Hinterhalt im Borrewald - Die Falle schnappt zu

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Irgendwo im Borrewald, Firun 1047 BF

Alphak von Steinklos' Atem verursachte kleine Wolken in der kalten Winterluft. Auch wenn der ehemalige Ritter es nicht offen zeigte, so war er doch ein wenig nervös. Dieser Auftrag war doch etwas anders als die, welche er sonst ausführte, und dazu noch viel wichtiger. Ein Scheitern war keine Option. Bisher war aber alles soweit gut gelaufen. In Alt-Albumin hatte er zu seiner Handvoll Streiter 40 neue Kämpfer anwerben können. Er hatte die Befürchtung gehabt, dass die dortigen Finsterzwerge sein Anliegen verhindern würden, doch solange ein Teil des Geldes in ihre Schatullen floss, schienen diese nicht sonderlich an den Angelegenheiten der Menschen interessiert zu sein. Also hatte Alphak angeworben, was er mit dem Geld der Alttreuen anwerben konnte. Einen Mangel an Männern und Frauen, die bereit waren, für klingende Münze zu kämpfen, gab es in Alt-Albumin wahrlich nicht. So hatte er einige zwielichtige Andergaster, abenteuerlustige Streiter aus dem Svellttal und abgehärtete Greifenfurter in seinen Dienst genommen. Ob es sich dabei immer um fähige Streiter handelte, konnte er selbst nicht genau sagen. Zwar hatte er durch seine Ausbildung und seine Erfahrung in Kämpfen einen gewissen Blick für Krieger, aber er wäre nicht der erste Kommandant gewesen, der die tatsächliche Kampfkraft seiner Mietkämpfer falsch eingeschätzt hatte.

Wen er allerdings sicher nicht falsch einschätzte, war dieser Alrik aus Wengenholm, ein stämmiger Söldnerführer, den er für einen günstigen Preis anwerben konnte. Angesichts dessen zahlreicher Narben war dieser augenscheinlich ein Veteran mehrerer Schlachten und erfahrener Truppenführer. Warum jemand wie er dort am Ende der Welt herumlungerte, wussten wohl nur die Götter. Der Söldnerführer hatte zwölf gestandene Kämpfer mitgebracht, daher hatte Alphak nicht viele Fragen gestellt. Doch der ehemalige Ritter machte sich da keine Illusionen. Diesem Söldnerführer ging es augenscheinlich nur um Silber und falls etwas schief gehen würde, dann wäre er einer der Ersten, die sich absetzen würden. So weit traute Alphak noch seiner Menschenkenntnis. Eigentlich widerstrebte es ihm als früherem Niederadligen, mit Leuten gemeinsame Sache zu machen, die einem ohne zu zögern für eine Handvoll Münzen den Dolch in den Rücken rammen würden. Doch so wie dieser Alrik sich in seine Planung eingebracht und mitgeholfen hatte, den Hinterhalt zu planen, konnte ihn der gesetzlose Ritter auch nicht übergehen. Für diese wichtige Aufgabe hatte er also diesem Söldnerhauptmann die Hälfte der Truppe anvertraut, da er nun mal die beste Wahl für das zweite Kommando war. Nun lauerten sie gemeinsam zu beiden Seiten des Weges im Unterholz oder versteckt hinter den breiten Bäumen. Zufrieden sah Alphak auf seine eigenen Mitstreiter. Diese gaben keinen Laut von sich und warteten fast unbeweglich auf den bald eintreffenden Wagenzug. Der Rest der Männer war nicht ganz so professionell, doch damit hatte der frühere Nimmertrutzer gerechnet. Es waren halt doch keine Gardetruppen.

