Wolfsjagd zu Wengenholm - Die Zusammenkunft

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Angenburg, 1023

Der Efferdmond 1023 nahm seinen Abschied mit einem heftigen Wolkenbruch, der in dicken, schweren Tropfen auf die moosbewachsnen Schindeldächer der Angenburg niederprasselte. Drinnen, im hohen Rittersaal an langer Tafel, saß eine Runde edler Männer bei goldnem Bier und rotem Wein und sprach von alten Zeiten und jenen frohen, rauhen Tagen, die ihnen nun bevorstanden.

Graf Jallik war kürzlich erst aus dem Weidenlande von der Herzogenturnei heimgekehrt und hatte erfahren müssen, daß der Wolf, der sein Lehen heimsuchte, noch immer nicht gestellt war. Im Gegenteil: ein Ödhofbauer aus der Nähe von Zweizwiebeln im Auersbrückschen klagte, daß die Bestie seinen einzigen Pflugstier gerissen hätte. Auf dem Grafensitz vernahm man solche Kunde mit einiger Sorge, denn hieß das nicht, daß der Wolf auch nördlich der Ange sein Unwesen trieb? Oder war’s ein anderes Tier, und das Volk schrieb aus Angst und Aberglauben nur jenem einen Wolfe, den man den Grauen nannte, alle diese Taten zu?

„Gleichwohl, Ihr Herren“, sprach nun der Wengenholmer frohen Mutes, „der Wolf hat seine längste Zeit gehabt, wenn solch wackere und kühne Helden auf die Jagd gehn.“ Denn keine Unbekannten waren seinem Aufruf gefolgt: von Süden aus der Geistmark Baron Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm, ein erfahrener Recke und zudem ein Mitglied des Ordens zur Hanghasenjagd.

In seinem Gefolge befand sich der junge Globerich Bockzwingel auf Bockenbergen, ein hochgeschossener, schlaksiger Blondschopf mit unstetem Blick, der bislang kaum ein Dutzend Worte gesprochen hatte und vielmehr schweigend die anderen Adligen musterte. Den beiden Geistmärkern gegenüber hatte ein hünenhafter Recke Platz genommen, dessen Wams in den Farben der Leuin von Alveran prangte. Lucardus von Hirschingen war’s, der gerade erst aus dem Süden wieder in Rondras Halle zu Wengenholm zurückgekehrt war, um seine Kräfte – wie so oft schon – in den Dienst des Grafenhauses zu stellen; und nichts sprach dagegen, daß ein Gefolgsmann der streitbaren Göttin das Schwert auch einmal mit dem Jagdspieß oder dem Wolfstöter vertauschte. Die Runde schloß ein junger Streiter von gerade einmal zwanzig Sommern. Die stolze Haltung seines Hauptes mit der flammenden Lockenmähne und der smaragdgrüne, offene Blick hätten leicht den Eindruck erwecken können, er erfreue sich vornehmster Herkunft – alleine der rote Bastardbalken, der das Auersbrücker Wappen auf seinem Rock durchkreuzte, sprach das Gegenteil. Mit der Linken tätschelte er einen Jagdhund, der sich zu seinen Füßen räkelte und nach einem Brotkanten schnappte, welcher beim letzten Mahle wohl unter den Tisch gefallen und dort liegen geblieben war.