Belagerung mit schlechtem Gewissen
◅ | Rapport bei der Wehrmeisterin |
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Aug um Auge, Salm um Salm | ▻ |
Feldlager vor Bärenstieg, Hesinde 1047 BF
Belagerung mit schlechtem Gewissen
Bibbernd stieg Landvogt Metzel d. J. von Uztrutz von seinem Pferd ab und konnte ein Zähneklappern gerade so verhindern. Mit gerunzelter Stirn sah er kurz zur belagerten Burg Bärenstieg hinauf und dann zum Lager der Belagerer. Auch nur grob über den Daumen gepeilt mochten die Belagerer mindestens 20 zu 1, wenn nicht gar 100 zu 1 überlegen sein. Militärisch gesehen war die Belagerung also eigentlich eine vollkommen klare Sache und die Burg hätte in kürzester Zeit fallen müssen. Metzel hatte, nachdem ihn der Aufruf des Fürsten erreicht hatte, daher auch gehofft, dass, bevor er am Ort des Geschehens eintraf, schon alles vorbei sein würde. Das hätte seinem schlechtem Gewissen äußerst gut getan. Dieses plagte ihn nämlich immens. Es kam ihm vor, als ob er erst gestern, nachdem er durch das Wohlwollen des Fürsten die Regentschaft über Uztrutz übernommen hatte, diesem ein Versprechen gegeben hätte. Nämlich dass er für Ruhe, Frieden und dergleichen einstehen würde. Vor allem in Uztrutz, aber auch im ganzen Kosch. Nach allem, was im Reich, im Fürstentum und in Uztrutz passiert war, war dies dringend notwendig. Dann war der Brief aus Nadoret gekommen und als überzeugter Alttreuer, wenn auch vielleicht in einer anderen Strömung, als in Nadoret vorherrschte, hatte er nicht lange gezögert. Vermutet, es würde sich um eine kleine Sache handeln, die dazu auch noch praiosgefällig war. Stattdessen war er dadurch mit in den Schlamassel verwickelt worden, der nun mit dieser Belagerung seinen Höhepunkt fand. Auch deshalb war er jetzt zur Belagerung nur mit einem recht kleinen Aufgebot gekommen. Sein Beitrag war mit einem Soldknechtbanner und einer Ritterlanze schon vorher recht hoch gewesen. Er hatte auch sämtliche weitere Vasallen, Ritter, ja sogar seinen Knappen nicht mitgenommen. Er wollte, dass so wenige Uztrutzer wie möglich hier seinen Fehler mit ausbaden mussten. Es reichte vollkommen, wenn er alleine büßen würde. Dankbar ließ er sich von einem Bediensteten in sein bereits aufgebautes Zelt führen, wo, hinter doppelten Zeltbahnen, es halbwegs erträglich war. Mehrere Feuerschalen waren mit glühenden Kohlen im Zelt verteilt und gerade eben wurde ein kleiner, transportabler Ofen angefacht. Ein bequemer Scherenstuhl wurde davor aufgestellt, auf dem einige Felle lagen. Metzel setzte sich und legte die Füße auf einen kleinen Hocker direkt vor dem Ofen. Natürlich erst nachdem ihm der Bedienstete die kalten Reitstiefel ausgezogen und warme Pantoffeln und ein weiteres Paar Wollsocken angezogen hatte. Wenig später folgte ein dampfender Hippokras und Metzel bekam langsam sein Frösteln unter Kontrolle. Er hoffte inständig, dass die Belagerung nicht mehr lange dauern würde. Bei solchen Bedingungen waren schwere Krankheiten ja schon fast sicher.