Ein ungewöhnlicher Auftrag
Ein ungewöhnlicher Auftrag
Von einer hügelzwergischen Reise nach Almada
ANGBAR, Praios 1046 BF. Der Söldner Ettel berichtet unserem Schreiber Garubold Topfler von einem ungewöhnlichen Auftrag, der ihn bis nach Almada führte. Dabei ging es um eine nicht gerade alltägliche und (zumindest in manchen Augen) höchst wertvolle Fracht.
Vor ein paar Monaten wurden ich und drei meiner Kameraden für einen Geleitauftrag angeworben. So weit, so normal. Wagenzüge begleiten wir ja des Öfteren. Aber dieser Auftrag wurde schnell ungewöhnlich. Wir sollten zum abgemachten Tag in Hügelsaum eintreffen, was wir auch taten. Anstatt eines Wagenzuges wartete dort aber nur ein einzelner Wagen, an dem sich einige Hügelzwerge zu schaffen machten. Unser Auftraggeber, Murgrim Siebenrüb, spannte uns sogleich ein, um ein paar letzte Sachen aufzuladen. Neben genug Proviant, um eine Hungersnot in ganz Ferdok zu verhindern, schienen ansonsten nur Bierfässer zur Fracht zu gehören. Wir machten uns also aufbruchsbereit, als ein paar weitere Zwerge mit einem großen Handkarren kamen. Ich dachte erst, ich sehe nicht richtig, aber da wurde tatsächlich eine Hornisse auf den Wagen geladen und schaute nun aus dem hinteren Ende desselben heraus. Zwar wurde das Geschütz unter einer Decke mehr schlecht als recht versteckt, doch war die Hornisse noch immer als solche zu erkennen. Was für eine Fracht begleiteten wir in Wahrheit, wenn eine solche Bewaffnung nötig war? Unter großem Winken und einigen letzten Ratschlägen setzten sich die beiden Zwerge endlich auf den Kutschbock – und los ging es. Neben unserem Auftraggeber war noch dessen abenteuerlustiger Vetter Atax mit von der Partie.
Nach Almada sollte es gehen, aber Murgrim und Atax wollten dennoch bei Steinbrücken über den Großen Fluss, anstatt ihr Leben einer Fähre bei Nadoret anzuvertrauen. Das wäre bei aller Abenteuerlust dann doch zu viel. Sie waren von ihrem Vorhaben nur schwer abzubringen. Denn immerhin würde die Flussüberquerung bei Steinbrücken bedeuten, dass wir durch das fehdegebeutelte Garetien reisen mussten, und angesichts unserer offensichtlich guten Bewaffnung würde unser Gefährt dort sicherlich viel Aufmerksamkeit erregen. So wendeten wir uns dann doch noch gen Süden. Unser Tempo war eher gemächlich. Immer wieder legten wir Pausen ein, um Freunde oder Bekannte der beiden Zwerge zu besuchen – oder aber ein bekanntes Gasthaus an der Route aufzusuchen. Oft blieben wir so „hängen“. In Skretin verbrachten wir etwa zwei Tage bei Hagebar und Garescha Dornenstrauch. Auch wir Söldner wurden dabei immer ausgezeichnet bewirtet. Natürlich ging es auch nicht in gerader Linie voran, nein: Immer wieder machten wir „einen kleinen Abstecher”, um diesen oder jenen Hügelzwerg zu besuchen. Als wir endlich in Moorfurt ankamen, schien es mir so, als wären wir bereits sechs Wochen unterwegs gewesen.
