Rückkehr eines Helden

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Ausgabe Nummer 24 - Boron 1022 BF

Rückkehr eines Helden

Wie ein wackerer Ritter seine ehemalige Burg besetzt vorfand

Derweilen noch viele unserer tapferen Recken in den Feldlazaretten auf ihre Genesung hoffen oder weiterhin auf Wacht an der Schwarzen Front manches Scharmützel fechten, zog einer der tapfersten vom Heimweh geplagt wieder zurück in den geliebten Kosch, den er vor mehr denn einem Götterlauf verlassen hatte — nur um dort einem wenig traviagefälligem Empfang entgegenzusehen …

Auf seinem Glatzkopfe, den er dem wack’ren Baron von Bragahn gleich zum Andenken an den alten Baron Myros von Metenar geschoren hatte, sprossen wieder erste Stoppeln der Zuversicht. Ein leiser Freudenjauchzer entwich dem wackeren Streiter, als die Fähre über den Großen Fluß von Nadoret kommend an metenarschem Boden anlegte. Sein alter Apfelschimmel tat es seinem Herren gleich und wieherte ob des gewohnten und ersehnten Anblickes im warmen Licht des Spätsommers: der trutzige Turm von Munkelstein — Heimat und Lehen des Ritters Falk seit nunmehr über 15 Götterläufen.

Mit zufriedener Mine stieg der edle Reiter ab, bepackt mit allerlei Andenken an die zahllosen Schlachten und Erlebnisse im Osten. Das wunderlichste aber war ein niederhöllisch gewundenes Horn eines leibhaftigen Daimonen, der den Ritter auf offenem Felde Kopf voran angegriffen hatte und vom Roß stoßen wollte. Doch wehe, das Wesen war bei Falk an den Falschen geraten und hätte nach mehrstündigem Kampfe sicher den Weg zurück in die Verdammnis gefunden, wäre ihm nicht ein untoter Krieger mit einem knorrigen Stock zur Hilfe geeilt und hätte immer wieder die Beschwörungsformel „lat meyn jouten Bock in rou, du Lömmel!“ gerufen. So aber mußte sich der Ritter mit besagtem Souvenir begnügen, als noch weitere Untote aus dem nahegelegenen Dorfe kamen — mit daimonischen Forken und namenlosen Schlegeln bewehrt...

Nun aber war all die Not vergessen, denn das Heim war erreicht, und so rief Falk auch gleich in gewohnter Weise nach seinem geliebten Weib Hopfwide. Doch nicht die gewohnt kräftige Stimme erklang, sondern nur ein leises Wimmern aus einem der unteren Fenster. Wie überrascht war da der Recke, als er seine Frau nicht aus dem Küchenfenster, sondern dem ehemaligen Kerker blickend entdeckte. Auf nicht einmal mehr drei Brocken war die ärmste ausgezehrt.

Der neue Baron hat dich abgesetzt, grad‘ als du aufgebrochen warst (vgl. die Nr. 18, Seite 10 dieses Journals) und der Schrulle Fabiola von Mehring unser liebes Heim zum Lehen gegeben. Ich wollt’ sie mit dem Teppichklopfer vertreiben, da hat sie mich in den Kerker gesteckt. Nun sitzt die falsche Drachin oben in unserer guten Stube und trinkt dein gutes Bier“, klagte Hopfwide.

„Potzbaduarnochmal! Mein Bier! Meine Burg! Mein Weib! Diese Schurkin soll mich kennenlernen!”

Entschlossen und voller gerechtem Groll trat der Ritter nochmals vor sein Tor und rief die neue Bewohnerin. Nach einer gehörigen Weile trat die junge Dame ans Fenster: „Da seid Ihr ja endlich, Ex-Ritter. Tja, da habt Ihr wohl Pech gehabt, aber Munkelstein gehört nun wieder seinen angestammten Besitzern1. Aber ich bin so nett, und will Eurer guten Hopfwide noch einige Zeit Wohnrecht gewähren“, lachte sie, und es klang fürwahr scheel.

Oh, was zeterte da der wackere Falk. Gar öfter als er zählen konnte rannte er fluchend um den Turm, so daß er gar nicht merkte, wie ein kleiner Knabe an seine Seite trat. Es war Metzel von Uztrutz, Erbe des Barons Ontho und neuer Knappe des Ritters (vgl. Ausgabe 21, Seite 2 dieses Journals), der bislang beim Händler Ratzenbold Unterschlupf gefunden hatte. Gemeinsam erdachten beide des Nachts in der Schenke „Rotfuchs“ eine List, die auch gleich in die Tat umgesetzt wurde.

Der Junge klopfte noch vor Morgengrauen beherzt mit einem dicken Ast an die Tür, so daß die Junkerin aus dem Schlaf gerissen wurde und aus dem Fenster zu zetern begann. Indessen band der Ritter ein Seil an das Kerkerfenster und zog die morschen Gitter mit Hilfe seines Rosses leichter als erwartet heraus. Beim zweiten Versuch hatte er das richtige Fenster erwischt, und Hopfwide entkletterte mühsam ihrem Gefängnis, ohne auch nur einmal steckenzubleiben, so mager war sie geworden...

Das Ziel also hatte Falk erreicht: sein Weib war wieder an seiner Seite. Das sollte aber nur der erste Schritt gewesen sein. Nicht eher zu weichen, bis er wieder in seinem Türmlein wohnen würde, hat sich der Ritter geschworen — und er scheint es durchaus ernst zu meinen. Inzwischen hat er neben dem Turm Munkelstein eine windschiefe Hütte zur Zwingburg ernannt und mit Hopfwide, Metzel und dem Roß bezogen. Auch daß er nach der Entlehnung kein Handgeld des Barons mehr erhält, schreckt ihn nicht, erfreut er sich (im Gegensatz zur popanzigen Junkerin) doch derartiger Beliebtheit bei den Siebentalern, daß sie den Ritter reich mit Speis und Trank versorgen. Wer die Sturheit des Ritters kennt, wird also eine lange „Belagerung“ der alten Wacht am Fluß erwarten dürfen...

Losiane Misthügel

1 — In der Tat ist der fast vierhundertjährige Turm das Stammlehen der Mehringer auf Munkelstein, die dieses Privileg erst mit ihrer Absetzung als verschlagene Verschwörerbarone verloren.