Wengenholmer Land im Aufruhr

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Ausgabe Nummer 80 - Efferd 1047 BF

Wengenholmer Land im Aufruhr

Auersbrücker erklären Angenfurten die Fehde

AUERSBRÜCK, Praios 1047 BF. Noch vor Kurzem schaute man im Kosch kopfschüttelnd auf die Vorgänge im benachbarten Garetien, doch nun scheint der Geist des Zwietrachts und der Fehde auch auf unsere Heimat übergegriffen zu haben. Der Krambold Brunhold Eichinger berichtet von den Besorgnis erregenden Ereignissen, welche sich im Auersbrücker Land zugetragen haben:

Ich hatte die Namenlosen Tage in der „Esche“ in Auersbrück verbracht und war gerade dabei, die Stadt zu verlassen. Am Markt und in den Gassen wurde viel geschwätzt, vor allem ging es um die Frage, warum sich der Sendrich Bardo Hangklos von seiner letzten Handelsreise derart verspätete. Als ich am Tor stand und einem der Wächter ein neues Rasiermesser verkaufte, kam ein einzelner Mann mittleren Alters angeritten. Er war gerüstet und bewaffnet, doch seine Ausrüstung hatte auf jeden Fall bessere Tage gesehen. Der Reiter hielt außer Bogenschussweite an und rief: „Ich bin Ferk von Alrichsbaum und habe euren Sendrich in meiner Hand. Am 8. Praios schickt ihr einen Reiter Richtung Rondrasdank mit achthundert Dukaten im Sattel, dann könnt ihr ihn und seine Gesellen wieder haben.“ Sprach’s und wendete sein Ross.

Da war die Stadt natürlich im Aufruhr. Bardos Tochter Daria wollte sogleich mit den „Munteren Breitäxten“ losziehen, doch viele andere hielten dagegen, dass sich die Bande vermutlich in den Ausläufern des Borrewaldes aufhielt und man ihrer wohl kaum habhaft werden konnte. So ging es eine Weile hin und her, doch ich konnte nicht weiter zuhören. Das Ganze war zwar sehr interessant, aber ich wollte am Abend noch Rondrasdank erreichen, also machte ich mich auf die Socken. Man hatte mich zwar im Vorfeld wegen Ferk von Alrichsbaum und anderer Raubritter ermahnt, doch besser in einer großen Gruppe zu reisen oder den Umweg über Angenfurten auf mich zu nehmen, aber Phex war bisher noch immer auf meiner Seite gewesen, und so machte ich mich allein auf den Weg.

Es war am späten Nachmittag, als tatsächlich drei bewaffnete Reiter meinen Weg versperrten. Der eine gab sich als der Raubritter Eberhelm von Treublatt zu erkennen und forderte einen Wegezoll. Erst dachte ich, jetzt geht’s mir ans Leder, aber die beiden wollten tatsächlich nur zwei Heller und ließen mich dann ziehen.

In Rondrasdank wusste man zu berichten, dass es reicheren Leuten nicht so glimpflich ergangen war und daher ein Gutteil des Reiseverkehrs über Angenfurten lief. Graf Jallik hatte bereits in Angbar um Hilfe gebeten, um der Bande Einhalt zu gebieten, und so lagen im Gasthaus Traviahilf, dem ehemaligen fürstlichen Kastell tatsächlich die beiden Fürstlichen Schlachtreiter, Bohemund von Falkenhag und sein entfernter Verwandter Holdwin von Falkenhag-Zandor, im Quartier, aber bisher war es ihnen noch nicht gelungen, die Bande unschädlich zu machen. In Rondrasdank argwöhnte man, dass es Zuträger im Dorf und anderswo gebe, die den Raubrittern lohnende Ziele und Gefahren berichteten.

Ich brachte eine Weile in der Umgebung zu. Als ich zwei Wochen später nach Rondrasdank zurückkehrte, wimmelte es dort nur so von Waffenvolk. Die Wehrmeisterin hatte das Banner Sappeure aus der Stolzenburg abkommandiert, um Wagenzüge zwischen Rondrasdank und Auersbrück vor Raubrittern zu schützen. Scheinbar zog die Truppe alle paar Tage von einem Dorf ins andere und gewährte Reisenden Geleitschutz. Von den vogelfreien Rittern war seither nichts mehr zu sehen gewesen. Darüber hinaus hatten die Leute der Wehrmeisterin einen Späher der Vogelfreien aufgegriffen. Der Halunke hieß Asgrimm Angbarer, war selbst gar nicht unter Acht und Bann, doch schon seit 1041 BF als Kumpan Ferks von Alrichsbaum bekannt. Die Rondrasdanker fackelten nicht lange und erhängten den jammernden Gesellen an der Brücke über die Ange.

Das Ganze war drei Tage her, als ich des Nachts von lauten Rufen aufgeweckt wurde. Die Brücke stand lichterloh in Flammen. Trotz aller Bemühungen war sie nicht mehr zu retten. Der Holzbau war mit Pech übergossen und dann angezündet worden. Hinter dem Ganzen steckten sicherlich Ritter Ferk und seine Bande, denn die Leiche des erhängten Spähers war verschwunden. An seiner Stelle hingen die beiden Brückenwachen.

Gleich am nächsten Morgen machte sich ein Auszug der Rondrasdanker gemeinsam mit den anwesenden fürstlichen Truppen daran, die Räuber zur Rechenschaft zu ziehen – aber die waren natürlich längst verschwunden.