Er blickte zu einer gebückten Gestalt hinab, die ein Ohr auf den freigeräumten Boden gedrückt hatte und nun angestrengt lauschte. Dieser Kundro Grasmeier war erst vor Kurzem zu ihnen gestoßen und sollte wohl als eine Art Beobachter für den Bund der Alttreuen fungieren. Dies war Alphak ganz recht gewesen, denn der Mann hatte scharfe Sinne und mit der Armbrust schien er auch ganz gut umgehen zu können. Somit würde er eine gute Verstärkung für seine Truppe abgeben. Auf der anderen Seite des Weges war Alrik gerade zu erkennen, der seine Männer nochmal sorgfältig positionierte. Damit schien er wohl Erfahrung zu haben und Alphak nickte anerkennend. Dann wandte er sich zu einem der Seinen um: „Haubenschreier, ist das Loch im Boden auch gut zugedeckt?“ Der so Angesprochene nickte. „Jawohl, Herr von Steinklos, oder ich will nicht mehr Enno genannt werden. Wir haben es gut versteckt und dank dem Schnee würde es wohl nur der Götterfürst selbst sehen. Sobald da ein Wagenrad reingeht, gibt es eine böse Überraschung für den Fuhrmann.“ Alphak nickte zufrieden und das würde nicht die einzige Überraschung werden. Er hatte sich mit den Seinen sehr viel Zeit für diese Falle genommen. Die Vorbereitungen jetzt durch einen solch einfachen Fehler zunichte zu machen, kam nicht in Frage. Die Aufzeichnungen der Alttreuen hatten ihm hierfür auch gute Dienste geleistet. Kundro hob in diesem Moment den Kopf wie ein Wolf und knurrte leise: „Da kommt ein Reiter, wohl ein Späher. Aber der Haupttross kann wohl auch nicht mehr weit weg sein.“ Anschließend zog er sich rasch ins Unterholz zurück. Alphak gab ein Handsignal, das gleich darauf von Alrik beantwortet wurde. Beide Truppen machten sich jetzt bereit, die Falle zuschnappen zu lassen.

Baerwin von Hartsteigs Pferd trabte gemächlich dahin. So mochte der junge Ritter seine Reittiere. Als es darum ging, sich ein Ross von den Sindelsaumern auszuleihen, hatte er sich sofort für das ruhigste Tier entschieden und keinen feurigen Renner verlangt. Bei seinen Reitkünsten würde er nämlich nicht lange auf solch einem Pferd sitzen bleiben. Er wollte schließlich nicht seinen Bruder blamieren, der gerade von seinem Erkundungsritt zurückgekommen war und, nachdem er Meldung gemacht hatte, wieder das Gespräch mit ihm aufnahm. Dabei berichtete Arnulf von Hartsteig ausführlich davon, wie der Ritter Barthalm von Rohenforsten und er im Baduarforst einen großen Hirsch gejagt hatten. Sein jüngerer Bruder machte einen glücklichen Eindruck auf Baerwin und das war alles, was er wissen musste. Er würde diese Neuigkeit so bald wie möglich zu ihrer gemeinsamen Mutter bringen, die sich schon ein paar Sorgen gemacht hatte. Ehrlich gesagt war dies auch der einzige Grund gewesen, weshalb er sich den Sindelsaumern als Führer angeboten hatte. Er kannte die Gegend nur sehr rudimentär, aber die Aussicht, Zeit mit seinem Bruder zu verbringen, hatte gereicht, dass er sich etwas hier über die Gegend informiert hatte. Der Borrewald war ein ziemlich verrufener Wald, doch jetzt, wo alles mit Schnee überzogen war wie Backwaren mit Puderzucker, machte er gar nicht mehr einen solch gefährlichen Eindruck. Außerdem meinte er sich zu erinnern, dass der südliche Borrewald nicht ganz so schlimm war wie der nördliche Teil, welcher bis ins unruhige Albumin reichte. „Und dann haben wir den 10-Ender erwischt. War ein ziemliches Gerenne, aber als er dann mal anhielt, gab er die perfekte Zielscheibe ab. Mit der Armbrust glatter Herzschuss in die Flanke“, erzählte Arnulf aufgeregt weiter. „Moment mal, Brüderchen, 10-Ender? War es nicht gerade noch ein 8-Ender?“, fragte Baerwin schmunzelnd und Arnulf erwiderte: „Es war ganz gewiss ein 10-Ender, das schwöre ich auf den Alten vom Berg.“ „Meinst du jetzt Opa oder den Wintergott?“, erkundigte sich Baerwin und beide mussten erneut laut lachen.

„Aufgepasst, ihr beiden!“, kam es in diesem Moment eindringlich von Arnulfs Knappenherrn, dem zuvor erwähnten Ritter. Barthalm wirkte etwas unruhig und das genügte, um die Gespräche der Brüder zu beenden. „Irgendetwas auffällig, Hauptmann von Rohenforsten?“, erkundigte sich Baerwin und Barthalm fuhr sich mit der Hand über das bärtige Kinn. „Nichts, worauf ich zeigen könnte. von Hartsteig. Aber irgendetwas stimmt hier nicht ganz, das spüre ich in meinen alten Knochen. Nennt es meine Alterserfahrung.“ Von der Spitze des Zuges antwortete nun Yolande von Sindelsaum, Schwester des Barons von Sindelsaum, „Ich denke, was du da meinst, ist nur die winterliche Kälte. Und wenn du nicht deine komplette eiserne Rüstung angelegt hättest, dann wäre es auch nicht so schlimm.“ Sie grinste schelmisch, doch Barthalm hatte keine Augen für die Ritterin und blickte weiterhin angestrengt in das Dickicht des Waldes. Baerwin löste nun den Schild von seinem Rücken und nahm ihn an die Seite. Anschließend packte er die Zügel fester und horchte ebenfalls in den winterlichen Wald. Der alte Veteran hatte irgendwie Recht, hier stimmte wirklich etwas nicht. Es war so ruhig, keine Geräusche des Waldes oder auch nur von Vögeln waren zu vernehmen. Barthalm gab nun das Kommando „Wachsam bleiben, Sindelsaumer!“, welches gleich von den Weibeln der Truppe weitergegeben wurde. „Meint Ihr, wir sollten eine Pause …“

