Von einem Haus und seinem Haus

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Ausgabe Nummer 78 - Phex 1046 BF

Von einem Haus und seinem Haus

Die getreulich erforschte Geschichte von Gneisenhall

WENGERICH, Firun 1046 BF. Der folgende Beitrag wurde von einem Novizen des Angbarer Hesindetempels im Rahmen seiner Ausbildung verfasst und dem KOSCH-KURIER zur Verfügung gestellt. Er schildert unterhaltsam und mit Auszügen aus manchen Quellen den Aufstieg und Fall eines Koscher Junkerhauses sowie dessen Hinterlassenschaft in Form eines Festen Hauses im Wengenholmer Dorf Wengerich. Sein Verfasser, Siopan Samonach, wählte das Thema, da er selbst aus dem Flecken stammt. Unseren treuen Lesern wird der Namebekannt vorkommen: Siopan ist der Sohn unseres festen Mitarbeiters Wengel Samonach, und der Vater glüht denn auch vor Stolz darüber, jetzt auch seinen Nachwuchs in unserem Impressum stehen zu sehen.

Das Geistmärker Dorf Wengerich steht auf einem einsamen Hügel im breiten Tal der Ange. In der Mitte der niedrigen Bauern- und Handwerkerhäuser erhebt sich ein Festes Haus, aus prächtig schimmerndem Gneis erbaut. Gneisenhall wird es darum geheißen. Heute wird es von den Junkern von Wengerich bewohnt, doch erbaut hat es ein Geschlecht, das sich selbst nach seinem Sitz nannte.

Den Ursprung des Hauses Gneisenhall muss man allerdings ein Jahrhundert vor der Erbauung suchen. Seine Geschichte beginnt mit dem Koch Erlbart Holzlöffel, von dem uns die Koscher Chronik der Wina vom Pflögbaume berichtet:

Fürst Halmdahl der Keiler sammelte viele Freunde und Bewunderer um sich am Hofe, doch wenige standen ihm so nahe wie sein Koch. Als Halmdahl einmal nach der Jagd spontan in der Taverne „Hasenjunker“ in Anpforten einkehrte, aß er ein Albuminer Allerlei, das ihn umhaute. Eine Offenbarung der Götter sei es gewesen, erzählte er später oft. Sofort ließ er den Koch aus der Küche kommen, und noch am gleichen Tag verließ der junge Erlbart Holzlöffel seine Heimat Anpforten als Fürstlicher Hofkoch. Der Keiler reiste fürderhin nirgendwo hin ohne Erlbart im Schlepptau. In einigen Historien munkeln übelwollende Schreiberlinge, der Koch müsse wohl der Liebhaber des Fürsten gewesen sein oder ihn gar verhext haben. Doch in Wahrheit lag es einfach an den großartigen Braten und Saucen, die Magen und Herz des Fürsten erobert hatten.

Kein fürstlicher Leibkoch musste je darben, doch Fürst Halmdahl entlohnte Erlbart besonders großzügig. Auch von hochadligen Gästen, die den Hof auf Fürstenhort besuchten, wurde er oft reich beschenkt für die Gaumenfreuden, die er ihnen bereitete (wenn auch Besucher aus dem Lieblichen Feld hinter der Hand mäkelten, mit „feiner Lebensart“ habe diese deftige Küche wenig zu tun). Kaiser Eslam II. selbst überreichte Erlbart einen Satz von drei goldenen Kochlöffeln und regte an, er möge sich doch entsprechend umbenennen.

Bei all dem blieb der Leibkoch bescheiden und hortete seinen Reichtum zwanzig Jahre lang sorgfältig. Als Fürst Halmdahl 734 BF den Thron an seinen Sohn Hardubrandt übergab, sich der Rondra weihte und fürderhin keinen Leibkoch mehr benötigte, verließ auch Erlbart Fürstenhort. Mit seinem Vermögen gründete er ein Handelshaus, das besonders mit Viktualien aus halb Aventurien handelte. Er heiratete und wurde Vater. Seinen ersten Sohn nannte er Phexhilf, und nicht umsonst. Der Gott meinte es gut mit den Holzlöffels und das Haus prosperierte. Im Jahr 806 BF wurde Phexhilfs Sohn Baldur unter die Patrizier Angbars aufgenommen. Es war die Zeit Fürst Onthos mit dem leeren Säckel, eine interessante Zeit für jeden, der Dukaten zu verleihen hatte. So schreibt Burgholdin der Jüngere über den Fürsten im KOSCH-KURIER:

Drei Kriegszüge (gegen die Albenhuser Gräfin, den mächtigen Baron von Nardesfeld, und gar seine eigene Vasallin, die Herrin zum Schetzeneck) sowie zahlreiche kleinere Fehden sorgen dafür, dass oft genug gähnende Leere in den fürstlichen Truhen herrscht. Dennoch spürt die Bevölkerung kaum etwas davon — nicht einmal verlangt der Herrscher einen hören Zehnt, lieber verpfändet er sein eigen Hab und Gut, um seine Krieger auszuzahlen.