Für Fußreisende wie mich gab es einen Kahn, der mich über die Ange bringen konnte, aber für Fuhrwerke blieb nur der lange Umweg über Angenfurten. Ich machte mich tatsächlich auf die Reise. Zum einen wollte ich ohnehin in die Richtung, zum anderen fand ich das alles natürlich äußerst spannend, verdiene ich mir mit diesen Berichten für den KOSCH-KURIER doch ein Zubrot.

Die Zerstörung der Brücke machte aus der Sicht der Schurken durchaus Sinn. Fuhrwerke mussten nun durch Teile des Borrewaldes fahren, um die Ange zu überqueren. Zwar zogen auch die Sappeure nach Angenfurten, um Wagenzügen Geleit zu bieten, aber nicht jeder war geduldig genug, um auf den Geleitschutz zu warten. Einfachen Reisenden wie mir schien außer einem kleinen Wegezoll auch nichts zu drohen. Es waren vor allem Kaufleute mit schwer beladenen Fuhrwerken, die über die unerhörten Wegezölle der Räuber klagten.

In den Dörfern Angenfurten und Angenbrück schien derweil das Geschäft zu brummen. Zwar schimpften die Angenbrücker auf die Angenfurter, denn ihre Brücke war seinerzeit angeblich von Bibern zerstört worden, die die Angenfurter ausgesetzt hatten. Daher fielen natürlich die Brückenzölle weg, während die Angenfurter an der Furt abkassierten. Dennoch profitierten die Angenbrücker auch von der größeren Zahl der Durchreisenden.

Ich verbrachte einige Tage in Angenfurten und machte auch mit so manchem Durchreisenden ein gutes Geschäft. Dabei hörte ich, dass der Auersbrücker Sendrich Bardo Hangklos freigekommen war. Die Auersbrücker hatten vermutlich das Gold zusammengekratzt. Wie aufs Stichwort traf am nächsten Mittag ein großer Wagenzug aus Auersbrück ein. Statt den Sappeuren hatten die Auersbrücker ihre eigenen Söldner in Gestalt der „Munteren Breitäxte“ dabei.

Beim letzten Mal hatten sie freie Durchfahrt durch die Furt erzwungen (siehe KOSCH-KURIER Nr. 79). Diesmal aber wollten sich die Angenfurter nicht überrumpeln lassen. Vom Turm Angenwehr erklangen die Sturmglocken. Bald schon waren zahlreiche Schützen auf dem Turm zu sehen. Ich beobachtete die Szenerie aus einem Stall heraus, in dem ich Zuflucht gesucht hatte.

Die Ritterin Dania von Angenfurten ritt, begleitet von ihrem Gatten Binsbart, schwer gerüstet herbei und forderte Zoll für die Durchquerung der Furt sowie eine Nachzahlung für die letzte Durchfahrt. Angesichts des hohen Wertes der Ladung mit Blutstein und der Unannehmlichkeiten vom letzten Mal forderte Ritterin Dania einen Zoll von sage und schreibe vierhundert Golddukaten. Das würde einem Zoll von fünf Prozent entsprechen. Da schimpfte die Anführerin der Auersbrücker. In Rondrasdank hätte man nur zwei Prozent bezahlt – und die hätten immerhin eine Brücke zu unterhalten. Das hier sei nichts anderes als üble Wegelagerei. Ritterin Dania hielt dagegen, dass es immer schon so gewesen sei und sie ihren Wehrturm zu unterhalten habe.

Die Anführerin der Auersbrücker war die Tochter des Bardo Hangklos. Insbesondere Danias Gatten warf sie böse Blicke zu. Einmal mehr gab es böse Worte. Die Ritterin Dania wurde bezichtigt, mit dem Raubritter Ferk von Alrichsbaum gemeinsame Sache zu machen, was diese natürlich von sich wies. Nur weil ihr Gatte Ferks Sohn sei, habe sie noch lange nichts mit Vogelfreien gemein. Vielmehr sollten sich die Auersbrücker nicht aufführen wie halbstarke Burschen, sondern sich an die göttergefällige Ordnung halten und den Zoll für die Nutzung der Furt zahlen. Nur weil ihre Fracht sehr wertvoll sei, befreie sie dies noch lange nicht von ihren Verpflichtungen.

Einen Moment schien es fast, als würde sie es auf eine Konfrontation ankommen lassen, da winkte die Ritterin Dania, und hinter einer Scheune trat der benachbarte Ritter Ardan von Bärenstieg mit einigen Gefolgsleuten hervor. Da zogen die Auersbrücker von dannen. Den Zoll wollten sie nicht bezahlen, und einen Kampf hätten sie an diesem Tag nicht gewinnen können.

Zwei Tage später jedoch kam ein Reiter und überbrachte einen Fehdebrief

So weit der Bericht des Krambolds Brunhold Eichinger. Den erwähnten Fehdebrief samt Antwort haben wir auf der folgenden Seite abgedruckt.

Wie uns mitgeteilt wurde, gingen eine ganze Reihe von weiteren Fehdeerklärungen von Seiten alttreuer Adeliger an die Sendschaften Auersbrück und Rondrasdank. Diese Schreiben lagen uns jedoch zum Zeitpunkt der Drucklegung nicht vor.

Die Schriftleitung