Des Raben und des Falken letzter Flug

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Ausgabe Nummer 41 - Efferd 1029 BF

Von edelsten Geschlechtern: Des Raben und des Falken letzter Flug

Graf Orsinos schicksalhafter Zug an der Seite Answins von Rabenmund

Was hätte Jörch von Falkenhag gesagt — jener tapfere Lands-Jagdmeister, welcher dereinst den kindlichen Holdwin vorm grausamen Tod durch den skrupellosen Porquid beim blutigen „Saustechen“ rettete? Jener Mann, der den verwaisten Jungen wie einen Sohn aufzog, ehe Holdwin als junger Recke den Fürstenthron seiner Vorväter vom falschen Ferdoker zurückeroberte... Jörch der Treue, der daraufhin zum Grafen vom Angbarer See erhoben ward und zum Stammvater einer Dynastie kluger und gewandter Nachfolger wurde.

Was wären etwa die Worte Graf Wolfhelms von Falkenhag, Jörchs Sohn, der ein Wohltäter des Hanghasenordens und hervorragender Falkner war? Wie würde wohl das Urteil von dessen Sohn, Graf Praiodan Ulfried von Falkenhag, lauten, den man bis heute als weise und gerecht kennt? Wie mögen all diese Großen ihrer Tage aus dem Reich Borons herab auf Praiodans ältesten Sohn geblickt haben? Auf jenen, der so viele täuschte und die Treue seiner Ahnen und den Namen des Hauses in den Schmutz zog: Graf Orsino von Falkenhag?

Es fällt uns schwer, die Wahrheit als solche anzunehmen, war Graf Orsino doch stets eine Zierde der Provinz. Redegewandt und galant bewegte er sich als Herr des Angbarer Sees ebenso sicher über das fürstliche Parkett zu Angbar wie als Groß-Siegelbewahrer des Reiches am kaiserlichen Hof zu Gareth. Er war stets ein wohlmeinender Berater und treuer Vasall von Kaiser und Fürst, so jedenfalls schien es über all die Jahre. Doch wehe, welche Wende nahm sein Schicksal in den letzten Monden. Werfen wir einen Blick in die Aufzeichnungen des ehrenwerten Boschox, Bothroms Sohn, der das VII. Banner der Sappeure an der Trollpforte rettete und die letzten Monde Orsinos miterlebte.

Trottweiher, 17. ING 1027

„‚Schnell muss es gehen, unsere Heimat ist in Gefahr!’, so waren die Worte des edlen Grafen Orsino. Er bot uns gutes Gold für die Dienste der Söldnereinheit, in der ich seit dem Ende der Sappeure meinen Dienst verrichte. Wir waren auf dem Weg in den Hinterkosch, wo der Streit mit den Alberniern ein willkommenes Zubrot versprach — doch was sollen wir dort, wenn unsere Heimat uns dringender braucht! Der Alagrimm, seit meinen koschimer Kindertagen ein Schreckgespenst, befreit... was für ein Albtraum! Da wär ich glatt umsonst mit, doch meine Kameraden hätten das nicht mitgemacht. Doch der Graf schien über genug Münzen zu verfügen, so dass sich mein schlechtes Gewissen bald legte. Es hieß, er komme gerade aus Elenvina, wo man ihn zum Reichserztruchsess ernannt habe — kein Wunder, dass er uns gut bezahlen kann.“

Angbar, 23. ING 1027

„Wie schauderte es mich, als ich den Alagrimm leibhaftig sah. Seine Feuerschwingen hatten einiges an Tod gebracht, doch Angrosch war mit uns! Dank sei unserm Väterchen! Angbar ist wirklich seine liebste Stadt. Doch von meiner Heimat hörte ich Böses. Koschim sei fast völlig zerstört, mein Vetter Bothar angeblich gar gefallen. Mein lieber Bothar, warst so ein guter Armbrustschütze, der ganze Stolz der Familie — ganz im Gegensatz zu mir, der sein Glück bei den Menschenkriegern suchte. Doch so übel sind die Großlinge wahrlich nicht. Das Leben unseres Rogmarok Gilemon soll nach Alagrimms Ausbruch durch Orsinos Bruder Voltan gerettet worden sein...“

