Der Kronrat in der Kaiserstadt: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 11. April 2024, 19:55 Uhr


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 14 - Ingerimm 1018 BF

Der Kronrat in der Kaiserstadt

»… und so bitten Wir Euch, o Getreuer unserer Krone, Gefolgsmann unseres Reiches, Gefährte unseres Geschicks, daß Ihr Euch auf den zwölften und achten Sonnenlauf in Mutter Peraines wonnigem Monde in der Stadt Gareth feste Mauern begebet, damit dorten Euerm guten Rat und schlauem Wort Wir selbstselbsten zu lauschen gewillet seien — denn wisset, was einstmals bis zum ersten Praioslauf im Monde PRAios’ und danach auf vier fürdere Götterläufe beschworen und besiegelt ward, nämlich Unseres geliebten Gemahls geheiligter Landfriede, der Erhabene und Erwählte, das Lichteslicht, der Herr der Hände und Hälse, geweiht und gesegnet, findt sein End im fürdern Jahr. So schreibt Euch Frau Emer, des Reiches Behüterin, und sputet Euch schnell, denn düster dräut die Verdammnis an den Gestaden Nirgenden Meeres …«

Noch lange bevor der Schnee gefallen war im Götterlaufe XXV (der Herrschaft unseres guten Kaisers Hal) waren die Boten des Kaisers aus der Kapitale in die Festen und Städte der Könige, Herzogen, Fürsten und Markgrafen geeilt, und von dort gingen Sendreiter ab zu den Höfen der edelsten und tapfersten Lehnsleute des Reiches — und kniefällig überreichten die eiligen Boten den Edelmann schwere Bullen, eingeschlagen in wächsernes Tuch, geschützt gegen die Unbillen der Daimoniden und Elemente, und gesiegelt mit dem Großen Kronsiegel des Geheimen Reichs-Siegelwahrers selbst.

Überaus treu dem Kaiser und ihrem Fürsten sind die Koscher seit je, und will’s wenig verwunderlich scheinen, daß die gute und hohe Königin — die Frau Emer — einer Anzahl Vasallen aus dem wohlen und wehrbaren Lehen der Fürsten vom Eberstamm auserwählt hatte und ihnen jene Botschaft sandte.

Dies waren der ausgezeichnete Graf Growin zu Ferdok, die Reichs-Cammer-Richter, die hochgeborenen Herrn von Metenar und Vinansamt, der Komtur des Ordens vom Heiligen Golgari, Baron Nottr von Twergentrutz, die Vögte von Geistmark und Moorbrück. Und manchen wunderte es, daß der brave Bragahner nicht gerufen wurde, in staunenswerter Weise aber der Herr Flußkrabbe zu Hammerschlag, der sich doch beim Kaiserlichen Hoftage anno 21 arg gerügt sah, und zudem ein Elb ist.

Zuvor jedoch rief sie nun des herrlichen Fürsten Cantzler Duridan von Sighelms Halm nach Koschtal auf die Burg Bodrinstein, wo der Graf der Schetzenecker residiert, und wo man gemeinsam überein kommen wollte, von welcher Art das Auftreten der Koscher Delegation in des Kaisers eigenstem Hause sein möge und wie man sich in Streitfragen halten solle, von denen, so stand’s zu befürchten, es auf dem Kronrat gewißlich mehr denn genüge geben mochte. Jener Rat zu Koschtal ward von einiger Verwirrung überschattet (doch davon soll an anderer Stelle die Rede sein), was ihnen ein Vorzeichen hätte sein können auf jene Ereignisse, die zu Gareth ihren Lauf nehmen sollten.

