Der Fall der Bilchtrutz
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Der Fall der Bilchtrutz
Weiterer Aufruhr in Wengenholm
BILCHTRUTZ, Efferd 1047 BF. In Teilen der Grafschaft Wengenholm herrscht Unruhe, die Bauern und Bürger lehnen sich gegen den Adel auf. Davon weiß auch Ritter Gilborn Bockling zu berichten. Unser Chronist Konrad Trutzschilfen hat den verstoßenen Sendrich und Burgherrn von Bilchtrutz in einem Koschtaler Gasthaus getroffen und seine Erzählung niedergeschrieben. Im Folgenden drucken wir den wichtigsten Teil davon ab.
Ich fand mich also in der kleinen Kerkerzelle von Burg Bilchtrutz wieder. Bei mir waren noch meine Frau Azila von Borking, unsere drei gemeinsamen Kinder und der alte Brauwin Tälermann, Oberhaupt der gleichnamigen Sippe. Dieser war für mich nach dem Tod meines Vaters auf dem Feldzug gegen den Sphärenschänder Haffax noch mehr Ratgeber und väterlicher Freund als vorher.
Während die Übrigen schliefen, zerbrach ich mir den Kopf darüber, wann und wie das Unglück seinen Anfang genommen hatte. Jetzt, im Nachhinein und nach einem langen Gespräch mit Brauwin, bin ich mir sicher, dass es wohl nach dem Tod meines Vaters begann. Er, Ritter Kuno Bockling, war von den Menschen in und um Bilchtrutz zum Sendrich gewählt worden. Denn sie hatten nie vergessen, wie er sie damals von den Räubern befreit hatte, welche die vorherigen Burgherren getötet hatten.
Nach seinem Tod hatte ich, Gilborn, ganz selbstverständlich sein Erbe angetreten und die Herrschaft über Burg und Sendschaft übernommen. Alle Forderungen von Seiten der Bauern, die Tradition zu achten und erst eine Wahl abzuhalten, hatte ich barsch zurückgewiesen. In den folgenden Jahren wurde diese Forderung häufig wiederholt, doch ich weigerte mich weiterhin. Ich war schließlich von Stand, und Traditionen waren gut und schön, aber ich würde mich doch nicht zu etwas wählen lassen, was mir von Geburt an und gemäß der praiosgefälligen Ordnung der Dinge zustand – so dachte ich zumindest.
Ich hätte auf Brauwin und meine Frau hören sollen. Vergebens hatten diese auf mich eingeredet und versucht, mich zu überzeugen. Mit der Zeit wandten sich die meisten von mir ab, auch die alten Gefolgsleute meines Vaters.
Dann passierte es schließlich. Es war ein unschuldiger Morgen nach einem heftigen Streit, an dessen Ende ich die Sprecher der Sendschaft aus der Burg geworfen hatte. Ich trat in Gedanken auf den Hof und bemerkte, wie leer er war. Gleichzeitig sah ich, dass das Tor weit offen stand und die Zugbrücke heruntergelassen war. Neugierig und leicht verärgert ging ich zum Tor. Da sah ich auch schon den Mob auf mich zukommen, angeführt von den Sprechern der Sendschaft, aber in Begleitung Bewaffneter: Es waren Mitglieder der Munteren Breitäxte, wie ich später erfuhr. Ich selbst trug nur einen Dolch, welcher mehr als Werkzeug beim Essen denn als Waffe taugte, und wandte mich daher zur Flucht.
Ich hoffte noch, den Palas zu erreichen, an meine Waffen zu kommen und ein paar Knechte zu Hilfe zu holen. Doch bevor ich noch die Treppe zum Eingang des Palas erreichte, traten zwei Waffenknechte bewaffnet und gerüstet heraus. Ein kurzer Moment der Hoffnung wurde zu blanker Panik, als ich erkannte, dass die beiden mir keineswegs helfen wollten. Im Hintergrund sah ich dann auch noch einen dritten Waffenknecht. Dieser hatte meine Frau Azila fest im Griff.
Verzweiflung brach in mir aus und ich zog hilflos den kleinen Dolch. Fast gleichzeitig kam von einem der Waffenknechte, aber auch von hinter mir ein Ruf der Warnung: „Ergebt Euch, und es muss kein Blut fließen!“
Nach kurzem Zögern erkannte ich meine Machtlosigkeit und ergab mich. Die Aufrührer hielten Wort und sperrten mich, meine Frau und unsere Kinder ein. Etwas später folgte dann auch Brauwin, der als Einziger leicht verletzt war.
Zwei Tage später trottete ich gen Süden. Ich war bis auf den verdammten kleinen Dolch zum Essen unbewaffnet und trug auch keine Rüstung. Direkt hinter mir folgte meine Frau Azila, ebenfalls zu Fuß, und, auf einem Maultier sitzend, unsere drei kleinen Kinder – vollkommen verstört ob der letzten Tage, in denen ihre Welt ja komplett zusammengebrochen war. Dahinter kamen noch ein jüngerer Knecht und zwei Mägde, die uns die Treue gehalten hatten. Der Knecht führte einen kleinen, einachsigen Eselskarren, auf dem die wenigen ihnen verbliebenen Habseligkeiten verstaut waren. Die beiden Mägde führten einen Ziegenbock und fünf Ziegen am Strick. Das war alles, was mir von meiner recht großen Herde geblieben war.
Wenig später stieß die Tälermannsippe zu uns. Ihnen hatte man erlaubt, zwei Leiterwagen jeweils von zwei Maultieren gezogen mit Besitz mitzunehmen. Alles andere, was uns oder den Tälermanns gehört hatte, war genommen worden. Die „Verhandlung“ war kurz und eher ein schlechter Witz gewesen. Die angeblichen Verbrechen, die uns vorgeworfen wurden, erschienen mir so abstrus, dass ich sie nicht einmal behalten habe. Die Strafe allerdings, die habe ich mir gemerkt: Verbannung und Verlust von fast allem. Dazu die Warnung: Sollte er jemals zurückkehren, dann dürfe jeder Bewohner der Sendschaft ihn körperlich angehen. Mit diesem Er war ich gemeint.
Land-, mittel- und machtlos war mir nichts geblieben, als die Strafe erst einmal hinzunehmen, um wenigstens Leib und Leben der Meinen zu retten. Ich würde das Ganze sicherlich nicht auf sich beruhen lassen, aber zuerst musste ich schauen, wo wir unterkommen konnten. Die Nächte waren jetzt schon ordentlich kalt, und lange würde es nicht mehr dauern, bis der Winter begann. Daher fasste ich den Entschluss, mich zunächst nach Uztrutz aufzumachen. Dort hatten, soweit ich wusste, meine beiden Schwestern Karima und Rondramea Fuß gefasst. Hoffentlich können sie uns helfen.“
Niedergeschrieben von Kunrad Trutzschilfen
Aus Bilchtrutz erreichte uns inzwischen eine Verlautbarung zu dem Vorfall, welche wir der geneigten Leserschaft nicht vorenthalten wollen (siehe nächste Seite).
Anmerkung der Schriftleitung