Angbar, in den Namenlosen Tagen 1027

„Der Alagrimm war nicht allein. Man sagt, Gareth sei von dunklem Zauber zerstört, Emer| und Königin Rohaja tot — das Reich in Trümmern. Ich sah, wie Graf Orsino eine Depesche aus dem Norden erhielt. Was drin stand, weiß ich nicht, aber er hält uns weiter in seinen Diensten. Wir richten uns wartend in Angbar auf einen weiteren Heerzug ein, vertreiben uns die Zeit mit Übungen und sinnieren über das Schicksal des Reiches. Meine Güte, wie schnell das gehen kann: Binnen weniger Jahrzehnte ist das einst so stolze Reich gewelkt wie Pilze im Drachenodem. Erst stellten die Zwillinge Cella und Bardo ihre Gelüste über das Wohl des Reiches, dann wurden sie von Reto vom Thron gejagt. Er mag ja der fähigste seit langer Zeit gewesen sein, aber ich fürchte, er hat damit einen ganzen Reigen an Thronräubern erweckt. Sein Sohn Hal jedenfalls hatte schon arg mit dem Verfall des Reiches zu kämpfen. Aranien, die Südlande, Maraskan, überall verrieten sie das Land und schwächten es, während die Liebfelder zu neuer Stärke aufstiegen. Na, und schließlich wurde Hal selbst Opfer eines Thronraubes, als der Rabenmunder kam, der dann wiederum von Brin ersetzt wurde, dem dann Emer folgte... allesamt bittere Schicksale. Und das droht so munter weiterzugehen, stritten sich die Prinzlein Selindian-Hal, Rohaja und Yppolita doch schon zu Lebzeiten ihrer Mutter ums Erbe. Das Reich droht unter all dieser Uneinigkeit unterzugehen. Endlos scheinen die Wellen immer neuer Bedrohungen: Finstere Oger, Schwarzpelze, Schwarzmagier... dunkle Zeiten, fürwahr. Es wäre schon lange Zeit für einen starken und allseits anerkannten Kaiser auf dem Thron, der das Neue Reich wieder ins Licht geleitet. Nun denn, wenigstens gute Zeiten für Söldlinge.“

Angbar, 2. PRA 1028

Hochkönig Albrax hat zum Zwergenrat nach Ingrahall gerufen. Es heißt, der Bund auf Ewig soll erneuert und vertieft werden. Wenigstens die koscher Heimat scheint sich auf Einigkeit zu besinnen. Naja, was bleibt den Menschen auch übrig, als sich mit uns Angroschim zu verbünden, wie einst in der Heldenzeit, sind ja nicht mehr viele kampferprobte Reckinnen und Recken unter ihnen übrig. Ich jedenfalls fühle mich in der Pflicht den Menschen in dieser Zeit der Not beizustehen. Gemeinsam packen wir das schon!“

Angbar, 5. RON 1028

„Es heißt, nun sei auch noch die Orkenbrut im Norden eingefallen und wolle die Leiche des Reiches fleddern. Doch der Graf ist mit uns einer Meinung, dass wir nicht aufgeben dürfen und dem Prinzen Edelbrecht beistehen müssen! Auf nach Greifenfurt!“

Greifenfurt, 12. RON 1028

„Die Schlacht von Greifenfurt. Als wir ankamen, schien die Stadt fast verloren. Die Orkenbrut umkreiste und bedrohte die Stadt, unbekannte Truppen waren schon vor uns zu Hilfe geeilt und schlugen sich tapfer, aber die Schwarzpelze haben sich in den letzten Jahren wieder erholt. Vermehren sich wie die Hanghasen. Wir, die von Graf Orsino geführten Truppen, wendeten das Blatt und konnten die Stadt retten. Wer weiß, wohin die Stinker noch gezogen wären, wenn wir sie nicht aufgehalten hätten. Erst als wir in die Stadt einzogen, wurde klar, wer die anderen Truppen führte: neben Markgräfin Irmenella und Prinz Edelbrecht stand kein Geringerer als Answin von Rabenmund. Scheint zu achtbarer Statur gereift zu sein, sein Bart ist weiß geworden.“

