Entführung des Prinzenpaares - Verfolgungsjagd

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Wengenholm, 1031

Thorben befahl leise abzusitzen. Urion machte er ein Zeichen bei den Pferden zu bleiben und sie zu bewachen. Er ging davon aus, daß am ehesten der Rittmeister mit den Pferden zurechtkommen und sich gegebenenfalls alleine verteidigen konnte.
Dann versuchte der Wehrmeister die restliche Vorhut so schnell und leise wie möglich zur Quelle der Rufe zu führen, um zu sehen, was dort vor sich ging. Immerhin hatte jemand im Namen des Fürsten gesprochen und dies konnte er nicht ignorieren.
Leise folgte Erlan den Befehlen des Wehrmeisters. Er war, wie alle anderen, bis zur Unkenntlichkeit verkleidet. Seine warme Kleidung hatte er gegen einfachere Sachen eingetauscht, doch trug er unter der dicken Kleidung nach wie vor seine Brigantine. Auf dem Kopf saß der typische Hut eines Wengenholmer Holzfällers und in der Hand trug er eine große Holzfälleraxt. Ansonsten war er, von seinem Dolch abgesehen, unbewaffnet. Wobei an seinem Pferd noch sein Schwert baumelte, und dies schnallte er nun noch in aller Eile ab und hängte es sich um. Im Ernstfall würde er sich lieber auf die altbekannte Waffe als auf die klobige Axt verlassen, und im Moment kam es vermutlich ohnehin noch nicht so sehr auf die Güte seiner Verkleidung an.
Auch Anselm hatte sich für die Verkleidung eines Holzfällers entschieden, hatte diese doch schlichtweg den Vorteil, dass man eine Waffe führen konnte und zudem mit der ledernen Kleidung einen passablen Rüstungsschutz unter der winterlichen Kleidung hatte. Auch er glitt aus dem Sattel und gab Urion die Zügel von ADRAN. Beruhigend strich er dem Pferd noch einmal über die Flanke, bevor er sich dann, die Axt aus der Schlinge gezogen, aufmachte der Identität des Rufers auf den Grund zu gehen.
Urion glitt auf den Befehl des Wehrmeisters hin lautlos aus dem Sattel. Behutsam nahm er die Zügel der Reittiere und führte sie in die Deckung eines Busches. Dort band er die Zügel an den Sattelknauf seines Rappen, um gegebenenfalls beide Hände frei zu haben. Mit einem leisen Schnalzen gab er dem Rappen das Zeichen sich nicht von der Stelle zu rühren, und harrte der Dinge, die da kommen sollten.
Langsam schritt die Gruppe vom Weg in den Wald. Der Schnee knirschte leise unter den Sohlen, doch sie konnten recht deutlich hören, was im Wald vor sich ging. Äste knackten laut, hastige Atemstöße begleiteten zwei oder drei Personen, die in einer wilden Hetzjagd durch das Dickicht rannten.
"Halt ... sofort ... stehen ... bleiben ...", keuchte eine der Stimmen erneut, offenbar in vollem Lauf.
Erlan versuchte in der Dunkelheit etwas auszumachen. Ob es sich um die drei Hellebardiere handelte, die vom Schloss aus den Boten verfolgt hatten? Beunruhigt warf er einen Blick zum Wehrmeister, irgendwie beschlich ihn das Gefühl, dass diese ganze Übergabesache ganz gewaltig stank.
Anselm hatte derweil eine Verteidigungsposition eingenommen und schütze damit auch Erlan' Seite. Was war das hier?, dachte er sich. Thorben kam zu der Überzeugung, dass hier größere Eile und weniger Vorsicht geboten war. Er trieb die Gruppe zu größerer Eile an. Durch die Geräusche, die die Verfolgten vor ihnen machten, würde ihren eigenen nicht so deutlich zu hören sein.
Da die Gruppe noch relativ ausgeruht war - schließlich war man geritten - holten sie auf, so daß die Schritte und Rufe der Verfolgten immer deutlicher zu hören waren. Auch Thorben überlegte, ob es die Hellebardiere sein konnten, aber war das möglich, waren die Männer zu Fuß so schnell oder hatten einen wesentlich kürzeren Weg gekannt?