Nicht nur Fürst Ontho stürzte sich damals in Schulden. Auch sein Schwager, Baron Rukus von Geistmark, unterstützte die Kriegszüge mit viel Gold, das nicht ihm gehörte, sondern von den Holzlöffels geliehen war. Zweifellos spekulierte Baldur Holzlöffel darauf, dass die Kredite verfallen würden und er mit einem Lehen und Adelsbrief entschädigt würde, sodass er mit seinen größten Konkurrenten, dem Haus zu Stippwitz, gleichziehen könnte. Was sonst sollte es bedeuten, dass er seinen Erstgeborenen „Adelbald“ taufte? Doch Phex und Boron gönnten ihm diesen Triumph nicht. Baldur verstarb 825 BF — ein Jahr bevor Missernten und Hochwasser den Geistmärker Baron endgültig in den Ruin trieben. Der 15-jährige Adelbald konnte jetzt den Traum seines Vaters verwirklichen: Er wurde geadelt und mit dem Junkergut Wengerich belehnt.

Gegeben zu Angbar, am 1. des Phexmondes 18 Bodar II. Im Namen der Zwölfe, Praios voran, gibt Rukus von Sighelms Halm, Baron zu Geistmark, kund und zu wissen: Für seine Verdienste um unser Lehen und die ganze Provinz sei Adelbald, Sohn des Baldur Holzlöffel, in den Adelsstand erhoben als Adelbald vom Holzlöffel, und belehnt mit dem Junkertum Wengerich. Möge er auch fürderhin mit Rat und Tat, mit Mut und Gut zum Wohle unserer Lande wirken und möge ein jeder ihm die gebührende Ehre erweisen, wie er allzeit die Gunst und den Schutz seines Lehnsherrn genießen soll! (Siegel der Geistmark, des Registrargreven und des Grafen vom See, Urkunde aufbewahrt im Fürstlichen Adelsarchiv)

Gewiss war es ein wenig subtiler Tritt ans Schienbein des Gläubigers und Emporkömmlings, dass der Baron den Holzlöffel im Namen des Geschlechts beließ. Lange blieb es aber nicht dabei. Um das Ansehen seines jungen Hauses zu mehren, tat Adelbald, was er konnte. Er gab seine Tochter Baldholde in Knappschaft und arrangierte später ihre Hochzeit mit einem Ritter von Angenbruch, dessen lange Ahnenreihe er beim Namenwägen genau einen Dukaten weniger gelten ließ als das Erbe seiner Tochter. Vor allem aber ließ er den alten Wachturm, der zum Junkergut Wengerich gehörte, abreißen und von 834 bis 840 BF einen schmucken Herrensitz errichten, ein Festes Haus ganz aus glänzendem Gneis. Adelbald taufte den Bau Gneisenhall und übernahm diesen Namen zugleich für sein Geschlecht. Wie er den damaligen greisen Registrargreven Angorm Sohn des Rurix von dieser Änderung zu überzeugen vermochte, obwohl die Tinte seines Adelsbriefs für zwergisches Verständnis noch kaum trocken war, lässt sich leider nicht mehr eruieren. Trotz alledem sah man Adelbald selten auf Gneisenhall. Er war noch ganz Kaufmann und verblieb in Angbar, wie es seine Geschäfte erforderten. Anders Baldholde. Sie bezog das Feste Haus nach der Hochzeit und führte das Leben einer Ritterin nach Rondras Tugenden. Das Buchführen und Erbsenzählen überließ sie einem Kontoristen in der Hauptstadt. Alle ihre Kinder erhielten eine ritterliche Erziehung. Die Erstgeborene Brünnike trat nach der Schwertleihe den Ferdoker Lanzerinnen bei, wo sie im Jahr 888 BF eine fatale Bekanntschaft machte:

