Gen Tobrien in Rondras Namen!

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Ausgabe Nummer 21 - Tsa 1021 BF

Gen Tobrien in Rondras Namen!

Seltsam gedämpft drangen die Strahlen der Sonnenscheibe durch die grauen Wolkenberge hinab und tauchten Angbars rote Ziegeldächer in ein merkwürdiges Licht, nicht leuchtend gold und auch nicht von jenem geheimnisvoll verheißenden Silber des Madamals. Richtiggehend schwül war es an, wie ein letzter Gruß des Sommers an diesem Abend im späten Efferdmond des Jahres 28 Hal.

Der Novizin Bolza von Harschburgen, die im schweren und ein ganzes Stück zu großen Kettenhemd Wache stand auf der Tempelplattform hoch über der Stadt, lief der Schweiß vom ledernen Rande ihres Helmes über die Wangen hinab, so daß sie von Zeit zu Zeit den Spieß an den Schildarm lehnen und sich mit der Rechten übers Gesicht wischen mußte. Seit die erhabene Ayla von Schattengrund die Gefolgschaft der Göttin zum Streite wieder den Dämonenmeister gerufen hatte, stand — so war es Brauch, wenn die Kirche in Fehde lag, seit den Tagen Baduars des Ritters — bei Tag und Nacht ein Posten hier droben, auch wenn weit und breit kein Feind zu sehen war.

Zum siebenten oder achten Mal begann Bolza ihren Rundgang. Düster hingen die Wolken über der Reichsstraße, die im leichten Bogen nach Osten strebte, wo Steinbrücken lag und Gareth schließlich, und viele hundert Meilen weiter noch das verlorene Tobrien, wo die Erhabene mit dem guten König und so vielen Helden wider das Böse stritt. Einen Augenblick lang lauscht Bolza, mühte sich, doch etwas von Schwertergeklirr und Kampfeslärm zu vernehmen, die der Wind von den Schlachtfeldern herantragen mochte, doch allzu fern lagen diese von der friedlichen Fürstenstadt des Kosch.

Südwärts schimmerten die Wasser des Großen Grauen. Kein Lüftchen regte sich über dem See, spiegelglatt lag die Oberfläche, die sonst von allerhand Windspielen gekräuselt wurde, die aus den Schluchten des Kosch herangepfiffen kamen. Nur ein einziger flacher Ruderkahn zog eine Spur vom Anleger drunten in Barschensee auf Salzmarken zu.

Gen Westen aber breitete sich unter der Novizin die Stadt aus: die verwinkelten Gassen Alt-Angbars, die einstige Residenz des Vogtes, dahinter der Neumarkt, das Haus der Zünfte, das Patriarchenpalais und die goldene Kuppel von Meister Boquois Tempelhalle, dahinter noch Kruming, das jüngste Viertel, derweilen sich zur rechten die Behausungen der Hügelzwerge in grüne Landschaften aus Wiesen, Blumenbeeten und Gemüsegärtlein schmiegten.

Bolza war im Norden der Stadt angelangt. Nur ein schwaches Flimmern über dem gewaltigen Schlot zeugte von der Ewigen Flamme des Ingerimmtempels, doch wie stets lag der Rauch aus Dutzenden anderer Kamine über dem Schmiedeviertel Inglut. Weiß und grau stieg er auf, schien sich gar mit den tiefhängenden Wolken zu vermischen. Die junge Novizin konnte durch den Dunst kaum die Neue Wehr erahnen, durch die die Reichsstraße die Stadt wieder verließ, durchs Hügelland in die Berge strebend und über den Greifenpaß in den Hinterkosch, nach Nordmarken

Von dort aber klang jetzt ein Hornstoß herüber, ein zweiter noch und ein dritter gar, und schon konnte Bolza das Kalack-Kalack-Kalack der Reiter vernehmen, die über das steinerne Pflaster der Reichsstraße durch die Stadt heransprengten.

Der Schwertbruder Gisbrun Idamil von Wengenholm war’s, dem man so eilends die Tore der Stadt aufgetan hatte, und in seinem Gefolge ritten weitere zehn Geweihte, hinzu ein gutes Dutzend weltlicher Ritter aus Nordmarken und Kosch nebst zahlreichen Waffenknechten (Nicht zuletzt der Spielmann Wolfhardt von Toroschs Aue war darunter, nicht aber des Winhaller Markgrafen Knappe Jallik, denn dessen gestrenger Waffenmeister hatte dem jugendlichen Grafen von Wengenholm die Aventuire strikt verboten.).

„Abgesessen!“ befahl der Schwertbruder kurz, dann eilte er die Stufen der Heldentreppe hinauf, vorbei an Raul und Baduar und den anderen Großen all. In der Tempelburg war alles für die Rückkehr des Hochgeweihten bereit gewesen, so daß es nach Bolzas Meldung nur weniger Kommandos bedurft hatte, um eilends ein geschäftiges Treiben zu entfachen. Inmitten des Trubels aber erwartete die rechte Hand Gisbruns, Xaneis Schwertfrieden, den Zurückkehrten vor der Statue der Göttin, und schlug zur Begrüßung die Faust auf die Brust.

Vier Stunden hernach machten 63 Hände das selbe Zeichen. Das nämlich war die Zahl der Streiter, die im Fackelschein angetreten waren, zum letzten Appell vor der Fahrt ins düstere Tobrien. Beinahe alle Geweihten der Tempel von Angbar und Ferdok waren darunter. Einzig der Zeugwart Bolzer von Stanniz und von Zweizwiebeln, die Stallmeisterin und die Novizenmeisterin mit ihren Schützlingen sollte in Angbar zurückblieben, in der Grafenstadt gar nur die Tempelvorsteherin Anima von Gor (denn jene ward unverhofft von Tsa gesegnet).

Der Fürst selbst war in Panzer und Helm erschienen, hinter ihm seine Söhne, der Cantzler und Meister Halmdahl, der Heer- und Quartiermeister Seiner Durchlaucht. Auch Hochwürden Boquoi war erschienen, und Herr Bosper zu Stippwitz, der Stadtvogt, mit einer ganzen Anzahl honorabler Ratsmitglieder und Zunftvorsteher. Doch fehlten Frohmut und Siegeslust, als Seine Durchlaucht das Defilee abnahm. Kein reinigendes Gewitter hatte mit Donner und Blitz von Rondras Macht gekündet und die Düsternis vom Himmel und aus den Herzen der Kämpen vertrieben. Die Mannen und Frauen, die Herrn Gisbrun aus Gratenfels und Winhall herangeführt hatte, waren vom Ritte ermattet, und hatten doch nur kurze Ruhe gefunden. Für Mitternacht hatte der Schwertbruder den Aufbruch befohlen, obgleich es manchen gab, der es für besser beraten fand, eine Nacht zu verweilen, die den Kämpen Kraft schenken und ein besseres Omen gebären mochte. Nun aber sollten sie reiten. Doch zu leise und zaghaft klang dennoch die Melodie, die die Musikschar der Angbarer Sappeure zum Abschied der Recken auf ihren Pfeifenbälgern blies.

Doch da stieß Herr Gisbrun in Irborad, das alte Horn der Wengenholmer, das er stets an seiner Seite trug. „Voran, voran, die Leuin mit uns!“ rief er — „Für Rondra und den König!“ entgegnete die Schar, und da endlich stimmten die Bürger mit ein. „Hoch!“ und „Heil!“ schrien sie, als die Kavalkade zum Kaisertor hinaus preschte.