Doch weiter kam Baerwin nicht, denn in diesem Moment gab es ein donnerndes Geräusch und er hörte noch, wie Holz laut splitterte und dann brach. Erstaunt blickte er sich um und erkannte, wie einer der Wagen auf einer Seite abgesackt war und nun langsam kippte. Die Tiere vor diesem Wagen wieherten voller Furcht und sorgten dafür, dass sich die anderen Pferde und Esel ebenfalls erschreckten. Dies genügte, dass Baerwins Ross sich aufbäumte und den armen Ritter augenblicklich abwarf. Glücklicherweise war Baerwin halbwegs geübt, was das Fallen vom Pferd betraf. So konnte er sich einigermaßen unbeschadet abrollen und kam schnell wieder auf seine Füße. Aber dies war nicht das Ende, denn gerade als die Kolonne anhielt, da lärmte es erneut lautstark und der junge Ritter erblickte entsetzt, wie plötzlich zwei Bäume am Wegesrand zu Boden gingen. Direkt vor ihnen donnerte der erste Baum auf den Boden, sodass jener erzitterte, und dann fiel auch schon die zweite Fichte nieder, dieses Mal jedoch auf den letzten Wagen der Kolonne. Mit einem lauten Geräusch barst die Achse des Wagens und der Kutscher wurde von den panischen Tieren von seinem Kutschbock gerissen. Nun war das Chaos perfekt. „Ein Hinterhalt!“, schrie Yolande lautstark, um den angstvollen Lärm von Mensch und Tier zu übertönen. So als hätte man sie gehört, summten die ersten Armbrustbolzen und Pfeile heran. Für Baerwin klangen sie wie zornige Bienen, nur waren sie weitaus tödlicher. Vor ihm wurde die arme Dame von Sindelsaum aus dem Sattel geschossen und er hörte noch weitere Schmerzensschreie. Dann fuhr ein Bolzen mit Wucht in seinen Schild, doch das Geschenk seines Vaters hielt stand, so dass Baerwin nur seinen Schild, durch die Wucht des Aufpralls, hart gegen den Brustkorb gedrückt bekam. Dieser Treffer presste ihm fast die gesamte Luft aus den Lungen, doch dank seinem dicken Gambeson brach er sich wenigstens keine Rippe. Beinahe schon hechelnd holte er wieder Luft und blickte dann eiligst zu seinem Bruder, doch Arnulf fehlte überhaupt nichts. Er war rasch von seinem Pferd gesprungen und zu der armen Yolande geeilt. Nun zog er sie gebückt in die Sicherheit eines der stehenden Wagen. Angesichts ihres schmerzhaften Stöhnens war sie offensichtlich nur verwundet worden, aber ein Pfeilschaft wippte in ihrer Brust.

Einen Augenblick später hörte der Twergentrutzer Ritter einen gellenden Wutschrei. Es war der Sindelsaumer Angroscho und Geschützmeister Marog Sohn des Murgrim. Als er mit ansehen musste, wie der Baumstamm auf den letzten Wagen und damit auf die von ihm so gepflegten Onagerteile stürzte, da war etwas in dem Angroscho entflammt. „Ihr Draxasch Echs! Ihr geschuppte Schlangenbrut!“, brüllte der Ambosszwerg in Angrosch gefälligem Zorn und schwang einen schweren Streithammer, während sein Barthaar in zuckenden Strähnen abstand. „Ich werde jedem Einzelnen von euch dafür den Schädel einschlagen! Kommt her!“ Den Bolzen, welcher bereits in seiner Schulter steckte, schien der Zwerg gar nicht mehr wahrzunehmen, so sehr war seine feurige Wut entfacht. In dem ganzen Chaos behielt jedoch einer einen klaren Kopf. Der Graubärtige von Rohenforsten gab eiligst präzise Befehle wie „Deckung bei den Wagen suchen! Nur auf meinen Befehl feuern! Niemand stürmt los, zusammen bleiben!“ Auch er war mittlerweile von seinem Pferd gesprungen und hatte ebenfalls die Axt zur Hand genommen. Dabei musterte er genau den Waldrand, aus dem die Bolzen geflogen kamen.