Als die drei Begleiter in den Wald eingedrungen waren, stand Urion allein bei den Pferden und beobachtete aus der Deckung des kleinen Gebüsches den Weg und die offenen schneebedeckten Flächen vor sich. Nach dem was er hier vernommen hatte, handelte es sich wohl um eine Verfolgungsjagd. Immer lauter und deutlicher wurde das Knacken der Äste und das Keuchen der an dieser Jagd beteiligten. Der Schweiß begann auf die Stirn der Beteiligten zu treten und bald im eisigen Wind zu schmerzen.
Da! An einer Stelle an dem der Wald sich in einer kleinen Lichtung öffnete, konnten sie eine rennende, in Felle gehüllte Gestalt erkennen, die auf ihrem Rücken einen Bogen trug, etwa fünfzig Schritt dahinter einen Hellebardier. Beide waren etwa zweihundert Schritt entfernt.
"Etwa 200 Schritt", dachte Thorben bei sich. "Hoffentlich kannte sich der Bogenschütze in diesen Wäldern nicht viel besser aus als sie selbst, aber das war unwahrscheinlich. Wenn Kordan sie doch nur begleitet hätte, er wüsste, ob man dem Bogenschützen den Weg abschneiden konnte und wo."
Thorben versuchte sich zu erinnern, ob er hier bei einem der zahlreichen Jagdausflüge mit Kordan schon gewesen war. Viel waren sie zusammen unterwegs gewesen seit den schicksalsträchtigen Ereignissen nach dem Überfall in der Klamm, die die beiden noch enger zusammengeschweißt hatten.
"Aber, war er schon mal hier gewesen? Gab es eine Möglichkeit dem Schützen den Weg abzuschneiden?"
Während er sich noch das Hirn zermarterte begann er schneller zu laufen. Jetzt würde sich erweisen, ob der jahrzehntelange Drill und die Anstrengungen, immer einer der Besten des Regiments und seinen Leuten ein Vorbild zu sein, sich auszahlten.
Erlan erkannte nun endlich die Gestalt, die dort vor einem der Hellebardiere her rannte. Der Wehrmeister begann vorwärts zu stürmen, und so hetzte er sich ab um dem überaus agilen Wehrmeister auf den Fersen zu bleiben. So ganz gelang es ihm nicht, aber es reichte um den Abstand zu dem Fliehenden zu verkleinern.
Thorben glaubte die Form einer mächtigen Eiche am Rand der Lichtung zu erkennen ... war er wirklich schon einmal hier? Von einem lauten Geräusch wurde er aus seinen Erinnerungen gerissen - der Hellebardier war offenbar in einen zugefrorenen und überschneiten Bach eingebrochen. Die Pelzgestalt, die sich bei näherem Hinsehen weibliche Züge zu haben schien, hatte dieses Hinternis - aus Instinkt oder Ortskenntnis - übersprungen, rannte unbeirrt weiter und hatte schon fast das andere Ende der Lichtung erreicht.
Urion starrte in die Dunkelheit. Drüben, am Rand einer Lichtung, konnte er schemenhaft einige Gestalten erkennen. Um wen es sich bei den Personen handelte, konnte er jedoch nicht erkennen. Langsam löste er den Kampfstab von der Seitentasche seines Pferdes, den er in seiner Verkleidung eines Kramboldes als Wanderstab nutzen wollte. Sollte sich jemand hierher begeben, würde er ihn damit wohl erwischen. Sonst blieb ihm immer noch die Möglichkeit den Gegner nieder zu ringen, denn wer es auch war, er hatte jetzt schon eine langwierige Verfolgungsjagd hinter sich. Und Urion war ausgeruht und frischer.
Die Pelzgekleidete erkannte einen Weg, der von der Lichtung nur durch eine relativ schmale Reihe alter Kiefern getrennt war, und stürzte darauf zu. Offenbar froh, leichter gangbaren festen Pfad unter sich zu haben, nahm sie alle Kräfte zusammen, welche die Hetzjagd noch ihn ihr belassen hatte, und versuchte mit einem energischen Spurt Raum zwischen sich und ihre Verfolger zu bringen. Diese mussten nach wie vor durch hohen Schnee stapfen, auf Wurzeln achten und über den vor ihnen liegenden Bachlauf gelangen, in dem sich jetzt der eingebrochene Schlosswächter wütend schnaubend langsam wieder aufrappelte.
