Allzeit unterwegs im Dienste des Bieres

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 22 - Ingerimm 1021 BF

Allzeit unterwegs im Dienste des Bieres

Vom mühseligen Tagwerk der koscher Braugreven

Die garnelblaue Kapuze tief in die Stirn gezogen, die kurzen Beine weit ausholend und in schneller Folge setzend schritt Nirkerts Sohn Ibrak voran. Das letzte Licht dieses Windstages im Phexmond des Jahres 29 Hal tauchte den Horizont hinter den hohen Gipfeln der Koschberge bereits in ein tiefes Purpur, doch er mußte noch weiter voran auf der Greifenpaßstraße, mußte noch diesen Abend den Weiler Dunkelhain erreichen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht hatte er zu lange im „Berggeist“ im Dorf Paßweiser in Ausübung seiner Pflicht verweilt. Schließlich war er im Dienste des Fürsten, der Kultur und des koscher Bieres unterwegs als Braugreve, wie der Zapfhammer mit den Siegeln aller Brauerzünfte und -werkschaften des Kosch bewies.

Endlich, nach gut drei Jahrzehnten der unfreiwilligen Beurlaubung durch des Fürsten Vater hatte Herr Blasius wieder nach ihm gerufen. Es waren allesamt Neider, Panscher und ewig Unzufriedene, die ihn seinerzeit vor verleumdeten: Zu unerbittlich und verbohrt in seiner Dienstauffassung, zu drastisch und grob in seinem Vorgehen sei er. Pah, was wußten die Jungspunde schon von Tradition und gutem Bier, scherte sie selbst das altehrwürdige koscher Reinheitsgebot nicht — oder war ihnen nicht einmal bekannt!

Nun war er aber wieder ein Braugreve. Denn es hatte sich begeben, daß die zwei derzeitigen Amtsinhaber im Süden Ferdoks, respektive gar irgendwo in Thuranien auf Mission weilten, als Berichte von einem unsäglichen Gebräu, hergestellt aus einer dubiosen fremdländischen Frucht namens Jolpe, Angbar erreichten. So blieb der Zunft nichts anderes übrig, als ihn, Ibrak, als einzigen verfügbaren und erfahrenen Braugreven eiligst aus dem Ruhestand zurückzurufen. Und darum befand er sich nun auf dem Weg gen Dunkelhain im Twergentrutzschen, zur Rettung des Rufes der Koscher Biere!

Der „Junkerbronn“ in Heimthal war die erste Taverne gewesen, die er auf seiner Reise besucht hatte. Das Bier war ihm reichlich dünn erschienen, doch hatte die Wirtin Nale Krumbinger gemeint, es sei bestens. Daraufhin hatte er einen Krug über seinen Schemel gegossen, sich die Lederhose mir demselben gründlich eingerieben und daraufgesetzt. Zwei Umdrehungen seines Stundenglases und vier Bierschank später war er aufgestanden und, wie er erwartet hatte, hatte sich der Schemel nicht gemeinsam mit ihm erhoben. So hatte er Frau Krumbinger wegen zu wenig guten Malzes im Biere eine Mahngebühr von 15 Silbertalern auferlegt.

Zur Prinzenkron“ in Angpforten verlief dieser Test gleichsam unbefriedigend und da im „Hasenjunker“ auf der anderen Straßenseite nur Bänke gestanden hatten, hatte er zwei unbescholtene Bürger, wie das Gesetz verlangte, zu seinen Gehilfen ernannt und mit denen aber tatsächlich die Bank einen Moment angehoben.

Der „Hammer“ in Trottweiher war ihm noch aus der guten alten Zeit in bester Erinnerung geblieben war und auch heuer war an der Wirtschaft des Oswald Seelbein nichts auszusetzen gewesen. Im „Feuertopf“ zu Kammhütten war am Biere an sich nichts auszusetzen gewesen. Aber acht Kreuzer — zu dem Preise konnte man auch ein Bier ferdoker Brauart im Phexmond nicht an das Landvolk ausschenken! Noch dazu, da das billigere Hausgebraute sauer war! Das hatte eine weitere saftige Geldbuße bedeutet. Wenigstens ließ es sich „Feuertopf“ gut essen und nächtigen. So war der Greve am folgenden Morgen frischen Mutes bergan geschritten, um noch zeitig zu Mittag “Zum Berggeist” zu gelangen, eine weitere seiner Lieblingstaverne.

