50 Jahre Anshold - Drei Ritter und ein Page

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Der Brodilsgrund vor Angbar am 10. Peraine 1044 BF

Mit großer Sorgfalt stellte Angrawen II. Amadan von Vairningen die Becher auf den Tisch vor dem Zelt seines Ritters. Auch wenn es sein erstes Turnier zu Angbar war, waren ihm viele Abläufe inzwischen vertraut. Und diesmal hatten sie nicht so weit reisen müssen – nur einmal über den Angbarer See! Doch anders als sonst hatte Holdwin vom Kargen Land zwei Gäste angekündigt. Daher warf der Page einen letzten kritischen Blick auf den Tisch und entschied sich, noch ein weniger mehr Brot, Käse und Früchte dazuzustellen. Koscher aßen gerne, dass hatte er, der aus den Nordmarken stammte, schnell gelernt!

Es dauerte nicht lange, und sein Knappenherr kam mit Ilpetta von Hirschingen und Ungolf von Plötzbogen zum Zelt, alle drei munter miteinander plaudernd. Angrawen kannte die beiden, da sie schon mehrmals zusammen zu Turnieren gereist waren. “Ausgezeichnet, alles fertig!”, lobte Holdwin. “Dann lasst uns doch als erstes einen guten Schluck nehmen.” Angrawen verstand den Wink und goss sogleich ein. Bevor einer der drei Erwachsenen den Becher zum Mund hob, schauten sie sich einen Moment erwartungsvoll an. Dann brach Holdwin das Schweigen. “Auf Fürst Anshold und den Kosch!” “Auf Fürst Anshold und den Kosch!”, erwiderten die beiden. Nachdem man gemeinsam auf das Wohl seiner Durchlaucht und des Landes angestoßen hatte, konnte nun getrunken werden. Angrawen bemerkte, dass keiner von ihnen sein Getränk schnell herunterkippte, so wie er es auf Reisen manches Mal in einem Gasthaus beobachtet hatte, sondern jeder einen kleinen Schluck nahm, so wie es sich geziemte.

“Zu Tisch!”, lud Holdwin strahlend ein, mit einer Geste auf die freien Plätze deutend. Eifrig reichte Angrawen allen dreien die Speisen an. “Ich sollte mir auch einen Pagen zulegen”, bemerkte Ungolf. “Ich fürchte nur, dass aus Garetien kaum noch welche kommen werden, so sehr, wie die Fehde den dortigen Adel ausgedünnt hat.” “Er muss ja nicht direkt vor Deiner Haustür wohnen”, warf Ilpetta ein, wohl darauf anspielend, dass der von Plötzbogen in Rakulbruck wohnte, das direkt an der Grenze lag. “Schau Dich auf dem Turnier um”, empfahl Holdwin. “So habe ich meinen schließlich auch gefunden. Und Angrawen und ich kommen gut miteinander aus.” Angrawen errötete aufgrund des Komplimentes, freute sich aber insgeheim, das von seinem Herrn vor den anderen Rittern zu hören.

“Ich weiß nur nicht, ob so viele Gäste Interesse daran hätten, mir ihre Tochter oder ihren Sohn in die Ausbildung zu geben. Vielleicht muss ich dafür erst einmal eine Runde in der Tjoste überstehen.” “Da würde ich mir keine Sorgen machen”, winkte Ilpetta ab, “bei diesem Turnier sind gute Streiter dabei, da ist es keine Schande, schon nach der ersten Runde raus zu sein.” Sie zwinkerte Holdwin zu, und alle drei mussten lachen.

“Wohl gesprochen!”, fasste sich Holdwin wieder etwas, “und gegen einen Weidener ist es nie eine Schande. Ich werde den Baron von Schneehag noch zu einem guten Schluck einladen.” “Ich hege auch keinen Groll gegen den Hinterkoscher, der mich besiegt hat.”, ergänzte Ungolf. “Er hat mich daran erinnert, dass ich an meiner Deckung arbeiten muss. Wenn die blauen Flecken erst einmal weg sind, reicht es vielleicht wieder für ein gemeinsames Glas.” Erneut lachten alle drei. “Nun, in dem Sinne kann auch ich mich nicht beklagen. Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels ist einer der besten Koscher mit der Lanze. Gegen ihn kann auch eine Fürstliche Schlachtreiterin verlieren, ohne dass es ehrenrührig ist. Alleine seine politischen Ansichten teile ich nicht.” Plötzlich geriet das Gespräch ins Verstummen. Ungolf schien sich mehr Zeit als nötig zu nehmen für einen Schluck aus seinem Becher. Holdwin hingegen wartete einige Augenblicke ab, dann lächelte er Angrawen zu und sprach ihn direkt an.

