Einigung im Stippwitzschen Familienstreit in Sicht
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Einigung im Stippwitzschen Familienstreit in Sicht
ANGBAR. Dank der Vermittlung des Fürstlichen Cantzlers, welcher in den vergangenen Wochen und Monaten fast täglich in der Residenz des Stadtvogts ein- und ausging, scheint es nun zu einer Verständigung zwischen den seit dem Tod des alten Meisters Eberwulf miteinander im Streite liegenden Bewohnern des Patriarchenpalais zu kommen.
Wichtigstes Zeichen dafür ist die Zurückziehung der Klageschrift, die Herr Bosper zu Stippwitz, der Reichs-Vogt, jüngst bei der Ratsgerichtsbarkeit gegen seine Stiefmutter Praiodane von Hirschfurten-Stippwitz einreichte, die ihrerseits im Namen ihres kleinen Söhnleins Sighelm vehemente Ansprüche nicht nur auf das Erbe ihres boronseligen Gatten (Herrn Bospers Vaters), sondern gar auf das ganze Handelshaus Stippwitz geltend machen wollte. Zu dieser unerwarteten Wendung in der an das waffenstarrende Gegenüber an der Yaquirgrenze gemahnenden Angelegenheit mag, so vermuten Kenner, nicht zuletzt momentan deutliche Schwäche des Hauses Stippwitz beigetragen haben.
Nicht genug, daß vom jungen Halmar zu Stippwitz, der gen Paavi ausgesandt ward, jede Nachricht fehlt, sein Unternehmen als gescheitert, er selbst und seine Familie gar als verschollen gelten müssen und der jüngste Hoftag des Königs nicht, wie ursprünglich anvisiert, in der Reichsstadt Angbar, sondern der kaiserlichen Pfalz zu Weidleth stattfand. Auch munkelt man, daß der Rat der Zünfte gewiß Jobdan Siebenbeutel, den Gildenmeister der Hut- und Haubenmacher, zum Richter in diesem Falle bestellt hätte — und jener ist nun ein Freund und Spießgeselle des Herrn Odoardo Markwardt, welcher im Rat seit jeher der schärfste Widersacher des Meisters Eberwulf war und mit dessen Sohne um das Vogthut rang.
Dieser Tage nun wird man in der Seestadt über Herrn Markwardts Taten viel Gutes hören. Der Feurigen- und Erz-Kirche gelobt er eine großzügige Spende, sorgte als größter Fuhrunternehmer der Stadt nach dem Ambros-Conventum für die Heimreise aller Geweihter, die dies wünschten, und erwarb gar jüngst gegen viele Beutel Silber die Alte Vogtei. Da der ehemalige Sitz des Stadtherrn auf dem Hügel Bwad zwischen Alt-Angbar und dem Neumarkt lange schon leer stand und gar zu verfallen drohte, sind Alt-Angbars Bürger ihm wohl gewogen. Denn sie sahen’s wahrlich nicht gern, daß in den letzten hundert Jahren nicht allein der Vogt, sondern auch Fürst und Graf ihre Residenzen nach außerhalb der engen Gassen der Altstadt verlagerten. Und wenn’s stimmt, was der Laufbursche aus des Verfasser liebstem Wirtshaus, der ihm tagtäglich Kräftigendes in die Schreibstube liefert, die Spatzen von den Dächern hat pfeifen hören, dann mag sich Herr Markwardt am Ende stark genug fühlen, um im Rat eine Ablösung des Reichs-Vogtes vor der Zeit zu fordern.