Die Geistmark

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Ausgabe Nummer 17 - Hesinde 1020 BF

Unser Kosch (Teil XII) — Die Geistmark

— gebeutelt von Schwarzpelzen und Spukgestalten —

Ein Brief Pamirs, Sohn des Taflir, an seine Mutter in Ferdok, mit Randbemerkungen versehen von Malzan Lichterlohe, Secretarius des Barons von Geistmark und Magister emeritus der Clarobservantia & Phantasmagorica.

Liebes Mütterchen, Du hast mich gebeten, dass ich Dir beschreibe, wie es heute so aussieht in Wangnarorik 1). Ich glaube, es hat sich so manches verändert seit der Zeit, als Grossväterchen hier für seine Braut nach Schätzen suchte. Zwar gibt es immer noch die Baronie der Menschen, die sie „Geistmark“ nennen, aber diese Baronie hat in den letzten Zeiten schwere Schläge hinnehmen müssen.

Meist hängt es damit zusammen, dass die Menschen sich fortwährend um die Herrschaft über ihresgleichen streiten. Erst richteten Zwillingsgeschwister, die beide Baron sein wollten, ihre Ländereien zu Grunde. Dann tobte der Streit um den Kaiserthron durch das Land. Wahrscheinlich hat das ihre Götter so erzürnt, dass sie darauf der Familie der Herrschenden die Kinder versagten, so dass sie ihre Günstlinge zu Erben machten 2), oder, wo Kinder waren, sie durch Katastrophen aus dem Leben rissen 3).

Als der Kaiser vor wenigen Jährchen dem Unglück ein Ende setzen wollte und einen Fremdling als Baron einsetzte 4), verschwand er selbst prompt vom Thron, um den ein neuer Krieg entbrannte. Dieser Krieg lockte die Orken ins Land, die die Geistmark vor wenigen Jahren wiederum hart schlugen, so dass wohl ein Viertel der Menschen hier erschlagen wurde — wahrscheinlich auch der neue Baron — oder in fremde Länder flüchtete 5). Diejenigen, die verblieben sind, bauen sich mühevoll ein neues Dasein auf, doch bereits macht sich erneutes Unheil breit durch einen greulichen Stierdämon, der die Bauern heimsucht.

Du weisst ja, Mütterchen, dass ich hier für einen der Edlen der Menschen arbeite. Dieser Vogt, Kordan von Blaublüten, residiert auf auf der Burg Halmwacht, wo auch ich meine Esse stehen habe 6). Die Burg liegt auf einem Felsbrocken mitten in einem Moor, durch das die Ange fliesst. Darum ist es erschreckend feucht, kalt und neblig hier wie in einer Wühlschrathöhle. Ich habe dem Vogt auch schon vorgeschlagen, einige meiner Vettern herzurufen, um das Land trocken zu legen, aber der Vogt hat kein Gold übrig.

Die Burg selbst ist klein und ziemlich verwahrlost. Nur der runde, hohe Bergfried ist recht beeindruckend — so sehr, dass es der Berater und Magus des Vogts vorzog, statt des traditionellen Turmgemachs einen Raum im Erdgeschoss des Wohntrakts zu beziehen.

Die paar Höfe, die rund um die Burg verstreut liegen, werden „Moorkaten“ genannt und als ein Dorf betrachtet. Die Häuser wandern geradezu, denn alle paar Jahrzehnte sind die Holzpfähle, die sie im Sumpfboden stützen, vermodert und von Holzwürmern zerfressen, und nach jedem Hochwasser sieht das Moor etwas anders aus.

Meine erste Wanderung durch Wangnarorik führte mich zu einem Dorf namens Bauersglück, das liegt mitten in der Heide. Ich sollte auf dem Gut des Vogts hier die Türschlösser überprüfen, aber mich lockte es hierher, weil am Rand des Dorfes einige unserer Brüderchen und Schwesterchen leben. Die Leute auf der Burg wussten mir schon viel zu erzählen vom Mütterchen dieser Sippe, Roglima, der Tochter der Herdra, die unendlich alt und weise sein solle und in jeder Lage Rat zu geben wisse. Nun ja, die Menschen, Mütterchen! Die gute Roglima war kaum viel älter als du 7). Aber es nützt mir sehr, dass sie die Grossen gut kennt und vieles erklären kann, was mir völlig unverständliche Gebräuche sind.

Weitere Angroschim leben am nach Sonnaufgang gelegenen Rand der Baronie: Erzzwerge sind es, eine ausgezogene Sippe der Koschimer, die im Berghirtendorf Bocksloch hausen. Dort suchen sie meist nach Kristallen — Wertvolleres findet man in der Geistmark nicht, wie mir der Vogt klagte. Die Erzzwerge nennen das Dorf übrigens Boklok und behaupten, hier habe vor langer Zeit ein heiliger Platz unseres Volkes gelegen. Hat dir Grossväterchen möglicherweise einmal von so einem Ort berichtet? Der Magus des Vogts fragt mir dazu nämlich Löcher in den Bauch 8).