“Politik – ein schwieriges Thema, das selbst gestandene Recken sprachlos machen kann. Aber ein Ritter muss sich auch den Dingen stellen, die ihm nicht gefallen! Also zeig mir, was Du bereits gelernt hast, Angrawen. Was glaubst Du, was Ilpetta mit der Bemerkung über den Pfalzgrafen von Koschgau meinte?” “Sie meinte den Bund der Alttreuen, Herr?” “Sehr richtig! Was weißt Du über diesen Bund der Alttreuen?” Nun geriet Angrawen ins Stocken, während er sah, dass die beiden Gäste ihn interessiert ansahen, während sie weiteraßen. “Tja… äh… es sind einige Koscher Adelige, die irgendwie unzufrieden sind mit den Zwergen, und hier auf dem Turnier sprechen viele von ihnen.” “Das ist wohl das, was jede Schankmagd und jeder Stallbursche erzählen kann.”, bemerkte Holdwin ernst, “aber gut, es ist auch wichtig, zu wissen, was sich das gemeine Volk erzählt. Aber warum sind die Alttreuen so unzufrieden mit den Zwergen, wie Du es ausgedrückt hast?” “Das… das weiß ich nicht!” “Tatsächlich? Hat Dir niemand mehr erzählt?” “Naja… es heißt, die Zwerge würden sich in Angelegenheiten einmischen, die sie nichts angingen… aber ich verstehe das nicht, die Zwerge waren doch schon immer da, warum also plötzlich dieser Streit?” “Gute Antwort!”, sprach Holdwin nun mit fester Stimme. “Du bist nicht mit dem vorangeprescht, was Du vom Hörensagen erfahren hast, und hast es erst genannt, als ich Dich direkt gefragt habe. Es ist praiosgefällig, Wissen und Gerüchte zu trennen!” Angrawen fiel ein Stein vom Herzen. War nun die Prüfung überstanden?

“Die Alttreuen”, führte Holdwin mit ruhiger Stimme aus, “sind der Meinung, dass die Zwerge nicht Lehen und Titel übernehmen sollten, die früher Menschen innegehabt haben. So eine Entscheidung hat natürlich weitreichende Folgen: Ein Angroscho lebt mehrere Hundert Götterläufe, da vergehen ein Dutzend Generationen Menschenadels, bis ein einmal an ihn vergebener Lehenstitel wieder frei wird. Wenn jedoch der traditionelle Adel seinem Namen immer Ehre gemacht hätte, hätte Kaiser HalBoron sei seiner Seele gnädig! – wohl kaum so viele Titel an Helden vergeben!” “Richtig”, stimmte nun Ilpetta ein, “einem großen Namen muss jede Generation aufs Neue gerecht werden!” “Was die Alttreuen gerne verschweigen”, sprach Holdwin weiter, “ist, dass mehrere Lehen im Kosch, die früher Zwerge innehatten, an Menschen vergeben wurden – und zwar während meines eigenen Lebens. Es ist aus meiner Sicht ohnehin zu kurz gedacht: Man pocht auf die alte Ordnung – und lehnt sich gleichzeitig gegen Entscheidungen von Kaisern auf? Man will die alten Traditionen lebendig halten – und spricht schlecht über die Zwerge? Das ist nicht koscher!” “Gut gesprochen – geradeheraus, so wie es mir gefällt!”, lächelte Ilpetta. “Ich finde Politik ermüdend. All diese Intrigen und geheimen Absprachen – da bekommt man doch nur Kopfschmerzen von!” “Das Spiel der Intrigen spielst Du am besten, indem Du gar nicht erst mitmachst, Angrawen! Das sage ich hier offen und deutlich, wo es jeder hören kann.” Holdwin blickte seinen Pagen an, der ganz still geworden war und ein wenig fragend auf ihn schaute. “Doch damit genug der ernsten Lektionen für heute. Hol uns noch einen weiteren Krug Wein, dann hast Du genug getan.” “Danke, Herr.” Im Weggehen bekam Angrawen noch mit, wie Ungolf noch über ihn sprach. “Ist schon ein feiner Bursche...” “Ja, der wird sich bestimmt noch prächtig machen!”, stimmte Ilpetta zu. Als er das hörte, lief Angrawen wieder rot an – aber es machte ja nichts, da sie ihn nicht mehr sehen konnten...