Hinterhalt im Borrewald - Eine Botin bringt schlechte Nachrichten

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Belagerungsring vor Bärenstieg (Burg), Firun 1047 BF

Es war ein Tag, den man nur verfluchen konnte. Die Belagerung des Bärenstiegs ging nun bereits in den zweiten Mond und noch immer war kein Ende in Sicht. Die Belagerten saßen im Warmen hoch oben auf ihrer Burg und die Aggressoren im Dienste des Fürsten des Kosch froren sich unten den Arsch ab, wenn sie nicht gerade vom Stand waren und sich in ihren Zelten in Felle gekleidet um die Feuerschalen versammelten. Die einfachen Männer und Frauen der Landwehr und die Soldaten der regulären Einheiten kannten diese Annehmlichkeiten nicht und demzufolge war die Stimmung schlecht und bisweilen gereizt. Die Witterung war an diesen Tagen, im sich seinem Ende zuneigenden Firunmond, besonders unangenehm. Das Praiosmal hatte man bereits seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen. Der Himmel war verhangen von dunklen Wolken, aus denen ständig nasser Schnee fiel. Die Luft war feucht und somit die Unterkleidung eines jeden im Feldlager des Ringes um die Wehranlage klamm. Es war grob etwas nach der Mittagszeit, so genau vermochte man das wegen des düster verhangenen Himmels nicht zu sagen, als eine bis an den Rand der Erschöpfung geschundene Fuchsstute in das Feldlager preschte. Die Reiterin, offenbar eine Botin, denn sie trug weder Rüstung noch mehr als einen Dolch an ihrer Seite, war in einen Wappenrock in den Farben der Sindelsaumer gehüllt und sah wenig besser aus als das Pferd, auf dem sie saß.

Tharnax, der gerade aus dem Gebüsch kam, worin er sich erleichtert hatte, machte einen erschrockenen Satz nach hinten, als das Reittier einen Haken schlug, um unmittelbar vor ihm in die Gasse zwischen den Zelten einzubiegen. Lauthals fluchend reckte er die Faust der Sindelsaumerin hinterher, nur um dann reichlich verdrießlich an sich herunterzuschauen. Der einstmals durch das so angenehm warme Feuer trockene Gambeson und sein Wappenrock waren nun von dunklem Schneematsch besprenkelt und von seinem zu einem dicken Zopf geflochtenen Bart tropfte das dreckige Nass ebenfalls herab. Verärgert sah er der Reiterin weiterhin hinterher und konnte in der Ferne mehr erahnen als erkennen, dass das Pferd vor dem Zelt der Wehrmeisterin zum Halten kam. Hoffentlich waren es wenigstens gute Nachrichten, dachte der Bergvogt von Ârxozim bei sich, das würde ihm seinen Hasensprung und den abbekommenen Schneematsch vielleicht erträglicher machen. Sich mit einer Hand angewidert den Matsch aus dem Bart streifend, stapfte er weiter in Richtung seines eigenen Zeltes. Die polierte Toschkrilkugel, die sein fehlendes Auge ersetzte - eine Kriegsverletzung, die er im Kampf gegen Schwarzpelze oder besser gesagt unter der Folter eines Orkschamanen erlitten hatte -, schmerzte. Sie war kalt und sandte ein unangenehmes Pochen in seinen Kopf. Oh ja, es war ein beschissener Tag.