An der Herrin Peraine 20. Praioslauf hielten nun die Gesandschaften aller Provinzen des Reiches ihren Einzug in die große Halle der Neuen Residenz: die Edlen der Westlande zufürderst, hernach die der Inneren Provinzen, dann die Lehnsleute von der Orkengrenze, und schließlich jene der fernen Grafschaften des Ostens. So waren die wackeren Koscher Adelsmannen gleich nach den Gesandschaften des albernischen Königreiches und der Nordmarken die dritten in langer Reihe. Graf Growin schritt der Schar unter dem stolzen Banner mit dem Eberkopf voran, auch wenn der Reichs-Truchseß, der für diesen Tag das Amt des Zeremonienmeisters übernommen hatte, für einen kurzen Moment in der Gestalt des Vinansamter Barons den fürstlichen Cantzler erblickt zu haben glaubte.

Fanfarenhall, Fanfarenschwall! Es nahte die Königin, die holde Herrin — und mit ihr kamen ihre schlauen Räte, die tapferen Rittsleute der Kgl. Wache im Greifenrocke, die Herolde und Secretarii, die Mundschenke und Schleppenträger bis herab zur geringsten Blumenmaid — um Hof zu halten und der Vasallen Rat zu hören und von ihren Nöten zu vernehmen.

Als die Königin — und nach ihr das Schwert der Schwerter, die erhabene Ayla von Schattengrund mit großem Gefolge aus der Löwenfeste zu Perricum — auf ihren Thronsesseln Platz genommen hatten, traten die Gesandtschaften eine um die andere vor, Gruß und Huld bringend.

Tief verneigten sich die sieben Koscher, bis ihnen die gnädige Majestät das Erheben gestattete. Wiewohl sie daheim große und mächtigen Herren sind, ein wenig schummerig und schaurig mags den hochgeborenen Vögten und Baronen, vielleicht gar dem zwergischen Grafen, ums Herz geworden sein, standen sie doch nun wahrlich ihrer einzigen und guten Königin, der Reichsbehüterin Emer selbstselbstens von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Allein, das gütige Lächeln und mit aller Kraft ihrer Stimme und ihres Herzens den Koscher Sang anstimmen.


Allhier in Kaisers Goldpalast,

habt Ihr uns heut’ geladen

Wir reisten ohne Ruh’ und Rast

zu Majestäten Gnaden.


Stemmt den Krug,

Schlürft das Bier!

Emer, Euch preisen wir!


Nun sprach der Graf der Ferdoker, während die übrigen Herren auf silbrigen Platten eilends die Gaben der Koscher herantrugen. „Dies, Eure kaiserliche Majestät, sind Figuren aus Ferdoker Zinn, die Regimenter des Reiches darstellen, welche wir mit umserm Kaiserzehnten zahlen“ (Und es waren wahrlich viele und von den besten Meistern der Grafschaft gefertigt). „Und noch etwas bringen wir Eurer Kaiserlichen Majestät in aller Bescheidenheit: Dieser Teller trägt das stolze Wappen des Reiches, von einem hochgeborenen Bragahner fußgemalt!“

Die Königin dankte ihren treuen Koschern, die sich flugs zurückzogen, um anderen Platz zu machen. Die tobrischen Edelleute waren in überaus großer Zahl herbeigeilt und doch Opfer manches Spottes — wie spracht doch ihres Herzogs Kanzler, der Baron von Bergenhus: „Wir sind arm, haben nichts als unsere Schafe und unseren Schwertarm.“ Doch waren die Ritter des Ostens wohler gelitten denn die eitlen und intriganten Darpaten, die sich nicht um den Landfrieden scheren wollten.

Schlimmer noch betrug sich der Sprecher der altreichschen Gesandten, der Baron Broderico von Tikalen, der sich nicht scheute, die Königin selbst anzugehen — freilich nur mit Worten, wie’s die Vinsaltsche Manier ist —, und es dauerte weit länger denn schicklich gewesen wäre, bis der Magus Adaon von Verliris von den Grauen Stäben vortrat und an seiner Statt leidlich und weidlich sprach. Oft genug aber wollten die Hohen des Reiches ob der der Insultationen und Provocationen nicht an sich halten und ihrem gerechtem Zorne Luft machen, Frau Emer nach Kräften supportieren, auch wenn’s nicht den Regeln der Courtoise entsprach, daß der güldene Thronsaal von hitzigen Gedanken erfüllt war, die manch einer auf dem Schlachtfeld nicht von solch edlen Herrschaften erwartet hätte.