Während Ibrak noch über die Ereignisse der vergangenen zwei Tage sinnierte, hatte er bereits die Straße durch Dunkelhain zur Hälfte durchschritten und hielt nun Ausschau nach dem besagten Wirtshaus „Zum Raben“, dem Ziel seiner Reise. Bald darauf erblickte er die Schänke. Auf äußerste Korrektheit bedacht, ernannte der Braugreve wiederum zwei Gehilfen, die ihm bei seiner Aufgabe zur Seite stehen sollten. Zum ersten war dies die Büttelin Frika Göllenstraun, die müde ihre Hellebarde haltend seinen Weg kreuzte und sich unverzüglich bereit fand, Bier zu begutachten.

Der zweite sollte ein Auswärtiger sein. So kam Ibrak jener Rollkutscher, der vor dem „Paßglück“ seine Maultiere ausschirrte. gerade recht. „Wohlan Herr, Ihr seid ein Hinterkoscher will’s mir scheinen?“, fragte er den braven Mann. „Wollt Ihr mir nicht...“ — „Nein, nein, Herr Zwerg“, unterbrach ihn der Kutscher, „ich bin kein Koscher nicht, ich komm wohl aus Tommelbruch.“

„Sag’ ich doch, Ihr seid ein Hinterkoscher,“ räumte Ibrak kameradschaftlich ein. „Nö, kein Koscher, aus Tommelbruch bin ich, das is’ wohl bei Gratenfels“, bestand der wackere Landmann auf seine Herkunft, „und Faßkäse und Rinderwürst’ bring ich nach Angbar.“ Versöhnlich gestimmt besann sich der Sohn des Nirkert. „Wohlan, Mann aus den Nordmarken, ich frage Euch also.…“ — da unterbrach ihn der Kutscher schon wieder: „Nord … was?“

„Jetzt reicht’s, Herr Gra-ten-fel-ser! Mitkommen und Bier trinken sag ich, sonst wird ich verdammt noch mal ungemütlich!” Langsam begann der Zwerg seine Geduld zu verlieren. „Aber ich hab doch kaum noch Kreuzer“, wagte es der Tommelbrucher zu erwidern. „Quatsch, ist alles umsonst! und rein jetzt“, schob ihn Ibrak, zunehmend ungeduldig, in die Schankstube, setzte sich mit seinen zwei Gehilfen und rief lauthals nach dem Wirt.

Eine Weile später kam eine Schankmagd an den Tisch. Noch bevor sie etwas sagen konnte, sprach der Braugreve: „Drei von diesen Jolpen-Bieren für mich, Frau Korporalin und den Herrn Gra-ten-fel-ser. Und sechs Ferdoker, damit wir dieses Jolpen-Gesöff runterspülen können. Und gefälligst schleunig! Los, marsch!”

Wenig später wurden die Krüge gebracht. Die Schankmagd verlangte nach acht Hellern und vier Kreuzern. „Waaaas, seit wann soll ich zahlen? Packt dich, und sag deinem Wirt, daß der fürstliche Braugreve Ibrak, Sohn des Nirkert gerade seine Schänke beehrt und er soll sich gefälligst hier sehen lassen!“ Die Serviertochter nicht weiter beachtend, wandte sich Ibrak seinen Gehilfen zu. „Und nun laßt uns einen ersten Schluck von jenem Jolpen-Bier kosten. Ich erwarte ein verläßliches Urteil, werte Gehilfen.“ Der Angroscho klang unsicherer, da er soeben begonnen hatte, mit einem Finger langsam die leicht grünliche Flüssigkeit umzurühren.

Inzwischen hatte er die Aufmerksamkeit der knapp 20 weiteren Gäste inzwischen vollständig auf sich gezogen, stand wie seine beiden Gehilfen dann aber auf, hob den Krug und nahm einen kräftigen Schluck.

Braugreve © M. Lorber

Ein Augenblick des Schweigens.

Bestimmt drei Schritt weit prustete der Braugreve den Rest des Getrunkenen durch den Saal, die Göllenstraun verzog das Gesicht, während sich der Gratenfelser unter dem Gelächter der übrigen Gäste einen weiteren Schluck genehmigte. Schnell stürzte Ibrak einen Humpen Ferdoker herunter, dann starrte er ungläubig seinen Gehilfen an „Ihr könnt das Zeug … trinken?“

Der Fuhrmann kratzte sich am Kopf und zuckte mit den Schultern: „Nun ja, nicht besonders, aber man kann sich dran gewöhnen und vor allem es ist billig, nur vier Heller …“

„Wie bitte? Du Hinterwäldler, du Dilettant, du … du Gratenfelser! Du bist entlassen! Mach, daß du wegkommst!“ stieß Ibrak den Unglücklichen von seiner Bank und mit „Und du!“, wies er auf einen der lachenden Zecher: „Du bist mein neuer Gehilfe!“