Kein halbes Stundenglas später platzte ein junger Soldat in das Zelt des Bergvogtes. Tharnax sah verdattert auf, normalerweise kündigten sich die Gigrim immer an, wenn sie etwas wollten. Einfach so hereinplatzen war gar nicht ihre Art. Nun, er war auch kein Edelmann und obendrein vollkommen bekleidet. Und selbst wenn, der Ausruf “bei dem haarigen Arsch des Bergvogtes” erfreute sich unter den Hämmern von Ârxozim einiger Beliebtheit. Innerlich zuckte er die Achseln. Der Junge hätte vermutlich von jedem Langbein von Stand eine Standpauke bekommen, oder schlimmer. “Was gibt es?", fragte Tharnax anstelle dessen und erhob sich in einer schlichten schwarzen Leinenhose und einer Fellweste von seinem Scherenstuhl vor dem Feuerkorb. Die nassen Sachen hingen an einer Leine in der Nähe. “Die Heermeisterin schickt mich”, brachte der Bursche außer Atem hervor. “Sieh an”, antwortete Tharnax mit einem finsteren Lächeln. Die Nachrichten waren also doch nicht so gut gewesen. “Was will sie?” “Es hat einen Überfall im Borrewald gegeben. Unter den Sindelsaumern gibt es Tote. Ihre Hochgeboren, die Wehrmeisterin möchte euch an der Seite der Ferdoker Lanzerinnen zum Entsatz ausschicken”, erklärte der Botenjunge. Der Bergvogt aber nickte. In seinem Kopf griffen schon die kleinen Zahnrädchen ineinander, als er zu planen begann. “Was soll ich der Heermeisterin sagen, Herr?", fragte der Bursche nach, als Tharnax stumm blieb. “Taaaaaalmar”, brüllte Tharnax und sein Gegenüber zuckte sichtlich zusammen. “Bereit machen zum Ausrücken, Ponys und leichtes Gepäck. Es muss schnell gehen.” Von draußen hörte man nur ein zackiges “Jawohl Meister!”, als Antwort, was den Bergvogt abermals nicken ließ. “Ist euch diese Antwort genug?”, fragte der Einäugige den Boten. Dieser nickte zaghaft. “Sagt der Heermeisterin und merkt euch diesen Wortlaut: Wenn der Fürst ruft, dann steht Dumron Okosch an seiner Seite. So war es und so wird es sein. Beim Keiler! Und jetzt raus hier, wenn du mir nicht beim Anlegen meiner Rüstung helfen willst. Ich denke aber, du hast anderes zu tun. Husch!” Mit eingezogenem Kopf rannte der Bursche aus dem Zelt, noch schneller, als er es betreten hatte, und Tharnax schmunzelte. Einen schlechten Ruf musste man genauso pflegen wie einen Guten.

Ein gelehrter Herr hätte den Zeitpunkt, an dem die vierundzwanzig gerüsteten Krieger der stolzen Hämmer von Ârxozim sich auf den Rücken ihrer Ponys in zwei Reihen hinter ihrem Bergvogt versammelten, mit dem Beginn der zweiten Efferdstunde benannt. Die Menschen und Angroschim am Fuße des Bärenstiegs wussten, dass die Abenddämmerung nicht mehr fern war. Eile war geboten. Die Ferdoker Lanzerinnen hatten ebenfalls bereits Stellung eingenommen und die Sindelsaumer Botenreiterin saß auf einem neuen Pferd, einem mageren Apfelschimmel. Sie würde die Soldaten und Krieger führen, damit sie möglichst rasch Entsatz leisten konnten. Tharnax aber wusste, dass ihnen die Zeit weglief. Die Dunkelheit würde hereinbrechen, ehe sie ihr Ziel erreichen würden. Die Hauptfrau der Ferdoker Lanzerinnen, die sich nun auf ihrem Rappen längsseitig zu Tharnax positionierte, war, kurz nachdem der Bote sein Zeit verlassen hatte, zu ihm gekommen, um mit ihm die Eckpunkte des Einsatzes durchzusprechen. Sie hatte ihm auch offenbart, dass die Sindelsaumer offenbar nicht das eigentliche Ziel des Angriffs gewesen waren. Goswine von Garnelhaun führte eine etwa 60 Männer und Frauen starke Einheit ins Feld. Die Wehrmeisterin Alvide von Eichental höchstpersönlich sowie Baron Halmar von Sindelsaum schlossen sich ihnen an. Gemeinsam waren sie ein schlagkräftiger Trupp, doch alle beteiligten Offiziere wussten, dass ihr Weg nicht gemeinsam an ihr Ziel führen würde. Ihnen war klar, dass sie die Nacht ereilen würde, noch bevor sie die notwendige Strecke bewältigt hatten. Kaum mehr vier Kerzen blieben ihnen. Tharnax hatte Goswine frei heraus gesagt, dass er mit seinen Männern zu Fuß weiter durch den Wald marschieren würde, wenn die Dunkelheit hereinbrach. Als Angroschim brauchten die Krieger aus Ârxozim weit weniger Licht, um sich zurechtzufinden, als die Gigrim. Reiten war gefährlich, ein kaum zu kalkulierendes Risiko, aber ein Eilmarsch bei Nacht war nichts, was einen Zwergen schrecken konnte, und keine große Herausforderung. Er bat die Lanzerin, dass sie die Ponys an ihre Pferde banden, um ihnen im Morgengrauen zu folgen. Der Bergvogt hoffte, dann bereits mit ihrer Führerin am Ziel zu sein, sodass die Sindelsaumer dadurch in Sicherheit waren.