Brünnike gab dem Hengst einen Nasenstüber. „Willst du wohl endlich aufhören damit?“, zischte sie. Nale lachte. „Ich sehe, dein guter Rondorkan ist noch so bissig wie eh und je.“ — „Ich würde ihn trotzdem gegen kein anderes Ross tauschen“, entgegnete ihre Kameradin trotzig. Das Knarren der Stalltür unterbrach das Gespräch. Ein junger Mann trat zwischen die Pferdereihen und blickte sich um. Er war großgewachsen und kräftig, mit einem kühlen Blick unter dichten, schattigen Brauen. Obwohl er kaum älter als zwanzig sein mochte, hatte seine Haltung etwas Energisches, ja fast Befehlendes. Brünnike war auf den ersten Blick fasziniert. „Wer ist der Junge?“, flüsterte sie. „Das ist der gräfliche Prinz“, antwortete Nale, „gerade aus Garetien zurück. Hat seine Knappschaft ein Jahr vorzeitig beendet. Man sagt, die Garetier hätten ihm nichts mehr beizubringen gehabt …“ Der Mann hatte die beiden Lanzerinnen unterdessen bemerkt und schlenderte zu ihnen. „Prinzliche Hoheit!“, riefen die beiden zugleich und gingen aufs Knie. „Nicht doch“, lächelte der Prinz, „erhebt euch, meine Damen, und nennt mich bitte beim Namen. Ich bin Porquid.“ Während die Lanzerinnen ein Danke stammelten, streichelte er unwillkürlich die Nase Rondorkans. Der Hengst ließ es sich gefallen, ja schmiegte sich in die prinzliche Hand. „Schau, Nale, Rondo mag ihn“, flüsterte Brünnike. „Hm“, gab diese zurück, „ob das ein gutes Zeichen ist oder nur zwei Schlingel einander gefunden haben?“ (Aus dem Roman „Fall und Aufstieg des Hauses Eberstamm“ von Ingalf Ruttfels)

Von da an gehörte Brünnike von Gneisenhall zum engeren, wenn auch nie zum engsten Kreise Porquids von Ferdok. Sie wurde gräfliche Hausritterin, nachdem ihre Dienstzeit bei den Lanzerinnen abgelaufen war. Ob sie jemals Porquids Liebhaberin war, ist nicht genau festzumachen. Auf jeden Fall war eine neuadelige Junkerin aus dem Hinterland zu unbedeutend für die Ambitionen des fürstlichen und kaiserlichen Usurpators. Nützlich war Brünnike dennoch, auch beim Saustechen war sie vorne dabei. Ihr einziger Sohn — den sie Porquid getauft hatte — hielt sich damals als Knappe im Tross der Belagerer vor den Mauern von Fürstenhort auf. Drei Jahre später fiel Brünnike in der Schlacht am Quellpass gegen die Nordmarken. Porquid von Gneisenhall erbte Junkergut und Handelshaus und folgte seinem Namenspatron so begeistert wie schon seine Mutter. Die Pflichten eines Angbarer Handelsherrn wurden ihm zusehends lästiger, auch wenn das meiste schon seit zwei Generationen in der Hand von Subalternen lag (und dabei an zunehmender Schwindsucht litt). Im Jahr 930 BF verkaufte er schließlich das gesamte Geschäft gegen bares Gold ans Haus Stippwitz.

Doch der Goldsegen sollte ihm nicht lange Freude bereiten. Fünf Jahre später fiel der falsche Fürst Porquid, und mit ihm auch sein Namensvetter und das Haus Gneisenhall. Als Holdwin vom Eberstamm, von Kaiser Perval zum Fürsten gemacht, in Angbar einritt und der Usurpator sich feige davonschlich, stürzte sich Porquid von Gneisenhall in sein Schwert. Seine Frau und Kinder sowie eine Base samt Familie erschienen vor dem Fürsten und baten um Gnade. Der Fürst gewährte ihnen Leben und Freiheit, doch er zog Lehen und Besitz des Hauses ein und entadelte sie. Als Familie Holzlöffel verließen sie die Provinz und zogen nach Gareth, wo sie noch heute leben. Ins Feste Haus Gneisenhall zog eine verdiente Ferdoker Lanzerin ein, ein Findelkind namens Lorinai Tempeltreu, nunmehr Junkerin Lorinai von Wengerich.

Siopan Samonach

Meisterinformationen

Der irdische Teil des Kosch-Kuriers 78 enthält einen Plan des Gebäudes.