Dämonen auf der Thalessia?

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Ausgabe Nummer 68 - Efferd 1044 BF

Dämonen auf der Thalessia?

Fürst Anshold lädt zur Baduarsnacht

ANGBAR, Praios 1044 BF. Auf besondere Weise pflegt Fürst Anshold die Baduarsnacht zu feiern, wie man im Koscherland bekanntlich die Nacht vom 30. Praios auf den 1. Rondra nennt. Denn an diesem Datum gedenkt man vor allem der Heldentaten des legendären Baduar in der Zweiten Dämonenschlacht.

Dutzende von Kerzen und Fackeln erhellten den großen Saal der Thalessia, und die Rüstungen und Waffen an den Wänden glänzten im tanzenden Schein der Flammen. Die lange Tafel war prächtig geschmückt und bog sich fast unter den Köstlichkeiten, die auf den Wink des Fürsten aufgetragen wurden. Nur Bachenmagen, die Leibspeise seines seligen Vaters, suchte man vergebens. Wer aber waren die Gäste, die Seine Durchlaucht so trefflich bewirtete? Die Offiziere der Fürstlichen Schlachtreiter waren’s, allen voran Alvide von Eichental, die altgediente Obristin. Auch Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm, der Baron der Geistmark, und Halmbart von Herbonia waren der Ladung des Fürsten gefolgt, mit ihm »in den Rondramond zu feiern«.

Üppig war das Mahl mit seinen vielen Speisen, angefangen bei einer klaren Ochsenschwanzsuppe mit Backerbsen, über geräucherten Angbarsch mit Kren und Schweinebäckchen in Dunkelbiersoße bis hin zum krönenden Abschluss: einer gewaltigen Torte aus Nüssen, Sahne und Punipan, die größten Beifall bei den Gästen fand. Zwischen den einzelnen Gängen erfreuten sich die Feiernden an Liedern und Sagen über die Taten Baduars und anderer Helden. Vorgetragen wurden sie nicht von Himrig Sohn des Xorig wie zu Blasius’ Zeiten, sondern von Bardinnen und Troubadouren, die Herr Anshold zu diesem Zweck geladen hatte. Sie alle machten ihre Sache gut, doch das größte Lob gebührte einer Sängerin, die sich Haldane vom Holzweg nannte und in markigen Versen die Schlacht von Brig-Lo besang. So lebhaft malte sie die Stelle mit den Erzdämonen aus, dass manche der Gäste merklich zusammenzuckten, als plötzlich die Tür aufging und drei Gestalten den Saal betraten. Doch bei Praios, es waren keine Monster aus den Niederhöllen, sondern nur die Pagen, die neue Kannen mit Bier hereinbrachten – und sich nicht wenig über die Wirkung ihres Auftritts wunderten. Seine Durchlaucht kommentierten die Szene später mit den Worten: „Dämonen auf der Thalessia dulden wir nur in den Versen begabter Bardinnen und Sänger. Ansonsten möge uns die Herrin Rondra vor solchen Besuchern bewahren.“

So ging der Abend dahin, und als vom Haus der Zünfte der elfte Stundenschlag herüberwehte, begaben sich der Fürst und seine Streiter in die Schlosskapelle, um Frau Rondra zu preisen und in Schweigen und stillen Gebeten den Rest der Nacht zu durchwachen. Wie sich aber im fernen Osten der neue Tag ankündigte, da ließen sie aus voller Brust das „Dir zu Ehren“ erschallen, dass es weit und mächtig durch die Fenster auf den See hinausdrang, wo die Fischer in ihren Kähnen feierlich die Mützen zogen. Wohl dem Lande, dessen Fürst die alten Rittertugenden zu schätzen weiß, die Götter ehrt – und recht zu feiern versteht!

Karolus Linneger