Der Frühling bringt nicht immer frohe Kunde
Der Frühling bringt nicht immer frohe Kunde
Schreckliche Vorfälle auf Burg Bilchtrutz
Bärenklamm, Per. 1034. Der Krambold Urs Tälermann betrat Bärenklamm, das Lehen der Borkings, auf seinen Handelsreisen normalerweise nicht. Doch schon viel zu lange hatte er eine Nachricht zu überbringen; es war keine schöne Nachricht, was wohl der Grund gewesen war, dass er sie, nachdem er sie im Praios erhalten hatte, bisher immer noch nicht überbracht hatte. Immer wieder hatte er Ausreden gefunden und die Reise nach Bärenklamm verschoben, aber nun erfüllte er den Auftrag, wie er es versprochen hatte.
Am Sitz des Barons Gerbald von Borking zu Bärenklamm angekommen, wollte die Torwache ihn erst fortschicken. Er erwartete wohl jeden Moment die traditionellen Worte der Krambolde:
Herrn Phexens Gruß entbieht‘ ich Euch!
Bin wohl ein rechter Steigermann,
Komm von weit her mit gutem Zeug,
So schaut Euch meine Waren an.
zu hören und wollte Urs gerade sagen, dass der Hof des Barons keine von den Waren eines Steigermanns brauchte. Doch Urs konnte ihm erklären, warum er wirklich hier war. So kam es dann, dass er eingelassen und wenig später vom Baron empfangen wurde. Anfangs etwas aufgeregt und nervös, teilte er ihm, noch stehend, die traurige Kunde mit vom Tod seiner Verwandten mit. Baron Gerbald schien schwer getroffen, doch wohl auch nicht ganz überrascht, und bat dem Boten sogleich einen Platz und Trunk an. Er selber hatte wohl den guten, aber auch hochprozentigen Kräuter nötig. Denn erst, nachdem auch er einen getrunken hatte, forderte er Urs aus, die ganze Geschichte zu erzählen. Dieser setzte sogleich an und begann mit trauriger Stimme zu berichten:
"Es begann wohl alles schon nach dem Überfall auf Storchsklausen. Eure Base Firnia von Borking machte sich danach große Sorgen, dass sie alleine die Menschen unter ihrer Herrschaft nicht würde schützen können, falls die Finsterzwerge oder ihre Schergen kommen würden. Mein alter Großonkel Brauwin Tälermannm der Burgsass von Burg Bilchtrutz, versuchte noch, ihr das Vorhaben auszureden, bezahlte Kämpfer in Dienst zu nehmen. Er hielt Eurer Base vor, dass sie weder das Geld für diese Leute habe, noch dass man solchem Volk trauen könne. Sie jedoch entschied, dass die Risiken kleiner seien als der Nutzen. Außerdem war sie der Meinung, die richtigen Leute gefunden zu haben:
Der Hauptmann der Söldnertruppe, die sie anheuerte, war ein Nostrier. Einige seiner Leute auch, der Rest waren Svelltländer, darunter wohl sogar ein Halbork und zwei gar aus dem Greifenfurtschen. Firnia von Borking meinte, dass solche Leute sich niemals mit den Andergastern, die im Dienst der Finsterzwerge standen, zusammentun würden. Doch sie wurde schwer enttäuscht und bezahlte diesen Irrtum mit ihrem Leben.
Nur wenige Tage nachdem die Söldner auf Burg Bilchtrutz Einzug gehalten hatten, geschah das Schreckliche: Mitten in der Nacht griffen die Söldlinge an und töteten fast alle Burgbewohner, und lange dachten wir auch, alle eure Verwandten. Die Söldlinge trieben sämtliche Bewohner der Umgebung zur Burg, und wir konnten die Leichen von Firnia von Borking, ihrer Familie und den meisten Bewohnern der Burg sehen. Die Söldlinge hatten sie an den Burgmauern aufgehängt — als Warnung für uns alle, sich ihnen nicht zu widersetzen. Ihr könnt euch vorstellen, dass kaum einer von uns ernsthaft etwas tun wollte. Meine Sippe ist sehr groß, doch sind wir nur arme Waldbauern und haben keine Chance gegen solch blutrünstige Söldner.