Ein ganz besonderer Ort ist Xuboschs Brunnen. Hier stehen neun Monolithen mitten in der Heide, und aus dem mittleren, grössten fliesst eine Quelle! Die Leute hier sagen, Efferd und Angrosch hätten dort einem Geoden, der sich im Hochwasser für die Menschen opferte, ein Denkmal gesetzt. Sie glauben, dass Xubosch selbst nach seinem Tode ihnen noch in der Not beistehe — nicht als Ahne, sondern als Geist. Wenn die Geschichte stimmt, könnte Grossväterchen Xubosch wohl noch gekannt haben, denn sein Tod soll sich zur Zeit der Zauberkriege der Menschen ereignet haben.

Mittäglich des Brunnens liegt auf einem Hügel das Dorf Wengerich, von dem die Menschen sagen, es sei das älteste der Baronie, wohl ein Jahrtausend alt. Der Hügel ist vermutlich irgendwann einmal aufgeschüttet worden — vielleicht war es eine Festung der Horasoschim? Möglicherweise verbirgt sich aber noch mehr unter dem Hügel. Die Leute erzählen, dass unter dem Dorfkrug ein verschütteter Keller voller Schätze liege. Ich wollte das nachprüfen, aber die Junkerin Vieska von Wengerich hat es mir verboten, weil das Unheil bringe. Zuletzt habe es einer ihrer Fürsten ausprobiert, um Gold für seinen Kriegszug zu besorgen, aber er wurde besiegt, bevor die Ausgrabung beginnen konnte 9). Wenn aber der vermeintliche Keller die Kammer eines riesigen Hügelgrabes wäre?

Die andern Siedlungen der Baronie will ich dir nur kurz nennen, Mütterchen: Rondrasdank nennen die Menschen die neueste und grösste: Dort am Knie der Ange haben sich einige Hundert vor den Orken in den Schutz fürstlicher Gardisten geflüchtet 10). Storchsklausen war das Heim einiger Priester der Göttin Peraine, bevor die Orken es verwüsteten. Der Vogt trägt sich mit dem Gedanken, es wieder einzurichten. Noch weiss er aber nicht, woher er das Gold dazu nehmen soll 11). Boltansroden ist ein Nest mitten im Wald, wo die Menschen Kohle erzeugen. Bisher war ich noch nicht dort. Erstens mag ich Wälder nicht besonders, und zweitens sagen selbst die Menschen, dass dieser Wald nicht geheuer ist. Unweit von Boltansroden soll es einen Weg geben, der einen unvermittelt in fremde Gegenden führt, des Nachts streichen der Halbe Holzfäller und der Schwarze Praioni um die Bäume, und seit der Niederhöllische Ochse das Land heimsucht, ist höchste Vorsicht angeraten. Auch die letzte Ansiedlung habe ich bisher nicht gesehen, aber Hannos Hof soll auch nicht mehr als ein paar Bauernhöfe in der Heide sein — abgesehen von der nahen Blattlosen Eiche, ein Baum, um den sich wiederum viele Geschichten von Geistern ranken, wie überhaupt die Leute hier den Namen des Landes sehr ernst zu nehmen scheinen.

Nun wird mir aber die Hand schwer, Mütterchen. Du weisst, dass ich den Hammer viele Stunden lang schwingen kann, aber die Feder scheint irgendwie schwerer zu sein. Ich gebe das Pergament jetzt dem Magus, damit er ein Siegel darauf macht und es einem Krambold mit nach Ferdok gibt. Aber das ist sicher nicht mein letzter Brief, versprochen.

Angroschs Stärke mit dir,

dein Pamir


1) Wangnarorik: Zwergisch für „Flussknie“.

2) So geschehen 10 Hal: Baron Derwart adoptiert den Lustknaben Asmodin.

3) Am XII. HES. 13 Hal verschüttete eine Lawine den Vogt und designierten Baron Hilberian, Vater des Duridan von Sighelms Halm, mit seiner Frau.

4) Baron Mihl Halo wurde von SAM Hal 16 Hal eingesetzt.

5) Vor dem Orkenzug lebten wohl 2000 Menschen in der Geistmark, heute sind es etwa 1400. Baron Halo gilt als verschollen. 6) Kordan von Blaublüten und von Sighelms Halm wurde vom Reichsbehüter im Travia 27 Hal zum Baron von Geistmark erhoben.

7) Nach einem amtlichen Census aus dem Jahre 5 Perval ist Roglima, Tochter der Herdra 642 n.B.F. geboren.

8) Hmpf.

9) Fürst Ontho „mit dem leeren Säckel“ griff 202 vor Hal den Baron von Nardesfeld an, wobei er sein Heerlager in Wengerich aufschlug (seine Frau war Baroness von Geistmark). Die Greifenfurter schlugen den Angriff zurück.

10) Ein halbes Banner Fürstlicher Lanzenreiter ist in Rondrasdank als Orkenwacht stationiert. Baron Kordan war vor seiner Ernennung zum Vogt Kommandant der Einheit.

11) Angesichts der Ereignisse in Tobrien hat der Baron diesen Plan aufgegeben und forciert stattdessen die Ausrüstung der Landwehr.

Irdischer Hinweis: Es handelt sich um Teil XII der Serie und nicht um Teil XI. Bereits im Kosch-Kurier 10 gab es eine falsche Zählung, die jedoch im irdischen Teil von Kosch-Kurier 11 korrigiert wurde.