Baerwin rechnete nun jeden Moment mit einem Ansturm der unbekannten Angreifer, doch erst mal geschah überraschenderweise nichts. Auch der Beschuss hatte nun aufgehört. Plötzlich ertönte eine männliche Stimme: „Holdana? Holdana Borger, bist du das?“ Eine der Sindelsaumer Waffenmägde hob überrascht den Kopf und rief nach einem kurzen Moment des Zögerns: „Enno Haubenschreier, was soll das? Ich dachte, wir wären immer noch Freunde?“ Nun hörte man im Unterholz einige Geräusche, dann ertönte ein derber Fluch. Holdana, die den Rufer augenscheinlich erkannt hatte, rief erneut: „Ich dachte, du hättest noch etwas Ehre im Leib, Enno. Schließlich warst du Eberhelm von Treublatt ein treuer Waffenknecht und bist ihm sogar wegen deinem Eid in die Gesetzlosigkeit gefolgt. Aber jetzt verhältst du dich ja wie ein gemeiner Straßenräuber, möge Praios' Licht dich strafen, Ehrloser!“ Baerwin war sich nicht ganz sicher, was gerade passierte, aber mit einigen der anderen Sindelsaumer wich er eiligst zu einem der Wagen zurück, so dass sein ungeschützter Rücken von diesem gedeckt wurde. Verwirrt blickte er Ritter Barthalm an, doch dieser schien ebenfalls abwarten zu wollen, was hier noch passierte, denn er gab keinen Angriffsbefehl. Dann ertönte ein lauter Ruf: „Rückzug! Zurück!“ Es gab einiges an Geraschel und Bewegungen im Unterholz, doch nach kurzer Zeit war es wieder mucksmäuschenstill. Barthalm blickte sich um und meinte dann nach einigen Augenblicken nur: „Die Wagen bilden einen Kreis. Verwundete in die Mitte. Waffen weiter im Anschlag!“

Der Söldnerführer Alrik von Wengenholm kochte vor Wut. Er hatte die sichere Beute schon vor Augen gehabt und nun kam einfach so der Befehl zum Rückzug. Was dachte sich dieser ehemalige Ritter nur? Eine solche Gelegenheit ließ man doch nicht aus. Als sie dann wieder am vereinbarten Treffpunkt im Inneren des Waldes waren, fauchte er Alphak von Steinklos derb an. Dieser ließ sich davon jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Stattdessen antwortete er schlicht: „Unser Auftragsziel war hier nicht dabei. Wir sollten die Auersbrücker überfallen, nicht die Sindelsaumer.“ Das sorgte dafür, dass Alrik verächtlich ausspuckte. „Mir gleich, wenn wir dabei abmurksen. Habt ihr die ganzen Wagen gesehen? Da ist sicher ein Vermögen drin.“ Der frühere Ritter von Nimmertrutz verschränkte die Arme. „Mich interessieren die Wagen nur bedingt. Unsere Auftraggeber haben klar gesagt, was sie sich wünschen. Und ein Streit mit den Sindelsaumern gehört nicht dazu.“ Kurz überlegte sich Alrik, ob er es auf einen Zweikampf mit diesem störrischen Ritter ankommen lassen sollte.

Doch dabei gab es nicht viel für ihn zu gewinnen, aber viel zu verlieren, vor allem weil er Alphak nicht richtig einschätzen konnte. Also nahm er wieder die Hand von der Waffe und blickte ihn finster an. „Ihr erhaltet jetzt den Rest eurer Bezahlung“, verkündete der Steinkloser. „Damit endet eure Abmachung mit dem Borrewaldbund. Eine Prämie wird nicht mehr ausbezahlt. Geht wieder eurer Wege, es sei denn, ihr habt Interesse, dem Bund beizutreten.“ Der Söldnerhauptmann sah in die enttäuschten Gesichter der anderen Mietschwerter. Viele schienen von diesem Ergebnis genauso wenig begeistert zu sein wie er. Da begann ein tückischer Plan in seinem Hinterkopf zu reifen. Schnell nahm er seine getreuen Gefolgsmänner zur Seite und begann ihnen eilig zu erklären, was er jetzt plante. Er würde heute wohl noch einige Gespräche führen und versuchen, so viele Söldner wie möglich auf seine Seite zu ziehen. Die Angelegenheit war in seinen Augen noch nicht erledigt und mit etwas von Phexens Glück würde er vielleicht doch noch gut Beute bei diesem Vorratszug machen.