Entführung des Prinzenpaares - Auf dem Hügelsteig

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Wengenholm, 1031

Urion sah nun auf dem Weg den Prinzen mit seinen Begleitern auf sich zureiten. Ohne eine Antwort Väterchen Nirwulfs abzuwarten, lenkte er seinen Rappen an die Seite des Schlittens, um dem Prinzen freie Sicht auf das Gefährt zu gewähren. Sobald der Zwerg dem Prinzen Bericht erstattete, würde man sicher herausfinden, welche Gefahren vor ihnen lägen.
Vogt Nirwulf hatte eben den Mund geöffnet, um Herrn Urion zu antworten, sah nun jedoch, dass er zur Seite ritt, um dem Prinzen Platz zu machen. Die Miene des Cantzlers hatte sich wieder entspannt - es war beruhigend zu wissen, dass er Herrn Edelbrecht die Nachricht von der Entführung seines Bruders und seiner Schwägerin nicht als böse Neuigkeit überbringen musste. Vielmehr sah es Nirwulf als Zeichen der Hoffnung, dass der jüngere Fürstensohn mit seinen Getreuen aufgebrochen war, um das erbprinzliche Paar zu suchen.
Lächelnd sah er den stattlichen Gemahl der Markgräfin auf sich zureiten - er war schon fast an seiner Kutsche angekommen.
Erlan lächelte freudig, als er Väterche Nirwulf in dem Schlitten entdeckte. Sein alter Lehnsherr hatte es sich wie immer gemütlich eingerichtet. Seitdem Nirwulf mit dem Fürsten auf Fürstenhort weilte, hatte er ihn nur noch selten gesehen, daher freute er sich um so mehr, ihn nun hier im Wengenholm vorzufinden. Doch er hielt erst einmal den Mund, bis die Höherrangigen den Obersten Richter begrüßt hatten.
Als der Zug den Schlitten des Väterches erreicht hatte, unterbrach Thorben das Gespräch mit Antara und sah kurz zum Prinzen, dessen Begrüßung des Hügelzwerges abwartend und gespannt darauf, warum Väterchen Nirwulf in dieser Jahreszeit im Wengenholm unterwegs war.
Prinz Edelbrecht lenkte sein Ross an die Seite der Kutsche.
"Väterchen Nirwulf, Ingerimm zum Gruße! Ich bin überrascht, Euch fernab des Hofes meines Vaters zu sehen."
Der Zwerg stand nun auf dem Kutschbock, was ihn noch immer nicht ganz auf Augenhöhe mit dem berittenen Prinzen brachte. Er zog seine pelzverkleidete Kappe und verneigte sich zu einer höflichen Verbeugung - über sein Gesicht huschte nur ein kurzes Lächeln.
„Meinen Gruß auch Euch, werter Prinz! Nun, ich fürchte, es ist der selbe unerfreuliche Grund, der uns beide zu dieser unwirtlichen Jahreszeit in diese Gegend treibt. Seine Durchlaucht gab mir den Auftrag, die Untersuchungen zu leiten.“
„So, die legendäre Spürnase des dicken Königs ist also wieder gefragt“, der etwas neckische Ton in der Stimme des Prinzen stand im Widerspruch zu seiner sorgenvollen Miene.
„Könnt Ihr Neues berichten?“
Der Hügelzwerg brummte etwas unzufrieden.
„Noch immer kein Lebenszeichen, keine Forderung irgendeines Entführers - doch ebenso kein Zeichen, das uns die Zuversicht rauben müsste. Wir haben noch Hoffnung, doch die Zeit drängt.“
Der Prinz nickte entschlossen, doch sprach nichts, so dass der Cantzer ergänzte:
„Vielleicht sollten wir Euch bis zum Erlenschloss begleiten. Wir können es bis heute Abend erreichen. Dort kann ich Euch und Eure Begleiter am Tatort ins Bild setzen. Da ich nicht weiß, wie viel ihr schon wisst, wird es sinnvoll sein, alles in kurzen Worten von Beginn an zu erzählen, und sich dann über den Weg zu beraten. Im Schloss sollte es genug Betten und Vorräte geben, um allen die nötige Kraft für die weitere Suche zu schenken.“
Erlan grinste verstohlen. Väterchen Nirwulf wusste einfach immer das Bequeme mit dem Notwendigen zu verbinden. Nachdem Prinz und Cantzler das Gespräch beendet zu haben schienen, ritt er etwas näher heran und beugte leicht den Kopf.
„Es freut mich, Euch hier zu erblicken, Väterchen Nirwulf. In letzter Zeit halten Euch Eure Pflichten in Fürstenhort leider davon ab, öfters in Angbar zu weilen. Mir scheint, ihr vermisst das gute Essen dort?“
„Nun, werter Erlan, ich vermisse es vor allem, selbst zu kochen. Das Essen auf Burg Fürstenhort, wo ich in der Tat meist weile, ist einem Fürstenhof entsprechend nicht wirklich beklagenswert.“
Der Cantzler war sichtlich bemüht, die Heiterkeit, die in diesen Worten lag, der ernsten Lage angemessen, nicht allzu sehr in sein Gesicht wandern zu lassen. Dann wies er seinen Kutscher an, das Gefährt zu wenden, was dieser mit einem leisen Murren auch sogleich tat.
Answin von Boronshof musste grinsen, als er die Szenerie betrachtete - der Prinz auf seinem Ross und der in Pelze gehüllte, auf dem Kutschbock stehende Zwerg gaben ein unterhaltsames Paar ab. Und seine Laune besserte sich weiter, als er die Einladung ins Erlenschloss vernahm.
Urion wandte sich wieder an den Cantzler.
„Noch irgendetwas, was ich wissen muss für den Weg nach Erlenschloss, Väterchen? Denn sonst machen wir uns wieder auf zur Erkundung.“
Der Cantzler hatte bei dem holprigen Wendemanöver etwas Mühe, sich würdevoll auf dem Nebensitz des Kutschbocks zu halten, während Urion neben ihm sein Pferd elegant folgen ließ.
„Nun, wir werden auf dem Hügelsteig reisen. Sonderlich gefährlich ist es hier noch nicht - nur der Schnee ist frisch und hoch. Wir werden uns sputen müssen, um das Schloss noch vor Einbruch der Nacht zu erreichen. Der Winter ist sehr früh eingebrochen dieses Jahr.“
Er bedankte sich bei dem Zwergen und wies auf Timokles und den zweiten Späher.
„Macht Euch bereit, und Timokles, nachdem wir angeritten sind, kommst du kurz mit mir. Wir müssen reden.“