Travien zur Ehr, Ferdok zum Ruhme
Travien zur Ehr, Ferdok zum Ruhme
Das neue Gildenhaus der Brauer wird in der Grafenstadt eingeweiht, die Zunftordnung gesiegelt
Ferdok. Der Herr Ingerimm hat’s gefügt, daß unser schöner Kosch nicht nur reich ist an wackeren Kriegsleuten und aufrechten Herrschaften, sondern wahrlich ein Hort des Handwerks und der Künste, Hesinden befohlen. Weithin bekannt sind die vorzüglichen Waren der Angbarer Schmiede, deren Großteil dem uns verbundenen Volke der Angroschim entstammt. Doch die neben dem Ingerimmschen Werk ist unser Kosch berühmt für eine weitere Kostbarkeit - oder sollte man sagen, Köstlichkeit? Denn über die Grenzen des Landes hinaus kennt man jenes Bier aus der Grafenstadt, das Ferdoker. Wie viele Brauer aber hat es dorten, wo unter den Augen des Vogtes von Plötzbogen ehrbar Handel und Handwerk betrieben wird?
Die große Gilde der Brauer und Wirte gewann in den letzten Götterläufen stetig an Ansehen und auch Zahl in Stadt und Mark, so daß nun endlich der Ehre des Gewerbes Rechnung getragen wird.
Das alte Zunfthaus am Westrande der Stadt, wohl alt und recht, doch eher klein und bescheiden, wird künftig nur mehr den Wirten zustehen, während die Brauermeister der Stadt zur Morgensprache nach dem Marktplatze kommen werden, alsda ihr neues, schöneres Zunfthaus stehet. Das alte Bauwerk, noch aus Rohals Zeiten und daher von sanfter Pracht, ward letztens renovieret und ausgebessert, zur Ehre Ingerimms und der Gilde, die sich gänzlich Ihm verschrieben.
So konnte denn, am letzten Markttage des verronnenen Mondes, der Umzug der Meister in das neue Haus vonstatten gehen. Zugleich aber sollte das gleichfalls neu errichtete Heiligtum Ingerimms, dessen Bau dem Grafen selbst ein Anliegen gewesen war, von den Geweihen eingesegnet und seine Pforten für Mensch und Zwerg aufgetan werden.
Viel Volk drängte sich da in der Perainenfrühe vor dem Tempel des Herrn, und ein jeder trug seinen besten Praiostagsrock. Und groß war der Stolz der braven Bürger, als sie da die vielen Meister der „Zunft von Hopfen und Gerste“, wie die Brauer sich heißen, einherschreiten sahen bis zur vordersten Reihe der Tempelbänke. Denn am heutigen Ehrentage ward’s ihnen vergönnt, am nächsten vor dem Standbilde des alveranischen Schmiedes zu sitzen und als erste den Segen der Prediger zu empfangen.
Seine Hochwürden Roktrix, Sohn des Rolim, beendete die Messe, indem er geweihtes Öl in das Kohlebecken goß, worauf das Feuer hellauf loderte die Halle mit dem Gotte gefälligen Schein und Rauch erfüllte. Und während noch sieben Tempelknaben die kupfernen Gonge schlugen, von denen jeder durch die zwergische Kunst einen anderen Klang von sich gibt, verließ die Prozession mit den feuererroten Fahnen des Gottes die Halle, gefolgt von der Bürgerschaft. Am Portale aber standen bereits die Gesellen der Gilden Spalier, und gemeinsam trugen sie die Zeichen ihres Handwerks hinterdrein.
Vor dem neuen Gildenhause hielt der Zug, und die Menge umgab es in halbem Rund. Links standen die Bäcker und Fleischer, Müller und Fischer, rechts die Tuchmacher, Weber, Tischler, Drechsler und Zimmerleute, und in der Mitten die Grobschmiede, Goldschmiede, Geschmeidemacher, Waffenschmiede, Zinngießer und Harnischer.
Da erklang des Angbarer Herolds Horn, und aus den Fenstern des oberen Stockwerkes klommen drei Gesellen, die entrollten die Fahne der Brauerzunft, und da prangte auf ingerimmgefälligem Rot ein silbernes Faß und zwei Hopfenähren.
Zum zweiten erklang des Herolds Horn, und die Menge teilte sich, denn hoch zu Roß kam herbei der Herr Vogt, Hochgeboren von Plötzbogen selbsten, der jene Ehre keinen anderen hatte übertragen wollen, war ihm die Brauerzunft doch stets die liebste unter allen Gilden der Stadt. Gern nahm er den Gastschluck entgegen, einen mächtigen Humpen besten Bieres, das eigens für diesen Tag gebraut worden war.
Vor der Menge überreichte er dem Zunftmeister Neisbeck den goldenen Schlüssel des neuen Gildenhauses, und unter dem Jubel der Meister und Gesellen und allen Volkes öffnete es dieser.
Da zog der Vogt herfür die neue und vom Grafen gesiegelte Zunftordnung und verlaß sie eigenmündig, auf daß ein jeder sehe und höre, was rechtens und der Obrigkeit genehm.
Darauf brachten Knechte und Mägde nun Körbe mit Broten und Käse und Wurst herbei, und aus den Kellern wurden Fässern gerollt, und eine jede Gilde lieferte das ihre an Speis und Trank.
Über all dem aber glänzte des Herrn Praios Scheibe am Himmel, zum Zeichen, daß das Treiben der ehrbaren Ferdoker den Himmlischen wohlgefällig, und vom nahen Tempel des Gottes ertönte der güldene Gong zur Mittagsstunde. Die Bürger aber tafelten und zechten bis in den Abend hinein, und der hochgeborene Stadtvogt selbst war der eifrigsten einer, was die Feiernden wieder Hochrufe tun ließ, daß der edle Gast ihre Gaben so zu schätzen wußte.
Bestätigung der neuen Gildenordnung
Growin, des Gorbosch Sohn, Graf zu Ferdok, allen Gläubigen beider Völker, welche den gegenwärtigen Brief einsehen, auf immerdar. Es mögen alle wissen, daß wir mit dem Rat des Vogtes Plötzbogen und der Städtischen Ratsherren, sowie der Diener der heiligen Kirche unseres Herrn Ingerimm, auf die Bitte der Ferdoker Brauerzunft die von ihnen neulich in betreff ihres Handwerks zu Nutz und Ehre unserer Stadt aufgerichtete Ordnung genehmigt haben, so daß sie, jeder in seiner Arbeit, besser einkaufen, verkaufen und arbeiten und daß weder einer andern Person noch einer von ihrem Handwerk gestattet sein soll, beim Einkaufen und Verkaufen desjenigen, was anerkanntermaßen zu ihrem Handwerk gehört, ihre Ordnung zu brechen. (Siegel)