Dem wohlgeborenen Sänger Hesindian von Drachenzahn kam die Ehre zu, vor Ihrer Majestät zu musizieren, und die Weise, die er sang und spielte, die wollte den Liebfeldern gar nicht schmecken, manch aufrechten Reichs-Ritter aber rührte sie wohl, und dem Zauber der Worte vermochte sich niemand zu entziehen. „…Aus den Augen, aus dem Sinn/So schwindet die Erinnerung hin/Das Böse hat uns schnell besessen/Wenn wir leicht vergessen …“ so mahnte die Mär von hochmütiger Kaiserin und längst geschlag’ner Schlacht, die Ballade von Brig-Lo.

Inmitten des Disputes taten sich merkwürdige Dinge: Erst erscholl ein Schrei vor dem Saale, dann ward ein Herr der Heldentrutz vom Wahn ergrifffen und spie vor der Königin aus! — der Reichs-Kanzler schickte den Geheimrat mit den Wachen, nach dem Rechten zu schauen.

Mit einem Mal aber flogen die schweren Flügel des Saales auf und herein stürzten Truchseß und Gardisten, mit vor Angst weit aufgerissen Augen und entsetzen Schreien. Ihnen aber folgten ein böser Zauberer und ein abscheulicher Krüppel, die ungehindert in des Kaisers Hause schritten und die Königin und all ihre Edlen schmähte und ihnen finstere Zeiten verhießen im Namen ihres Meisters (und was mag das für einer sein, der mächtiger noch ist?).

Dann wirkte der Magus einen bösen Zauber, Panik überkam die Edelsten des Reiches, wie zuvor die königliche Wache. Sie sprangen nach hinten, drängten und drückten, wollten vor dem unfaßlichen Grauen fliehen, wiewohl sie doch allesamt überaus tapfere Streiterinnen und wahrhafte Recken waren! Herr Myros von Metenar, der wackere, sank zu Boden der Schreck hatte sein Herz geschlagen! Wenige wollten sich auf die Eindringlinge stürzen, doch wie, war es doch allein den Geweihten der Rondra erlaubt, ihre Klingen hier zu tragen?

Magister Stoerrebrand, der III. Hofmagus, hatte im Verbund mit des Herrn PRAios Hochgeweihten und den Rittern der Göttlichen Leuin all seine Kraft zum Schutze der Königin verwandet, deren Person — den guten Göttern droben in Alveran sei‘s tausendfach gedankt! — an Leib und Seele unbeschadet blieb. Dennoch gelang es ihnen, den Adlatus, ein wirres Geschöpf der Niederhöllen, welchen der Reichs-Geheimrat eilends unter schwerster Bewachung in die Befragung-Cammern verbringen ließ.

Wenige nur hatten die Worte des schwarzen Magus zur Gänze vernommen, doch sprach er vom wiedergekehrten Dämonenmeister, vom bösen Galotta und finsteren Prophezeihungen mehr, die den prunkvollen Konvent in ein anderes Licht tauchten oder, vielmehr, ihre finsteren Schatten über diese glanzvolle Zusammenkunft warfen.

Doch seien dem Chronisten, dem es selbst vergönnt war, Zeuge der geschilderten Ereignisse zu sein, in Abwandlung eines Spruches Seiner Allergöttlichsten Magnifizenz folgende Worte gestattet: Wo die Finsternis um sich greift, da lodert das Licht des Wahren und Aufrechten umso heller und überstrahlt jedewede Düsternis!

MSV.