Die wackelige Fähre betraten die beiden Zwerge erst nach gutem (und langem) Zureden. Die Überfahrt war ruhig, was den Fluss anging, dennoch war die Überquerung des Wassers nicht gerade erbaulich, denn die beiden Zwerge beteten zwar leise, aber doch auffällig und mit schweißnasser Stirn – natürlich auf Rogolan, aber je nach Gemüt sorgten die Gebete bei ihren Mitreisenden für Erheiterung oder leichte Panik. Vielleicht wäre die längere Fahrt durch das fehdeverseuchte Garetien doch besser gewesen. In Nadoret mieteten die Zwerge uns dann erst einmal im „Springenden Hirschen”, dem besten Gasthaus am Platze, ein, um sich ein wenig von dem Schrecken der ganz und gar nicht ingerimmgefälligen Wogen zu erholen. Dort blieben wir dann nochmals zwei Tage, bis wir endlich gen Süden aufbrachen. Über Tallon, Jurios, Taladur und Bangour ging es dann bis nach Artesa. Dort wurden wir bereits erwartet. Ambros, der Sohn des Barons Erlan von Sindelsaum, hat nämlich vor einigen Jahren nach Almada geheiratet. Hier luden wir also schließlich die meisten Bierfässer ab, wenngleich nicht alle, schließlich wollten die Zwerge für die Rückreise nicht ohne gutes Bier sein. Stattdessen luden wir einige Kisten Gewürze auf, die sicherlich wertvoll waren, aber viel wichtiger hatten die Zwerge es mit zehn kleinen Aprikosenbäumen, die in Tontöpfen standen und die wir äußerst vorsichtig auf die Ladefläche hievten. Nach einigen Tagen ging es dann wieder zurück in die Heimat. Atax saß nun nicht mehr auf dem Kutschbock, sondern war beständig bei den Aprikosenbäumen und richtete die Hornisse, die nun nicht mehr unter einer Decke versteckt war, beständig auf (nicht vorhandene) Bedrohungen. Die beiden Zwerge hatten sich überdies in Kettenhemden gezwängt, Helme aufgesetzt und eine ansehnliche Auswahl an Waffen gegürtet. Ich kam mir vor, als würden wir einen Goldhort transportieren. Die meisten Reisenden gingen uns ab jetzt aus dem Weg, und gierige Augen suchten sich spätestens dann ein neues Ziel, wenn sie die Bäume und die Hornisse sahen.
Ich hatte gedacht, dass unsere Hinreise langsam vonstatten gegangen war, doch nun ging es noch viel langsamer vorwärts, waren die Zwerge doch beständig besorgt, dass die Reise zu viel für die Bäume war. Nun mussten wir die Kutsche auch des Nachts bewachen. Um die Pflanzen kümmerten sich rondraseidank die Zwerge. Die Zärtlichkeit, mit der Murgrim sie bewässerte, erstaunte mich immer wieder aufs Neue. Der Zwerg versicherte mir, dass die Bäume „nahezu unbezahlbar“ waren. Ich hatte da so meine Zweifel, gab es in Almada doch nicht gerade wenige Aprikosenbäume, aber vielleicht handelte es sich bei unseren ja um eine besondere Züchtung. Als wir endlich im Kosch ankamen, machten wir natürlich wieder etliche Zwischenstopps, wenngleich wir nicht mehr mehr als eine Nacht am selben Ort verbrachten.
Schließlich kamen wir in Hügelsaum an und luden die Ware ab. Die Bäume wurden unter großem Hallo bei Murgrim im Garten eingepflanzt; er war nämlich der Meinung, dass Aprikosenbäume auch im Hügelland fruchten können. Dazu hatte er eigens eine mannshohe Gartenmauer angelegt, damit diese die Sonnenhitze speichern und auf die Bäume zurückgeben konnte. Es gab einen Auflauf, als wären die beiden Zwerge gerade aus den Schwarzen Landen zurückgekehrt. Wenn ich mich nicht vertue, habe ich sogar Baron Erlan und den Edlen Thalian gesehen.
Später am Abend zahlte uns Murgrim, ohne zu murren, den Sold aus und entließ uns aus seinen Diensten, freilich nicht ohne uns ein „kleines“ Proviantpaket für die Heimreise einzupacken. So leicht habe ich, glaube ich, meinen Sold noch nie verdient, denn eine Gefahr für die Aprikosenbäume bestand meines Erachtens nie. Welcher Wegelagerer will schon gerne Obst anbauen? Jetzt muss ich jedoch erst einmal ein paar Wochen Leibesübungen machen, denn die Rüstung sitzt mittlerweile recht stramm … aber das lässt sich kaum vermeiden, wenn man mit Hügelzwergen eine Reise unternimmt.
Niedergeschrieben von Garubold Topfler