Greifenfurt, 14. RON 1028

„Der Rabenmunder mag den Thron in jüngeren Jahren aus Eigenmut geraubt haben, und das mag mehr als jugendlicher Leichtsinn gewesen sein — doch es scheint, als wäre er mittlerweile ein stattlicher Ehrenmann geworden. Viele rechnen ihm hoch an, dass der dem Reich in dieser Zeit der Not vor dem Untergang beistehen will. Vielleicht ist Answin tatsächlich jene starke Hand, die das Reich retten könnte. Es gibt Gerüchte, dass Graf Orsino Answin angeblich schon früher, als er Hal auf dem Thron nachfolgen wollte, heimlich unterstützt hatte. Wär ja ein starkes Stück, wenn der Graf alle so lange getäuscht hätte, hielten ihn, den Reichs-Großsiegelbewahrer, doch alle — Reichsbehüter Brin vorneweg — für einen der treuesten Vasallen des Hauses Gareth. Wie auch immer, das Schicksal scheint dem Grafen Recht zu geben — hatte wohl doch ein gutes Näschen. Jedenfalls tritt er entsprechend selbstsicher an der Seite des Rabenmunders auf, und Answin scheints ihm hoch anzurechnen. Wird schon als neuer Reichskanzler gehandelt, der Orsino.“

Reichsweg, 3. EFF 1028

„Answin von Rabenmund zieht weiter gen Osten, wer hätte gedacht, dass er als alt gewordener Mensch noch so heldenhaft in die Schlacht ziehen würde. Die meisten Großlinge plagt, kaum haben sie ein wenig Kampferfahrung gewonnen, doch schon das Zipperlein im Schwertarm. Gerne wäre ich mitgezogen, um das Reich dort zu schützen, wo es am verletzlichsten ist. Wäre zu gerne zur Trollpforte zurückgekehrt um das Gedenken meiner Kameradinnen und Kameraden von den Sappeuren mit Feindesblut an meiner Axt zu ehren. Hach, mir wird schwer zumute, wenn ich im Geiste den Schlachtentod von Hauptmann Barax, der kleinen Gilda, Braten-Bibrosch, Filib Minzholler, dem Vater des fürstlichen Hofkochs, und all den anderen sehe. Gilda soll einer Kameradin von mir erst kürzlich, bei der Schlacht von Wehrheim, als Untote Streiterin begegnet sein. Finstere Drachenzucht! Zu gerne würd ichs denen heimzahlen!

Doch Graf Orsino hat andere Pläne. Er trennt sich von Answins Truppen, um auf direktem Weg nach Gareth zu ziehen, unser Halbbanner soll ihn als Geleitschutz begleiten. Tja, scheint so, als müsste die Rache eben warten.“

Irgendwo in Garetien, 7. EFF 1028

„Heute wurde unser Nachtlager von einer wilden Horde angegriffen. Müssen Schwarztobrier gewesen sein — unheimliches Pack! Überhaupt ist diese Ecke nicht mehr geheuer. Überall verwaiste und zerstörte Dörfer, übles Gesindel... und das soll mal das stolze Herz des Reiches gewesen sein. Ich hoffe unsere Leute haben im Osten Erfolg!“