Inzwischen war Jost Lerman, seines Zeichens Wirt des „Raben“ an den Tisch des Braugreven herangetreten. Die Hände unter seiner Schürze wringend stellte er sich vor: „Travia sei mit Euch, werter Meister Braugreve. Ich hoffe zutiefst, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit. Verzeiht meiner Magd und mir, daß wir Euch nicht sogleich erkannten. Natürlich müßt Ihr keinen Heller zahlen. Mögt Ihr vielleicht ein frisch gebratenes Hühnchen kosten?“

Geduldig wartete Ibrak die Worte des Wirtes ab, doch war er wenig versöhnlich gestimmt: „Alles in Ordnung? Vergiften wolltet Ihr mich mit diesem Gesöff! Nur gut, daß dies feine Ferdoker das Schlimmste verhindern konnte. Was denkt Ihr Euch dabei, solche Gülle auszuschenken? Ihr spottet geradezu dem Reinheitsgebot!“

„Nun ja Ihr müßt verstehen“, rang Jost Lerman um Entschuldigung. „Die Jolpenernte letzten Götterlauf war so gewaltig. Und die Bauern konnten all das Zeug gar nicht mehr loswerden — selbst die tobrischen Flüchtlinge mochten die Dinger nicht. Die waren halt ganz günstig, zwei ganze Fuhren, nur zwanzig Eber, wo die Gerste doch so teuer geworden ist. Da sagte mein Weib, die Wide, bevor das Zeug verfault, warum nicht zum Brauen nehmen …“

„Gerstenmalz, Wasser und Hopfen — so heißt’s im Reinheitsgebot, mehr braucht’s nicht für ein gutes Bier! Was Ihr da betreibt, ist der Gipfel an Panscherei!“ Ibrak war außer sich.

„Aber, aber, so versteht doch — es ist doch kein Bier in diesem Sinne. Ich nenn’ es halt Jolpenbräu, nicht -bier“, suchte der Wirt sich zu verteidigen.

„Kein Bier?!“ entgegnete der Braugreve, beständig zorniger werden. „Ja, was ist’s denn sonst? Wein? Schnaps? Seit wann werden die gebraut? Verarschen könnt Ihr einen anderen!“

„Aber, aber, nun setzt Euch doch wieder, trinkt soviel Ferdoker wie Ihr wollt, genießt ein gutes Essen und wenn Ihr wieder geht, wird Euer Geldbeutel gewiß nicht leerer sein — ganz im Gegenteilt”, säuselte einfühlsam der Wirt. Doch war der Zwerg ganz und gar nicht anfällig: „Bestechung! Das ist das Allerletzte! Ihr habt die längste Zeit eine Brau- und Schanklizenz gehabt. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.”

Da nun alle Versuche Josts, die Sache zu glätten gescheitert waren, wurde auch dieser bissig: „Ihr spuckt große Töne, Zwerg! Wer sagt mir eigentlich, daß Ihr tatsächlich Braugreve seid? Ich hab Euch jedenfalls noch nie gesehen.“

„Potzstollenbruch, ich war schon Braugreve, da hat Eures Vaters Vater noch an der Mutterbrust genuckelt. Und dies“, hielt er dem Wirt das Zeichen seines Amts unter die Augen, „bezeugt das im Namens des Fürsten! Und als erstes werde ich dafür sorgen, daß die Jolpen-Brühe …“

Doch wurde Ibrak plötzlich unterbrochen, als sich von links die breite Hand Metzel Brodfolds auf seine Schulter senkte und der zwei Schritt große Koloß ihm mit der anderen den Zapfhammer entwandt: „Jetzt schön brav, Kleiner, und mach’, daste wechkummst; sonst kannste dir deine Knochen zusammensuchen“

Rechts des Zwergen baute sich der kräftige Knecht Bolzer Humpinger auf. Doch trafen diese beiden Burschen (ansehnliche Raufbolde selbst für Wengenholmer Verhältnisse, die so manch’ vorwitzigen Hinterkoscher verwemst und beim Trutzfest vor drei Jahren gar dem — freilich betrunkenen — Ritter Falk von Siebenthal gemeinsam eins aufs Haupt gegeben hatten) nun auf gut fünfzehn Jahrzehnte lange, kompakte sieben Spann Erfahrung Kneipenschlägereien.

Der folgende Kampf war kurz und schmutzig: Während Metzel noch heruntergebeugt zu Ibrak sprach, knallte dieser ansatzlos seinen Schädel an die Stirn des Koloß’ (das Ergebnis eines Aufeinandertreffens von Zwergen- und Menschenschädel ist allgemein bekannt) Noch bevor dessen Hand sein zertrümmertes Nasenbein erreichte, zerschellte zur Zugabe der Bierkrug des Zwergen an Metzels Kopf.

Im nächsten Augenblick drehte sich der Angroschim schon einem Tritt Bolzers ausweichend zur Seite und schlug dem zweiten Dunkelhainer die zu einem Widderkopf verschränkten Fäuste schwungvoll ins Gemächt.