Doch diese Gedanken traten sofort in den Hintergrund in Tharnax' Geist, als dem Entsatztrupp eine Kutsche in Begleitung von drei bewaffneten Reitern entgegenkam. Allesamt sahen sie mitgenommen aus. Sie hatten gekämpft. In der Kutsche befanden sich fünf Verwundete, die schnell ins Feldlager gebracht werden mussten, um sie zu versorgen. Am schlimmsten stand es um Junkerin Yolande von Sindelsaum, die Schwester des Barons und Tochter der Heermeisterin. Beide waren sichtbar bestürzt. Während die Gigrim zu dem Reisegefährt eilten und versuchten, mit den Verwundeten zu sprechen, sprach der Bergvogt mit den Berittenen. Neues war aus ihnen aber auch nicht herauszubekommen. Der Hinterhalt war gut geplant gewesen, wurde aber nach einer Salve bereits abgebrochen - vermutlich weil die Auersbrücker nicht unter den Kräften des Zuges waren. Die Angreifer gehörten vermutlich zum Borrewaldbund und bestanden aus mehr als zwei Dutzend Männern und Frauen unter Waffen. Die beschriebene Länge der Strecke, die die Geflohenen zurückgelegt hatten, passte zu der Aussage der Botenreiterin. Die Nacht würde bald hereinbrechen und sie wären noch lange nicht am Ziel. Tharnax drängte schon bald zur Eile und die beiden Adligen hatten ein Einsehen, auch wenn ihnen anzumerken war, dass sie mit der Situation haderten. Doch das fahle Licht des Praiosauges, welches hinter den dunklen Wolken nur zu erahnen war, senkte sich gnadenlos dem Horizont entgegen und so brach man erneut auf. Bis zum Einbruch der Nacht ritt man Seite an Seite durch den immer tiefer werdenden Wald, doch irgendwann begannen die Pferde zu straucheln, immer mehr der Gigrim fluchten, weil sie trotz einiger entzündeter Sturmlaternen in niedriges Astwerk ritten und so hielt man schließlich an. Tharnax drückte Goswine von Garnelhaun, so wie Krieger und Soldaten es besprochen hatten, die Zügel seines Ponys persönlich in die Hände, löste seinen Rucksack samt daran befestigten Schilds vom Rücken seines Tieres und warf sich die Armbrust im Trageriemen über die Schulter. “Möge Angroschs Braut und ihr Sohn uns den Sieg bringen”, stieß der Bergvogt hervor, als er den Unterarm der Frau packte und der Wehrmeisterin und dem Sindelsaumer Baron respektvoll zunickte. “Für den Fürsten”, erwiderte die Offizierin grimmig. Ihr gefiel es ganz und gar nicht, zurückbleiben zu müssen. Das erkannte Tharnax und er verstand sie nur zu gut. Er respektierte ihr Ehrgefühl.