Gareth, 1. TRA 1028

„Wir haben mittlerweile Gareth erreicht... bei Angroschs dicken Zöpfen, sieht noch schlimmer aus, als ichs mir vorgestellt hab! Die prächtigsten Gebäude sind nur noch Asche, dazwischen liegen unheimliche Trümmer der fliegenden Festung des Drachenbuhlers. Sogar der große Sonnentempel, vor dem sogar Großvater ehrfürchtig gestanden wär, ist hin. Grausig! Mach nen großen Bogen drum. Auch das Bier ist schrecklich! Endlos mit Wasser gestreckt... die reinste Pfütze. In der Stadt herrscht Chaos, kein Vergleich zu Angbar — wennschon sich auch hier die Zünfte redlich mühen Ordnung zu schaffen und angroschfromme Handwerker schon wieder fleißig den Wiederaufbau beginnen. In einer solch riesigen Stadt ist das allerdings ein ungleich härteres Brot, noch dazu, wenn im Umland Räuber und wilde Kreaturen ihr Unwesen treiben. Hab mittlerweile schon von einigen gehört, dass auch Prinzessin Yppolita oder gar Königin Rohaja in der Stadt gesichtet worden sein sollen. Wär ja ein Ding, wenn die Königin noch leben würde. Unter uns kommen erste Zweifel auf, ob es eine gute Idee ist den Rabenmund weiter zu unterstützen — früher oder später würde man sich darüber in die Haare geraten, wer rechtmäßiger Kaiser werden soll. Vielleicht mischt am Ende ja auch noch Jast mit... das kann ja heiter werden! Graf Orsino lässt sich aber nicht beirren und verhandelt wacker mit allerlei wichtigen Persönlichkeiten — scheint weiter auf Answin zu setzen. Naja, er weiß wohl, dass er schon zu tief drin steckt... und mir diktiert mein Bauch, dass ich auf Seiten der Hand stehen sollte, die mich füttert.“

Gareth, 9. HES 1028

„Erst jetzt ist Gewissheit, welches Ziel der Graf Orsino gemeinsam mit Leomar vom Berg in den letzten Wochen verfolgte — wofür sie verhandelten, Bündnisse und Freundschaften mit wichtigen Leuten der Stadt schlossen. Denn heute ging ihre Saat auf und Answin von Rabenmund zog als ‚starker Retter Gareths und des Reiches’ in die Stadt ein. Kein Blutvergießen, aber in manchem Viertel haben sie ganz schön gemurrt. Haben Answin hier noch gut in Erinnerung, als er vor Jahren seine Gegner an der Stadtmauer aufknüpfen ließ. Gab aber auch Jubel... ziemlich zwiegespalten. Im Grunde scheinen die Garether ohnehin ihr Schicksal am liebsten in die eigenen Hände zu nehmen. Mit Answin sind Teile der in Tobrien stationierten Lanzerinnen gezogen. Es heißt, Prinz Edelbrecht hätte sie überredet im Gedenken an ihre gefallene Marschallin Angunde von Falkenhag-de Hèrisson mit an die Trollpforte und nach Gareth zu ziehen. Den Prinzen selbst hab ich nicht gesehen — hat er sich mit Answin überworfen, wie manche munkeln? Vielleicht sitzt er auch nur an der anderen Ecke der Stadt — ist ja nach wie vor riesig, dieses Gareth.“

Gareth, 28. HES 1028

„Potzdonner! Habs ja kommen sehen! Da ging Answin wohl zu weit, ist der Erfolg dann doch in seinen Kopf gestiegen — forderte Rohajas Unterwerfung. Bekam aber postwendend die Quittung: Rohaja soll Answin und alle, die sich seinem Dienst unterstellen, zu Reichsverrätern erklärt haben. Na toll, da legt man sich für die Rettung des Reiches ins Zeug, jagt die Orkenbrut in ihre Hölle, und wird dann zum Verräter gestempelt. Was haben sie vor? Wollen sie den halben Kosch und halb Greifenfurt hinrichten? Gar unseren Prinzen Edelbrecht? Mancher erwartet eine Entscheidung mit dem Schwert. Als hätte der Boden des Reichs noch nicht genug Blut getrunken. Eitler Menschenadel!“

Gareth, 24. FIR 1028

„Der Winter wird immer eisiger. Mir werden die Finger ganz klamm, während ich dies hier schreibe. Die Vorräte werden weniger — mittlerweile ist man schon um jeden Halbschank Garether Wasserbier froh...“