Auch Urion konnte diese Gestalt, die nun auf dem Weg, fast eine Meile vor ihm, erschien, im Licht der Mada erkennen. Er vernahm jedoch ebenso, dass sie sich eindeutig von ihm wegbewegte. Sie rannte auf dem Pfad Richtung Norden. Wo blieben nur die anderen? Der Kavallerist in Urion erwachte. Er hobbelte die Zügel der Pferde frei und band sie um ADRANS Sattelknauf. Während er sich auf ANTLITZ schwang, gab er dem Hengst des Hundsgrabers ein Signal stehen zu bleiben. In der einen Hand den Wanderstab preschte Urion auf dem Pfad entlang, die flüchtende Gestalt fest im Blick. Er trieb ANTLITZ zu einem bedächtigen Gallopp an, genau darauf achtend, dass das Pferd auf dem schneebedeckten Boden nicht ins Straucheln kam. Erst langsam, dann immer schneller kam er der Flüchtenden näher.
Thorben erkannte die Stelle wieder. "Ja, hier war er schon einmal gewesen! Was es aber nicht besser machte", dachte er bei sich.
"Hinter der Lichtung gab es einen Weg, und die Flüchtende würde auf ihm ihren Vorsprung wieder ausbauen und einfach irgendwo verschwinden können, wenn sie geschickt war."
Thorben hielt auf die Stelle zu, an der der Wächter eingebrochen war, dort würde er auch im Lauf erkennen können, wo der Bachlauf sein mußte und über ihn hinwegsetzen können, ohne das Schicksal des Wächters zu teilen. Er legte nochmal an Geschwindigkeit zu.
"Sie darf nicht entkommen".
Schon war er bei ihm und an dem verdutzten Wächter vorbei.
"Sollten sich die Nachfolgenen erklären, er mußte die Flüchtige erwischen".
Mit gehetztem Blick sah die Flüchtige zurück und sah den auf ihr zupreschenden Reiter. In wilder Panik warf sie sich zurück in das Gestrüpp am Wegrand ... geradewegs auf Thorben zu. Fiebrig umherspähend zog sie einen Dolch, an dessen Spitze etwas zu erkennen war, das aussah wie getrocknetes Blut.
Erlan hetzte immer hinter Thorben her. Immerhin gelang es ihm den kleinen Abstand nicht noch weiter wachsen zu lassen. So sprang auch er über den verdutzten Hellebardier weg und folgte dem Wehrmeister. Der schien sich hier sogar auszukennen. Gerade erblickte er einen kleinen Pfad und hörte Hufschlag, als er die Verfolgte vom Weg genau auf Thorben zu springen sah. Er riss den Mund auf und stieß einen Warnschrei aus. Dann packte er die Axt fester und hetzte auf die Frau zu, die nun wenige Meter von ihm entfernt war.
Sie erkannte die Gefahr. Wie ein in die Enge getriebenes Wild erhob sie ruckartig ihren Dolch. Erlan stand nun vor der Frau. Sie wirkte, als wäre sie am Ende ihrer Kräft. Vorsichtig näherte er sich ihr und taxierte sie mit der großen Holzfälleraxt. Er brauchte sie lebend, sonst wäre es ihm ein leichtes gewesen die Verfolgte einfach mit der Axt niederzustrecken. Also spielte er auf Zeit und hoffte, dass einer seiner Begleiter die Ablenkung nutzen würde.
"Waffen runter Weib, oder es ist aus!" schnauzte er die Frau unfreundlich an und lies zur Bestätigung seiner Worte die Axt kreisen.
Als die Gehetzte zurück ins Gebüsch sprang, stoppte Urion sein Streitross auf der Hinterhand, so dass eine Schneewolke aufstob. Er sprang vom Pferd, brach mit dem Kampfstab schlagbereit ins Gebüsch. Er ahnte es, als er sah, wie die Frau einen Dolch hochriss. Er konnte es nicht zulassen. Sie brauchten sie lebend. In letzter Not schleuderte er den Kampfstab wie einen Speer auf die Frau, sprintete dann auf sie zu und sprang sie an.
Die Frau hielt inne, schien für einen Moment wie versteinert und starrte zu Boden. Dann sank sie langsam in die Knie, ließ den Dolch sinken, den ihr Urion, von hinten heranspringend, aus der Hand riss. Erschreckt gab sie einen Klagelaut von sich, erst jetzt wurde offenbar, dass der etwa dreißigjährigen, sehnigen Frau die Zunge fehlte. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und begann zu schluchzen.