Mit einem “Gortoscha mortomosch!” rief er seine Krieger zu sich und setzte sich dabei den zwergischen Nasenhelm mit der Zierde eines Keilers auf, der einen roten Rückenkamm aus Rosshaar besaß. Stundenglas um Stundenglas marschierten die Angroschim durch den finsteren Borrewald. Vier der Krieger aus Ârxozim trugen herabgedimmte Sturmlaternen an Stangen über der Schulter, um sich des Bodens in ihrer unmittelbaren Umgebung gewahr zu sein. Mehr gestattete ihre Aufgabe nicht. Sie wollten kein Fanal in der Dunkelheit sein und dadurch in einen Hinterhalt geraten. Die Sindelsaumerin, die die Krieger führte, war am Ende ihrer Kräfte und musste zeitweilig von zwei der Angroschim aus Tharnax' Reihen gestützt werden. Ob sie ihren Weg trotz ihres Zustandes und der Dunkelheit fand, wusste der Bergvogt nicht, er hoffte es inständig. Die Botin schien aber erfahren zu sein, denn dann und wann prüfte sie an der Bemoosung eines Baumes die Himmelsrichtung, in der sie voran eilten, leider nicht ohne hier und da Korrekturen vornehmen zu müssen, die der Bergvogt stets mit einem Fluchen quittierte, weil sie unnötige Zeit verloren hatten, aber nicht zuletzt auch, weil er zwar zäh wie Spinnenseide war, jedoch auch keuchte wie ein Auerochse nach vollendetem Akt. Wurde er zu alt, um in voller Rüstung durch den Wald zu rennen? Niemals, sagte er sich und es war auch der Trotz, der ihn vorantrieb. Zu stur, um zu sterben - das hatte sein bester Freund Dwarosch - der Oberst der Eisenwalder- einst zu ihm gesagt, als er ihn halbtot und mit einem Auge weniger aus den Händen der Orks befreit hatte, damals im dritten Orkensturm.

Es war schließlich kurz nach Anbruch der Boronsstunde. Die Müdigkeit steckte allen Angroschim in den Knochen. Ihre Muskeln waren schwer wie Blei von der Belastung und steif von der nassen Kälte, die ihre unerbittlichen Zähne über die vielen Stunden durch jede Schicht ihrer Rüstung und Unterkleidung getrieben hatte. Zarte Strahlen des Madamals stachen durch den aufgrund des Winters lichten Wald, wann immer die Nadelbäume den Laubbäumen wichen, als die Krieger aus Ârxozim ihr Ziel erreichten. Ihre Führerin schleppte sich zu diesem Zeitpunkt kaum noch ansprechbar, wie in Trance vorwärts. Tharnax würde sie für einen Orden vorschlagen. Ihr eiserner Wille und ihre Aufopferung für die Sache mussten belohnt werden.

Plötzlich hörten die Zwerge Kampfeslärm und die Lethargie fiel von ihnen ab wie der Schnee von einem geschüttelten Ast. Tharnax hob die geballte Faust, löste die Schließe seines Fellmantels und ließ ihn samt seines Rucksacks achtlos auf den Boden gleiten. Rasch löste er den Schild und nahm den Kriegshammer aus seinem Ring am Waffengurt. Seine Krieger taten es ihm gleich und wappneten sich leise und so schnell sie konnten. Zwölf der Männer zogen die gewachsten Schutzüberzüge gegen die Witterung von ihren Armbrüsten und luden sie mit einem Spannfuß, die anderen zwölf nahmen ihre wuchtigen Waffen in die Hände. Nur wenige Herzschläge vergingen, bis sich der Zug der Zwerge in Bewegung setzte. In einer lockeren Keilformation liefen sie los und trabten immer schneller, wobei die hintere Reihe die Schützen waren. Die erste würde sich auf ein Knie fallen lassen, sobald man in Schussweite war, so dass die zweite ihre Armbrüste zum Zielen auf ihre Schultern ablegen konnte. Dann erreichten sie die Peripherie des Kampfes.