Als einer der Fischer dann seinen Sohn nach Auersbrück schickte und dieser auf dem Weg von den Söldlingen erwischt wurde, töteten die Söldlinge nicht nur den Sohn, sondern auch die ganze Familie und brannten dazu noch ihr Haus nieder. Danach waren alle gebrochen und keiner dachter mehr daran aufzubegehren. Ja wir trauten uns nicht einmal mehr, etwas zu sagen, als Wehrmeister Thorben Raul Baduar von Hammerschlag mit seinem Heer auf dem Weg zur Stolzenburg durch unsere Gegend kam und nur mit Pfeilen von den Söldlingen begrüßte wurde. Insgeheim hatten wir gehofft, dass sie, nachdem sie die Finsterzwerge besiegt hätten, zurückkommen und auch die Söldner bestrafen würden. Doch wie die erste Belagerung der Stolzenburg ausging, brauche ich euch ja nicht zu erzählen. Jedenfalls kam niemand, und unsere eh’ schon kleine Hoffnung auf Besserung schrumpfte weiter. Der einzige Silberstreif, der uns noch blieb, war, dass niemand die Leiche meines Großonkels gesehen hatte. Da er aber auch in den folgenden Wochen und Monden nicht lebendig gesehen wurde, verblasste auch dieser letzte Funken.
Doch unsere Gebete wurden doch noch erhört. Nur drei Tage vor Jahresende, am 27. Rahja 1033 BF, ich war gerade in Steinau, dem Dorf, welches bei der Burg Bilchtrutz liegt, trauten wir alle unseren Augen kaum: Eine größere Truppe ritt im scharfen Galopp auf das offene Tor der Burg Bilchtrutz zu, an der Spitze zwei richtge Ritter. Ihnen folgten sechs weitere Berittene, zwei von ihnen trugen große Banner. Diesen folgten noch einmal mehr als ein halbes Dutzend weiterer Kämpfer zu Fuß. Sie machten keine Worte, sondern handelten. Der vorderste Ritter versenkte seine Lanze in die Brust der Wache am Tor. Diese konnte zwar vorher noch Alarm schlagen, aber die Zeit reichte nicht mehr dafür aus, dass die Söldlinge das Tor schließen konnten. Es entbrannte offensichtlich ein harter Kampf, und wir im Dorf konnten so manches grausige Geräusch aus der Burg hören. Nach einiger Zeit schien der Kampf vorbei und entschieden. Ich selber konnte noch sehen, wie der Halbork in den Fluss sprang und floh. Die beiden Greifenfurter hatten sich wohl ergeben, doch hingen sie am nächsten Tag am Galgen. Wir dachten nun natürlich, wir hätten nur eine Räuberbande gegen die nächste getauscht. Doch wie gesagt, hatten die Götter uns erhört. Einige Stunden später, die Kämpfer leckten wohl noch ihre Wunden und die Mutigen unter uns trauten sich langsam näher an die Burg heran, kam ein ganzer Tross weiterer Personen. Es war wohl sowas wie der Anhang der Riter und mitten unter ihnen war mein guter Großonkel Brauwin. Er hatte die wackeren fahrenden Ritter und ihr Gefolge wohl irgendwo im Garetischen aufgetan und sie hergeholt. Noch viel größer war der Jubel, als wir dann noch eure Verwandte, die junge Azila Sephira Vieska Borking von Bilchtrutz, lebend wiedersahen. Von ihr soll ich Euch Grüße ausrichten und mitteilen, dass ihr Euch keine Sorgen machen sollt. Sobald sich die Lage wieder beruhigt hat, will sie Euch aufsuchen. In Anbetracht der Tatsache, wie lange ich gebraucht habe, um bis hierher zu kommen, kann es sehr gut sein, dass sie schon unterwegs ist."
An dieser Stelle beendete der Krambold Urs Tälermann seinen Bericht und ließ einen von Gefühlen zerrissenen Baron zurück.
Leider hat es auch recht lange gedauert, bis diese Kunde aus dem fernen Bärenklamm ihren Weg in die Schreibstube zu Steinbrücken fand, doch wollten wir der geneigten Leserschaft den Bericht des Krambolds nicht vorenthalten, zeigt er doch, dass es nicht überall im Koscherlande so ruhig und beschaulich zugeht wie in Angbar, Ferdok oder gar Gôrmel.
Anmerkung der Schriftleitung