Gareth, 12. PHE 1028

„Es wird immer brenzliger. Rohaja soll mit ihren Truppen nur noch wenige Tagesmärsche von Gareth entfernt sein. Andererseits ist Orsinos Bruder Voltan mit Bergkönig Gilemon von Koschim und 100 Koschimer Armbrustern in die Stadt gezogen. Voltan hat von Gilemon die Einlösung seiner Lebensschuld gefordert... mag man davon halten, was man will, einen glücklichen Eindruck hat unser Rogmarok nicht gemacht. Doch kein Wunder... meine Güte, hat der Alagrimm das ehrenwerte Väterchen hergerichtet — von Flammen gezeichnet, die Augen blind. Doch die Rede, die er heut Abend hielt, klang entschlossen und zornig: Er wolle seine Ehrenschuld begleichen, mehr noch, er sei davon überzeugt, dass Rohaja mit den Drachen im Bund steht. Apep soll ihre ganze Familie in seinem Bann gefesselt haben... Keine Ahnung, ob das stimmt, aber Gilemon scheint daran zu glauben — auch mein Vater Bothrom, der sich Bothars Armbrust geschnappt hatte und mitzogen ist. Was für eine Freude, mein gutes Väterchen zu treffen! Stieß mit ihm mit dem mitgebrachten koscher Bier an... endlich wieder ein anständiger Tropfen!“

Gareth, 15. PHEX 1028

„Es ist soweit! Ich wollte es nicht glauben, aber es kommt tatsächlich wie befürchtet: Wir ziehen in eine Schlacht, deren Sinn sich mir verbirgt. Das Reich steht nun wirklich am Abgrund, doch statt an sein Wohl zu denken, schicken die eitlen Krongeier die wenigen verbliebenen Streiter ins mögliche Verderben. Auf der einen Seite Answin, der während der Nächte in der Alten Residenz offenbar seine alte Gier wiedergefunden hat — auf der anderen die junge Rohaja, die an ihren göttlichen Auftrag glaubt... Angrosch steh uns und dem Reiche bei!“

Gareth, 16. PHE 1028

„Mein Schädel brummt, meine Schulter schmerzt. Die Feldscherin meint, dass ich Glück gehabt habe, als mich der Streitkolben so eines hünenhaften Halbtrolls erwischte. So bekam ich das Ende dieser sinnlosen Schlacht wenigstens nicht mit. Das Mädchen soll gewonnen haben, Answin ist wohl irgendwann gefallen — soll aber noch ihr Leben gerettet haben. Graf Orsino gehört zu den Verhafteten. Allerlei wirres Geschwätz, von Drachen, finsterer Magie und unglaublichen Begegnungen mit längst Verstorbenen...“

Gareth, 5. PRA 1029

„Man hat darauf verzichtet alle einfachen Rittersleut, Krieger, Söldlinge und Gemeinen auf Seiten Answins zu bestrafen. Durch Rohajas Gnade haben wir grad nochmal Glück gehabt. Ebenso Bergkönig Gilemon und die übrigen Koschimer, die bereits enttäuscht und mürrisch in die Heimat zurückgekehrt sind. Graf Orsino aber wurde nach einem kurzen Prozess verurteilt. Erst wenige Stunden ist es her, da stand ich neben dem Schafott am Praiosplatz, inmitten einer erstaunlich mageren Menge — haben wohl schon genug Blutvergießen gesehen, die Garether. Der Graf sah müde aus, aus seinem Antlitz war die Anmut dem Alter gewichen. Firunsernst und bleich wie Schnee bestieg er das Podest. Er trug seinen schönsten Rock, den Grafenring und das Zeichen des Reichserztruchsess. Für einen kurzen Moment huscht ein Abglanz des alten Charmes über seinen Blick, als er in der Menge einige weinende Weggefährtinnen erkennt. Dann wurde nochmals das Urteil verlesen, und die Henkersknechte nahmen ihm alle Zeichen der Würde und seines Ranges ab, sogar das schöne Wams, so dass er im schlichten Büßergewand da stand. Der Henker fragte ihn, ob er noch etwas Letztes auf Deren zu sagen habe. Der Graf blickte an ihm vorbei, über die Menge, über die Dächer von Gareth... Nach Westen hat er geschaut, dahin, wo der Kosch liegt... Vielleicht hat er an die Heimat gedacht, an Grauensee, an so viele gute Stunden... Dann hat er stumm das Haupt geschüttelt und sich langsam hingekniet. Hat den Kopf behutsam, fast elegant auf den Richtblock gelegt. Der Henker hob das Schwert... ließ es niedersaußen...“

Losiane Misthügel, mit Dank an Boschox, Sohn des Bothrom