Während jener langsam zusammensackte, folgten zwei weitere Widderköpfe in Magengrube und an die Schläfe und ein weiterer Tonkrug gab seine Existenz an einem Kopf dahin. Doch tatsächlich hatte sich Metzel wieder aufgerichtet und drang mit ungestümen Schwingern auf den Zwergen ein. Der duckte sich indes mühelos unter den Hieben weg und deckte nun seinerseits den Angreifer mit sechs, sieben schnellen und trockenen Leberhaken ein, so daß Metzel nicht einmal mehr zum Luftholen kam, während er erneut einsank und mit Hilfe eines dritten Kruges endgültig schlafen ging.

Indessen hatte Ibrak mit der Linken seinen Zapfhammer geangelt und sah sich kampflustig um. Allerdings schien sich keiner der sonst nie um eine Schlägerei verlegenen Wengenholmer mit dem Braugreven anlegen zu wollen.

Kurz darauf verkündete Ibrak, daß, solange er anwesend sei, ein jeder, der von dem unsäglichen Jolpengesöff vergiftet worden wäre, als Wiedergutmachung soviel gutes Bier trinken könne, wie zur Kur nötig sei. Erstaunlicherweise war jeder Anwesende schon geschädigt worden und im Laufe des Abends trafen noch eine Menge weiterer Versehrter ein. Inzwischen waren auch der Wirt und die beiden Raufbolde gebunden in die Scheune gebracht worden.

Schließlich aber ging das letzte gute Bier zur Neige. Bevor noch jemand auf den Gedanken kam, Jolpenbier zu trinken, beschloß Ibrak, daß es zu vernichten sei. Zunächst aber sollte Jost Lerman selber davon kosten. Drei volle Krüge wurden ihm vorgesetzt. Mit großem Mut gelang es ihm dem Wirt, lächelnd den ersten zu leeren und das Jolpenbier noch anzupreisen. Beim zweiten wurde er merklich blasser wurde. Am dritten nippte er — und warf ihn dann dem Zwergen vor die Füße und sprach selber, daß das Zeug ungenießbar sei.

„Soll er dann doch seine Brühe gerade deshalb selber saufen!“ verkündete Ibrak und ließ den zappelnden Wirt in ein Faß stecken. Das wurde bis zur Hälfte mit Jolpenbier aufgefüllt, mit dem Deckel verschlossen, und dann mit dem Jolpenbier nach draußen geschafft. „Rollt die Fässer die Straße runter!“ gröhlten die rauhen Wengenholmer. Doch der Sohn des Nirkert widersprach: „Nein, nein! Da rollt’s doch nach Angbar. Wollen wir dem Fürsten ein solches Präsent machen? Soll’s doch nach Gratenfels gehen — die mögen dieses Gesöff dort wohl. Also hebt an, die Straße hinauf.“

Dem vermochte niemand zu widersprechen und so wurden die Fässer weit nach Mitternacht von den mit Fackeln — und jetzt Brannt — bewehrten Zechern auf einen Karren gehoben und samt einem fluchenden Wirt im Faß eine halbe Meile die Straße bis zu ihrer Höhe hinaufgebracht, abgeladen und hinuntergerollt. Ein Poltern begleitete die rollenden Fässer. „Obsche de Gurven rumkimmen?” wunderte sich die Büttelin Frika noch — und schon vernahm man ein Rauschen, ein Krachen von Zweigen, mehrere dumpfe Aufschläge und Bersten von Holz, begleitet von einem einzelnen erstickten Schrei in der Dunkelheit.

Die garnelblaue Kapuze tief in die Stirn gezogen, die kurzen Beine weit ausholend und in schneller Folge setzend schritt Nirkerts Sohn Ibrak gen Süden voran. Die Sonne stach ihm unangenehm in den schweren Kopf.

War er zuweit gegangen? Nein. Der Wirt hatte schließlich — der alten Schwarztanne sei Dank — überlebt und schließlich gegen so gut wie alle Braugebote verstoßen. Da sich am Morgen zudem kein Bier mehr in der Schänke befand, hatte der Greve zum Abschied noch Krug und Schild über dem Eingang mit seinem Hammer zertrümmert. Nein, niemand hatte einen gerechten Grund, sich über ihn zu beklagen. Und doch, vermutlich würden es wieder uneinsichtige ertappte Panscher und Kleingeister tun.

Jetzt aber war er Braugreve, im Namen des Fürsten und beschloß sich dessen gerechten Urteil zu stellen und sich sofort zurück gen Angbar zu begeben — sobald er einige wichtige Taverneninspektionen rund um den Angbarer See beendet hätte …