Schnitzerkapelle“ der holzverarbeitenden Zünfte.
Gleich nach INGerimm kommt TRAvia. Haus, Heim und die Gebote der Gastlichkeit und gegenseitigen Hilfe sind im Schetzeneck an sich schon heilig. Seit der Zeit Porquids sorgt das hochgeweihte Zwergenpaar Burescha und Brogumir für Koschtal. Da ihnen Porquids Schergen den Bau eines Tempels verwehrten, richteten sie die Heilige Herdstatt in einem leerstehenden Stadtmauerturm, der „Dicken“, ein. Außer ihnen versieht noch eine ganze Schar Novizen und gelegentliche „Gastgeweihte“ den TRAviadienst.
Neben TRAvia steht PERaine. Nicht nur Prinzessin Iralda hat sich der Gütigen geweiht, sondern auch schon um 300 BF Gräfin Perdia Lindgrün. Letztere wird schon seit langem als Heilige verehrt, Erstere ist auf bestem Wege. In der Stadt selbst gilt der Perainegarten als Heiliger Ort. Hier ist auch stets ein Geweihter oder eine Geweihte zu finden, die Anbau und Nutzung von allen möglichen Gartenpflanzen erklären und im Herbst die Pilzernten prüfen. Ein Tempel PERaines befindet sich im Dorf Feldhain beim Orden der »Rosenschwestern«, der neben Kräutern, Obst und Gemüse immer noch seine Rosenstöcke pflegt und Duftwässer herstellt.
So fern und fremd ist hier ja auch die Rosige RAHja nicht! Die Roseninsel ist ihr heilig, und auch die Neuensteiniger Stutenschauen stehen wohl unter ihrem Schutz. In Koschtal kommen RAHja und TRAvia gut miteinander aus, sorgen hier doch beide für treue Liebe, Freude am Leben und Harmonie.
Der alte RONdra-Tempel
»Drachenwacht« fiel in der Priesterkaiserzeit. An seiner Stelle haben nun Gräfliche Spießgesellen und Fürstliche Axtschwinger dort ihr Quartier.
Aber auch PRAios herrscht nicht mehr in Koschtal. Im Zuge des Kirchenschismas, als es zu wahrhaften „Brandreden“ kam, wurde der Tempel des Götterfürsten zerstört. Mehr noch: Nach den Exzessen wurde den Koschtalern „auf zwölf Götterläufe“ untersagt, ihm einen neuen Tempel zu errichten (KK 3). Daran halten sich die Koschtaler – ohne großes Bedauern, glaube ich – bis heute.
Selbst der Visar-Kult fand Anhänger in Koschtal. Inzwischen versehen Trollecker Kalmuniten hier den BORondienst, und gelegentlich tauchen Golgariten auf. Auf Burg Götterzahn soll sich auch noch der Bogen des FIRun-Heiligen Graf Gelphart „Firutin“ von Schetzeneck befinden, freilich nicht offen zugänglich und eher unbeachtet.
Feste und Gedenktage
Alle Koscher Feiertage und die der obengenannten Götter und Heiligen werden in Koschtal begangen, dazu EFFerds Fischerfeste. Die Tage der RAHja sind natürlich vor allem ein Rosenfest, während der „Winterunhold“ ein Drache ist – aus Stroh und Laub, versteht sich.
Besonders zu erwähnen sind der Sankt-Kalmunszug Borongläubiger von Trolleck über Koschtal nach Moorbrück, der vom 15. bis zum 17. Rondra dauert, vor allem aberdas Koschtaler Bierfest am Ersten Markt-und Praiostag im Travia, mit „viel Bier, Zwergenmusik und hügelzwergische[n] Braten“ (KK 22).Aus der Historie um Bosparans Fall wird Koschtal als Garnison erwähnt. Von der alten Zwergensiedlung, die davor bestanden haben soll, ist zumindest oberirdisch nichts mehr zu sehen. Um 667 BF (322 v. Hal) verwüstete der Drache Greing Scharfzahn die Stadt Koschtal gleich zweimal und terrorisierte das Drakfolder Land, in neuerer Zeit nochmals 1015 - 1017 BF (22 - 24 Hal).
Um 900 BF (93 v. Hal) wurde Helkor von Bodrin als Graf gegen die Verschwörerbarone ernannt. Zu diesen gehörte auch Baron Crothin Steinkopf von Drakfold, der 1015 BF (22 Hal) starb. Nachfolger wurde Beregon von Bodrins, Sohn Helkor.
Unterm Wüten des Alagrimm 1027 BF (34 Hal) fielen Baron Beregon und Prinzessin Iraldas Gemahl Throndwig. Im Jahr darauf verschwand Graf Helkor, wohl von Schwermut erdrückt. 1029 BF löste Prinzessin Iralda die Grafschaft Schetzeneck auf und weihte sich gänzlich der Peraine im Dreischwesternorden zu Gôrmel.
Was noch anzumerken ist
Viel gäbe es noch! Allein: der Platz... So seien hier noch einige Sprichworte genannt, in denen Koschtal eine Rolle spielt: „Sitzt die Ratte in der Kammer, haste nichts als Not und Jammer“, geht auf eine Koschtaler Rattenplage und Hungersnot zurück. Ansonsten gilt die Stadt eher als Inbegriff für handwerklichen Wohlstand und Bürgerstolz. „Aufgebläht wie ein Koschtaler Küchlein“ heißt es, aber auch „gesund und blühend wie ein Koschtaler Blumenfenster“, und manch eine markante Nase wird mit dem „Erker eines Koschtaler Krämerhauses“ verglichen.
1 Sie war dem Reisebericht angefügt und wird in einem der nächsten Hefte erscheinen. – Die Schriftleitung.
2 Siehe Kosch-Kurier Nr. 51, S. 17.
Irdisches
Im irdischen Teil des Kuriers (Datei:KK 53 irdisch.pdf) befindet sich eine umfangreiche Quellensammlung, sowie einige Abenteuerideen.