Ein Empfang im Palais
◅ | Der letzte Kampf mit Schwert & Schild |
|
Der Meisterschütze des Turniers | ▻ |
Ein Empfang im Palais
An diesem Abend hatten der erst kürzlich von den Ratsherren gewählte Reichs-Vogt einige besondere Damen und Herren ins Patriarchenpalais geladen. Wohl hatte auch er als Kaufmann phexgefällig den Tag mit Bedacht gewählt: denn in Erwartung des morgigen Turniertages und des fürstlichen Gastmahls wandten sich die Herrschaften nicht dem Tanze zu und speisten auch nicht lange. Stattdessen vergnügte man sich bei Riva-Spiel und Würfelei, oder zog sich in die Pfeifenstube zurück.
Wieder spielten Musikanten zum Pläsier auf, doch waren es weder forsche Bläsermärsche noch rasante Tänze als vielmehr poetische Elfenmären (wobei sich der Barde Cappen Desimo hervortat, der doch am Morgen noch den Söldnern derbe Lieder sang), minnigliche Weisen (die almadanischen Canzonen des Jacopo von Bleichenwang) und traurige Balladen (wie sie niemand anderes als die hochgeborene Frau Galana Fay, eine wahrhafte Baronin, mit ihrer lieblichen Stimme sang).
Einer, der ihr gebannt lauschte, war der Baron Merwerd Stoia von Vinansamt, den man doch von seinem Liebesleid geheilt glaubte, nachdem man ihn mit seinem Freund Myros von Metenar und der jungen Baronin Josmene von Garnelhaun scherzen sah. Mit Freifrau Veriya von Tsafelde, einer Freifrau aus dem Gefolge des Landgrafen, hatte der Baron Stoia auf dem Ball sogar getanzt (manch ein Beobachter meinte allerdings, dies nur um die Freifrau nicht abweisen zu müssen). Nun sah man ihn mit trauriger Miene in den Becher Colenaer Weines schauen ...
Abseits der Feiernden stand desgleichen der Baron Nottr Halderlin von Twergentrutz. Die Freunde wiederzusehen, hatte ihn gefreut, doch nicht des Seelenschmerzes entbunden, der auf ihm lastet wie quaderschwerer Koschbasalt. Froh ist er, den weißen Mantel des Ordens tragen zu dürfen, der ihm das Schweigen ermöglicht. Rings herum regiert Rahja, Freude allenthalben ob der bunten Turnei, des großzügigen Fürsten, dem die Junge Göttin ein neues Jahr schenken wird.
So ist der Baron einsam in seiner Trauer, seinem Haß auf jene, deren Tat ihm den Sohn geraubt. So geht es wie in allen Nächten, da Sirana seine Stirn befeuchtet, wenn der Alpdruck seiner Träume ihm den Schweiß aus allen Poren treibt. Fürwahr, Boron straft ihn, straft ihn jede Nacht, verweigert ihm den Schlag, das Vergessen. Und so auch nun, ein letztes Mal.
Er blickte zum Komtur Pergamon von Willbergen, der nicht im Golgariten-Rock erschienen ist. Beinah noch unbewegter verfolgte der Tobrier mit strengem Blick eine Riva-Partie der beiden Kanzler — ihn schienen nie Sorgen zu plagen, doch Trost zu spenden war noch weniger sein Metier.
Währenddessen hatten sich außerhalb des Schlosses in der Schenke „Grevenruh“ unversehens einige Streiter zu einer weiteren Disziplin versammelt, die nicht in den Turnierlisten verzeichnet war. Im Zechen wollten sich der Norbarde Neerjan Sewerski, der Krieger Torben Gorbal (bei dem später noch ungute Erinnerungen an „die Sache in Nostria“ aufkommen sollten) und etliche andere Recken, darunter mehrere Zwerge und der allseits geachtete Ritter Falk Barborn zu Siebental.
Unter den Zuschauern war gar ein leibhaftiger Baron, der feine Herr von Bärenklamm, der es sich nicht nehmen ließ, auf seinen Favoriten einen gehörigen Beutel Silber zu setzen. Wie mußte der Baron da staunen, als sein Wettpartner Igen, Irribanoschs Sohn, als Währung nur Erweiler Wein oder Greifenfurter Pfifferlinge gelten lassen wollte.
Doch Seine Hochgeboren nahm die Wette lachend an — war er sich doch seines Sieges gewiß. Zinkhal, Sohn des Kunhag, war schon am Vorabend aufgefallen — weniger aufgrund seines ständig angesengten Bartes oder der eigentümlichen Sitte, vor jedem Trunk mit seinem Gegenüber die Krüge zu tauschen („Ein alter Familienbrauch“, wie der großgewachsene Erzzwerg jedem ungefragt erläuterte), als durch die Tatsache, daß selbst abgebrühte Trinker wie der berühmt-berüchtigte Kneipier Galosch deutlich weniger vertragen zu schienen als er, ja, manch einer nicht einmal ein Viertel der erwarteten Menge herunterspülen konnte.
So waren am Ende Zinkhal und der aus dem Amboß stammende Dwarusch, Sohn des Bengram, als letzte auf den Beinen verblieben und sprachen nichtsdestominder weiter kräftig dem Biere zu.
Seine Fahrten hätten ihn gar in eine andere Welt geführt, ließ Dwarusch, der bisher allein mit Reden über den „Orden der dreifaltigen Verkünder des wahren Willen Famerlors“ auf sich aufmerksam gemacht hatte, mit schwerer Zunge verlauten. Doch sei es auf seinen Wanderungen stets das größte Abenteuer geblieben, ausreichend flüssige Nahrung von guter Qualität aufzutreiben.
Sein Gegner Zinkhal war dagegen bereits nach dem fünften Humpen ungewöhnlich schweigsam, obzwar er doch die Vorrunde gegen den Krieger Alrik Ruttel grandios für sich entschieden hatte. Schließlich, noch bevor der Kampf entschieden, erhob sich Zinkhal mit einem Mal, griff nach seinem Felsspalter und verkündete fluchend, er werde sich „auf die Jagd nach einem Dieb begeben“.
Wer aber dies sei und was er gestohlen hatte, wollte der Zwerg nicht preisgeben, doch schien ihm dies wichtiger zu sein als der hartumkämpfte Titel des Siegers. Den sprach man Dwarusch zu, der vor Erleichterung die Augen schloß und, wie die Feiernden erst später bemerkten, wohl auf der Stelle einschlief.
Unverhofft mußte nun der Bärenklammer Baron seine Wettschuld zahlen — und stand ohne die richtige Währung da. Hilfreich konnte ihm der schnurrbärtige Nordländer Neerjan Sewerski einspringen, in dem sich — trotz seiner Teilnahme am Wettbewerb — noch der phexsche Geist regte: „Ich viel handeln. Fremde sagen ich schlimmer feilsche als Tulamid, awer nix bescheiße. Du willst haben Beilunker feinste Tabakskraut, Briderchen, ei, Hoch’born?“