Schlacht von Angbar 5: Wohlan, ihr Koscher!
Wohlan, ihr Koscher!
Wengenholm und Koschim eilen zur Hilfe
Anghalm Eisenstrunk, Mauergreve von Angbar
Damals schien alles verloren — die Mauern gefallen, der Feind in der Stadt, die Tempel in Flammen, das Schloss in Trümmern... Wer hätte da noch gewagt, auf Rettung zu hoffen?
Vieska von Angenfurten, Ritterin im Gefolge des Grafen Jallik von Wengenholm
Wir nahten in größter Eile von Norden her, der Schneise der Vernichtung folgend, die der Alagrimm gezogen hatte. Graf Jallik trieb uns an, aus Angst, nicht mehr zur rechten Zeit zu kommen. Wir passierten die Ruinen einiger Gehöfte nördlich von Angbar, fanden auch hier verbrannte Felder und verkohlte Bäume. Dann sahen wir den Himmel vor uns rötlich leuchten. „Das ist Angbar, das dort brennt!“, rief der Graf. „Nun gebt das Letzte, wackre Freunde! Angbar will ich retten, meine Schwester und den Fürsten — oder auf dem gleichen Felde fallen.“
Von Wut und Sorge angetrieben, eilten wir der Stadt zu. Als wir in Sichtweite der Mauern kamen, fächerte der Graf die Schlachtreihe weit auseinander, damit unsere Zahl größer wirkte und der Alagrimm uns nicht mit einem Streich vernichten konnte. Im Zentrum ritt er selbst, rechts von ihm der Falkenritter Lucrann von Auersbrück mit dem Wengenholmer Banner sowie der Baron von Geistmark, meine Schwester Dania und ich; zur Linken, grimmig schweigend, die Golgariten um den Baron von Twergentrutz. Den einen Flügel bildeten die Wengenholmer Schwurbündler, den andern die Erzzwerge aus Koschim.
Der blinde König Gilemon ließ sich vom Hochgeweihten Esbadosch und dem Magus Voltan von Falkenhag bereden, beim Tross zurückzubleiben, in dem sich auch jener Wagen befand, beladen mit allerlei heiligem Gerät und dem großen Sarkophag aus Koschbasalt, in dem angeblich der Alagrimm gefangen werden konnte.
So rückten wir auf die Stadt vor. In der Ferne sahen wir das Flammenwesen seine Kreise ziehen, doch ansonsten erblickten wir keine feindliche Abteilung um die Mauern. War die Stadt etwa schon besetzt, erobert und verloren? Doch nein, über der Zitadelle wehte noch das Wappen Angbars, über dem Rondratempel das rote Löwenhaupt auf weißem Grund. Es bestand also noch Hoffnung.
Da deutete Herr Lucrann auf einen Hügel rechts von uns. Auf der Kuppe sahen wir einige Bewaffnete, die schnell hinter der Anhöhe verschwanden. „Mir nach!“, befahl der Graf und brach aus der Schlachtreihe aus. Wir ritten um den Hügel — und prallten zurück. Dort, auf einer Wiese, standen zahlreiche eherne Dreifüße, in denen kleine Feuer brannten, offenbar nach einem bestimmten Muster angeordnet. Ein Stück dahinter sahen wir zwei Karren, auf denen wohl das Zeug herbeigeschafft worden war. Ein Dutzend Waffenträger bewachten in einigem Abstand diese merkwürdige Stätte, in deren Mitte eine Frau stand, die uns zunächst den Rücken zukehrte. Als sie sich umwandte, erkannten wir sie: Es war Charissia von Salmingen, die Zauberin, die all das Übel zu verantworten hatte. Sie schien überrascht, uns hier zu sehen, für einen Moment starrten wir uns an. Dann ging alles sehr schnell: Wir preschten los, die Waffenknechte stellten sich zwischen uns und ihre Herrin, wir kämpften. Vom Waffenlärm herbeigelockt, stürmten unsere Wengenholmer heran, Charissias Schergen wurden niedergemacht. Wir ritten über den Platz und stießen die Dreifüße um, traten die Flammen aus und erstickten sie mit Erde. Aber wo waren die Angroschim geblieben?
Ontho von Koschtal, Geweihter der Hesinde zu Angbar
Mehr und mehr Bürger flüchteten sich auf die Zitadelle, brachten furchtbare Nachrichten von Greueltaten und Zerstörung mit sich. Der Stadtvogt, der am Bein verwundet war, versuchte die Ordnung zu wahren und sich ein Bild von der Lage zu machen. Wie es schien, gab es keine einheitliche Führung mehr, unsere Leute fochten an verschiedenen Stellen der Stadt unter dem Befehl eines der Anführer. Der Wehrmeister, so hieß es, bestürmte mit den übrigen Schlachtreitern, unterstützt vom Bärenfanger Bergbanner, die Garnison, in der sich eine Zahl von Feinden eingenistet hatte. Prinz Anshold sammelte Versprengte, um die Straßen von Kruming zu sichern. Die Meister Nirdamon und Eisenstrunk organisierten die Brandwehr neu, um wenigstens die unversehrten Viertel vor den Flammen bewahren zu können. Da öffnete sich erneut das Tor, und eine große Menge von Flüchtigen strömte in den Hof, darunter der Fürst, zu Fuß und sichtlich erschöpft, des weiteren Prinzessin Nadyana und die Fürstinmutter, die von zwei Zofen gestützt werden musste, aber unversehrt schien. Gerade wollte man hinter ihnen die Festung wieder schließen, als ein Hornstoß erscholl und ein Trupp Angroschim den Hügel hinaufstürmte. Sie eilten durchs Tor, und an ihrer Spitze erkannte ich Hochkönig Albrax, dessen Gesicht fürchterlich mit Blut verschmiert war — doch offensichtlich nicht sein eigenes. „Was sitzt ihr hier herum?“, rief er voll Grimm, „Hört ihr die Hörner nicht? Das ist mein Vetter Gilemon aus Koschim!“ Und wirklich, von ferne erklang durch den Lärm der Schlacht das dumpfe Dröhnen von mächtigen Hörnern. „Das ist Irborad, das Grafenhorn von Wengenholm!!“, rief nun Frau Nadyana. „Gleichviel, da nahen Freunde!“, sagte der Fürst. „Wohlan, ihr Koscher! Wer noch laufen kann und kämpfen, der eile ihnen entgegen. Ihr, Albrax, sollt sie führen!“ Und so stürmte das letzte Aufgebot der Angbarer den Hügel hinab und durch die Stadt, um sich mit Wengenholm und Koschim zu vereinen.