Tsas Gnade — Borons Wille

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Ausgabe Nummer 22 - Ingerimm 1021 BF

Tsas Gnade — Borons Wille

FERDOK. Der 26. Tag des Tsamondes sollte ein denkwürdiger für die Ferdoker Rondrageweihten werden. Schon seit einiger Zeit war es in der Grafenstadt bekannt, daß Schwertschwester Anima von Gor, die Hochgeweihte des Tempels, freudiger Erwartung war.

Als jedoch in der Nacht auf den 26. Tsa hastig ein Diener aus dem Tempel die Hebamme Julika Gansenbirn lauthals aus dem Schlaf rief, war jederfrau und jedermann höchst verblüfft. Dachte man doch, daß die stolze Schwertschwester ihr Kind allein und ohne Hilfe zur Welt bringen würde. So schien es, daß die Geburt beileibe nicht einfach sein würde. Es war freilich aber auch die erste Niederkunft der inzwischen über 40jährigen Frau.

In den frühen Morgenstunden verließ dann aber frohe Kunde den Tempel: Ein Mädchen sei geboren worden und wie die Mutter wohlauf. Allerdings verblieb Julika noch lange im Tempel. Nach der Mittagsstund nahmen erste Gerüchte ihren Lauf: Ein weiteres Kind wollte geboren werden, doch verliefe diese Geburt weitaus schwerer. Es war bereits in den späten Abendstunden, als die Geweihte einen Jungen zur Welt brachte. Gänzlich gesund sei der Knabe, so hieß es. Warum war also zuvor nach einem Medicus geschickt worden?

Anima von Gor, auf dem Felde stark und kampferfahren wie kaum eine zweite im Koschlande, mußte sich im Kindbett geschlagen geben. Bis zum Morgen des 30. Tsa, als Golgaris Schwingen schließlich ihren Schatten über das Haus der Rondra warfen, verweilte Animas Seele noch auf Deren. Den Kindern konnte sie noch selbst Namen geben: Nïam sollte das Mädchen heißen, Dain der Junge. Der Name des Vaters blieb jedoch geheim.

Noch an ihrem letzten Tag bat die Geweihte den Grafen Growin zu sich zu einem Gespräch unter vier Augen. Gewandet war sie wie es sich geziemte, in Kettenhemd, Helm und Umhang und als der Graf ihren Raum verließ, sollen die Augen des wackeren Angroscho feucht gewesen sein.

Kaum eine Stunde später, als Boron Anima von Gor zu sich befohlen hatte, um sie hernach in Rondras Hallen zu geben, verkündete Graf Growin, Sohn des Gorbosch allen Anwesenden, daß er als Pate der Kinder diese zu sich nehmen wolle, auf daß sie in seinem Hause ein Heim fünden und ließ sogleich danach nach der besten Amme rufen, die in Ferdok zu finden sei.

Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Familie derer von Gor, oder die Rondrakirche Ansprüche hinsichtlich der beiden Kinder geltend machen wird.

Derzeit ist das Ferdoker Haus der Leuin — ebenso wie jenes zu Angbar — nahezu verwaist. Nur noch der sechszehnjährige Halmbart und zwei noch jüngere Novizinnen sowie ein alter Tempeldiener hüten das trutzigen Göttinnenhaus. Möge die Erhabene des Tempels im Hinterland denken und einen Ritter der Göttin von dem heiligen Ruf entbinden und von der Front zurück zu seinem Heimattempel befehlen!

Helmbrecht Jolen